Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 18. Juni 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/11043 19. Wahlperiode 21.06.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Bettina Stark-Watzinger, Christian Dürr, Markus Herbrand, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/10330 – Offene NFC-Schnittstelle – Schaffung fairer Wettbewerbsbedingungen beim mobilen Bezahlen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Mobiles Bezahlen ist auf dem Vormarsch. Basis für das Bezahlen mit dem Smartphone ist die NFC-Technologie, wobei NFC für „Near Field Communication “ steht. NFC-Chips sind sowohl in Kassenterminals als auch im Smartphone integriert. Über eine kurze Distanz werden die notwendigen Daten per Funk zwischen beiden NFC-Chips übertragen. Die zwei häufigsten verkauften Betriebssysteme auf Smartphones sind Android und iOS. Während der NFC-Chip bei Android-Geräten für Drittanbieter offen ist, blockiert Apple die Öffnung der NFC-Schnittstelle bei iOS-Geräten. Banken und Bezahldienstleistungsunternehmen können daher ihre eigenen Bezahldienste auf diesen Geräten nicht ihren Kunden anbieten. Sie sind daher auf die Kooperation mit Apple zur Nutzung des „Apple Pay“-Bezahldienstes angewiesen , um ihren Kunden überhaupt ein mobiles Bezahlen mit dem iPhone zu ermöglichen . 1. Ist nach Auffassung der Bundesregierung bei Apple Pay in Verbindung mit einer geschlossenen NFC-Schnittstelle ein Anwendungsfall für die von den Koalitionspartnern CDU, CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag (vgl. dort Zeilen 1938 ff.) angestrebte Schaffung eines sogenannten Level Playing Field gegeben? Die Offenheit von Märkten ist grundsätzlich eine wesentliche Voraussetzung für wirksamen Wettbewerb und liegt im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher . Wenn Unternehmen mit marktbeherrschenden Betriebssystemen/Plattformen ihre Schnittstellen nicht für alle Zahlungsdienstleister zur Verfügung stellen , kann hierdurch der Zugang zu den entsprechenden Märkten erschwert oder verschlossen sein. Dies kann im Rahmen der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht des Bundeskartellamts oder der Europäischen Kommission adressiert werden . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11043 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Die kartellrechtlichen Missbrauchsverbote richten sich jedoch nur an Unternehmen in marktbeherrschender Stellung bzw. an solche Unternehmen, von denen kleine und mittlere Unternehmen derart abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten auf andere Unternehmen und technische Lösungen nicht bestehen (sog. relative Marktmacht). 2. Stand oder steht die Bundesregierung mit Apple im Austausch über die Öffnung der NFC-Schnittstelle? a) Sofern ja, auf welcher Arbeitsebene fanden wann Gespräche statt? b) Ging es bei den Gesprächen, um eine allgemeine Öffnung der NFC- Schnittstelle (d. h. jeder App-Anbieter kann sie für seine Anwendungen nutzen) oder um die Öffnung für einzelne Anwendungen (z. B. eID-Daten des Personalausweises)? Die nachfolgenden Angaben beziehen sich auf die aktuelle Wahlperiode und erfolgen auf der Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse sowie vorhandener Unterlagen und Aufzeichnungen. Darüber hinaus pflegen die Bundeskanzlerin, Ministerinnen und Minister, Parlamentarische Staatssekretärinnen bzw. Parlamentarische Staatssekretäre und Staatsekretärinnen bzw. Staatssekretäre aufgabenbedingt in jeder Wahlperiode Kontakte mit einer Vielzahl von Akteuren. Eine Verpflichtung zur Erfassung sämtlicher geführter Gespräche (einschließlich Telefonate ) besteht nicht, und eine solche umfassende Dokumentation wurde auch nicht durchgeführt (siehe dazu auch die Vorbemerkung der Bundesregierung der Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/1174). Die nachfolgenden Ausführungen bzw. aufgeführten Angaben sind somit möglicherweise nicht vollständig. Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel hat am 22. Oktober 2018 ein Gespräch mit dem CEO von Apple, Tim Cook, geführt, bei dem auch dieses Thema erörtert wurde. Zudem fanden am 14. April 2018 und am 13. Dezember 2018 Gespräche zwischen der Amtsleitung des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik und Apple statt. Dabei ging es um die Nutzung der NFC-Schnittstelle unter iOS für staatliche Anwendungen. Darüber hinaus stand die Bundesregierung auf Fachebene mit Apple im Austausch zur Öffnung der NFC-Schnittstelle. Dabei ging es u. a. um die Möglichkeit zum Auslesen der eID-Daten des Personalausweises. 3. Sind der Bundesregierung Fälle in Deutschland, Europa oder der Welt bekannt , in denen – wie dies für die Brexit-App geplant ist (www.heise.de/macand -i/meldung/Apple-will-iPhone-NFC-fuer-Brexit-App-oeffnen-4370273. html) – die NFC-Schnittstelle für Drittanwendungen geöffnet ist bzw. wird? a) Wann ja, welche Fälle sind das, und ist der Bundesregierung bekannt, mit welcher Begründung der Zugang zur NFC-Schnittstelle hier gewährt wird? b) Geht die Bundesregierung davon aus, dass der Zugang nur selektiv und nur insoweit gewährt wird, als er den Geschäftsinteressen von Apple, insbesondere dem Interesse, eigene Dienste wie Apple Pay zu etablieren bzw. zu begünstigen, nützt? Der Bundesregierung sind – neben der Brexit-App – keine weiteren Fälle bekannt , in denen die NFC-Schnittstelle – über Leseanwendungen hinaus – für Drittanwendungen geöffnet wurde. Allerdings ist der Bundesregierung bekannt, dass es eine Zusammenarbeit im Öffentlichen Nahverkehr, u. a. bei der Suica- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/11043 Karte des ÖPNV in Japan gibt. Eine Auflistung ähnlicher Anwendungen (Leseanwendungen ) ist über Apple unter: https://support.apple.com/en-us/HT207958 zu finden. Über die Gründe für die (selektive) Zugangsgewährung hat die Bundesregierung keine eigenen Kenntnisse. 4. Liegen dem Bundeskartellamt zwischenzeitlich Beschwerden hinsichtlich eines missbräuchlichen Verhaltens von Apple im Bereich der Zahlungsdienstleistungen vor (vgl. Antwort zu Frage 24, Bundestagsdrucksache 19/8104)? Prüft das Bundeskartellamt von sich aus, ob eine ggf. wettbewerbswidrige Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung vorliegt? Dem Bundeskartellamt liegen weiterhin keine Beschwerden hinsichtlich eines missbräuchlichen Verhaltens von Apple im Bereich der Zahlungsdienstleistungen vor. Das Bundeskartellamt prüft derzeit, ob und inwieweit es sich beschwerdeunabhängig die Wettbewerbsbedingungen bei digitalen bzw. mobilen Bezahlsystemen genauer ansieht. Dies gilt auch im Hinblick auf die Rahmenbedingungen und Optionen für Finanzdienstleister, allein oder in Kooperationen eigene innovative Lösungen für den Zahlungsverkehr zu etablieren. 5. Kann sich die Bundesregierung vorstellen (oder hat sie es ggf. schon), unabhängig von einem Missbrauchsverfahren durch das Bundeskartellamt, zu untersuchen , ob die Nichtfreigabe der NFC-Schnittstelle durch Apple für Dritte eine wettbewerbswidrige Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung darstellt? Die Untersuchung, ob die Nicht-Freigabe der NFC-Schnittstelle durch Apple für Dritte eine wettbewerbswidrige Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung darstellt, obliegt den zuständigen Wettbewerbsbehörden, d. h. dem Bundeskartellamt oder der Europäischen Kommission. 6. Wann, und wie plant die Bundesregierung hinsichtlich der Plattformökonomie im Finanzdienstleistungsbereich der Digitalisierung Rechnung zu tragen und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft sicherzustellen (vgl. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, Zeile 1938 ff.)? a) Welche Maßnahmen sind konkret geplant? b) Wie sieht der Planungs- und Umsetzungszeitrahmen aus? Die Bundesregierung hat die regulatorischen und verbraucherschutzpolitischen Herausforderungen durch Online-Plattformen und global agierende Digitalunternehmen mit neuen (digitalen) Geschäftsmodellen angenommen. Es ist vorgesehen , das Kartellrecht in Bezug auf die Digitalisierung und Globalisierung der Wirtschaftswelt zu modernisieren und das Wettbewerbsrecht für digitale Geschäftsmodelle zu ergänzen. Zudem soll die wettbewerbsbehördliche Aufsicht weiterentwickelt werden, insbesondere im Hinblick auf missbräuchliches Verhalten von Plattformunternehmen. Um diese Ziele zu erreichen, wurde die „Kommission Wettbewerbsrecht 4.0“ eingesetzt und mit den Arbeiten an der 10. Novelle des GWB begonnen. Die „Kommission Wettbewerbsrecht 4.0“ dient dabei als rechtspolitische Plattform für eine Debatte zur Weiterentwicklung insbesondere auch des europäischen Wettbewerbsrechts . Sie befasst sich mit den wettbewerbspolitischen Fragestellungen, die Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11043 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode sich durch die fortschreitende Entwicklung der Datenökonomie, die Verbreitung von Plattformmärkten und durch die „Industrie 4.0“ ergeben und wird bis Herbst 2019 konkrete Handlungsempfehlungen zum europäischen Wettbewerbsrecht erarbeiten . Die konstituierende Sitzung fand am 20. September 2018 statt. Parallel dazu hat die Bundesregierung mit der Vorbereitung für die 10. GWB-Novelle und damit einer Reform des nationalen Wettbewerbsrechts begonnen, wobei es neben der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Stärkung der nationalen Wettbewerbsbehörden (ECN+) vor allem um die Modernisierung der Missbrauchsaufsicht geht. Dabei prüft die Bundesregierung auch, ob und wie mögliche wettbewerbsbehindernde Abschottungsmaßnahmen hinreichend erfasst werden können (siehe auch die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP „Finanzaufsicht über Big Techs“ auf Bundestagsdrucksache 19/8104). 7. Wann läge nach Meinung der Bundesregierung eine marktbeherrschende Stellung im mPayment-Bereich vor? Welche konkreten Kriterien müssten dafür erfüllt sein? a) Wann läge nach Auffassung der Bundesregierung eine solche marktbeherrschende Stellung insbesondere im Bereich von klassischen Point-of- Sale-Kassensystemen (Terminals) vor? b) Wann läge nach Auffassung der Bundesregierung eine solche marktbeherrschende Stellung insbesondere im Bereich von in-App-Payment-Anwendungen vor (über eine Internetschnittstelle)? Die Untersuchung oder Feststellung, wann eine marktbeherrschende Stellung im Sinne von § 18 GWB vorliegt, obliegt – unabhängig vom relevanten Markt – der zuständigen nationalen oder europäischen Wettbewerbsbehörde und den Gerichten . 8. Sind der Bundesregierung Untersuchungen oder Verfahren in anderen europäischen Ländern hinsichtlich einer „marktbeherrschenden Stellung“ durch Apple Pay bekannt? Wenn ja, zu welchem Ergebnis gelangen sie? Der Bundesregierung ist nicht bekannt, ob in anderen europäischen Ländern Verfahren wegen einer marktbeherrschenden Stellung von Apple Pay geführt werden . Die niederländische Wettbewerbsbehörde (Autoriteit Consument & Markt – ACM) hat nach einer Marktuntersuchung im April 2019 aber ein Verfahren gegen Apple wegen möglichen Missbrauchs seiner Position auf dem App Store Markt eingeleitet. Die ACM beruft sich insoweit auf die in der Studie festgestellte Abhängigkeit der App-Entwickler von den App-Stores von Apple und Google. Die Studie ist abrufbar unter: www.acm.nl/sites/default/files/documents/marketstudy -into-mobile-app-stores.pdf. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/11043 9. Liegen nach Kenntnis der Bundesregierung auf europäischer Ebene zwischenzeitlich Beschwerden vor, so dass die EU-Kommission das Geschäftsmodell von Apple Pay untersuchen könnte (vgl. www.reuters.com/article/useu -antitrust-idUSKBN1O91Q5)? Steht die Bundesregierung hinsichtlich einer Prüfung, ob eine marktbeherrschende Stellung vorliegt, im Austausch mit der EU-Kommission? Der Bundesregierung ist nicht bekannt, ob auf europäischer Ebene zwischenzeitlich Beschwerden gegen Apple Pay vorliegen. Ein entsprechendes Tätigwerden der Europäischen Kommission würde aber auch nicht das Vorliegen einer Beschwerde über missbräuchliches Verhalten voraussetzen. Der Europäischen Kommission liegt jedoch eine Beschwerde von Spotify gegen Apple vor, mit der sich Spotify gegen Nutzungsbedingungen des Apple Store wendet. Gegenstand dieser Beschwerde ist u. a. auch die Nutzung von Apple Pay für In-App-Verkäufe. In Fällen mit grenzüberschreitender Bedeutung stehen die Europäische Kommission und die nationalen Wettbewerbsbehörden in der Regel in engem Austausch. 10. Sieht die Bundesregierung die Gefahr, dass Wertschöpfung von Finanzdienstleistungsunternehmen aus Deutschland in die USA abwandert? Wie sich Veränderungen von Wertschöpfungsketten auf den Markt grenzüberschreitend potentiell auswirken können, ist zurzeit Gegenstand von Arbeiten in verschiedenen Gremien, z. B. Basel Committe on Banking Supervision, Financial Stability Board und International Organization of Securities Commissions. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333