Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit vom 25. Juni 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/11292 19. Wahlperiode 01.07.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Carina Konrad, Frank Sitta, Nicole Bauer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/10357 – Fachliche und juristische Bewertung der geforderten Anwendungsbestimmungen des Umweltbundesamtes im Zulassungsverfahren von Pflanzenschutzmitteln in Deutschland V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der Zulassungsprozess von Pflanzenschutzmitteln wird seit 2009 über ein zonales Verfahren nach Vorgaben der Europäischen Union (EU) geregelt. Die Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (GD SANTE) bemängelt in ihrem Audit-Bericht aus dem Jahr 2016, dass es in Deutschland deutliche Verzögerungen bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln in Bezug auf die dafür maßgebliche EU-Verordnung über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (Nr. 1107/2009) gebe. In der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP auf Bundestagsdrucksache 19/5827 berichtete die Bundesregierung, dass es bis November 2018 in keinem Fall möglich war, Entscheidungen zu Zulassungsanträgen innerhalb der von der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 dafür vorgesehenen Fristen zu treffen und zu bescheiden . Gründe für diese erheblichen Verfristungen liegen nach Einschätzung der Fraktion der FDP in unklaren Kompetenzzuweisungen und oftmals fehlendem Einvernehmen der beteiligten Bundesbehörden. Die Uneinigkeit von zwei beteiligten Behörden, genauer dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) und dem Umweltbundesamt (UBA), wird aus hiesiger Sicht in der neuesten Auseinandersetzung deutlich . Das BVL hat im Februar 2019 bis zum Ende dieses Jahres befristete Zulassungen mit den notwendigen Stellungnahmen aller vier beteiligten Behörden für 18 Pflanzenschutzmittel erteilt. Das UBA knüpft sein Einvernehmen jedoch an bestimmte Anwendungsbestimmungen. So soll Landwirten ab 2020 untersagt werden, 10 Prozent ihrer Fläche in gewohnter Weise zu bewirtschaften, wenn sie bestimmte Pflanzenschutzmittel anwenden wollen. Über die vom UBA ab 2020 geforderten Maßnahmen besteht laut BVL jedoch Uneinigkeit, denn es sei „rechtlich nicht möglich, diese Maßnahmen über die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln zu regeln“, so das BVL in einer Stellungnahme (www.bvl. bund.de/DE/08_PresseInfothek/01_FuerJournalisten_Presse/01_Pressemitteilungen/ 04_Pflanzenschutzmittel/2019/2019_04_05_PSM-Zulassung.html). Die vom UBA geforderten Anwendungsbestimmungen zum „Schutz der Biodiversität“ Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11292 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode hält nicht nur das BVL für rechtlich nicht tragbar, so sind auch die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen auf die landwirtschaftlichen Betriebe nach Meinung der Fraktion der FDP nicht berücksichtigt. Eine gemeinsame fachliche und juristische Einschätzung der im Raum stehenden Anwendungsbestimmungen des UBA innerhalb der Bundesregierung erfolgte nach Kenntnis der Fragesteller bisher nicht, was zu erheblicher Unsicherheit bei Landwirten und Antragstellern führt. 1. Für welche Pflanzenschutzmittel sollen ab 1. Januar 2020 die vom UBA verlangten Anwendungsbestimmungen, wonach bei dem Einsatz dieser Mittel auf 10 Prozent der Ackerfläche auf chemischen Pflanzenschutz verzichtet werden soll, gelten? a) Wie viele dieser Mittel beinhalten den Wirkstoff Glyphosat? b) Welche Kulturen werden nach jetziger Einschätzung der Bundesregierung von diesen Anwendungsbestimmungen vornehmlich betroffen sein? Die Fragen 1 bis 1b werden zusammen beantwortet. Nach Ausführungen des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) liegen seit dem 6. November 2018 bis zum Stand 17. Mai 2019 insgesamt zu 49 Pflanzenschutzmitteln Einvernehmen des Umweltbundesamtes (UBA) im Rahmen der Beteiligung nach § 34 des Pflanzenschutzgesetzes vor, die das UBA mit Anwendungsbestimmungen zum Schutz der Biodiversität verknüpft hat, , die nach einer Übergangsfrist zum 1. Januar 2020 wirksam werden sollen. Hiervon betroffen sind 42 Herbizide – davon sieben glyphosathaltige Mittel –, vier Insektizide und drei Fungizide. Hieraus resultiert nach Einschätzung des BVL eine Betroffenheit nahezu aller Ackerbau- und Gemüsekulturen. 2. Liegt der Bundesregierung eine ausführliche und spezifische Begründung seitens des UBA vor, in welcher detailliert die einzelnen Effekte jedes mit diesen Anwendungsbestimmungen belegten Mittels auf die Biodiversität dargelegt werden und auf weitergehende Einflüsse auf Nichtzielarten eingegangen wird? Eine ausführliche und spezifische Begründung ist grundsätzlich Teil der Einvernehmenserklärung , die das UBA entsprechend seiner Zuständigkeit nach dem Pflanzenschutzgesetz für jeden einzelnen zur Prüfung vorliegenden Antrag gegenüber dem BVL in dessen Funktion als Zulassungsbehörde für Pflanzenschutzmittel abgibt. 3. Wie wird der Begriff der „Biodiversität“ nach Kenntnis der Bundesregierung vom UBA in dem dargestellten Sachzusammenhang definiert? Den Risikobewertungen des UBA liegt die Definition des Begriffs „Biodiversität “ (Synonym: „biologische Vielfalt“) gemäß der Verordnung (EU) 1107/2009 zu Grunde. In Artikel 3 Nummer 29 wird „biologische Vielfalt“ definiert als „Variabilität unter lebenden Organismen jeglicher Herkunft, einschließlich Land-, Meeres- und sonstigen aquatischen Ökosystemen und die ökologischen Wirkungsgefüge , zu denen sie gehören; diese Variabilität kann die Vielfalt innerhalb der Arten, zwischen den Arten und die Vielfalt der Ökosysteme umfassen“. 4. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung eine EU-weit abgestimmte Definition von Biodiversität? Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/11292 5. In welchen Kriterien unterscheidet sich die ggf. vorhandene EU-weit abgestimmte Definition in den vom UBA definierten Kriterien? Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. 6. Welchen konkret messbaren Anteil hat nach Erkenntnis der Bundesregierung der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln an einem möglichen Rückgang der Biodiversität, und welche wissenschaftlichen Erkenntnisse liegen der Bundesregierung dazu vor? Gibt es zu den Auswirkungen eine auf Deutschland standortspezifisch ausgerichtete Datenlage (bitte falls vorhanden, genaue Quelle, in der der messbare Einfluss dargestellt wird, angeben)? Der Bundesregierung liegen keine wissenschaftlichen Erkenntnisse zum konkret messbaren Anteil des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln an einem Rückgang der Biodiversität vor. Erkenntnisse zum Einfluss des Einsatzes chemischer Pflanzenschutzmittel und auch anderer Faktoren auf die biologische Vielfalt werden in dem UFOPLAN- Forschungsbericht Jahn et al., 2014 („Protection of biodiversity of free living birds and mammals in respect of the effects of pesticides“, www.umweltbundes amt.de/en/topics/plant-protection-products-threaten-farmland-birds) dargelegt. 7. Welche möglichen Ursachen für einen Biodiversitätsverlust sind der Bundesregierung über die vom UBA angeführte Anwendung von Pflanzenschutzmittel und den landwirtschaftlichen Sektor hinausgehend noch bekannt , und welchen genauen Einfluss haben diese? Unter anderem folgende über die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln und den landwirtschaftlichen Sektor hinausgehende Faktoren nehmen Einfluss auf den Rückgang von Artenvielfalt und Landschaftsqualität: Die Zerschneidung und Zersiedelung der Landschaft, die Versiegelung von Flächen (z. B. durch Verkehr und Besiedlung), großräumige Stoffeinträge sowie speziell für den Rückgang der Insekten auch ein Management von Naturschutzgebieten, bei dem z. T. die Bedürfnisse von Insekten unzureichend berücksichtigt sind, und die Lichtverschmutzung . Diese Faktoren sind regional unterschiedlich ausgeprägt. 8. Wie bewertet die Bundesregierung die nach Ansicht der Fragesteller quantitativ feststellbaren Auswirkungen der vom UBA geforderten Maßnahmen im Hinblick auf eine mögliche Verbesserung der Biodiversität in Deutschland? Die vom UBA erwartete Verbesserung des Schutzes der biologischen Vielfalt wird in den UFOPLAN-Forschungsberichten Jahn et al., 2014 („Protection of biodiversity of free living birds and mammals in respect of the effects of pesticides “ UBA Texte 30/2014, www.umweltbundesamt.de/en/topics/plant-protectionproducts -threaten-farmland-birds) und Hötker et al., 2018 („Biodiversitätsflächen zur Minderung der Umweltauswirkungen von Pflanzenschutzmitteln“, www.umweltbundesamt.de/publikationen/biodiversitaetsflaechen-zur-minderungder ) dargelegt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11292 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 9. Gibt es seitens der Bundesregierung Pläne, die Anwendungsbestimmungen nach Inkrafttreten auf ihre positiven Auswirkungen auf die Biodiversität in Deutschland hin zu überprüfen? Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) plant, die Auswirkungen der vom UBA geforderten Anwendungsbestimmungen auf die Biodiversität mit einem Forschungsvorhaben zu begleiten. 10. Wird es nach Einschätzung der Bundesregierung in Folge der vom UBA geforderten Anwendungsbestimmungen zu einer Änderung der Nutzung der landwirtschaftlich genutzten Flächen in Deutschland kommen? Welche Kulturen könnten demnach weniger, welche zukünftig mehr angebaut werden? Hierzu liegen der Bundesregierung derzeit keine abschließenden Einschätzungen vor. 11. Liegt nach Kenntnis der Bundesregierung für bereits in den Bundesländern vorhandene Agrarumweltmaßnahmen Datengrundlagen vor, welche zur Evaluierung der vom UBA vorgelegten Maßnahmen genutzt werden könnten ? Die Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen, die die Länder im Rahmen der Umsetzung der 2. Säule der EU-Agrarpolitik umsetzen (ELER), werden regelmäßig und umfassend evaluiert. Inwieweit eine Übertragung auf die von UBA geforderten Anwendungsbestimmungen möglich ist, muss noch abschließend geprüft werden. 12. Müssen nach Kenntnis der Bundesregierung nach den vorgeschriebenen Anwendungsbestimmungen des UBA immer mindestens 10 Prozent des Zahlenwertes der Gesamtfläche des Betriebes als Biodiversitätsausgleichsfläche unbehandelt bleiben oder wird es Abstufungen mit Berücksichtigung der tatsächlich behandelten Fläche, auf der das mit den Anwendungsbestimmungen belegte Pflanzenschutzmittel eingesetzt wird, geben? Die vom UBA geforderten Anwendungsbestimmungen sehen keinen festen Anteil vor, sondern sehen Folgendes vor: „Zum Schutz der biologischen Vielfalt darf das Mittel nur angewendet werden, wenn auf der Gesamtackerfläche (ackerbaulich genutztes und brachliegendes Ackerland) des Betriebes ein ausreichender Anteil an Biodiversitätsflächen vorhanden ist. Der Anteil ist ausreichend, wenn der Summenwert der gewichteten Biodiversitätsflächen in [ha] mindestens 10% des Zahlenwertes der Gesamtackerfläche des Betriebes in [ha] beträgt. Die Ermittlung des Anteils an Biodiversitätsflächen ist gemäß der Darstellung in einer Begleitveröffentlichung des UBA vorzunehmen .“ (Zitat aus der von UBA geforderten Anwendungsbestimmung) 13. Sieht die Bundesregierung, falls es bei der Anwendungsbestimmung zur Anlage von Biodiversitätsausgleichsflächen mit Bezug auf die gesamte Ackerfläche , ohne Berücksichtigung der tatsächlich behandelten Fläche, kommt, eine stärkere Belastung von Betrieben, die nur auf einem kleinen Teil ihrer Fläche ein mit den Anwendungsbestimmungen des UBA belegtes Mittel einsetzten wollen? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/11292 14. Findet nach Kenntnis der Bundesregierung ein Evaluationsprozess durch das Institut für Strategien und Folgenabschätzung im Julius Kühn-Institut statt, in dem der noch zu quantifizierende, zu erwartende Zuwachs an Biodiversität in Folge der Umsetzung der Biodiversitätsauflagen dem konkret kalkulierbaren Ertragsverlust gegenübergestellt wird und falls ja, erfolgt dies a) unter betriebswirtschaftlichen, betrieblich-individuellen Gesichtspunkten, b) unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten? Die Fragen 14 bis 14b werden zusammen beantwortet. Die Erörterungen zwischen dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und BMU zu den von UBA geforderten Anwendungsbestimmungen sind noch nicht abgeschlossen. Insofern findet ein wie in der Frage angesprochener Evaluationsprozess derzeit nicht statt. 15. Welche rechtlichen Grundlagen für Nebenbestimmungen bei Pflanzenschutzmitteln bestehen nach Kenntnis der Bundesregierung bezüglich des Schutzes der Biodiversität (bitte detailliert auf EU-Recht und nationales Recht bezogen anführen)? Grundsätzlich sind Anwendungsbestimmungen zum Schutz der Biodiversität im Rahmen der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln auf Grundlage der Vorgaben der Verordnung (EG) Nummer 1107/2009 (insbesondere Artikel 29 i. V. m. Artikel 4 Absatz 3, Artikel 31, Artikel 36) sowie des Pflanzenschutzgesetzes (PflSchG) auch unter Berücksichtigung der Grundrechte denkbar, wenn sie wissenschaftlich begründet und geeignet sind, die dort genannten Anforderungen an die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln sicherzustellen. 16. Mit welcher Rechtsgrundlage begründet das UBA nach Kenntnis der Bundesregierung die neuen Anwendungsbestimmungen und damit Zulassungsvoraussetzungen (bitte detailliert auf EU-Recht und nationales Recht bezogen anführen)? Das UBA stützt die Forderung nach den Anwendungsbestimmungen auf Artikel 31 Absatz 2 und 4, Artikel 36 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nummer 1107/2009 sowie § 36 Absatz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG). 17. Können nach Einschätzung der Bundesregierung Maßnahmen zum Schutze der Biodiversität auf EU- bzw. nationale Rechtsgrundlagen außerhalb des Pflanzenschutzrechts gestützt werden, mit denen die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln in ihrem Umfang beschränkt wird (wie etwa Auflage zur Bereitstellung von Ausgleichsflächen)? Wenn ja, in welchen gesetzlichen Regelungen sind diese vorgesehen? Wenn ja, welche Institution ist zuständig und somit anordnungsbefugt? Anwendungseinschränkungen für Pflanzenschutzmittel ergeben sich in erster Linie aus den Regelungen des Pflanzenschutzrechts und daraus abgeleiteten Vorschriften der Länder. Allerdings können auch andere Rechtsmaterien Einfluss auf die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln haben. Einige wasser- und naturschutzrechtliche Bestimmungen enthalten dabei bereits unmittelbar selbst ausdrückliche Vorgaben über die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln . So sehen insbesondere verschiedene Landeswassergesetze Ein- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11292 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode schränkungen für die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln in Gewässerrandstreifen und einige Landesnaturschutzgesetze ebensolche in bestimmten Schutzgebietskategorien vor. Mitunter finden sich auf die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln in konkreten Schutzgebieten bezogene Bestimmungen auch in den Rechtsakten, mit denen diese Schutzgebiete ausgewiesen werden oder – dies zum Teil auch im Zusammenhang mit dem Schutz gesetzlich geschützter Biotope gemäß § 30 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) – in besonderen behördliche Entscheidungen. So sieht § 52 Absatz 1 Nummer 1 des Wasserhaushaltsgesetzes vor, dass in Wasserschutzgebieten, soweit der Schutzzweck dies erfordert, bestimmte Handlungen verboten oder nur für eingeschränkt zulässig erklärt werden können. Dazu gehört auch der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Grundsätzlich ist nach dem Naturschutzrecht die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung nicht als Eingriff in Natur und Landschaft gemäß § 14 Absatz 1 des Bundesnaturschutzgesetzes anzusehen, soweit dabei die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege berücksichtigt werden. Den zuständigen Behörden der Länder obliegt im Pflanzenschutzrecht, im Naturschutzrecht und Wasserschutzrecht die Überwachung der Rechtsvorschriften. 18. Liegt nach Einschätzung der Bundesregierung der Sachverhalt der Enteignung bzw. des enteignungsgleichen Eingriffs und somit ein Eingriff in bestehende Grundrechtspositionen (Artikel 14 des Grundgesetzes – GG) der betroffenen Landwirte vor, wenn durch die angestrebten Anwendungsbestimmungen mit der geforderten Schaffung einer zehnprozentigen Ausgleichsfläche Landwirte an der bestimmungsgemäßen Nutzung ihres Eigentums als landwirtschaftlich genutzte Fläche gehindert werden? Zu dieser Frage hat die Bundesregierung noch keine abschließende Position. 19. Hat es zu den vom UBA geforderten Anwendungsbestimmungen zur Biodiversitätsförderung eine Abstimmung der Bundesministerien für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit und für Ernährung und Landwirtschaft gegeben? Wenn ja, auf welchen Ebenen? Die Frage von Anwendungsbestimmungen zum Schutz der Biodiversität ist Gegenstand eines Abstimmungsprozesses innerhalb der Bundesregierung. Derzeit laufen Gespräche auf der Ebene der beamteten Staatssekretäre im BMEL und BMU. 20. Wurde die Verpflichtung zur Schaffung von Biodiversitätsausgleichsflächen innerhalb der Bundesregierung vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz auf seine Rechtmäßigkeit geprüft, und zu welcher Erkenntnis kam diese Prüfung? Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) ist mit der Frage der rechtlichen Grundlagen im Zusammenhang von Biodiversitätsausgleichsflächen oder anderen Maßnahmen zur Einschränkung des Gebrauchs von Pflanzenschutzmitteln befasst und hat auf die Erforderlichkeit rechtlicher Grundlagen hingewiesen, beispielsweise Artikel 31 Absatz 2 Verordnung (EG) 1107/2009. BMJV beteiligt sich auch weiterhin an der Diskussion. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/11292 21. Welcher Auffassung ist die Bundesregierung in Bezug auf eine möglicherweise vorliegende Rechtswidrigkeit der Anwendungsbestimmungen des UBA? Liegt nach Einschätzung der Bundesregierung mit den vom UBA geforderten Anwendungsbestimmungen ein Verstoß gegen den in der EU-Pflanzenschutzmittel -Zulassungsverordnung (EU-Verordnung VO 1107/2009) angestrebten EU-Harmonisierungsgedanken vor? Diese Fragestellungen werden derzeit in der Bundesregierung erörtert. 22. Sieht die Bundesregierung in den vom UBA geforderten Anwendungsbestimmungen einen Verstoß gegen den EU-Grundsatz des freien Warenverkehrs ? Diese Fragestellung wird derzeit in der Bundesregierung erörtert. 23. Wurde nach Kenntnis der Bundesregierung vor dem Hintergrund einer möglichen EU-Rechtsverletzung eine umfassende Bewertung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) vorgenommen? Wie bewertet das BMWi die Anwendungsbestimmungen des UBA juristisch ? Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) hat zu den vom UBA geforderten Anwendungsbestimmungen keine umfassende Bewertung vorgenommen . Aufgrund der sehr fachspezifischen Ausgestaltung des einschlägigen EU-Sekundärrechts kann eine abschließende Bewertung nur durch die zuständigen Fachressorts erfolgen. 24. Sind nach Kenntnis der Bundesregierung derartige Anwendungsbestimmungen zum Schutze der Biodiversität, wie etwa die Schaffung von Biodiversitätsausgleichsflächen , bereits in anderen EU-Staaten umgesetzt? Wenn ja, erfolgt dies mit der Zulassung eines Pflanzenschutzmittels oder in anderer Art und Weise? Dazu liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. 25. Ist die Bundesregierung im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der EU der Meinung, dass mit der vom UBA geforderten Maßnahme zur Schaffung von Biodiversitätsausgleichsflächen und somit einer Einschränkung der vollumfänglichen Nutzung von 10 Prozent der Ackerflächen, eine Benachteiligung deutscher Landwirte gegenüber Landwirten in anderen EU- Mitgliedstaaten vorliegt? Zu dieser Fragestellung hat die Bundesregierung noch keine abschließende Position . 26. Welche Anforderungen an wissenschaftliche Methoden zur Bewertung von Effekten auf die biologische Vielfalt legt die EU-Verordnung 1107/2009, Artikel 4, nach Kenntnis der Bundesregierung fest? Im Artikel 4 der Verordnung (EU) Nr. 1107/2009 werden die Genehmigungskriterien für Wirkstoffe festgelegt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11292 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 27. Welche wissenschaftlichen Methoden zur Bewertung von Effekten von Pflanzenschutzmitteln auf die biologische Vielfalt führt das UBA als Begründung für die Anwendungsbestimmungen nach Kenntnis der Bundesregierung an? Nach Kenntnis des BMU wendet das UBA folgende Methode an: Das UBA stützt die Risikobewertung auf die Ergebnisse der vom Hersteller auf Grundlage standardisierter OECD-Methoden eingereichten Untersuchungen zum Schädigungspotenzial des Pflanzenschutzmittels für Nichtzielpflanzen und -wirbellose einschließlich Insekten. Kommt das UBA zu dem Schluss, dass bei der beantragten Aufwandrate des Pflanzenschutzmittels mehr als die Hälfte der Testorganismen getötet oder erheblich geschädigt worden sind so wird auf schädliche Auswirkungen auf freilebende Populationen ackerlebender Arten und damit assoziierte Nahrungsnetze geschlossen. 28. Bewertet die Bundesregierung die vom UBA angeführten Methoden zur Bewertung von Effekten von Pflanzenschutzmitteln auf die biologische Vielfalt als konform mit der EU-Verordnung 1107/2009, Artikel 4? a) Falls die vom UBA angeführten Methoden nach Einschätzung der Bundesregierung die Voraussetzungen, die in der EU-Verordnung 1107/2019 festgeschrieben sind, erfüllen, finden diese Methoden nach Kenntnis der Bundesregierung in weiteren EU-Mitgliedstaaten Anwendung, und was sind die Auswirkungen auf die Ausgestaltung des Zulassungsprozesses in diesen Staaten? b) Falls nicht, was ist die daraus folgende Konsequenz nach Einschätzung der Bundesregierung? c) Welche EU-rechtskonformen Methoden sind der Bundesregierung bekannt ? Die Fragen 28 bis 28c werden zusammen beantwortet. Auf die Antwort zu den Fragen 27 und 24 wird verwiesen. 29. Wie soll die Einhaltung der vom UBA geforderten Anwendungsbestimmungen nach Einschätzung der Bundesregierung kontrolliert werden? Besteht nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit bereits eine vollumfängliche rechtliche Grundlage, die den Landwirt an eine mögliche Aufzeichnungspflicht bindet? Dazu hat die Bundesregierung noch keine abschließende Position. 30. Sind der Bundesregierung im Zusammenhang mit den vom UBA geforderten Anwendungsbestimmungen rechtliche Auseinandersetzungen bekannt? Das BVL hat der Bundesregierung mitgeteilt, dass dort von Seiten der Antragsteller 22 Widersprüche und sechs Klagen gegen befristete Zulassungen vorliegen , die bis Ende des Jahres 2019 gelten und die von UBA geforderten Anwendungsbestimmungen , die zum 1. Januar 2020 wirksam werden sollen, nicht vorschreiben . BVL hat bestätigt, dass eine Nicht-Regierungsorganisation gegen das BVL wegen Zulassung eines Pflanzenschutzmittels, für das die genannten Anwendungsbestimmungen in der befristeten Zulassung für das Jahr 2019 nicht vorgeschrieben wurden, Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht eingereicht hat. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/11292 31. Falls behördliche Institutionen in diese rechtlichen Auseinandersetzungen verwickelt sind, welche Kosten für den Steuerzahler entstehen im Zuge dessen nach Kenntnis der Bundesregierung? An welcher Stelle sind diese im Bundeshaushalt aufgeführt? 32. Welche Personalressourcen sind nach Einschätzung der Bundesregierung für die Bearbeitung dieser rechtlichen Auseinandersetzungen behördlicherseits einzusetzen (bitte nach beteiligten Behörden aufschlüsseln)? Die Fragen 31 und 32 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Von den in der Antwort zu Frage 30 angesprochenen Auseinandersetzungen sind das BVL und das Umweltbundesamt betroffen. Derzeit ist nicht abschätzbar, welche Kosten diese Verfahren verursachen werden , da die entsprechenden Verfahren noch laufen. Etwaige Gerichts- und Anwaltskosten hängen vom konkreten Verfahrensverlauf und -ausgang sowie vom Streitwert ab. Zum internen Personalaufwand für die Bearbeitung entsprechender Vorgänge können BVL und UBA zurzeit keine belastbaren Auskünfte erteilen. Die Höhe der im UBA einzusetzenden Personalressourcen wird sich danach richten, ob und in welchem Maße das UBA für die Beantwortung fachlicher Fragen des Gerichts hinzugezogen wird. 33. Ist der Bundesregierung ein Gerichtsurteil bzw. eine Rechtsprechung bekannt , wonach sich das BVL im Zulassungsprozess von Pflanzenschutzmitteln über ein rechtswidriges Einvernehmen des UBA hinwegsetzten und eine Zulassung aussprechen darf? Ein Gerichtsurteil bzw. eine Rechtsprechung zu dieser Fragestellung ist der Bundesregierung nicht bekannt. 34. Falls der Bundesregierung vor dem Hintergrund von Frage 33 eine solche Rechtsprechung bekannt ist, wie bewertet die Bundesregierung die vorliegende Fallgestaltung der Forderung von Biodiversitätsausgleichsflächen im UBA-Einvernehmen? Wäre es demnach für den Fall der Rechtswidrigkeit des UBA-Einvernehmens möglich, dass sich das BVL über dieses Einvernehmen hinwegsetzt? Auf die Antwort zu Frage 33 wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333