Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit vom 17. Juni 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/10983 19. Wahlperiode 19.06.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ingrid Nestle, Lisa Badum, Dr. Julia Verlinden, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/10468 – Einsatz von Schwefelhexaflourid in der Energiewirtschaft V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Schwefelhexafluorid (SF6) ist das stärkste bisher bekannte Treibhausgas und gehört zu den sechs Treibhausgasen, die im Kyoto-Protokoll reglementiert sind. Die Emission von einem Kilogramm SF6 trägt genauso viel zur Klimaerhitzung bei wie 22 800 Kilogramm Kohlendioxid (CO2). Das Gas wird in einer Vielzahl von Anwendungen eingesetzt. Hauptsächlich wird SF6 im Produktionsbereich der Elektroindustrie und im Apparatebau verwendet , beispielsweise für den Bau von Schaltanlagen. In der Summe wurden 2017 in diesem Industriezweig knapp 82 Prozent der in Deutschland abgegebenen Gesamtmenge von SF6 verarbeitet, das entspricht rund 18,1 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente (www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Umwelt/ Klimawirksame-Stoffe/Publikationen/Downloads-Klimawirksame-Stoffe/schwefel hexafluorid-5332401177004.pdf?__blob=publicationFile&v=5). Zukünftig könnten sich diese Mengen, im Apparatebau und im Betrieb der Netztechnik nun weiter erhöhen. Die Energiewende erfordert in ihrer nächsten Phase den Ausbau und die intelligente Steuerung von Verteilnetzen. Somit werden bei zunehmendem Ausbau der Mittelspannungsnetze die Zahlen für den Einsatz von SF6 weiter ansteigen. Im Markt sind bereits schon heute alternative Technologien für die Mittelspannungsebene vorhanden, fehlen jedoch gänzlich für die Hoch- und Höchstspannungsebene. Eine im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit erstellte Studie von Ecofys mit dem Titel „Konzept zur SF6-freien Übertragung und Verteilung elektrischer Energie“ aus dem Jahr 2018 schlussfolgert, dass ohne klare politische Zielsetzung die Reduktion der SF6-Emissionen durch die Industrie hinter den Möglichkeiten zurückbleibt. Mit Blick auf den Ausbau der Netzinfrastruktur ist somit zu befürchten, dass die SF6-Emissionen weiter ansteigen, wenn keine alternativen Isoliergase eingesetzt werden. Weiter geht aus dem Bericht hervor, dass die SF6-Emissionen der Elektroindustrie verstärkt außerhalb der Europäischen Union anfallen, beispielsweise wurden vermehrt neue Produktionen in der Türkei aufgebaut. Im Zusammenhang mit der Tatsache, dass die Abgabemengen an die Energieversorger steigen (vgl. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/10983 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode DESTATIS), ist nach Ansicht der Fragesteller somit zu vermuten, dass vermehrt Emissionen in der Elektroindustrie und im Apparatebau in Nicht-EU-Länder verlagert werden (www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/2503/ dokumente/endbericht_sf6_de.pdf). Das erklärte Ziel der Verordnung (EU) Nr. 517/2014 über fluorierte Treibhausgase war, dazu beizutragen, die Emissionen des Industriesektors bis zum Jahr 2030 um 70 Prozent gegenüber 1990 zu verringern. Insbesondere sollte für die Industrie ein Anreiz zur Verwendung von Alternativen geschaffen werden. Der aktuelle Anstieg beim Einsatz in der Energieversorgung steht diesem Ziel entgegen (vgl. Artikel 21, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/ PDF/?uri=CELEX:32014R0517&from=DE). 1. Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus dem laut Statistischen Bundesamt erfolgten Anstieg der Verwendung von SF6 bei Energieversorgungsunternehmen ? Laut Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 15. Mai 2019 sinkt die von den Energieversorgern verwendete Menge an SF6 im Jahr 2018 gegenüber dem Vorjahr von 10,2 auf 9 Tonnen. Bei der Betrachtung eines längeren Zeitraumes wird deutlich, dass es sich um jährliche Schwankungen handelt. (Quelle: www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2019/05/PD19_186_32421.html; jsessionid=C494D933A7C4397AE99CF81899195327.internet722). Entscheidend für die Umwelt sind die Emissionen. Die Emissionen aus der Verwendung elektrischer Betriebsmittel sanken von 7,1 Tonnen im Jahr 2010 auf 6,2 Tonnen im Jahr 2017. Insgesamt (Produktion, Verwendung und Entsorgung) sanken die Emissionen bei den elektrischen Betriebsmitteln von 18,7 Tonnen (2010) auf 12,7 Tonnen (2017) bei gleichzeitig steigender Produktion und Verwendung . 2. Sieht die Bundesregierung einen sofortigen Handlungsbedarf, die Verwendung von SF6 in der Energieversorgung zu reduzieren, und wenn nein, warum nicht? Die Gesamtemissionen von SF6 aus dem Bereich elektrischer Betriebsmittel haben sich seit 2005 aufgrund einer laufenden Selbstverpflichtung zwischen dem Verband der Netzbetreiber (VDN), dem Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) und dem Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) bereits halbiert. Die Selbstverpflichtung enthält konkrete Zielvorgaben zu emissionsmindernden Maßnahmen im gesamten Lebenszyklus des Stoffes, von der Herstellung über den Betrieb der betroffenen Anlagen bis zur Zerstörung beziehungsweise der Wiederverwendung des Stoffes. Ein Monitoring liefert jährlich Daten zur Überprüfung der vereinbarten Maßnahmen. Die Bundesregierung sieht vor diesem Hintergrund keinen sofortigen Handlungsbedarf . Hinsichtlich der weiteren Perspektiven wird auf die Antwort zu den Fragen 4 bis 6 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/10983 3. Geht die Bundesregierung davon aus, dass durch den Ausbau der Niederund Mittelspannungsnetze die eingesetzte Menge von SF6 weiter ansteigen wird, und wenn ja, in welchem Umfang? Die Bundesregierung geht nicht von drastischen Steigerungen der eingesetzten SF6-Mengen im Nieder- und Mittelspannungsbereich im Verhältnis zur Gesamtanzahl aller Schaltanlagen aus. Bislang war ein abnehmender Trend zu beobachten . Stieg der Bestand der Mittelspannungsanlagen in Deutschland im Jahr 2010 noch um 7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, waren es 2016 nur 4 Prozent. Trotz des Ausbaus von Elektromobilität und Windenergie in Deutschland durch Onshore- und Offshore-Windenergieanlagen und der damit verbundenen Netzverstärkungen erwarten Experten aufgrund des Einsatzes intelligenter Systeme (z. B. Smart Meter, automatisierte, kontrollierbare Einheiten) keinen nennenswerten Zuwachs im Bereich von SF6-Schaltanlagen. Im Bereich der Mittelspannung steht zudem für eine Vielzahl von Anwendungen bereits ausgereifte Alternativen zur Verfügung, in denen SF6 durch andere Isoliergase ersetzt wurde. 4. Wurden von der Bundesregierung klare politische Ziele für die weitere Reduktion des SF6-Einsatzes und der damit verbundenen Emissionen festgelegt ? a) Wenn ja, um welche Mengen oder Ziele handelt es sich? b) Wenn nein, welche Beweggründe führt die Bundesregierung an? 5. Welche Schlüsse und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Empfehlung des Abschlussberichtes der Ecofys-Studie, dass ohne klare politische Zielstellung die weitere Reduktion der SF6-Emissionen durch die Industrie hinter den Möglichkeiten zurückbleiben werde? 6. Welche Position vertritt die Bundesregierung bezüglich der in der Verordnung (EU) Nr. 517/2014 angekündigten weiteren Überprüfung eines SF6- Verbots für sekundäre Mittelspannungsschaltanlagen unter Berücksichtigung kostenwirksamer, technisch realisierbarer, energieeffizienter und zuverlässiger Alternativen bis zum 1. Juli 2020? Die Fragen 4 bis 6 werden wegen des Sachzusammenhanges gemeinsam beantwortet . Nach Auffassung der Bundesregierung ist die Formulierung umweltpolitischer Ziele ein wesentliches Instrument, um Innovationen zugunsten der Umwelt voranzutreiben . Dies muss nicht zwingend auf ordnungsrechtlichem Weg erfolgen. Die in der Antwort zu Frage 2 genannte Selbstverpflichtung war das Ergebnis eines intensiven Dialogs zwischen der Bundesregierung und den beteiligten Verbänden über ambitionierte Beiträge zum Klimaschutz. Aus klimapolitischen Gründen hält die Bundesregierung weitere Anstrengungen zur Minderung der europaweiten SF6-Emissionen für erforderlich. Die entsprechenden politischen Ziele müssen aus Sicht der Bundesregierung auf europäischer Ebene formuliert werden. Die Selbstverpflichtung läuft im Jahr 2020 aus. Die Bundesregierung steht im Kontakt mit der Industrie zu neuen, anspruchsvollen Zielen. So können nach Auffassung der Bundesregierung die Gesamtemissionen bis zum Jahr 2030 nochmals mindestens halbiert werden. In der Hochspannung kann das Emissionsreduktionspotential nach Auffassung der Bundesregierung derzeit vor allem durch den Austausch von Altanlagen durch moderne, dichtere SF6-Anlagen umgesetzt werden . Alternativen zu SF6 sind in diesem Bereich noch in der Erprobungsphase. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/10983 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Um weitere Einsparungen zu erreichen, ist es auch notwendig den Ursprung der vergleichsweise hohen Emissionen bei der Herstellung von „sonstigen elektrischen Betriebsmitteln“ zu ermitteln und entsprechende Minderungsoptionen zu entwickeln, siehe hierzu auch die Antwort zu Frage 11. Die Europäische Kommission ist aufgrund von Artikel 21 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 517/2014 verpflichtet, zum 1. Juli 2020 über mögliche Alternativen zum Einsatz von SF6 in Mittelspannungsschaltanlagen zu berichten und ggf. einen Regelungsvorschlag zu unterbreiten. Auch die Ergebnisse der Ecofys-Studie werden in diese Überprüfungsprozesse einfließen. Die Bundesregierung wird erst im Lichte des Kommissionsberichts abschließend prüfen, ob die klimapolitischen Ziele durch eine novellierte (europäische) Selbstverpflichtung erreicht werden können oder zusätzlicher Regelungsbedarf besteht. 7. Gibt es seitens der Bundesregierung bzw. der zuständigen Bundesministerien Überlegungen, durch den Einsatz von bereits heute verfügbaren SF6- Alternativen die Klimabilanz von Neuanlagen zu optimieren bzw. durch ein Ersatzprogramm für Bestandsanlagen SF6-Emissionen für sekundäre Mittelspannungsschaltanlagen zu verringern? Die Bundesregierung ist nicht der Auffassung, dass ein Ersatzprogramm für Bestandsanlagen erforderlich ist. Aufgrund ihrer Lebensdauer ist eine große Zahl bestehender Anlagen in naher Zukunft zu ersetzen. Stilllegung und die Entsorgung der Isoliergase unterliegen Anforderungen nach der F-Gas-Verordnung zur Verhinderung von Emissionen. Unabhängig davon, dass heute eingesetzte elektrische Betriebsmittel mit SF6 bereits sehr niedrige Leckageraten von unter 0,1 Prozent aufweisen, stehen ausgereifte Alternativen insbesondere für den Mittelspannungsbereich zur Verfügung. Die Entscheidung über die bei Ersatz - oder Neuanlagen zu verwendende Technologie liegt bei den Betreibern. Hier ist allerdings Aufklärungsarbeit notwendig, um entsprechende Ausschreibungen für Alternativen zu öffnen. 8. Sind durch die Bundesbaubehörden oder die zuständigen Länderbehörden Vorgaben über den Einsatz und den Bezug von SF6-gefüllten Mittelspannungsanlagen bei zukünftigen Neubau- und Sanierungsvorhaben geplant? Die Broschüre des Arbeitskreises Maschinen und Elektrotechnik staatlicher und Kommunaler Verwaltungen (AMEV) „Planung und Bau von Elektroanlagen in öffentlichen Gebäuden (EltAnlagen 2015)“ enthält folgende Empfehlung zur Ausführung von Schaltfeldern in Mittelspannungsanlagen: „Im Allgemeinen sollte luftisolierten Anlagen mit Blick auf die Lebenszykluskosten und die klimaschädlichen Auswirkungen von SF6-Gas der Vorzug gegeben werden.“ Der AMEV ist ein Bund-Ländergremium im Bereich der Gebäudetechnik, der die Aufgabe hat, die Liegenschafts- und Hochbauverwaltungen des Bundes, der Länder und der kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften unter Beachtung der jeweiligen Eigenverantwortung bei der Planung und Durchführung ihrer Bauaufgaben sowie dem Betrieb ihrer Anlagen der Technischen Ausrüstung zu unterstützen . Hierbei werden insbesondere Empfehlungen für Planung, Erstellung und Betrieb von Anlagen der Technischen Ausrüstung erarbeitet, wie u. a. die per Erlass des Bauministeriums eingeführte „EltAnlagen 2015“. Nach Kenntnis der Bundesregierung wird in einigen Bundesländern bereits grundsätzlich bei öffentlichen Neubau- und Sanierungsvorhaben auf die Installation von SF6-Gas gefüllten Mittelspannungsanlagen verzichtet. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/10983 9. Hält die Bundesregierung die Festlegungen der Verordnung (EU) Nr. 517/2014 in Bezug auf den Einsatz von SF6 vor dem Hintergrund der zu erwartenden Steigerung von SF6-Emissionen durch den Netzausbau im Hinblick auf die Erreichung der deutschen Klimaschutzziele für ausreichend? Es wird auf die Antworten zu den Fragen 3 bis 6 verwiesen. 10. Welche Schlüsse und welchen Handlungsbedarf zieht die Bundesregierung aus der Verlagerung von SF6-Emissionen aus der Europäischen Union hinaus ? Der Bundesregierung ist nicht bekannt, ob und in welchem Umfang Produktionsverlagerungen europäischer Hersteller von SF6-Schaltanlagen in das nichteuropäische Ausland erfolgten. Der Bundesregierung ist insbesondere nicht bekannt, ob der in der Ecyfys-Studie angegeben Anstieg von SF6-Emissionen aus elektrischen Betriebsmitteln auf Produktionsverlagerungen europäischer Hersteller zurückzuführen ist oder andere Faktoren, einschließlich unterschiedlicher Monitoring- und Bewertungssysteme, eine Rolle spielen. SF6 ist wegen seines hohen Treibhauspotenzials vom Kyoto-Protokoll erfasst. Daher geht die Bundesregierung davon aus, dass auch andere Vertragsparteien des Kyoto-Protokolls SF6 in ihre Überlegungen zu nationalen Klimazielen einbeziehen . 11. Hat die Bundesregierung die Absicht, Forschung und Entwicklung von SF6- freier Technologie im Mittel-, Hoch- und Höchstspannungsbereich elektrischer Anlagen zu fördern, und wenn ja, wie? Die Ecofys-Studie hat weiteren Klärungsbedarf beim Einsatz von SF6 in sog. „sonstigen Betriebsmitteln“ (etwa Messwandlern oder Kondensatoren) identifiziert . Die Bundesregierung betrachtet es zunächst als Aufgabe der betroffenen Industrie, die Ergebnisse der Studie zu validieren und mögliche Alternativen für diese Einsatzbereiche zu untersuchen. Sie steht hierzu im Austausch mit dem Begleitkreis der Selbstverpflichtung (Arbeitskreis SF6). 12. Mit welchen sonstigen konkreten Maßnahmen will die Bundesregierung einem Anstieg der SF6-Abgabemengen und Emission entgegenwirken? Es wird auf die Antworten zu den Fragen 2, 4 bis 6 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333