Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 18. Juni 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/11044 19. Wahlperiode 21.06.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Julia Verlinden, Ingrid Nestle, Sylvia Kotting-Uhl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/10385 – Beeinträchtigung der fossil-atomaren Energieversorgung durch Hitze, Trockenheit und Unwetter V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der Sommer 2018 war in Deutschland durch eine lang anhaltende Dürre- und Hitzeperiode geprägt. Diese Wetterlage hatte nicht nur erhebliche Auswirkungen auf die Landwirtschaft, sondern auch auf die Energieversorgung in Deutschland. Sowohl Kohle- als auch Atomkraftwerke mussten zeitweise ihre Leistung drosseln, da sie nicht mehr ausreichend gekühlt werden konnten (vgl. www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/kraftwerke-muessen-ihre-leistungwegen -hitzewelle-drosseln-a-1220404.html). Auch die Treibstoffversorgung wurde durch die extreme Wetterlage erschwert: Durch niedrige Pegelstände der Flüsse kam es zu Lieferengpässen bei Benzin und Diesel, die zu großen Teilen per Binnenschiff transportiert werden. In der Folge musste der Verkauf von Benzin oder Diesel an einigen Orten eingestellt werden. Auch Unternehmen wie Thyssenkrupp oder BASF waren zeitweilig gezwungen , ihre Produktion einzuschränken (vgl. www.zeit.de/wirtschaft/2018-11/ flusspegel-pegelstaende-niedrigwasser-rhein-lieferengpaesse-benzin-diesel-duerre). Weltweit waren die vergangenen fünf Jahre die wärmsten seit Beginn regelmäßiger Wetteraufzeichnungen. Auch in Deutschland gehörten sie zu den Jahren mit der höchsten Durchschnittstemperatur. Im Zuge der fortschreitenden Klimakrise sind Extremwetterlagen wie 2018 häufiger zu erwarten. Zu diesem Ergebnis kommt ein gemeinsames Forschungsprojekt von Deutschem Wetterdienst , Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Technischem Hilfswerk und Umweltbundesamt (vgl. www.dwd.de/DE/forschung/klima_ umwelt/klimaprojektionen/extremereignisse/extremereignisse_node.html). In der Folge wird auch die Energieversorgung in Deutschland aller Voraussicht nach in den kommenden Jahren durch Hitze, Trockenheit oder extreme Unwetter vermehrt beeinträchtigt werden. Der Deutsche Wetterdienst warnte bereits vor der Gefahr einer erneuten Dürre in diesem Jahr (vgl. www.tagesschau.de/ inland/wetterdienst-duerre-sommer-101.html). Nach Ansicht der Fragesteller ist die Bundesregierung daher gefordert, auf die wetterbedingten Schwachpunkte der fossil-atomaren Energieversorgung in Deutschland zu reagieren. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11044 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Welche Atomkraftwerke mussten nach Informationen der Bundesregierung in den vergangenen fünf Jahren wegen geringer Wasserstände in den Kühlwasser führenden Flüssen oder zu hoher Wassertemperaturen gedrosselt oder abgeschaltet werden (bitte Standort, Kraftwerksleistung, Leistungsverringerung und Dauer der Einschränkung auflisten), und welche Strommengen konnten dadurch maßgeblich nicht produziert werden (bitte ebenfalls kraftwerksscharf auflisten)? 2. Welche Kohlekraftwerke mussten nach Informationen der Bundesregierung in den vergangenen fünf Jahren wegen geringer Wasserstände in den Kühlwasser führenden Flüssen oder zu hoher Wassertemperaturen gedrosselt oder abgeschaltet werden (bitte Standort, Kraftwerksleistung, Leistungsverringerung und Dauer der Einschränkung auflisten), und welche Strommengen konnten dadurch maßgeblich nicht produziert werden (bitte ebenfalls kraftwerksscharf auflisten)? 3. Welche Lauf- und Speicherwasserkraftwerke mussten nach Informationen der Bundesregierung in den vergangenen fünf Jahren wegen geringer Wasserstände in den genutzten Gewässern gedrosselt oder abgeschaltet werden (bitte Standort, Kraftwerksleistung, Leistungsverringerung und Dauer der Einschränkung auflisten), und welche Strommengen konnten dadurch maßgeblich nicht produziert werden (bitte ebenfalls kraftwerksscharf auflisten)? 4. Welche sonstigen Kraftwerke auf Basis von Erdgas, Öl oder anderen Brennstoffen mussten nach Informationen der Bundesregierung in den vergangenen fünf Jahren wegen geringer Wasserstände in Kühlwasser führenden Flüssen oder zu hoher Wassertemperaturen gedrosselt oder abgeschaltet werden (bitte Standort, Kraftwerksleistung, Leistungsverringerung und Dauer der Einschränkung auflisten), und welche Strommengen konnten dadurch maßgeblich nicht produziert werden (bitte ebenfalls kraftwerksscharf auflisten )? 5. Welche sonstigen Einschränkungen durch extreme Wettersituationen der Stromproduktion in Kohle-, Atom-, Gas- oder Ölkraftwerken gab es in den letzten fünf Jahren nach Kenntnis der Bundesregierung? Die Fragen 1 bis 5 werden gemeinsam beantwortet. In den vergangenen fünf Jahren gab es die umfangreichste Hitzewelle im Sommer 2018. Die weitreichendste Niedrigwasserphase war hieran anschließend im Herbst/Winter 2018/2019 festzustellen. Weitere relevante Niedrigwasserphasen in geringerem Umfang als 2018/2019 sind im Herbst/Winter 2015/2016 sowie 2016/2017 aufgetreten. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf diese Ereignisse . Die anhaltende Hitzeperiode im Sommer 2018 (insbesondere 23. Juli bis 12. August ) hatte dazu geführt, dass sich die Temperaturen von Rhein und Neckar der Grenze von 28 Grad genähert haben, die aus Gründen des Gewässerschutzes ohne eine entsprechende Ausnahmegenehmigung für den Kraftwerksbetrieb nicht überschritten werden darf. Zudem führten die Flüsse aufgrund der anhaltenden Trockenheit Niedrigwasser, was beispielsweise im Neckar bei Unterschreiten definierter Abflussmengen ebenfalls zu Limitierungen bei der Kühlwasserentnahme durch Kraftwerke führen kann. Durch die reduzierte Verfügbarkeit einiger Kraftwerke aufgrund der Hitzewelle hatten sich jedoch keine Einschränkungen bei der Versorgungssicherheit ergeben: Nach Berechnungen der Bundesnetzagentur (BNetzA) standen über den gesamten Sommer hinweg jederzeit noch ausreichende Erzeugungskapazitäten zur Verfügung . Die Summe der Nicht-Verfügbarkeiten von Kraftwerkskapazitäten mit Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/11044 einer Kapazität größer als 100 MW lag in den Monaten Juni und Juli bei durchschnittlich rund 18,6 GW (beispielsweise aufgrund von Revisionen oder ungeplanten Ausfällen). Mit durchschnittlich 19,9 GW nicht-verfügbarer Erzeugungskapazität lag dieser Wert während der Hitzeperiode des Sommers 2018 (23. Juli bis 12. August) nur geringfügig darüber. Das Szenario einer langandauernden Hitzewelle ist im Übrigen regelmäßig Bestandteil der Prognosen der Übertragungsnetzbetreiber. So sieht auch die im „Summer Outlook 2018“ von ENTSO-E enthaltene Einschätzung der Übertragungsnetzbetreiber für längere und heiße Perioden trotz der Leistungseinschränkung von Kraftwerken aufgrund reduzierter Kühlwasserverfügbarkeit oder Transportproblemen von Brennstoffen wegen niedriger Wasserstände keine kritischen Phasen für die Versorgungssicherheit. Durch die Etablierung eines Wasserwärmemodells in Baden-Württemberg als Folge der Erfahrungen aus dem heißen Sommer 2003 wurde unter Einbeziehung verschiedener Institutionen und Unternehmen ein funktionierendes Modell zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit während trockener und heißer Witterungsphasen geschaffen. Dieses Modell hat sich auch während der Hitzewelle 2018 durch ein umfangreiches Temperaturmonitoring und -vorhersagesystem über die Entwicklung der Temperaturen und der Abflussmengen in Rhein und Neckar bewährt. Dies ermöglicht ein rechtzeitiges Handeln der Kraftwerksbetreiber durch proaktive Leistungseinsenkungen zur Gewässerschonung. 6. Wie haben sich die Einschränkungen der Kraftwerksleistungen durch extreme Wettersituationen insbesondere im Jahr 2018 nach Informationen der Bundesregierung auf die Strompreise ausgewirkt? 7. Zu welchen Teilen konnte nach Informationen der Bundesregierung die Stromproduktion aus Solar- und Windkraftanlagen (on- und offshore) im Jahr 2018 die wetterbedingten Einschränkungen fossil-atomarer Kraftwerksleistungen kompensieren? Die Fragen 6 und 7 werden gemeinsam beantwortet. Das Preisniveau, das sich während der Hitzeperiode 2018 einstellte, lag deutlich unterhalb des Niveaus, das in der Vergangenheit bereits beobachtet werden konnte. Im März 2018 wurde Strom zu Großhandelspreisen in gleicher Höhe, teilweise auch zu höheren Preisen gehandelt. Im Jahr 2017 wurde an der Strombörse EPEX Spot in 125 Stunden Strom zu Preisen gehandelt, die oberhalb des Spitzenpreises der Hitzeperiode 2018 lagen. Teilweise kam es dabei auch zu deutlich höheren Preisen. Allein in 2017 gab es 61 Stunden mit Strom-Großhandelspreisen von über 100 Euro/MWh. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11044 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Abbildung 1: Korrelation Temperatur und Strom-Großhandelspreise (Day-Ahead) Januar 2015 – August 2018 [Quelle: DWD, EEX] Nach Analysen der BNetzA ist ein grundsätzlicher Zusammenhang zwischen der Temperatur und dem Strom-Großhandelspreis nicht zu erkennen. Abbildung 1 zeigt, dass die Temperatur nicht als erklärende Variable herangezogen werden kann. Vielmehr lassen sich die Strom-Großhandelspreise in Deutschland relativ gut durch die Residuallast (Verbrauch abzüglich Wind- und Photovoltaik-Erzeugung ) erklären. Auch die einzelnen Stunden mit erhöhten Preisen während der Hitzeperiode liegen in einem zwar relativ hohen, jedoch nicht außergewöhnlich hohen Bereich. Abbildung 2: Korrelation Residuallast und Großhandelsstrompreis (Day-Ahead) Januar 2015 – August 2018 [Quelle: SMARD, EEX] Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/11044 Eine Erklärung für jene Stunden mit relativ hohen Preisen (3. August 19:00 Uhr; 6. August. 19:00 Uhr; 7. August 19:00 Uhr) liefert die ungewöhnlich niedrige Windenergieeinspeisung. In diesen Stunden war die durchschnittliche Windeinspeisung im Vergleich zu den durchschnittlichen Windeinspeisungen der beiden Vormonate weniger als halb so hoch. Abbildung 3: Erzeugung (Wind/Photovoltaik), Großhandelsstrompreis (Day-Ahead) und kommerzieller Außenhandel 27. Juli 2018 – 9. August 2018 [Quelle: SMARD] Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass es aufgrund der Hitzewelle 2018 im Hinblick auf die Versorgungssicherheit aus Netz- und Marktsicht zu keinem Zeitpunkt Anlass zu Besorgnis gab. Die Leistungsreduzierungen von einigen konventionellen Kraftwerken hatten keinen Einfluss auf die Versorgungssicherheit. Sowohl europäische Vorgaben als auch das EEG sehen einen Vorrang von erneuerbarem Strom gegenüber konventionellem Strom vor. 8. Auf welchen Wasserstraßen in Deutschland war der Transport von Energierohstoffen (Steinkohle, Öl, Benzin, Flüssiggas) in den letzten fünf Jahren durch niedrige Pegelstände nach Kenntnis der Bundesregierung beeinträchtigt ? 9. Welche Auswirkungen auf Preise und Versorgungssicherheit hatten wetterbedingte Einschränkungen des Transportes von Energierohstoffen (Steinkohle , Öl, Benzin, Flüssiggas) auf Wasserstraßen im Jahr 2018 nach Kenntnis der Bundesregierung, und auf welche Summe beziffert sie die gesamtwirtschaftlichen Schäden durch diese Einschränkungen? Die Fragen 8 und 9 werden gemeinsam beantwortet. Bei den per Schiff belieferten Kraftwerksstandorten liegt unter dem Aspekt der Versorgungssicherheit mit Brennstoffen der Fokus auf den Steinkohlekraftwerken in Baden-Württemberg, die an Rhein und Neckar liegen. So ist zur Gewährleistung der Netzsicherheit eine ausreichende Brennstoffbelieferung von Kraftwerken erforderlich, die zum positiven Redispatch herangezogen werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11044 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Bezogen auf die vergangenen fünf Jahre ist es hier in den Winterperioden 2015/ 2016, 2016/2017 sowie 2018/2019 zu Niedrigwasserphasen gekommen, die zu Beeinträchtigungen bei der Belieferung mit Steinkohle führten. Durch anhaltend trockene Witterung waren flächendeckend die Pegelstände der Flüsse gesunken. Auf dem Rhein, der einen wichtigen Transportweg für Steinkohle aus den niederländischen Überseehäfen darstellt, kam es zu erheblichen Einschränkungen des Schiffsverkehrs und damit auch zu Einschränkungen des Kohletransports zu süddeutschen Kraftwerken. Neben den Schiffslieferungen werden die Steinkohlekraftwerke über die Schiene mit Kohle beliefert. Die Bahnlieferungen wurden im Zuge der gesunkenen Flusspegel so weit wie möglich erhöht . Die Übertragungsnetzbetreiber standen während der Niedrigwassersituationen in Kontakt mit den Betreibern von Steinkohlekraftwerken im südlichen Bereich ihrer Regelzonen, um den Stand der Kohlebevorratung zu erfassen. Die zuständigen Übertragungsnetzbetreiber haben während der Niedrigwassersituationen in Abstimmung mit der BNetztA teilweise von den betroffenen Kraftwerksbetreibern verlangt, für einen begrenzten Zeitraum einen Kohlevorrat für Redispatch zu schaffen bzw. nicht zu unterschreiten. Die Kraftwerksbetreiber wurden zu einer wöchentlichen Meldung der Kohlebevorratung verpflichtet. Diese Maßnahme trug dazu bei, die notwendige Verfügbarkeit der Steinkohlekraftwerke für Redispatch an den von Lieferengpässen und geringen Kohlevorräten betroffenen Standorten sicherzustellen. Die Belieferung per LKW kommt nur in Ausnahmefällen aufgrund des sehr hohen logistischen Aufwands und der geringen transportierbaren Mengen tatsächlich in Betracht. Durch die Maßnahmen der Übertragungsnetzbetreiber und der Kraftwerksbetreiber konnten die Vorräte während der Kälte- und Niedrigwasserperiode stabilisiert werden, wenn auch auf überwiegend niedrigem Niveau. Die vorhandenen Steinkohlevorräte der Kraftwerke waren insgesamt trotz der Lieferengpässe ausreichend groß dimensioniert, um die Stromlieferverpflichtungen der Kraftwerksbetreiber zu erfüllen. Die Erhebung der Kosten für die ergriffenen Maßnahmen läuft derzeit bei den Netzbetreibern. Die Prüfung der BNetzA folgt im Anschluss. 10. Welche energiepolitischen Maßnahmen hat die Bundesregierung bereits eingeleitet , um Beeinträchtigungen der Energieversorgung durch die beschriebenen Extremwetterlagen zu verringern, und welche Maßnahmen plant sie darüber hinaus bis wann (bitte auflisten)? Die BNetzA hat die Übertragungsnetzbetreiber gebeten, ein Konzept für eine präventive Kohlebevorratung zu entwickeln. Dies soll zunächst eine flexible Vorratserweiterung an den Netzreservestandorten beinhalten. Zudem soll geprüft werden, inwiefern zusätzliche Lagerkapazitäten für Steinkohle an den Standorten süddeutscher Marktkraftwerke erforderlich und verfügbar sind. Mit dieser präventiven und standortflexiblen Kohlebevorratung sollen zusätzliche Vorräte für Redispatchzwecke in Zeiten ausreichender Wasserstände und günstiger Transportmöglichkeiten geschaffen werden, die dann während einer Niedrigwasserphase die Versorgung mit Brennstoffen gewährleisten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333