Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 19. Juni 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/11042 19. Wahlperiode 24.06.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jessica Tatti, Susanne Ferschl, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/10139 – Diskriminierung in Jobcentern – Risiken, Erfahrungen, Abwehr V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Leistungsbeantragende und leistungsbeziehende Personen sind auf die existenzsichernden Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), das Arbeitslosengeld II, angewiesen. Aus der Forschung ist bekannt, dass die Leistungsbearbeitung und die Arbeitsvermittlung in den Jobcentern an besonders diskriminierungssensiblen Schnittstellen angesiedelt sind und teilweise selbst diskriminierend wirken bzw. wirken können oder als diskriminierend wahrgenommen werden (so beispielsweise Antidiskriminierungsstelle des Bundes (Hrsg.) (2017): Diskriminierungsrisiken und Diskriminierungsschutz in der öffentlichen Arbeitsvermittlung. In: Dies.: Diskriminierung in Deutschland. Dritter Gemeinsamer Bericht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes und der in ihrem Zuständigkeitsbereich betroffenen Beauftragten der Bundesregierung und des Deutschen Bundestages, im Folgenden kurz: ADB 2017: 367-487; Brussig, Martin; Frings, Dorothee; Kirsch, Johannes (2017): Diskriminierungsrisiken in der öffentlichen Arbeitsverwaltung. Baden-Baden: Nomos, im Folgenden kurz: Brussig u. a. 2017; Hemker, Johannes Rink, Anselm (2017): Multiple Dimensions of Bureaucratic Discrimination: Evidence from German Welfare Offices, in: American Journal of Political Science, Vol. 61, No. 4, pp. 786- 803). Eine Repräsentativbefragung von Privathaushalten in Deutschland im November 2015 ergab, dass Jobcenter und Arbeitsagenturen am häufigsten genannt wurden, wenn nach Diskriminierungserfahrungen auf Ämtern und Behörden gefragt wurde (ADB 2017: 285 f., 290-297). Als Beispiele für diskriminierende Prozesse, Verfahren und Strukturen in den Jobcentern wurden von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2017: 395 ff.) unter anderem fehlende baulich barrierefreie Zugänge, institutionell bedingte Sprachbarrieren (Beratung nur in deutscher Sprache), nicht begründete und intransparente (Ermessens-)Entscheidungen , diskriminierende ermessenslenkende Weisungen, Verfahrensabläufe und Software-Architekturen, strukturelle Benachteiligungen aufgrund des Alters oder der ethnischen Herkunft sowie benachteiligenden individuellen Verhaltensweisen bei Ermessensentscheidungen, wie Voreingenommenheit (Bias), Creaming/Parking (so auch Brussig u. a. 2017: 49 f.), erfasst. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11042 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jobcenter werden auf die Erfüllung von Kennzahlen und die Einhaltung organisationaler Routinen verpflichtet. Der nichtdiskriminierende Umgang mit teils belasteter Klientel erfordert Zeit, Fachwissen und regelmäßige Möglichkeit zur Super- bzw. Intervision. Um den Mitarbeitenden einen nichtdiskriminierenden Umgang mit den Leistungsbeziehenden zu erlauben, wird von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes unter anderem vorgeschlagen, die Vorgaben der Kennzahlen, Zeitbudgets, Fortbildungs - sowie Feedback-Angebote anzupassen (ADB 2017: 463 f., 486 f.). Weiter empfehlen die Antidiskriminierungsstelle des Bundes und die Untersuchung von Brussig u. a. (2017) beispielsweise die Einführung eines Verbandsklagerechts zum Diskriminierungsschutz und die Einrichtung unabhängiger und neutraler Beschwerdestellen (ADB 2017: 476; Brussig u. a. 2017: 278-302). Erschwerend für die Einschätzung und Bewertung von Diskriminierungsrisiken und -erfahrungen muss nach Ansicht der Fragesteller berücksichtigt werden, dass der Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) nach langen Diskussionen im Wesentlichen auf die Bereiche der Erwerbstätigkeit und private Rechtsbeziehungen beschränkt wurde, Ämter und Behörden damit dem AGG nicht unterliegen (vgl. auch § 2 Absatz 2 AGG). Der Diskriminierungsschutz leistungsbeantragender und -beziehender Personen wird in den Jobcentern somit teilweise über das Völker- und Europarecht, Artikel 3 des Grundgesetzes sowie spezialgesetzliche Regelungen im Sozialgesetzbuch gesichert, während das AGG nur dann vollumfänglich anwendbar ist, wenn es um die Beschäftigungsbedingungen der Mitarbeitenden in den Jobcentern geht (siehe Antidiskriminierungsstelle des Bundes (3. Aufl. 2017): Handbuch „Rechtlicher Diskriminierungsschutz“. Baden-Baden: Nomos, S. 30, Kap. 4.2). Die unterschiedlichen Schutzniveaus und Rechtbehelfsmöglichkeiten sind aus Sicht der Fragesteller für die Betroffenen kaum erkennbar und erschweren den Diskriminierungsschutz. Ausdrücklich erkennen die Fragestellerinnen und Fragesteller an, dass die Bundesagentur für Arbeit und die Jobcenter in den letzten Jahren bereits wichtige Maßnahmen und Schritte unternommen haben, die geeignet erscheinen, Benachteiligungen und Diskriminierungsrisiken abzubauen. Dazu gehört u. a. der Aufbau eines Diversity Managements (vgl. www.wir-sind-bund.de/SharedDocs/ Anlagen/WSB/DE/Downloads/leitfaden-diversity-management-projekt-29.pdf? __blob=publicationFile) sowie Maßnahmen zur Stärkung der Chancengleichheit von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt (vgl. beispielsweise Franzke, Bettina (2014): Genderaspekte in der beschäftigungsorientierten Beratung. Neue Entwicklungen im SGB II und SGB III. Bielefeld: wbv). Die Fragestellerinnen und Fragesteller wollen erfahren, welche weiteren Maßnahmen des Diskriminierungsschutzes in den Jobcentern bestehen bzw. geplant sind und wie die bestehenden Regelungs- und Umsetzungslücken konkret geschlossen werden sollen. 1. Für welche der in § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) genannten Diskriminierungsmerkmale existiert ein Verbot der Benachteiligung , das für die Tätigkeit der Jobcenter (gemeinsame Einrichtungen und Jobcenter in kommunaler Trägerschaft) gegenüber den leistungsbeantragenden und leistungsbeziehenden Personen gilt? Auf welcher einklagbaren Rechtsgrundlage beruhen diese Verbote? Gibt es Diskriminierungsmerkmale über die in § 1 AGG genannten hinaus, für die es im Bereich der Jobcenter (gemeinsame Einrichtungen und Jobcenter in kommunaler Trägerschaft) Benachteiligungsverbote gibt? Falls ja, welche sind das, und auf welcher Rechtsgrundlage beruhen diese Verbote? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/11042 2. Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass nach den Regelungen des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch in den Jobcentern eine Benachteiligung aufgrund der „Rasse“ oder wegen der „ethnischen Herkunft“ oder „Behinderung “ grundsätzlich verboten ist, während eine Diskriminierung aufgrund der Zuweisung der Merkmale „Geschlecht“, „Religion oder Weltanschauung “, „Alter“ und „sexuelle Identität“ lediglich bezüglich der Berufsberatung , der Berufsbildung, der beruflichen Weiterbildung sowie der Umschulung verboten ist? Dürfen leistungsbeantragende und -beziehende Personen in den Jobcentern aufgrund der Zuweisung bestimmter Merkmale („Geschlecht“, „Religion oder Weltanschauung“, „Alters“, „sexuelle Identität“) benachteiligt werden, sofern es die Leistungserbringung von Arbeitslosengeld II betrifft? Falls nein, welche dieser Merkmale unterliegen aufgrund welcher Rechtsgrundlagen einem Diskriminierungsverbot? Die Fragen 1 und 2 werden gemeinsam beantwortet. Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch sind vom Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ausgenommen, da für diese die § 33c des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) und § 19a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) gelten (§ 2 Absatz 2 Satz 1 AGG). Im Verhältnis zwischen Jobcenter und Personen, die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende beantragen oder beziehen, finden daher die sozialrechtlichen Diskriminierungsverbote und Artikel 3 Grundgesetz (GG) Anwendung. Nach § 33c SGB I darf bei der Inanspruchnahme sozialer Rechte niemand aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft oder einer Behinderung benachteiligt werden. § 19a SGB IV, der gemäß § 1 Absatz 2, Halbsatz 2 SGB IV auch für die Grundsicherung für Arbeitsuchende anwendbar ist, enthält das Verbot der Diskriminierung für alle in § 1 AGG genannten Diskriminierungsmerkmale im Bereich der Berufsberatung, der Berufsbildung, der beruflichen Weiterbildung und der Umschulung einschließlich der praktischen Berufserfahrung. § 36 Absatz 2 Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) i. V. m. § 16 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) enthält Diskriminierungsverbote für die Vermittlung. In dieser Norm sind sämtliche Diskriminierungsmerkmale des § 1 AGG enthalten. Darüber hinaus sind noch zwei weitere Merkmale explizit genannt und durch den Hinweis auf „ähnliche Merkmale“ wird deutlich, dass die Aufzählung nicht abschließend ist. § 36 Absatz 2 SGB III vermittelt somit einen umfassenderen Schutz als § 1 AGG. Unabhängig von diesen einfachgesetzlich normierten Diskriminierungsverboten ergibt sich im öffentlichen Recht – und damit auch im Sozialrecht – bereits verfassungsrechtlich unmittelbar ein umfassendes Verbot der Ungleichbehandlung und der Benachteiligung aufgrund der dort aufgeführten Merkmale. Nach Artikel 3 Absatz 1 GG sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Der allgemeine Gleichheitssatz des Artikel 3 Absatz 1 GG erfasst dabei auch die Merkmale sexuelle Orientierung und Alter. Gemäß Artikel 3 Absatz 2 GG sind Männer und Frauen gleichberechtigt. Ausdrückliche Differenzierungsverbote finden sich in Artikel 3 Absatz 3 GG. Danach darf niemand wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen und politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Außerdem darf niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Die Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11042 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht, Artikel 1 Absatz 3 GG. Die Jobcenter sind daher stets unmittelbar an die umfassenden Diskriminierungsverbote des Artikels 3 Absatz 2 und 3 GG sowie den allgemeinen Gleichheitssatz nach Artikel 3 Absatz 1 GG gebunden. 3. Wie erklärt sich die Unterscheidung von zwei Gruppen von Diskriminierungskriterien in § 36 Absatz 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (i. V. m. § 16 Absatz 2 SGB II für Jobcenter relevant), die systematisch vom AGG abweicht? Welche konkreten Prüfmechanismen und Sanktionsregelegungen existieren in den Jobcentern, um in der Arbeitsvermittlung Diskriminierungen zu verhindern bzw. deren negativen Folgen wiedergutzumachen? Die von den Fragestellern angesprochene Unterscheidung von zwei Gruppen von Diskriminierungskriterien in § 36 Absatz 2 SGB III ist historisch zu erklären. Durch das Gesetz zur Umsetzung der europäischen Richtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vom 14. August 2018 wurden in § 36 Absatz 2 Satz 2 SGB III die in § 36 Absatz 2 SGB III a. F. zu diesem Zeitpunkt noch nicht explizit aufgeführten Diskriminierungsmerkmale des § 1 AGG aufgenommen . § 36 Absatz 2 SGB III bietet einen umfassenderen Schutz vor Diskriminierungen als § 1 AGG (siehe Antwort zu den Fragen 1 und 2). Bei Aufnahme eines Stellenangebotes prüft die Vermittlungs- und Beratungsfachkraft , ob dieses nicht gegen ein Gesetz oder die guten Sitten verstößt. Ist im Falle eines Verstoßes der Arbeitgeber nicht bereit, sein Stellenangebot gesetzeskonform abzuändern, wird der Vermittlungsauftrag und somit die Übernahme des Stellenangebotes in die Betreuung der Bundesagentur für Arbeit abgelehnt. Wird eine Stellenausschreibung durch Dritte beanstandet, prüft die zuständige Vermittlungs - und Beratungsfachkraft, ob ein Verstoß gegen § 36 SGB III vorliegt. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 4 und 6 verwiesen. 4. Wie können ggf. Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität durch die Jobcenter beziehungsweise Mitarbeitende der Jobcenter überwacht und sanktioniert werden? Gibt es Regelungen bzw. Schutzansprüche analog oder ähnlich den §§ 13 bis 16 AGG (Schadensersatz, Entschädigungsansprüche etc.), die im Wirkungsbereich der Jobcenter gelten? Falls ja, welche genau? Welche Bedeutung misst die Bundesregierung der Ansicht von Brussig u. a. (2017: 130 f.) bei, dass Amtshaftungsverfahren wesentlich höhere Anforderung stellen als die Verfolgung von Ansprüchen nach dem AGG? Warum werden an Leistungsbeziehenden nach dem SGB II höhere Anforderungen gestellt als an andere Arbeitsuchende? Es besteht die Möglichkeit einer formlosen Beschwerde bzw. Gegenvorstellung. Soweit ein Verwaltungsakt ergangen ist, kann die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns in einem Widerspruchsverfahren umfassend überprüft werden. Sofern dem Widerspruch nicht abgeholfen wird, ist gegen den Widerspruchsbescheid der Weg zu den Sozialgerichten eröffnet. Daneben besteht die Möglichkeit , Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die betreffende Mitarbeiterin bzw. den betreffenden Mitarbeiter einzulegen, wenn deren Verhalten als diskriminierend aufgefasst wurde. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/11042 Die Regelungen in § 33c Satz 2 SGB I und § 19a Satz 2 SGB IV bedeuten, dass eine Verletzung der jeweiligen Diskriminierungsverbote nicht selbst Ansprüche auf soziale Leistungen nach den einzelnen Büchern des Sozialgesetzbuches begründen kann. Ansprüche wegen Amtspflichtverletzung sowie der sozialrechtliche Herstellungsanspruch bleiben davon unberührt. Vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Entscheidung, dass das AGG auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch keine Anwendung findet, werden unterschiedliche Anforderungen bei der Geltendmachung von Ansprüchen innerhalb und außerhalb des Anwendungsbereichs des AGG von Seiten der Bundesregierung nicht infrage gestellt. 5. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Fazit von Brussig u. a. (2017: 186), dass der gesetzliche Diskriminierungsschutz in der Arbeitsverwaltung nicht ausreiche, um die Verpflichtung der EU-Antidiskriminierungsrichtlinien effektiv umzusetzen? Welche konkreten Schritte hat die Bundesregierung seit Veröffentlichung von Brussig u. a. (2017) umgesetzt bzw. eingeleitet, um den Betroffenen von Diskriminierung in der Arbeitsverwaltung einen einfach zugänglichen Diskriminierungsschutz entsprechend der EU-Diskriminierungsrichtlinien und der Vorgaben aus internationalen Konventionen und aus dem Diskriminierungsschutz des GG zu ermöglichen? Die einfachgesetzliche Regelung in § 33c SGB I setzt die Antidiskriminierungsrichtlinie (RL 200/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000) um; mit der Vorschrift des § 19a SGB IV wird neben der Richtlinie 2000/43/EG auch die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 und die Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates umgesetzt, wobei die letztgenannte Richtlinie zwischenzeitlich durch die Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 ersetzt worden ist. Mit den genannten Regelungen hat der Gesetzgeber die europarechtlichen Vorgaben umgesetzt. Die in den genannten Vorschriften einfachgesetzlich untersagten Ungleichbehandlungen sind im öffentlichen Recht und damit auch im Sozialrecht schon aus verfassungsrechtlichen Gründen grundsätzlich unzulässig. Der rechtliche Rahmen des SGB II zielt auf eine dem Einzelfall entsprechende, bedarfsgerechte Förderpraxis ab, die sich an den individuellen Unterstützungsbedarfen der erwerbsfähigen Leistungsbezieher ausrichtet. Die umsetzenden Behörden achten im Rahmen ihrer Rechts- und Fachaufsicht darauf, dass das mit diesem Ansatz verbundene Ermessen diskriminierungsfrei umgesetzt wird. Für Antragsteller besteht darüber hinaus die Möglichkeit, gegen Einzelfallentscheidungen Beschwerde oder Widerspruch einzulegen bzw. Klage zu erheben. Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11042 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 6. Welche Möglichkeiten zur Beschwerde, zum Widerspruch oder zu anderen Formen der Korrektur bzw. des Ausgleichs von Rechtsverletzungen haben Personen, die sich in bzw. von Jobcentern diskriminiert fühlen? Wie wird organisatorisch verhindert, dass eingereichte Beschwerden vom lokalen, internen Beschwerdemanagement pauschal zurückgewiesen werden , z. B. aus Solidarität unter Kolleginnen und Kollegen (vgl. ADB 2017: 468 f.)? Werden eingereichte Beschwerden und deren Bearbeitung zumindest stichprobenartig überörtlich oder durch die Träger überprüft? Falls ja, wie? Beschwerden können telefonisch oder schriftlich auch per E-Mail eingelegt werden . Ist eine Klärung auf lokaler Ebene nicht möglich, stehen die weiteren Stufen über die Regionaldirektionen und das zentrale Kundenreaktionsmanagement der Bundesagentur für Arbeit offen. Das Kundenreaktionsmanagement ist vom operativen Geschäft losgelöst und eine eigenständige Anlaufstelle, an die sich Betroffene mit Beschwerden, Kritik, Lob und Anregungen wenden können. Dies schließt Beschwerden über mögliche Diskriminierungen ein. Durch die systematische Auswertung dieser Rückmeldungen kann das Kundenreaktionsmanagement mögliche Fehlentwicklungen frühzeitig erkennen und als Führungsinstrument dazu beitragen, diese zu vermeiden. Zu den Strukturen in den Jobcentern, die als zugelassene kommunale Träger organisiert sind, liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Zudem wird auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen. 7. Wie überprüft nach Kenntnis der Bundesregierung die Bundesagentur für Arbeit (BA), ob hinsichtlich der Zuweisung in Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit diskriminierende Gesichtspunkte mit einfließen (Beispiele: in eine Maßnahme „Arbeitsgelegenheiten“ mit Schwerpunkt Nähen werden nur Frauen, in eine Maßnahme „Arbeitsgelegenheiten“ mit Schwerpunkt Fahrradreparatur werden nur Männer zugewiesen; in eine Maßnahme zur beruflichen Weiterbildung werden überproportional Deutsche zugewiesen etc.)? Handlungsleitend für die Integrationsarbeit ist jeweils der festgestellte individuelle Unterstützungsbedarf. Bei der Auswahl von Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit werden persönliche berufliche Interessen, Neigungen und Ziele mitberücksichtigt . Im Jahr 2017 wurde die sog. verlaufsbezogene Kundenbetrachtung als fachaufsichtliche Aktivität der Bundesagentur für Arbeit etabliert. Gegenstand der Betrachtung ist der Gesamtprozess der Beratung und Betreuung durch die Integrationsfachkräfte mit besonderem Fokus darauf, ob Bedürfnisse und Handlungserfordernisse erkannt und auf dieser Grundlage sinnvolle Entscheidungen für zielführende und aufeinander aufbauende Maßnahmen getroffen wurden. Unterstützend kann hier der „Gendercheck“ im Führungskräfte-Informations-System der Bundesagentur für Arbeit herangezogen werden. Darin werden neben der übergreifenden Zielerreichung auch ausgewählte Kennzahlen (u. a. Maßnahmeeintritte ausgewählter Maßnahmen) nach Frauen, Männern und Alleinerziehenden differenziert dargestellt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/11042 8. Wie verhindert die Bundesregierung, dass durch das stark strukturierte Vorgehen und das Profiling in der Arbeitsvermittlung (Stichworte: 4-PM, Fachkonzept zur Integrationsarbeit, BeKo) individuelle Bedarfe der Betroffenen nicht ausreichend erfasst werden und sich die Vermittlung, entgegen der geäußerten Absicht, nicht am Einzelfall, sondern an einer möglichst schnellen Integration, die aber wenig nachhaltig ist, orientiert (vgl. Brussig u. a. 2017: 216-222)? Welche konkreten Schritte hat die Bundesregierung seit der Veröffentlichung von Brussig u. a. (2017) diesbezüglich eingeleitet? Die Auffassung, das Profiling und die genannten Fachkonzepte zur Strukturierung des Beratungs- und Vermittlungsprozesses die Gefahr einer möglichst schnellen, aber wenig nachhaltigen Vermittlung begründeten, wird von der Bundesregierung nicht geteilt. Das 4-Phasen-Modell der Integrationsarbeit beschreibt die Prozesse der Integrationsarbeit in beiden Rechtskreisen (SGB II und SGB III) und bildet ein Referenzsystem, an dem sich das Handeln im Kernprozess von Vermittlung und Beratung orientiert. Handlungsleitend ist immer der individuelle Unterstützungsbedarf der Leistungsberechtigten. Das durchzuführende Profiling ist dabei an dem Zielberuf bzw. der Tätigkeit mit der höchsten nachhaltigen Integrationswahrscheinlichkeit auszurichten. Die Beratungskonzeption der Bundesagentur für Arbeit (BeKo) unterstützt und ergänzt das 4-Phasen-Modell. Sie vermittelt den Integrationsfachkräften eine Orientierung, auf welche Art und Weise die Prozesse des 4-Phasen-Modells kundenorientiert und individuell im Beratungsgespräch gestaltet werden können. Passgenaue Methoden und Techniken sowie verankerte Handlungsprinzipien (z. B. Ressourcen- und Lösungsorientierung, Wertschätzung) zur grundlegenden Orientierung und Ausrichtung unterstützen dabei. Im März 2017 wurde das Integrationskonzept der Bundesagentur für Arbeit auf der Basis von Berichten von Prüfinstanzen, Erkenntnissen aus Modellvorhaben und Rückmeldungen aus Agenturen für Arbeit und gemeinsamen Einrichtungen, die Verbesserungspotenziale in der Integrationsarbeit aufzeigten, überarbeitet. Damit wurde, um die Nachhaltigkeit im Integrationsprozess zusätzlich zu fördern, ein entsprechender Passus zur Nachbetreuung nach Arbeitsaufnahme aufgenommen . Demnach ist zu prüfen, ob eine weitere Unterstützung der betreffenden Person nach Arbeitsaufnahme (z. B. nach § 29 Absatz 3 SGB III oder § 16g SGB II) für eine nachhaltige Integration erforderlich ist, und mit welchen Aktivitäten die Hilfebedürftigkeit gegebenenfalls nachhaltig beendet oder verringert werden kann. Zudem ist eine berufliche Neuorientierung mit Blick auf eine dauerhafte Integration zu prüfen. Auch soll die Erfolgsaussicht des gemeinsam mit den Leistungsberechtigten festzulegenden Integrationsziels mit Blick auf eine nachhaltige Integration beurteilt werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11042 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 9. Wie bewertet die Bundesregierung, dass laut der Evaluation des ESF- Bundesprogramms (ESF = Europäischer Sozialfonds) zur Eingliederung langzeitarbeitsloser Leistungsberechtigter nach dem SGB II (Brookmann, Bernhard; Brändle, Tobias; Klee, Günther; Kugler, Philipp; Sippli, Khira; Apel, Helmut; Fuchs, Philipp: Evaluation des ESF-Bundesprogramms zur Eingliederung langzeitarbeitsloser Leistungsberechtigter nach dem SGB II auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Zwischenbericht. Im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Forschungsbericht 511: S. 145 f., 173 f.) geförderte Frauen schlechter entlohnt werden als geförderte Männer, also im staatlichen LZA-Programm der Gender-Pay-Gap reproduziert wird? Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung bezüglich anderer Maßnahmen der Beschäftigungsförderung bzw. von Lohnkostenzuschüssen nach SGB II und SGB III bezüglich des Gender-Pay-Gaps von geförderten Frauen und Männern? Welche konkreten Schritte plant die Bundesregierung, damit in Maßnahmen der Arbeitsförderung der Gender-Pay-Gap künftig nicht mehr reproduziert wird? Der bereinigte Gender Pay Gap für geförderte Beschäftigungen im Rahmen des ESF-Bundesprogramms zur Eingliederung langzeitarbeitsloser Leistungsberechtigter nach dem SGB II beträgt 2 Prozent, der vom Statistischen Bundesamt berichtete Gender Pay Gap für alle Beschäftigten beträgt 5,6 Prozent. Grundsätzlich ist zu beachten, dass bei Förderungen zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, wie dem Eingliederungszuschuss, sowie bei beschäftigungsschaffenden Maßnahmen, wie dem Bundesprogramm Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt, dem ESF-Bundesprogramm oder den neu eingeführten Förderungen nach § 16i und § 16e SGB II, Löhne anteilig subventioniert werden. Insofern überrascht es nicht, dass sich – wie bei nicht-subventionierter Beschäftigung – ein Gender Pay Gap auch für subventionierte Beschäftigung zeigt. Allerdings zeigt die bisherige empirische Evidenz , dass Frauen tendenziell mehr von Maßnahmen der Beschäftigungsförderung profitieren als Männer. Die Bundesregierung hat keine Möglichkeit, unmittelbaren Einfluss auf Löhne zu nehmen, zu denen Arbeitnehmerinnen und Abreitnehmer eingestellt werden, so lange sich diese im Rahmen des rechtlich Zulässigen bewegen. Eine klischeefreie und geschlechtergerechte Beratung im Rahmen der Integrationsarbeit der Jobcenter kann aus Sicht der Bundesregierung dazu beitragen, eventuelle geschlechtsbedingte Lohnunterschiede in geförderten Beschäftigungsverhältnissen zu reduzieren. Deshalb hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Zuge der Programmumsetzung des ESF-Bundesprogramms zur Eingliederung langzeitarbeitsloser Leistungsberechtigter nach dem SGB II die Frage eines gendersensiblen Auswahl- und Vermittlungsprozesses mit Hilfe der Begleitforschung und der ESF-finanzierten Agentur für Querschnittsziele mehrfach thematisiert. Dies geschah in Workshops, bei Vor-Ort-Besuchen und durch eine Handreichung, die allen teilnehmenden Jobcentern zur Verfügung gestellt wurde. Im Mittelpunkt stand zunächst der unzureichende Frauenanteil an den Geförderten. Die Reaktionen aus der Praxis deuteten darauf hin, dass eine Mischung aus Motivation, Kinderbetreuungsproblemen und einer eher an traditionellen Männertätigkeiten ausgerichtete Arbeitsnachfrage ursächlich sein könnte. Aus den bisher vorliegenden Forschungsberichten ist nicht zu entnehmen, dass der Auswahl- und Vermittlungsprozess der Jobcenter hier eine wesentliche Rolle gespielt haben. Dieser Frage und derjenigen zu den Lohndifferenzen werden die in den Jahren 2020 und 2021 folgenden Forschungsberichte weiter nachgehen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/11042 10. Welche konkreten Schritte hat die Bundesregierung seit den Veröffentlichungen der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2017) und Brussig u. a. (2017) umgesetzt oder eingeleitet, um a) die Stellung der Leistungsbeziehenden nach SGB II im Verfahren zu verbessern und die Partizipationsmöglichkeiten zu stärken (a. a. O.: 286 f.), Mit dem 9. SGB II-Änderungsgesetz wurde geregelt, dass zu Beginn des Vermittlungsprozesses zunächst eine individuelle Einschätzung zu den für die Eingliederung erforderlichen persönlichen Merkmalen, den beruflichen Fähigkeiten und der Eignung geführt werden soll (Potenzialanalyse nach § 15 Absatz 1 SGB II). Die Potenzialanalyse bildet die Grundlage der Integrationsprognose für die Vermittlung und Beratung sowie den Einsatz von Eingliederungsleistungen (Bundestagsdrucksache 18/8041, S. 41). Dies stellt sicher, dass Ausgangspunkt des gesamten Eingliederungsprozesses die individuell festgestellten Kompetenzen der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten sind. Ihre Stellung im Integrationsprozess wurde damit zugleich gestärkt. Die Partizipation von Menschen mit Behinderungen wurde durch das Bundesteilhabegesetz verbessert. Insbesondere im Rahmen der seit dem 1. Januar 2018 gesetzlich verankerten Teilhabeplankonferenzen erhalten Menschen mit Behinderungen stärkere Partizipations-möglichkeiten. Hierbei beraten alle beteiligten Behörden zusammen mit den Leistungs-berechtigten und ihren Vertrauenspersonen, wie und durch wen die beantragten Teilhabeleistungen zu erbringen sind. b) die Transparenz der Entscheidungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jobcenter zu verbessern (a. a. O.: 288 f.), In Bezug auf die Forderungen nach einer schriftlichen Begründung von ablehnenden Entscheidungen sieht die Bundesregierung angesichts der §§ 33, 35 SGB X keinen Handlungsbedarf. c) die Professionalisierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jobcenter zu erhöhen (a. a. O.: 289 f.), Die Bundesagentur für Arbeit nutzt im Rahmen ihres Diversity Managements bewusst die unterschiedlichen und vielfältigen Kompetenzen ihrer Beschäftigten, um gute Dienstleistungen zu erbringen. Mit der Unterzeichnung der „Charta der Vielfalt“ hat sich die Bundesagentur für Arbeit zu deren Zielen – Förderung von Vielfalt sowie Antidiskriminierung – bekannt, sowie im Kontext ihres Diversity Managements zahlreiche Maßnahmen eingeleitet und umgesetzt, um möglichen Diskriminierungsrisiken in ihren verschiedenen Aufgabenfeldern vorzubeugen. Neben Angeboten der Personalentwicklung ist auch die Förderung einer wertschätzenden Organisationskultur eine wesentliche Rahmenbedingung, um diskriminierendes Verhalten zu verhindern und Vielfalt zu fördern. In verschiedenen Qualifizierungsmaßnahmen werden die Beschäftigten in den Arbeitsagenturen und in den gemeinsamen Einrichtungen seit vielen Jahren zu Diskriminierungsrisiken , Diskriminierungsschutz sowie Vielfalt umfangreich geschult. In diesen Qualifizierungsmaßnahmen setzen sich die Teilnehmenden intensiv mit dem Aspekt „Vielfalt“ auseinander. Sie werden sensibilisiert, ein diskriminierungsfreies Arbeitsumfeld zu schaffen und Vielfalt zu begreifen, anzuerkennen und zu fördern . Der Fokus ist hierbei auf die Reflexion des eigenen Handelns und dessen Wirkung auf Andere gerichtet. Hierdurch soll bei den Teilnehmenden eine höhere Sensitivität und Bewusstseinsbildung entwickelt werden. Insbesondere wird hierbei auch die Thematik im Kontext des AGG aufgegriffen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11042 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Zusätzliche Angebote stehen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jobcenter in den beiden SGB II-Kompetenzzentren der Bundesagentur für Arbeit mit den Standorten Weimar und Northeim und über den Bildungsmarkt SGB II zur Verfügung. Um die Qualifizierungsinhalte zielgerichtet mit der Praxis zu verzahnen und den Transfer in den Arbeitsalltag zu unterstützen, können Beschäftigte verschiedene Instrumente nutzen (z. B. individuelle Lernbegleitung, Supervision oder Praxisberatung). In den gemeinsamen Einrichtungen obliegt die Verantwortung für die Personalentwicklung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Geschäftsführungen. Eine Verpflichtung zur Inanspruchnahme der Angebote der Bundesagentur für Arbeit besteht nicht. Für die zugelassenen kommunalen Träger liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. d) die Kennzahlensteuerung der Jobcenter weiterzuentwickeln und sorgfältiger auf diskriminierende Wirkungen zu überwachen (a. a. O.: 291 f.), Die bundesweite Zielsteuerung basiert auf drei Kennzahlen mit je vier Ergänzungsgrößen . Die Auswertung der Kennzahlen erfolgt auch nach unterschiedlichen Personengruppen, um ggf. Unterschiede zu erkennen und in den Gesprächen zur Zielerreichung zu thematisieren. Seit Mitte 2018 steht den Verantwortlichen für die Steuerung auf Bundes- und Landesebene sowie in der Bundesagentur für Arbeit und den Jobcentern zusätzlich das Faktenblatt Gleichstellung im SGB II zur Verfügung. Hiermit lassen sich Unterschiede zwischen Frauen und Männern sehr einfach identifizieren. Mögliche diskriminierende Effekte können auf diese Weise erkannt und im Rahmen der operativen Umsetzung bearbeitet werden. Bundesweites Schwerpunktthema in der Zielsteuerung ist seit 2018 Gleichstellung von Frauen und Männern. e) die Zusammenarbeit zwischen Jobcentern, anderen Behörden und sozialen Diensten hinsichtlich des Diskriminierungsschutzes zu verbessern (a. a. O.: 292 ff.), Die Lebenssituation von Leistungsberechtigten nach dem SGB II ist häufig durch komplexe Bedarfslagen gekennzeichnet, die die Zuständigkeit anderer Leistungsträger berühren. Die funktionierende Zusammenarbeit mit diesen Stellen hat zentrale Bedeutung für eine erfolgreiche Beratung, Betreuung und Vermittlung durch die Jobcenter. Das Gesamtkonzept „MitArbeit“ (Gesamtstrategie zum Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit in der 19. Legislaturperiode) des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales sieht deshalb ausdrücklich vor, dass die verschiedenen Schnittstellen des Jobcenters zu anderen Leistungsträgern weiterbearbeitet und verbessert werden sollen, insbesondere im Bereich der Gesundheitsförderung und der beruflichen Rehabilitation. Hierzu hat die Bundesregierung bereits einige wichtige Schritte unternommen. So wurden mit dem Bundesteilhabegesetz die Grundlagen für Modellvorhaben zur Stärkung der Rehabilitation geschaffen, die mit dem Bundeprogramm „Innovative Wege zur Teilhabe am Arbeitsleben – rehapro“ gefördert werden. Das Bundesprogramm rehapro ermöglicht den Jobcentern, in Modellprojekten neue Formen der Zusammenarbeit der Rehabilitationsträger oder neue Ansätze zur Unterstützung von Menschen mit gesundheitlichen Unterstützungs- oder Rehabilitationsbedarfen zu erproben. Insgesamt stehen für die Umsetzung des Bundesprogramms rehapro bis 2026 Haushaltsmittel in Höhe von rund 1 Mrd. Euro zur Verfügung . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 11 – Drucksache 19/11042 Weiterhin ist vorgesehen, die in der letzten Legislaturperiode initiierten Netzwerke für Aktivierung, Beratung und Chancen (Netzwerke ABC) fortzuführen. Diese zielen auf eine enge Zusammenarbeit mit den kommunalen Trägern (z. B. Sucht- und Schuldnerberatung, psychosoziale Betreuung, Kinderbetreuung) und weiteren Akteuren (z. B. Krankenkassen, Rehabilitationsträger). Diese erfolgreiche Netzwerkarbeit soll weiter ausgebaut und auf sämtliche Jobcenter ausgeweitet werden. f) Ausgrenzungen wegen eines Diskriminierungskriteriums zu vermeiden (a. a. O.: 294 ff.), Die geltenden Regelungen des SGB II begründen nach Auffassung der Bundesregierung keine Diskriminierung oder Ausgrenzung bestimmter Personengruppen , etwa wegen Alters oder des Vorliegens einer Behinderung. Dies gilt auch, soweit das Sanktionenrecht des SGB II teilweise nach dem Alter differenziert. Darüber hinaus ist nicht erkennbar, dass in der Praxis bestimmte diskriminierungsgefährdete Gruppen in besonderem Maße von Sanktionen betroffen wären. Im Übrigen ist die Überprüfung der Sanktionstatbestände Gegenstand des laufenden Dialogprozesses zur Zukunft der Arbeit und des Sozialstaats innerhalb des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Die Sanktionsregelungen sind derzeit außerdem Gegenstand eines Verfahrens beim Bundesverfassungsgericht. Die Entscheidung steht noch aus. Es bleibt abzuwarten, welche Impulse sich hieraus ergeben. Mit Blick auf erwerbsfähige Leistungsberechtigte ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber den Jobcentern mit dem Bundesteilhabegesetz die neue Aufgabe zugewiesen hat, zeitgleich mit der Bearbeitung eines Antrages auf Arbeitslosengeld II auch zu prüfen, ob Teilhabeleistungen für Menschen mit Behinderungen in Betracht kommen und gegebenenfalls auf eine Antragstellung beim zuständigen Reha-Träger hinzuwirken (vorrangige Prüfung von Leistungen zur Teilhabe: § 9 Absatz 1 i. V. m. Absatz 4 SGB IX). g) den Rechtsschutz gegen Diskriminierungen zu stärken (a. a. O.: 297 ff.), Die Bundesregierung beabsichtigt derzeit nicht – neben den bestehenden Ansprüchen aus Amtspflichtverletzung sowie dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch – verschuldensunabhängige sozialrechtliche Schadensersatzansprüche einzuführen. h) der Herausbildung stereotyper Arbeitsmarksegmente gegenzusteuern (a. a. O.: 299 f.) und Jobcenter sind bereits nach geltendem Recht verpflichtet, zur Verbesserung der beruflichen Situation von Frauen auf die Beseitigung bestehender Nachteile sowie auf die Überwindung des geschlechtsspezifischen Ausbildungs- und Arbeitsmarktes hinzuwirken und Frauen mindestens entsprechend ihrem Anteil an den Arbeitslosen und ihrer relativen Betroffenheit durch Arbeitslosigkeit zu fördern. Dies ergibt sich aus § 1 Absatz 2 Nummer 4 SGB III, auf den in § 16 Absatz 1 Satz 4 SGB II Bezug genommen wird. Mit dem Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen vom 30. Juni 2017 (BGBl. I 2017, 2152) hat der Gesetzgeber der Bundesagentur für Arbeit außerdem aufgegeben, geschlechtersensibel zu beraten und darauf hinzuwirken , das Berufswahlspektrum von Frauen und Männern zu erweitern (§ 29 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11042 – 12 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Absatz 2 Satz 2 und 3 SGB III). Auch diese Regelung findet im SGB II entsprechende Anwendung (über § 16 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 SGB II). Ziel dieser Regelungen ist es, dass Berufs- und Studienwahl sowie Bewerbungsverhalten möglichst unabhängig von stereotypen Rollenbildern erfolgen (Bundestagsdrucksache 18/11133 S. 76). i) möglichen Diskriminierungen durch Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber entgegenzuwirken (a. a. O.: 300 f.) (bitte jeweils konkret auf die einzelnen Punkte eingehen)? Die Agentur für Arbeit hat bei ihrer Vermittlungstätigkeit grundsätzlich von den ihr vom Arbeitgeber mitgeteilten Anforderungen der angebotenen Stellen auszugehen . Allerdings ist die Agentur für Arbeit verpflichtet, die Stellenangebote der Arbeitgeber dahingehend zu prüfen, ob diese gegen Diskriminierungsverbote verstoßen . Die im Stellenangebot vorgenommenen Einschränkungen sind nur dann zu berücksichtigen, soweit sie gesetzlich zulässig sind. 11. Hat die Bundesregierung vor bzw. plant die Bundesregierung, das Aufgabengebiet der gemäß § 18e SGB II bestellten Beauftragten für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt (BCA), die primär in Fragen der Frauenförderung , der Gleichstellung von Männern und Frauen am Arbeitsmarkt sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf beratend tätig werden sollen, um Aufgaben des allgemeinen Diskriminierungsschutzes auszuweiten oder eine gesetzliche Regelung zu schaffen, die eine Beauftragte oder einen Beauftragten für Diskriminierungsschutz vorsieht? Derzeit plant die Bundesregierung nicht, das Aufgabenspektrum der Beauftragten für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt zu erweitern oder eine Beauftragte bzw. einen Beauftragten für Diskriminierungsschutz gesetzlich zu verankern. 12. Plant die Bundesregierung die Ergänzung des vorhandenen Kundenreaktionsmanagement um unabhängige und neutrale Beschwerdestellen bzw. Ombudsstellen , die einen unabhängigen Ermittlungsauftrag und Schlichtungsbzw . Befriedungsauftrag haben (vgl. z. B. ADB 2017: 480)? Derzeit plant die Bundesregierung nicht, unabhängige Beschwerde- bzw. Ombudsstellen gesetzlich zu verankern. 13. Wie viele Fälle sind der Bundesregierung bekannt, in denen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jobcenter (gemeinsame Einrichtungen) gegenüber den Jobcentern, der BA oder dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales über diskriminierendes Verhalten durch Kolleginnen und Kollegen bzw. Vorgesetzten beschwert haben (bitte absolute Zahlen jährlich seit 2007 angeben und zusätzlich getrennt nach Gründen gemäß § 1 AGG aufschlüsseln )? Gegenüber wie vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Jobcenter wurden gemäß § 12 Absatz 3 AGG Maßnahmen wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung ergriffen, um andere Beschäftigte vor Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot gemäß § 7 Absatz 1 AGG zu schützen (bitte absolute Zahlen jährlich seit 2007 angeben und zusätzlich getrennt nach Maßnahmen aufschlüsseln)? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 13 – Drucksache 19/11042 14. Wie viele Fälle sind der Bundesregierung bekannt, in denen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jobcenter (gemeinsame Einrichtungen) gegenüber den Jobcentern, der BA oder dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales über diskriminierendes Verhalten durch Kundinnen und Kunden beschwert haben (bitte absolute Zahlen jährlich seit 2007 angeben und zusätzlich getrennt nach Gründen gemäß § 1 AGG aufschlüsseln )? Gegenüber wie vielen Kundinnen und Kunden der Jobcenter wurden gemäß § 12 Absatz 4 AGG Maßnahmen ergriffen, um Beschäftigte vor Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot gemäß § 7 Absatz 1 AGG zu schützen (bitte absolute Zahlen jährlich seit 2007 angeben)? Welche Maßnahmen wurden in diesen Fällen ergriffen? Die Fragen 13 und 14 werden gemeinsam beantwortet. Der Bundesregierung liegen hierzu keine statistischen Auswertungen vor. 15. Wie viele Fälle sind der Bundesregierung bekannt, in denen sich erwerbsfähige Leistungsberechtige gegenüber den Jobcentern, der BA oder dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales über diskriminierendes Verhalten durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschwert haben (bitte absolute Zahlen jährlich seit 2007 angeben und zusätzlich getrennt nach Gründen gemäß § 1 AGG aufschlüsseln)? Welche Maßnahmen wurden in diesen Fällen ergriffen? 16. Wie viele Fälle sind der Bundesregierung bekannt, in denen sich erwerbsfähige Leistungsberechtige gegenüber den Jobcentern, der BA oder dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales über diskriminierende Prozesse und Strukturen in den Jobcentern beschwert haben (bitte absolute Zahlen jährlich seit 2007 angeben und zusätzlich getrennt nach bemängelten Prozessen und Strukturen aufschlüsseln)? Welche Maßnahmen wurden in diesen Fällen ergriffen? 17. Wie viele Fälle sind der Bundesregierung bekannt, in denen sich erwerbsfähige Leistungsberechtige gegenüber den Jobcentern, der BA oder dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales über diskriminierende Gesetze und Verordnungen beschwert haben (bitte absolute Zahlen jährlich seit 2007 angeben und zusätzlich nach bemängelten Rechtsvorschriften aufschlüsseln)? Welche Maßnahmen wurden in diesen Fällen ergriffen? Die Fragen 15 bis 17 werden gemeinsam beantwortet. Auskunft gegeben werden kann nur über Fälle von SGB II-Leistungsberechtigten , die in der KRM-IT-Anwendung der Bundesagentur für Arbeit dokumentiert und mit dem Merkmal „AGG“ gekennzeichnet wurden. Viele Fälle werden erfahrungsgemäß direkt im Gespräch vor Ort oder mit der Teamleitung geklärt und nicht zur Erfassung gegeben. Zudem nutzen nicht alle gemeinsamen Einrichtungen die KRM-IT-Anwendung. Außerdem wird in der Erfassung nicht unterschieden , ob die Beschwerdeführenden sich auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Gesetze /Verordnungen oder Prozesse/Strukturen beziehen. 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2 3 0 1 10 25 1 Von diesen Fällen wurde nur ein Fall im Jahr 2013 mit „begründet“ abgeschlossen . Aufgrund der datenschutzrechtlich erforderlichen Löschung der Falldaten kann nicht mehr nachvollzogen werden, welche Maßnahmen ergriffen wurden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333