Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit vom 6. März 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/1125 19. Wahlperiode 08.03.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Bettina Hoffmann, Oliver Krischer, Steffi Lemke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/815 – Belastung mit antibiotikaresistenten Keimen in Flüssen, Bächen und Badegewässern V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Sauberes Wasser ist für Menschen eine lebensnotwendige Grundlage. Bei Wasserverunreinigungen im Trinkwasser oder in Badegewässern können gesundheitliche Schäden drohen. Medienberichten zufolge wurden in Oberflächengewässern Niedersachsens nun antibiotikaresistente Keime nachgewiesen (www. spiegel.de/gesundheit/diagnose/niedersachsen-antibiotika-resistente-keime-ingewaessern -nachgewiesen-a-1191972.html), sowohl im Wasser – als auch in Sedimentproben. Gegen einige der multiresistenten Bakterien konnten sogar Reserveantibiotika nichts mehr ausrichten, also solche, die nur im Notfall als letzte Möglichkeit in der Humanmedizin eingesetzt werden. Da ein Teil des in Deutschland genutzten Trinkwassers aus Oberflächengewässern wie Talsperren und Seen sowie durch Anreicherung oder Uferfiltration gewonnen wird, geben die Funde aus Niedersachsen besonderen Grund zur Sorge. 1. Welche Oberflächengewässer in Deutschland werden nach Kenntnis der Bundesregierung zur Trinkwasserversorgung genutzt (bitte nach Bundesländern auflisten)? Der Bundesregierung liegen keine Angaben aus den Ländern darüber vor, welche Oberflächengewässer in den Ländern zur Trinkwassergewinnung genutzt werden. Aus den Qualitätsberichten, die die Länder der Bundesregierung nach § 21 Absatz 3 der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) übermitteln, ergibt sich zusammenfassend , dass in Deutschland 15,6 Prozent der Rohwasserressourcen für die Trinkwassergewinnung der berichtspflichtigen Wasserversorgungen aus Oberflächenwasser und 8,2 Prozent aus Uferfiltrat stammen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/1125 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 2. Wurden diese Oberflächengewässer auf eine eventuelle Belastung mit antibiotikaresistenten Keimen untersucht? a) Wenn ja, bei welchen Gewässern wurde welche Belastung festgestellt, und welche Ursachen haben diese Belastungen? b) Wenn nein, warum nicht? Der Bundesregierung liegen keine Angaben aus den Ländern darüber vor, ob die Oberflächengewässer auf Belastungen mit antibiotikaresistenten Keimen untersucht wurden. 3. Liegen der Bundesregierung insgesamt Ergebnisse zu Gewässeruntersuchungen auf antibiotikaresistente Keime vor? Falls ja, welche? Zuständig für die Gewässerüberwachung sind die Länder. Die Bundesregierung wird die Länder kurzfristig ansprechen und um Auskunft zum Sachstand bzgl. der Belastung von Gewässern mit antibiotikaresistenten Keimen bitten. 4. Welche Gefahren und Veränderungen ergeben sich nach Einschätzung der Bundesregierung von antibiotikaresistenten Keimen in Badegewässern für Menschen, Tiere und Pflanzen? Resistenzen entstehen durch natürliche Mutationen im Erbgut der Bakterien oder durch Aufnahme von Resistenzgenen aus der Umgebung (Umwelt), die Bakterien untereinander austauschen und dabei weitergeben. Dieser Vorgang wird durch einen übermäßigen und unsachgemäßen Gebrauch von Antibiotika beschleunigt. Resistente Erreger können nicht nur von Tieren auf Menschen und umgekehrt übertragen werden, sondern auch in die Umwelt gelangen. 5. Kann die Bundesregierung die Übertragung der antibiotikaresistenten Keime auf badende Menschen ausschließen? Und falls nicht, was hätte dies für Auswirkungen insbesondere auf alte, junge und kranke Menschen? Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass insbesondere bei Personen, die nach medizinischen Maßnahmen nur über eine abgeschwächte Immunabwehr verfügen , antibiotikaresistente Erreger auf badende Menschen übertragen werden und es zu Erkrankungen kommt. Hierzu besteht jedoch noch weiterer Forschungsbedarf . 6. Ist davon auszugehen, dass antibiotikaresistente Keime auch im Trinkwasser zu finden sind, das aus Oberflächenwasser gewonnen wird (insbesondere in viehreichen Regionen)? Die Trinkwasserverordnung fordert in § 5 Absatz 5 TrinkwV für mikrobiell belastete Rohwässer eine Aufbereitung, erforderlichenfalls eine Desinfektion, nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik. Zudem gewährleistet das sogenannte Multibarrierensystem ein sehr hohes Schutzniveau gegen Mikroorganismen und andere Verunreinigungen. Das Multibarrierensystem beginnt mit Schutzzonen um die Rohwassereinzugsgebiete , welche einen Eintrag von Mikroorganismen, so z. B. auch aus der Tierhaltung , unterbinden, und wird im Wasserwerk fortgesetzt. In Abhängigkeit von der Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/1125 Qualität des Rohwassers schließen sich verschiedene Reinigungsstufen an. Mikrobiell stark belastete Oberflächenwässer werden über mehrere Stufen, in der Regel über Flockungs- und Filtrationsverfahren, gereinigt und desinfiziert. Die Gesamtheit dieser Maßnahmen gewährleistet eine Reduktion aller Mikroorganismen , so dass im Trinkwasser Krankheitserreger, mit und ohne Antibiotikaresistenzen , nicht in Konzentrationen enthalten sind, welche die menschliche Gesundheit beeinträchtigen. Trinkwasser ist jedoch natürlicherweise nicht steril, also frei von jeglichen Mikroorganismen. Es ist demnach nicht gänzlich auszuschließen , dass im Einzelfall antibiotikaresistente Mikroorganismen in geringen Konzentrationen im aufbereiteten Trinkwasser vorhanden sein könnten. Für die Infektionen von Menschen ist Trinkwasser als Infektionspfad mit Antibiotikaresistenten Krankheitserregern nach aktuellem Kenntnisstand sehr unwahrscheinlich . 7. Sieht die Bundesregierung unmittelbaren Handlungsbedarf bezüglich antibiotikaresistenter Keime in Oberflächenwasser? Falls ja, welchen? Die Untersuchung und Bewertung der Gewässerqualität gehört zu den Aufgaben der Länder. Von dort sind konkrete Handlungsempfehlungen vor Ort vorzunehmen . Seitens der Bundesregierung werden Maßnahmen zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen in der durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG), das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) entwickelten Deutschen Antibiotika -Resistenzstrategie (DART 2020) gebündelt, in deren Rahmen auch Forschungsprojekte zu antibiotikaresistenten Krankheitserregern im Kontext der Abwasserentsorgung – wie das BMBF-Projekt HyReKA (Biologische bzw. hygienisch -medizinische Relevanz und Kontrolle Antibiotika-resistenter Krankheitserreger in klinischen, landwirtschaftlichen und kommunalen Abwässern und deren Bedeutung in Rohwässern) – gefördert werden. 8. Welche Nachrüstungen von Kläranlagen hält die Bundesregierung entsprechend der Angaben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit für sinnvoll (www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/ Gefaehrliche-Keime-in-Baechen-Fluessen-und-Seen,keime302.html), und welche Kosten entstünden durch diese Maßnahmen? Eintragspfade für antibiotikaresistente Bakterien sind unter anderem Kläranlagen, Abschläge von Regenüberlaufbecken sowie diffuse Abschwemmungen von landwirtschaftlich genutzten Flächen. Eine 4. Reinigungsstufe (4. RS) für Kläranlagen berücksichtigt nur einen der Eintragspfade. Dabei sind die verfügbaren Verfahren bei der Reduktion von Spurenstoffen und (resistenten) Bakterien unterschiedlich wirksam. Verfahren zur alleinigen Desinfektion von Abwasser, wie beispielsweise eine UV-Behandlung zum Abtöten von Keimen zum Schutz für Badende, sind dagegen zur Mikroschadstoffelimination nicht unbedingt geeignet. Darüber hinaus obliegt die Entscheidung über den Einsatz einer 4. RS bei den zuständigen Landesbehörden. Allerdings ebenso wichtig sind Vorsorgemaßnahmen , die den Eintrag von Spurenstoffen im Allgemeinen und Antibiotika im Speziellen bereits an der Quelle so weit wie möglich reduzieren. Aus diesem Grund entwickelt das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) eine Spurenstoffstrategie, im Rahmen derer Minderungsmaßnahmen an der Quelle (Herstellung), der Anwendung sowie der Entsorgung (auch Kläranlagen und Mischwassereinleitungen) etabliert werden Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/1125 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode sollen. Dabei werden unter Berücksichtigung von DART 2020 auch Maßnahmen für einen verringerten Einsatz von Tier- und Humanarzneimittel betrachtet. In diesem Zusammenhang erinnert die Bundesregierung daran, dass sich in der Tiermedizin die jährliche Abgabemenge an Antibiotika seit dem Jahr 2011 um ca. 56 Prozent reduziert hat. Als wichtiger Bestandteil der Spurenstoffstrategie dürfte eine Reduzierung von Gewässerbelastungen durch Antibiotika mittelbar auch dazu beitragen, das Problem der Antibiotikaresistenzen zu reduzieren. Ob die Aufrüstung kommunaler Kläranlagen mit einer erweiterten Reinigungsstufe zur Reduktion antibiotikaresistenter Bakterien in Gewässern erforderlich ist, kann nach derzeitiger Kenntnislage nicht sicher beurteilt werden. Die Ergebnisse des BMBF Forschungsvorhabens HyReKA bleiben abzuwarten. Darüber hinaus regelt die Abwasserverordnung Mindestanforderungen für einzuleitende Abwässer, berücksichtigt Antibiotika und antibiotikaresistente Keime jedoch nicht. Die Länder können diese Mindestanforderungen erhöhen, wenn dies im Einzelfall, z. B. aus Gründen des Gewässerschutzes, des Trinkwasserschutzes oder des Schutzes von Badegewässern, erforderlich ist. Hinsichtlich der Kosten kommt es also auf den Einzelfall und die Anforderungen an die Einleitung sowie die ggf. einzusetzende erforderliche Technik an. Eine pauschale Aussage zu zusätzlichen Kosten ist nicht möglich. 9. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um Austräge von antibiotikaresistenten Keimen aus Tierhaltungsanlagen zu minimieren? Die aus Sicht der Bundesregierung notwendigen Maßnahmen zur Eindämmung der Entstehung und Verbreitung von Antibiotikaresistenzen sind in der Deutschen Antibiotikaresistenz-Strategie DART 2020 zusammengestellt. Im Bereich der landwirtschaftlichen Tierhaltung ergeben sich nach Auffassung der Bundesregierung die drei nachstehend erläuterten Handlungsfelder als wesentliche Ansatzpunkte zur Minimierung der Austräge von antibiotikaresistenten Keimen: 1. vorbeugende Maßnahmen zur Gesunderhaltung der Tierbestände, sodass antibiotische Tierarzneimittel gar nicht erst zur Anwendung kommen müssen. 2. gesetzliche Regelungen, die das Ziel der nachhaltigen Reduktion der Antibiotikaanwendung und die gezielte Antibiotikaanwendung in der Tierhaltung verfolgen . Mit dem Sechzehnten Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes (16. AMG-Novelle), das im Jahr 2014 in Kraft trat, wurde ein Benchmarking- System mit bundesweiter Ermittlung von Kennzahlen zur Therapiehäufigkeit von Masttieren mit Antibiotika eingeführt. Damit verbunden sind Prüf- und Handlungsverpflichtungen der Tierhalterinnen und Tierhalter, um den Antibiotika -Einsatz zu reduzieren. Sie müssen ihre betriebsindividuelle Situation mit bundesweiten Kennzahlen vergleichen und – falls die Kennzahlen überschritten werden – im Zusammenwirken mit dem Tierarzt Maßnahmen zur Minimierung des Antibiotika-Einsatzes ergreifen. Die Kennzahlen werden halbjährlich auf der Grundlage des Erreichten ermittelt, sodass sich ein dynamisches System ergibt, das in Deutschland bereits erkennbar zu einer erheblichen Reduktion der Antibiotika-Anwendung im Bereich der Tiermast beigetragen hat (zwischen den Jahren 2011 und 2016 Reduktion der an Tierärzte abgegebenen Antibiotikamengen um 56,6 Prozent). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/1125 Ebenso verfolgt die Zweite Verordnung zur Änderung der Verordnung über tierärztliche Hausapotheken, die am 28. Februar 2018 im Bundesgesetzblatt verkündet worden und am 1. März 2018 in Kraft getreten ist, das Ziel, den verantwortungsvollen und gezielten Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung zu stärken . 3. technische Maßnahmen, die zur Optimierung der Haltungssysteme in der Tierhaltung beitragen. Dies betrifft unterschiedliche Bereiche, z. B. die Optimierung des Hygienemanagements und der Stalllüftung (vor allem Zuluft, Temperatur und Luftführung ), Maßnahmen zur Emissionsminderung im Stall und die Kombination stallintegrierter und nachgeschalteter Maßnahmen (Abluftreinigung). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333