Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 21. Juni 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/11067 19. Wahlperiode 25.06.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Fabio De Masi, Jörg Cezanne, Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/10449 – Steuerbetrug durch Umsatzsteuer-Karusselle V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Das europäische Journalismusprojekt „Grand Theft Europe“ unter Leitung des Recherchezentrums Correctiv berichtete Anfang Mai 2019 (https://correctiv. org/top-stories/2019/05/06/grand-theft-europe/), dass die europäischen Staaten durch organisierten Betrug nach Schätzung der EU-Kommission jährlich 50 Mrd. Euro verlieren. Dieser Betrug durch sogenannte Umsatzsteuer-Karusselle stellt dabei keine neuartige Masche dar. Auch weil bisherige Eindämmungsversuche nicht griffen, ist das wahre Ausmaß des Karussellbetrugs nach Ansicht der Fragesteller erschreckend. Allein in Deutschland werden die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler damit mutmaßlich um einen zweistelligen Milliardenbetrag pro Jahr geprellt. 1. Inwieweit teilt die Bundesregierung die in der Studie „Grand Theft Europe“ dargelegten Zahlen und Schlussfolgerungen? Die Bundesregierung hat keine Kenntnis über die Quelle zu den in der Studie „Grand Theft Europe“ dargelegten Zahlen und Schlussfolgerungen und sieht vor diesem Hintergrund von einer Bewertung ab. Auf die Antwort zu Frage 2 wird ergänzend hingewiesen. 2. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der jährliche finanzielle Schaden durch Umsatzsteuer-Karusselle a) in Deutschland und Weder bei den Ländern noch beim Bund werden statistische Aufzeichnungen dazu geführt, in welcher Höhe Steuerausfälle durch Umsatzsteuerkarusselle entstehen . b) in der Europäischen Union? Entsprechende Schätzungen liegen der Bundesregierung nicht vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11067 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 3. Welche Produkte bzw. Waren wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in den vergangenen zehn Jahren für Umsatzsteuer-Karusselle genutzt? Grundsätzlich kann jedes Produkt bzw. jede Ware für ein Umsatzsteuer-Karussell genutzt werden. Erfahrungsgemäß werden allerdings unter dem Gesichtspunkt, dass man in kurzer Zeit den höchstmöglichen „Nutzen“ aus dem Karussell ziehen will, vorzugsweise kleine und hochpreisige Waren genutzt. Eine Aufzählung aller genutzten Produkte bzw. Waren, die in den letzten 10 Jahren für Umsatzsteuer- Karusselle genutzt wurden, ist daher nicht möglich. Artikel 199a Absatz 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sieht einen Katalog von Lieferungen und sonstigen Leistungen vor, die in den EU-Mitgliedstaaten für Hinterziehungen in Form von Karussellgeschäften genutzt wurden und für die die EU-Mitgliedstaaten deshalb das sog. Reverse-Charge-Verfahren national vorsehen können. Deutschland hat davon umfangreich Gebrauch gemacht. Auf die entsprechenden Regelungen in § 13b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) wird hingewiesen. 4. Wie hoch war jeweils nach Kenntnis der Bundesregierung der finanzielle Schaden durch Umsatzsteuer-Karusselle mit bestimmten Produkten (bitte nach Produkt und Jahr aufschlüsseln)? Auf die Antwort zu Frage 2a wird hingewiesen. 5. Inwieweit werden nach Kenntnis der Bundesregierung Umsatzsteuer-Karusselle zur Terrorismusfinanzierung genutzt? Was wurde auf EU-Ebene und in Deutschland bislang zur Bekämpfung von Umsatzsteuer-Karussellen, die Terrorismus finanzieren, politisch in die Wege geleitet? Welche Maßnahmen zur Bekämpfung eines sogenannten Economic Dschihad (vgl. FOCUS ONLINE, Terrorgruppen kassieren Millionen durch organisierten Umsatz-Steuerbetrug, 17. September 2017) unterstützt die Bundesregierung ? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 6. Wie viele sogenannte Missing Trader wurden in den vergangenen zehn Jahren aufgedeckt und strafrechtlich zur Verantwortung gezogen (bitte pro Jahr aufschlüsseln)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Daten vor. Auf die Antwort zu Frage 2a wird hingewiesen. 7. Wie sind nach Kenntnis der Bundesregierung diese Missing Trader am ehesten zu charakterisieren (Briefkastenfirmen, kleine organisierte Banden, Kleinunternehmen etc.)? Ein Missing Trader ist regelmäßig ein nicht existentes Unternehmen bzw. ein Rechtsgebilde, welches den Schein eines Unternehmens hervorruft, aber in Wirklichkeit selbst keine unternehmerische Tätigkeit entfaltet. Der Missing Trader kann eine wirtschaftlich/unternehmerisch nicht aktive Domizilgesellschaft oder Briefkastenfirma sein. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/11067 8. Wie viele sogenannte Distributoren wurden in den vergangenen zehn Jahren aufgedeckt und strafrechtlich zur Verantwortung gezogen (bitte pro Jahr aufschlüsseln )? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Daten vor. Auf die Antwort zu Frage 2a wird hingewiesen. 9. Wie oft und mit wie vielen sogenannten Buffern bzw. Zwischenhändlern, die Umsatzsteuern zahlen und abführen und somit den Karussellbetrug komplexer gestalten und eine Aufdeckung durch Behörden erschweren, wird nach Kenntnis der Bundesregierung pro Umsatzsteuer-Karussell gearbeitet? Buffer bzw. Zwischenhändler werden regelmäßig in Umsatzsteuerkarusselle/Ketten eingebunden, um die Aufdeckung der Hinterziehung durch die Verwaltung zu erschweren. Die Anzahl der eingebundenen Buffer bzw. Zwischenhändler variiert von Fall zu Fall. 10. Gehören diese Buffer nach Schätzung der Bundesregierung in der Regel zu dem kriminellen Betrugsnetzwerk oder sind sie meist „unwissend“ dazwischengeschaltet ? Die Einbindung von Buffern in Umsatzsteuerkarusselle/Ketten kann je nach Fallgestaltung wissentlich oder unwissentlich erfolgen. 11. Welche Kriterien sind ausschlaggebend, damit die Bundesregierung eine Beteiligung am TNA-Verfahren (Transaction Network Analysis Tool) im Rahmen von Eurofisc (Mehrwertsteuerbetrug-Frühwarnsystem) künftig befürwortet , nachdem sie dem Projekt bislang eher ablehnend gegenüberstand? 12. Welche Bedenken hat die Bundesregierung gegenüber dem TNA-Verfahren, und inwieweit haben sich einige der bisherigen Bedenken schon ausräumen lassen? Die Fragen 11 und 12 werden wegen des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet . Es bestehen innerhalb der Bundesregierung keine Bedenken gegen die Teilnahme an TNA. Die Bundesregierung steht einer Teilnahme an TNA positiv gegenüber. Die finale Abstimmung über die aktive Teilnahme zusammen mit den Ländern steht kurz vor dem Abschluss. Zunächst hatte eine unionsrechtliche Rechtsgrundlage für eine automatisierte Datenverarbeitung und Analyse auf Ebene der EU-Mitgliedstaaten, wie sie von TNA durchgeführt werden soll, gefehlt. Diese Rechtsgrundlage ist – insbesondere auf Initiative Deutschlands vor dem Hintergrund von Steuergeheimnis und Datenschutz – geschaffen worden. 13. Inwieweit plant die Bundesregierung, Vorsorge gegen Betrug durch Umsatzsteuer -Karusselle mit Ökostromzertifikaten zu treffen, indem sie – wie schon sechs EU-Länder – Ökostromzertifikate beim Handel zwischen Unternehmen von der Umsatzsteuer befreit? Die Bundesregierung wird zeitnah gemeinsam mit den Ländern, die nach Artikel 108 Grundgesetz für die Erhebung und Kontrolle der Umsatzsteuer zuständig sind, prüfen, ob dem Gesetzgeber ein Vorschlag für eine gesetzliche Regelung zur Einführung des Reverse-Charge-Verfahrens beim Handel von Ökostromzertifikaten zwischen Unternehmen vorgelegt werden soll. Eine Umsatzsteuerbefreiung beim Handel von Ökostromzertifikaten zwischen Unternehmen ist EU-rechtlich nicht möglich. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11067 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 14. Inwieweit sind nach Kenntnis der Bundesregierung auch deutsche Kreditinstitute in den Handel und Umsatzsteuerbetrug mit Ökostromzertifikaten involviert , wie beispielsweise die Deutsche Bank in den Betrug mit CO2-Zertifikaten (www.n-tv.de/wirtschaft/Deutsche-Bank-Manager-muessen-in-Haftarticle 20435081.html; www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/co2-betrugmutmasslicher -drahtzieher-verhaftet-a-1218174.html; www.zeit.de/wirtschaft/ 2012-12/emimissionshandel-co2-betrug-deutsch-bank-razzia)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 15. Wie sollten aus Sicht der Bundesregierung Umsatzsteuer-Karusselle mit Ökostromzertifikaten ausgebremst werden? Welche Methoden sind in der Diskussion, welches Vorgehen favorisiert die Bundesregierung? Auf die Antwort zu Frage 13 wird hingewiesen. 16. In welcher Höhe wird nach Kenntnis der Bundesregierung täglich im Gasund Strommarkt Umsatzsteuer hinterzogen? Inwieweit kann die Bundesregierung die von „Grand Theft Europe“ ermittelte Zahl von 3,2 Mio. Euro bestätigen? Es liegen keine Erkenntnisse darüber vor, wie die von „Grand Theft Europe“ dargelegten Zahlen ermittelt wurden. Die Bundesregierung kann die genannte Zahl daher nicht bestätigen. 17. Welche Regulierungen und Methoden wurden bislang in der Bundesregierung zur Eindämmung von Umsatzsteuer-Karussellbetrug diskutiert? Welche Regulierungen und Methoden wurden nach Kenntnis der Bundesregierung bislang auf EU-Ebene diskutiert? Bund und Länder arbeiten bereits seit Jahren intensiv und erfolgreich beim Kampf gegen diese Form der Steuerhinterziehung zusammen und haben eine Vielzahl von Maßnahmen gemeinsam erarbeitet und umgesetzt. Neben organisatorischen Maßnahmen wie z. B. die Einrichtung einer zentralen Koordinierungsstelle beim Bundeszentralamt für Steuern für länder- und staatenübergreifende Fälle, die Einrichtung einer zentralen Datenbank für die bundesweite Erfassung von aufgedeckten Betrugsfällen im Bereich der Umsatzsteuer, auf die Bedienstete der Finanzämter aus dem Bereich Umsatzsteuer online zugreifen können, wurden dem Gesetzgeber auch Vorschläge für gesetzliche Regelungen vorgelegt. Hinzuweisen ist hierbei insbesondere auf die Einführung der unangekündigten Umsatzsteuer -Nachschau (§ 27b UStG) sowie die Einführung des Reverse-Charge-Verfahrens für bestimmtem Bereiche (§ 13b UStG). Auch bei den Arbeiten auf EU-Ebene zur Bekämpfung von EU-weiten Umsatzsteuer -Betrugskarussellen arbeitet Deutschland aktiv mit. Bedienstete des Bundeszentralamtes für Steuern leiten bereits im vierten Jahr den Eurofisc-Arbeitsbereich „Missing Trader Intra-Community Fraud“ und koordinieren mit dem BZSt die Zusammenarbeit zwischen den Ländern und den anderen EU-Mitgliedstaaten . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/11067 18. Wie sind die jeweiligen Betrugsbekämpfungsvorschläge aus Sicht der Bundesregierung zu bewerten (bitte einzeln aufschlüsseln)? Welche Verfahren zur verbesserten Umsatzsteuerbetrugsbekämpfung unterstützt die Bundesregierung? Auf die Antworten zu den Fragen 17, 20, 22 und 25 bis 28 wird hingewiesen. 19. Inwieweit unterstützt die Bundesregierung vor dem Hintergrund der Aufdeckungen durch „Grand Theft Europe“ die Umstellung auf ein generelles, obligatorisches Reverse-Charge-Verfahren (Umkehrung der Steuerschuldnerschaft )? 20. Welche Schlussfolgerung zieht die Bundesregierung aus den Erkenntnissen des Planspiels zum Reverse-Charge-Modell, das eine Expertengruppe erarbeitete (vgl. PSP Peters Schönberger GmbH, Planspiel zur systembezogenen Änderung bei der Umsatzsteuer – „Reverse-Charge-Verfahren“ im Auftrag des Bundesministeriums der Finanzen, November 2005)? Die Fragen 19 und 20 werden wegen des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet . Aus Sicht der Bundesregierung ist das generelle Reverse-Charge-Verfahren grundsätzlich ein wirksames Mittel zur Bekämpfung des Umsatzsteuerbetruges. Die Einführung eines solchen Systems setzt jedoch eine Änderung der Mehrwertsteuer -Systemrichtlinie voraus. Das Recht, die Initiative für eine Änderung des geltenden Rechtsrahmens zu ergreifen, liegt allein bei der Europäischen Kommission . Sollte die Europäische Kommission in der Zukunft insoweit von ihrem Initiativrecht Gebrauch machen, wird die Bundesregierung die entsprechenden Vorschläge prüfen. In den derzeit laufenden Verhandlungen darüber, die geltende Übergangsregelung durch ein endgültiges System abzulösen, tritt die Bundesregierung für eine ergebnisoffene Prüfung aller Systemalternativen ein. 21. Welche weiteren Studien wurden seitdem entweder von der Bundesregierung bzw. dem Bundesministerium der Finanzen oder der Finanzministerkonferenz zu Umsatzsteuerbetrug oder Umsatzsteuer-Karussellen in Auftrag gegeben (bitte einzeln aufschlüsseln)? Es wurden keine weiteren Studien zu Umsatzsteuerbetrug oder Umsatzsteuer-Karussellen in Auftrag gegeben. 22. Was schlussfolgert die Bundesregierung aus den bisherigen Erfahrungen mit einem Reverse-Charge-System in bestimmten Bereichen des EU-Mehrwertsteuersystems ? Die bisherigen Erfahrungen mit einem Reverse-Charge-Verfahren in bestimmten Bereichen sind durchweg positiv und haben gezeigt, dass es sich um ein wirksames Instrument zur Bekämpfung des Umsatzsteuerbetruges handelt. Deutschland hat daher von dem Katalog nach Artikel 199a Absatz 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem von Lieferungen und sonstigen Leistungen, die in den EU-Mitgliedstaaten für Hinterziehungen in Form von Karussellgeschäften genutzt wurden und für die die EU-Mitgliedstaaten deshalb das sog. Reverse-Charge-Verfahren national vorsehen können, umfassend Gebrauch gemacht. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11067 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 23. Was schlussfolgert die Bundesregierung aus dem seit 2010 geltenden EUweiten Reverse-Charge-Verfahren für CO2-Zertifikate bzw. Emissionsreduktionseinheiten hinsichtlich des aktuellen Betrugs mit Ökostromzertifikaten ? Die Bundesregierung verfolgt auf der Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse der Länder und vorliegenden Informationen aus anderen EU-Mitgliedstaaten die Entwicklung in dem Bereich aufmerksam. Darüber hinaus prüft die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern, ob dem Gesetzgeber ein Vorschlag zur Einführung des Reverse-Charge-Verfahrens (§ 13b UStG) auf der Grundlage des geltenden EU-Rechts vorgelegt werden sollte. 24. Inwieweit unterstützt die Bundesregierung die Forderung nach einem einheitlichen Mehrwertsteuersatz für die gesamte EU? Die für alle Mitgliedstaaten verbindliche Anwendung eines unionsweit einheitlichen Mehrwertsteuersatzes setzt eine Änderung der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie voraus. Das Recht, die Initiative für eine Änderung des geltenden Rechtsrahmens zu ergreifen, liegt allein bei der Europäischen Kommission. Sollte die Europäische Kommission in der Zukunft von ihrem Initiativrecht Gebrauch machen , wird die Bundesregierung die entsprechenden Vorschläge prüfen. 25. Inwieweit unterstützt bzw. befürwortet die Bundesregierung eine Umstellung auf elektronische Echtzeitüberwachung von Transaktionen? Seitens der Bundesregierung bestehen keine Überlegungen zur Einführung einer elektronischen Echtzeitüberwachung von Transaktionen zur Umsatzsteuerbetrugsbekämpfung . 26. Inwieweit unterstützt bzw. befürwortet die Bundesregierung eine grenzüberschreitende Transaktionskontrolle via Blockchain-Technologie, um Umsatzsteuerbetrug zu verhindern? Seitens der Bundesregierung bestehen keine Überlegungen für die Einführung einer grenzüberschreitenden Transaktionskontrolle via Blockchain-Technologie zur Umsatzsteuerbetrugsbekämpfung. 27. Welchen Stellenwert räumt die Bundesregierung generell der Distributed- Ledger- und insbesondere Blockchain-Technologie bezüglich der Überwachung und Bekämpfung von Umsatzsteuerbetrug und im Speziellen von Umsatzsteuer -Karussellen ein? Wie kann diese Technologie aus Sicht der Bundesregierung am effektivsten zur Bekämpfung von Umsatzsteuerbetrug eingesetzt werden? Auf die Antwort zu Frage 26 wird hingewiesen. 28. Inwieweit befürwortet die Bundesregierung die Einführung eines überwachten Bankkontos mittels sogenanntem Split-Payment-Verfahren, um Umsatzsteuerbetrug eher aufdecken zu können? Die unionsweite Einführung eines Split-Payment-Verfahrens setzt eine Änderung der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie voraus. Das Recht, die Initiative für eine Änderung des geltenden Rechtsrahmens zu ergreifen, liegt allein bei der Europäischen Kommission. Sollte die Europäische Kommission in der Zukunft insoweit Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/11067 von ihrem Initiativrecht Gebrauch machen, wird die Bundesregierung die entsprechenden Vorschläge prüfen. In den derzeit laufenden Verhandlungen darüber, die geltende Übergangsregelung durch ein endgültiges System abzulösen, tritt die Bundesregierung dafür ein alle Mittel, die einen Beitrag zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen leisten können, ergebnisoffen zu prüfen. 29. Wie soll nach Kenntnis der Bundesregierung die – laut Ankündigung des Umweltbundesamtes – neu zu gründende Task Force, die gemeinsam mit der europäischen Polizeibehörde Europol Umsatzsteuer-Karusselle stoppen soll, personell und finanziell aufgestellt sein, und welche konkreten Aufgaben und Befugnisse soll diese Task Force erhalten? Das Umweltbundesamt (UBA) ist als in Deutschland zuständige Stelle für die Ausstellung von Herkunftsnachweisen für Strom aus erneuerbaren Energien (Herkunftsnachweisregister [HKNR]) Mitglied der Association of Issuing Bodies (AIB) als Dachverband der europäischen Registerführer für Herkunftsnachweise. Die AIB hat eine Task-Force ins Leben gerufen, um mit sämtlichen Partnern europaweit daran zu arbeiten, dass Herkunftsnachweise nicht für Umsatzsteuerbetrug verwendet werden können. Mitglieder der AIB entsenden Mitarbeitende in diese Task Force, ein Budget steht noch nicht fest. Für Deutschland wird voraussichtlich eine Mitarbeiterin bzw. ein Mitarbeiter vom UBA in der Task-Force von AIB mitarbeiten. Der erzielte Austausch der ausstellenden Stellen und die so erlangten Kenntnisse werden als hilfreich angesehen, um das europäische Registersystem und damit auch das HKNR mit sämtlichen Registerteilnehmenden davor zu schützen, als Unbeteiligte in einen Betrug einbezogen zu werden. Die konkreten Aufgaben der Task-Force sind derzeit noch nicht festgelegt. 30. Auf welche Weise möchte die Bundesregierung die Koordinierungsstelle für Umsatzsteuerbetrugsbekämpfung beim Bundeszentralamt für Steuern zukünftig stärken? Welche Erkenntnisse zum aktuellen Betrugsfall mit Ökostromzertifikaten hat diese Koordinierungsstelle wann beigesteuert und der Bundesregierung zur Kenntnis gegeben? Eine Übertragung weiterer Aufgaben an die Koordinierungsstelle für Umsatzsteuerbetrugsbekämpfung beim Bundeszentralamt für Steuern könnte nur in Abstimmung mit den Ländern erfolgen. Die Koordinierungsstelle für Umsatzsteuerbetrugsbekämpfung beim Bundeszentralamt für Steuern hat die Länder umgehend über dort eingegangene Informationen zu aktuellen Entwicklungen im Bereich des Handels mit Ökostromzertifikaten informiert und frühzeitig Kontakt zum Umweltbundesamt aufgenommen . 31. Wie viele Geldwäscheverdachtsmeldungen mit Bezug zu Umsatzsteuer-Karussellbetrug (als möglicher Geldwäschevortat) sind in den letzten zehn Jahren in Deutschland durch Verpflichtete abgegeben worden? Im Zeitraum vom 1. Juli 2009 bis 31. Dezember 2010 wurden im Bundeskriminalamt Verdachtsmeldungen im Zusammenhang mit dem „Handel mit CO2- Emissionszertifikaten“ gesondert betrachtet. Aus dieser Trendbeobachtung ergeben sich für 2009 (2. Halbjahr) 28 und für 2010 41 abgegebene Verdachtsmel- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11067 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode dungen. In den Jahren 2011 bis 2014 erfolgte eine Beobachtung der Verdachtsmeldungen mit Blick auf „Umsatzsteuerbetrug“ mit folgender Anzahl der im jeweiligen Berichtsjahr abgegebenen Verdachtsmeldungen: 2011 – 94 2012 – 27 2013 – 37 2014 – 58. Danach sind bis zur Einrichtung der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU) in der Generalzolldirektion keine weiteren Verdachtsmeldungen zu dem genannten Bereich eingegangen. Die mit Wirkung zum 26. Juni 2017 in der Generalzolldirektion neu eingerichtete Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU) erfasst Verdachtsmeldungen nicht separat nach einem Meldungsgrund „Umsatzsteuerkarussellbetrug“. Vor diesem Hintergrund kann keine validierte Angabe zur Anzahl der seit dem 26. Juni 2017 ggf. eingegangenen entsprechenden Verdachtsmeldungen gemacht werden. 32. Inwieweit wiesen nach Kenntnis der Bundesregierung Geldwäscheverdachtsanzeigen von Banken auf den Umsatzsteuer-Karussellbetrug mit Ökostromzertifikaten hin? Inwieweit konnten in der Vergangenheit aufgrund dieser Geldwäscheverdachtsmeldungen Umsatzsteuer-Karusselle in Deutschland, aber auch in Europa aufgedeckt und gestoppt werden? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 33. Welche Rolle spielen nach Kenntnis der Bundesregierung Online-Zahlungsplattformen bei Umsatzsteuer-Karussellbetrug? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse dazu vor, dass Online-Zahlungsplattformen in Umsatzsteuer-Karussellbetrugsfälle eingebunden werden. 34. Welcher gesetzliche Rahmen gilt für solche Online-Zahlungsplattformen in Deutschland? Inwieweit sind diese Zahlungsplattformen reguliert und unterliegen Know- Your-Customer-Anforderungen (KYC)? Der Betrieb einer Online-Zahlungsplattform kann – je nach Geschäftsmodell – eine Bank-, Finanz-, oder Zahlungsdienstleistung beinhalten. Werden solche Dienstleistungen in Deutschland gewerbsmäßig oder in einem Umfang erbracht, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, ist insoweit eine schriftliche Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erforderlich. Gegebenenfalls unterliegen die Dienstleister einer laufenden Aufsicht der BaFin nach den einschlägigen finanzaufsichtlichen Regelwerken . Sie sind damit Verpflichtete im Sinne des § 2 Absatz 1 Nummer 1 oder 3 des Geldwäschegesetzes (GwG), weshalb sie geldwäscherechtliche Sorgfaltspflichten in Bezug auf ihre Vertragspartner einzuhalten haben. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/11067 35. Inwieweit ist es möglich, dass es über Online-Zahlungsplattformen zu Geldwäscheverdachtsanzeigen kommt, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus? Soweit Online-Zahlungsplattformen Verpflichtete im Sinne von § 2 GwG sind (vgl. auch Antwort zu Frage 34), unterliegen sie insbesondere der Verdachtsmeldepflicht nach § 43 GwG. Die Einhaltung dieser Pflicht wird im Rahmen des Jahresabschlussprüfungs -berichts von externen Prüfern geprüft sowie von der BaFin im Rahmen der laufenden Geldwäscheaufsicht überwacht. 36. Wie viele Personen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in den vergangenen zehn Jahren wegen des Verdachts auf Umsatzsteuer-Karussellbetrug in Deutschland nach Kenntnis der Bundesregierung angeklagt (bitte pro Jahr aufschlüsseln)? 37. Auf welches finanzielle Volumen bezogen sich die zur Anklage gebrachten Fälle, wie viele von diesen Personen wurden letztlich verurteilt, und welches Strafmaß wurde von den jeweiligen Gerichten für angemessen erachtet (bitte einzeln aufschlüsseln)? Die Fragen 36 und 37 werden wegen des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet . Der Bundesregierung liegen hierzu keine Daten vor. Die Rechtspflegestatistiken weisen sowohl die Strafverfahren als auch die Ab- bzw. Verurteilungen wegen „Umsatzsteuer-Karussellen“ nicht gesondert aus. 38. Wie viele Personen wurden diesbezüglich in den vergangenen zehn Jahren nach Kenntnis der Bundesregierung in Mitgliedstaaten der EU angeklagt? Wie viele wurden davon verurteilt (bitte jeweils nach Jahren aufschlüsseln)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Daten vor. 39. Was ist der Grund für die Ausnahme in § 13b Absatz 2 Nummer 4 des Umsatzsteuergesetzes , wonach sämtliche Dienstleistungen im Bereich der Bauindustrie von der Umsatzsteuer befreit werden mit Ausnahme von Planungsund Überwachungsleistungen? Wie ist diese Ausnahme nach Kenntnis der Bundesregierung zustande gekommen ? Mit der Entscheidung des Rates vom 30. März 2004 (ABl. EU 2004 Nr. L 94, 59) wurde die Bundesrepublik Deutschland ermächtigt, eine von Artikel 21 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern abweichende Regelung anzuwenden . Danach kann bei der Erbringung von Bauleistungen an einen Steuerpflichtigen der Leistungsempfänger als Mehrwertsteuerschuldner bestimmt werden . Bei Planungs- und Überwachungsleistungen handelt es sich nicht um klassische Leistungen eines Bauunternehmers, sondern um Leistungen insbesondere von Statikern, Architekten, Garten- und Innenarchitekten, Vermessungs-, Prüfund Bauingenieuren. Sie wurden daher von der Regelung in § 13b Absatz 2 Nummer 4 UStG n. F. (§ 13b Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 UStG a. F.) ausgenommen. Die Ausnahme von Planungs- und Überwachungsleistungen war im Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 15/1502) noch nicht vorgesehen . Sie wurde erst durch den Vermittlungsausschuss aufgenommen (vgl. Bundestagsdrucksache 15/2261). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11067 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 40. Worin bestehen die Unterschiede zwischen dem Umsatzbesteuerungsverfahren bei einer innergemeinschaftlichen Leistung (Lieferung und Erwerb) und bei Reverse Charge, wenn in beiden Fällen der Abnehmer die Umsatzsteuer bei gleichzeitiger Vorsteuerabzugsmöglichkeit schuldet und wenn materiellrechtlich der innergemeinschaftliche Erwerb sowie Reverse Charge im Ergebnis zu keinem Unterschied führen? Unterschiede zwischen dem Umsatzsteuerverfahren bei einer innergemeinschaftlichen Leistung (Lieferung und Erwerb) und dem Reverse-Charge-Verfahren bestehen insbesondere hinsichtlich der materiell-rechtlichen Voraussetzungen und des Anwendungsbereiches dieser Verfahren. Bezüglich der sich aus dem jeweiligen Verfahren ergebenden Konsequenzen für den Abnehmer/Leistungsempfänger bestehen jedoch im Ergebnis grundsätzlich keine Unterschiede. Der Abnehmer /Leistungsempfänger führt die auf die Lieferung/Leistung entfallende Umsatzsteuer direkt an das Finanzamt ab und macht gegenüber diesem bei Vorliegen der Voraussetzungen auch den Vorsteuerabzug für die entsprechende Lieferung/ Leistung geltend. In beiden Fallkonstellationen liegen die Entrichtung der Umsatzsteuer und der Vorsteuerabzug für die Lieferung/Leistung beim Abnehmer/ Leistungsempfänger. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333