Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 20. Juni 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/11051 19. Wahlperiode 21.06.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sandra Weeser, Michael Theurer, Reinhard Houben, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/10728 – Kosten und Betrieb von besonderen netztechnischen Betriebsmitteln V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Bundesregierung hat im Strommarktgesetz von 2016 auf den schleppenden Ausbau der Stromnetze reagiert und den Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) in § 13k des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) die Möglichkeit gegeben, Erzeugungsanlagen als sogenannte besondere netztechnische Betriebsmittel zu errichten . Mit dem Netzentgeltmodernisierungsgesetz von 2017 wurden die Regelungen zu den besonderen netztechnischen Betriebsmitteln in § 11 Absatz 3 EnWG überführt und angepasst (https://de.dwf.law/de-DE/Legal-Insights/2017/Sept/ Update-Energierecht). Besondere netztechnische Betriebsmittel sollen die sichere und zuverlässige Stromversorgung für die Zeit zwischen dem Abschalten der letzten Atomkraftwerke in den Jahren 2021 und 2022 und der geplanten Inbetriebnahme der großräumigen Nord-Süd-Stromleitungen im Jahr 2025 gewährleisten. Im Gegensatz zu präventiven Maßnahmen zum Erhalt der Netzstabilität, wie dem Einsatz von Regelenergie oder dem Redispatch, sollen sie bei einem Ausfall nachträglich zur Wiederherstellung des sicheren Netzbetriebs eingesetzt werden. Ihre Kapazität war ursprünglich auf insgesamt 2 Gigawatt begrenzt. Die Bedarfsermittlung erfolgt durch die ÜNB und wird von der Bundesnetzagentur geprüft und bestätigt. Errichtung und Betrieb besonderer netztechnischer Betriebsmittel müssen durch Dritte erfolgen und diskriminierungsfrei ausgeschrieben werden. Die Kosten können die Netzbetreiber über die Netzentgelte auf die Stromkunden abwälzen. Im Sommer 2018 haben die ÜNB insgesamt 1 200 Megawatt (MW) Kapazität für besondere netztechnische Betriebsmittel in Süddeutschland ausgeschrieben . Anfang 2019 hat Uniper den Zuschlag zum Bau eines Gaskraftwerks mit 300 MW Kapazität in Irsching bei Ingolstadt erhalten. Es soll bis 2022 fertiggestellt sein und dann für zehn Jahre betriebsbereit sein. Gleichzeitig sind am selben Standort zwei moderne Gaskraftwerke (Irsching 4 und 5) von den Betreibern zur Stilllegung angemeldet und werden nur noch im Rahmen der Netzreserve außerhalb des Strommarktes vorgehalten (www.tennet.eu/de/news/ news/besondere-netztechnische-betriebsmittel-tennet-erteilt-zuschlag-an-uniper/; Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11051 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode www.energate-messenger.de/news/188666/uniper-baut-reservekraftwerk-in-irsching; www.br.de/nachrichten/bayern/drittes-gaskraftwerk-in-irsching-muesstenverbraucher -zahlen,RGVydIQ). Mit dem von der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ empfohlenen Kohleausstieg würden in Süddeutschland weitere Kraftwerkskapazitäten wegfallen, womit sich nach Ansicht der Fragesteller angesichts des weiterhin verzögerten Netzausbaus die Engpasslage verschärfen könnte. 1. Fallen aus Sicht der Bundesregierung nur Erzeugungsanlagen unter die „besonderen netztechnischen Betriebsmittel“ nach § 11 Absatz 3 EnWG oder können die Netzbetreiber darunter auch andere Betriebsmittel oder Maßnahmen beschaffen? Der Bedarf an besonderen netztechnischen Betriebsmitteln zur Sicherstellung der Netzstabilität ist grundsätzlich technologieneutral zu decken. Allerdings muss der aktuell, durch die Übertragungsnetzbetreiber ermittelte und ausgeschriebene Bedarf zu einer objektiven Erhöhung der kurativen Redispatchfähigkeit führen. 2. Welche Auswirkungen haben aus Sicht der Bundesregierung die Novelle des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes (NABEG 2.0) und insbesondere die darin vorgesehenen kurzfristigen Maßnahmen zur Reduktion des Redispatch auf den Bedarf an netztechnischen Betriebsmitteln, und wie sollen entsprechende Entwicklungen berücksichtigt werden? Mit der Novelle des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes werden die Regelungen für den „präventiven“ Redispatch neu und für alle Anlagen einheitlich gefasst. Diese Form des Redispatch beruht auf Planungsprozessen der Netzbetreiber und deckt damit prognostizierbare Engpasssituationen ab. Deren Behebung soll durch die Neuregelung effizienter gestaltet werden. Dagegen sieht § 11 Absatz 3 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) vor, dass die Übertragungsnetzbetreiber besondere netztechnische Betriebsmittel, z. B. Kraftwerke, vorhalten können, um bei einem tatsächlichen örtlichen Ausfall eines oder mehrerer Betriebsmittel im Übertragungsnetz kurzfristige Maßnahmen ergreifen zu können. Der Einsatz dieser Betriebsmittel ist ausschließlich für diese sogenannten kurativen Maßnahmen gedacht, das heißt Maßnahmen, die nach dem Auftritt eines Fehlers (Einfachfehler, Mehrfachfehler und Sammelschienenfehler ) ergriffen werden und das Netz wieder in einen sicheren Zustand (n-1) zurückführen . Da der kurative Einsatz besondere technische Anforderungen an die betreffenden Betriebsmittel stellt, gibt es im Rahmen der Ausschreibungen konkrete technische Vorgaben, die die Bieter erfüllen müssen. Daraus ergibt sich eine klare Abgrenzung der beiden Regime. 3. Wie möchte die Bundesregierung sicherstellen, dass durch die Einbeziehung von EE- und KWK-Anlagen (EE = Erneuerbare Energien; KWK = Kraft- Wärme-Kopplung) in den Redispatch wettbewerbliche Instrumente wie der Regelenergiemarkt nicht eingeschränkt werden und dass der gesetzlich festgeschriebene Nachrang des Einsatzes netztechnischer Betriebsmittel gegenüber allen sonst zur Verfügung stehenden Mitteln eingehalten wird? Es wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Es ist entsprechend der gesetzlichen Regelungen im EnWG definiert, wann Anlagen im Netzengpassmanagement und im Regelenergiemarkt und wann besondere netztechnische Betriebsmittel zum Einsatz kommen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/11051 4. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass in Irsching ein neues Gaskraftwerk auf Kosten der Netzkunden errichtet werden soll, obwohl am Standort bereits zwei privatwirtschaftlich errichtete, gasbefeuerte Kraftwerksblöcke mit hohem Wirkungsgrad existieren? Der geplante Neubau am Standort Irsching dient als besonderes netztechnisches Betriebsmittel einer anderen Funktion als z. B. die Kraftwerke Irsching 4 und 5 und weist damit andere technische Eigenschaften auf. Die neue Anlage Irsching 6 kann deutlich schneller starten, so dass sie nach einem Fehlerfall im Netz den sicheren Netzzustand wiederherstellen kann. Irsching 4 und 5 sind aufgrund technischer Restriktionen hierfür ungeeignet. Die neue Anlage wird u. a. am gleichen Standort gebaut, weil bereits vorhandene Infrastrukturen genutzt werden können. Darüber hinaus sind in der der Bedarfsfeststellung zugrundeliegenden Analyse für die besonderen netztechnischen Betriebsmittel die Blöcke 4 und 5 entsprechend den gesetzlichen Vorgaben zur Bedarfsanalyse bereits berücksichtigt. Die Blöcke 4 und 5 erfüllen als Netzreserve außerdem eine andere Funktion als der neue Block 6. Sie tragen bei zur präventiven Einhaltung der Systemsicherheit und übernehmen durch Stromeinspeisung bereits eine stützende Funktion für das Netz. Der geplante Block 6 wird den auch unter Berücksichtigung der Blöcke 4 und 5 verbleibenden zusätzlichen Bedarf im süddeutschen Raum mit decken. 5. Wie begründet die Bundesregierung Bedarfsgenehmigungen von Netzstabilitätsanlagen wie im Falle von Irsching 6 durch den Übertragungsnetzbetreiber TenneT über das Jahr 2030 hinaus, obwohl diese – lediglich zur Überbrückung der Zeit zwischen dem Kernenergieausstieg und der Fertigstellung wichtiger Übertragungsnetze vorgesehenen – Anlagen ursprünglich laut § 13k EnWG nur für einen Zeitraum bis 2030 betrieben werden sollten? Mit der zehnjährigen Vorhaltung der besonderen netztechnischen Betriebsmittel wird sichergestellt, dass auch nach Fertigstellung der Höchstspannungsgleichstrom -Projekte für die Zeit des Probebetriebs und für einen gewissen Zeitraum darüber hinaus genügend netzstützende Redundanzen vorhanden sind. 6. Welche zeitlichen Erwartungen hat die Bundesregierung aktuell an die Fertigstellung der großen Nord-Süd-Stromtrassen, und wie bedingen diese Erwartungen die Bedarfsplanungen hinsichtlich der Errichtung von Netzstabilitätsanlagen ? Die Höchstspannungsgleichstrom-Projekte Ultranet, A-Nord, SuedLink und SuedOstLink gehören zu den anspruchsvollsten Vorhaben im derzeitigen Netzausbauprogramm . Die Leitungen A-Nord, SuedLink und SuedOstLink werden mit einem Vorrang für Erdkabel geplant und ausgeführt. Das stellt für die Genehmigungsverfahren und den Bau eine besondere Herausforderung dar. Aufgrund der Komplexität der Vorhaben sind die Fertigstellungstermine mit zusätzlichen Unsicherheiten behaftet, da Neuland betreten wird. Die Inbetriebnahme der o. g. Gleichstromprojekte wird zwischen 2023 und 2026 angestrebt. Hinsichtlich der Bedarfsplanung für besondere netztechnische Betriebsmittel wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11051 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 7. Wie begründet die Bundesregierung den durch den Übergang von § 13k zu § 11 Absatz 3 EnWG erfolgten weitgehenden Ausschluss der Bundesnetzagentur als Kontrollinstanz für den Prozess der Ausschreibung sowie der Bedarfsermittlung von besonderen netztechnischen Betriebsmitteln? Die Entscheidungsprärogative und Verantwortung sowohl für die Analyse des Bedarfs als auch für die Beschaffung der besonderen netztechnischen Betriebsmittel liegt bei den Übertragungsnetzbetreibern. Damit erfüllen die Übertragungsnetzbetreiber ihre Verpflichtung gemäß § 12 Absatz 3 Satz 1 EnWG. Gemäß § 11 Absatz 3 Satz 8 EnWG haben die Übertragungsnetzbetreiber der Bundesnetzagentur die Bedarfsanalyse und das Beschaffungskonzept rechtzeitig vorzulegen, so dass sichergestellt ist, dass die Bundesnetzagentur im Rahmen ihrer allgemeinen behördlichen Aufsicht tätig werden kann. 8. Welche Kosten werden nach Einschätzung der Bundesregierung anfallen, um den von der Bundesnetzagentur festgesetzten Bedarf von insgesamt 1 200 MW bzw. die vier dafür vorgesehenen besonderen netztechnischen Betriebsmittel mit jeweils 300 MW zu realisieren? 9. Welche Kosten werden nach Einschätzung der Bundesregierung für die Betriebsbereitschaft der Anlagen, also zusätzlich zu den Baukosten, anfallen? Die Fragen 8 und 9 werden gemeinsam beantwortet. Die Anlagen werden wettbewerblich beschafft; die Preisbildung erfolgt marktbasiert . Derzeit ist erst ein Zuschlag für ein netztechnisches Betriebsmittel erteilt worden. Die anderen Verfahren laufen derzeit noch. Erst nach Abschluss der Verfahren können hierzu konkrete Aussagen getroffen werden. 10. Wie stellt sich die Bundesregierung die Nutzung der besonderen netztechnischen Betriebsmittel nach Ablauf des vorgesehenen Nutzungszeitraums vor? Gemäß § 11 Absatz 3 Satz 7 EnWG darf die Leistung oder die Arbeit besonderer netztechnischer Betriebsmittel weder ganz noch teilweise auf den Strommärkten veräußert werden. Eine Nutzung der Anlagen auf dem europäischen Strommarkt nach Ablauf des Nutzungszeitraums als besondere netztechnische Betriebsmittel ist nicht vorgesehen. 11. Wie soll aus Sicht der Bundesregierung sichergestellt werden, dass die besonderen netztechnischen Betriebsmittel bis zum endgültigen Abschalten der letzten Kernenergieanlagen Ende 2022 fertiggestellt werden? Die rechtzeitige Fertigstellung der besonderen netztechnischen Betriebsmittel ist Sache der Übertragungsnetzbetreiber. Die Konsequenzen einer nicht fristgerechten Inbetriebnahme sind vertraglich zu regeln. 12. Aus welchen Gründen wurde nach Kenntnis der Bundesregierung ein Nachprüfungsantrag bezüglich der Losgruppe C der EU-weiten Auftragsbekanntmachung für besondere netztechnische Betriebsmittel gestellt, der zu einem Stopp des Ausschreibungsverfahrens in dieser Losgruppe geführt hat? Nach Informationen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie gibt es eine Auseinandersetzung über die Zulässigkeit einzelner Vertragsbedingungen bzw. über seitens des Bieters vorgenommene Änderungen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/11051 13. Inwiefern betrachtet die Bundesregierung besondere netztechnische Betriebsmittel als eine Möglichkeit, die Versorgungssicherheit trotz des geplanten Wegfalls von Kohlekraftwerkskapazitäten aufrechtzuerhalten? Die besonderen netztechnischen Betriebsmittel sind ein Absicherungsinstrument im Falle eines örtlichen Ausfalls von einem oder mehreren Betriebsmitteln im Übertragungsnetz. Daher stellen sie eine Absicherung für das Stromnetz dar und können somit nicht für die Versorgungssicherheit an den Strommärkten eingesetzt werden. Die Verfügbarkeit ausreichender Erzeugungskapazitäten wird im Rahmen des Monitorings zur Versorgungssicherheit des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie ständig überwacht. 14. Ist nach Einschätzung der Bundesregierung durch den geplanten Kohleausstieg ein erhöhter Bedarf an besonderen netztechnischen Betriebsmitteln zu erwarten? 15. Falls ja, wie groß könnte nach den Erwartungen bzw. nach Kenntnis der Bundesregierung der Mehrbedarf an besonderen netztechnischen Betriebsmitteln durch den Kohleausstieg ausfallen, und in welchen Zeiträumen könnte dieser auftreten? Die Fragen 14 und 15 werden gemeinsam beantwortet. Das wird insbesondere von den netztechnischen Auswirkungen des Wegfalls bestimmter Erzeugungskapazitäten abhängen und kann damit erst zu einem späteren Zeitpunkt beurteilt werden. Die Übertragungsnetzbetreiber können jederzeit eine Analyse vorlegen, aus der sich die Erforderlichkeit besonderer netztechnischer Betriebsmittel unter Berücksichtigung bestehender Energieanlagen ergibt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333