Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit vom 27. Juni 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/11294 19. Wahlperiode 01.07.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Beate Müller-Gemmeke, Dr. Bettina Hoffmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/10862 – Wismut-Uranabbau und dadurch bedingte Erkrankungen ehemaliger Arbeiter V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Ab dem Jahr 1946 wurde unter Leitung der sowjetischen Armee in Ostdeutschland mit der Uranerzförderung begonnen, um Uran für das sowjetische Atomwaffenprogramm zu gewinnen. Dabei waren die Arbeitsbedingungen laut Bundesregierung „schlecht“ und zumindest in der Anfangszeit wurden viele der Arbeiter sogar zwangsverpflichtet, vgl. Informationsbroschüre „20 Jahre Wismut GmbH“ (www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Energie/wimut.pdf?__blob =publicationFile&v=3). Am 2. Oktober 2018 widmete sich im „Deutschlandfunk“ die Sendung „Der Fall Warta – Gerechtigkeit für einen toten Wismut-Kumpel“ ausführlich dem Komplex von Uranabbau-bedingten Berufserkrankungen ehemaliger Wismut- Arbeiter und Problemen bei der Anerkennung dieser Berufserkrankungen (vgl. www.deutschlandfunkkultur.de/der-fall-warta-gerechtigkeit-fuer-einen-toten-wismutkumpel .3720.de.html?dram:article_id=425403). Gegen Ende der Uranerz-Gewinnung waren laut o. g. Regierungsbroschüre noch knapp 28 000 Menschen bei der SDAG Wismut beschäftigt, zwischen 1946 und 1990 laut o. g. Deutschlandfunk-Sendung insgesamt eine halbe Million . Die Deutschlandfunk-Sendung wirft hinsichtlich der Anerkennung Uranabbau -bedingter Berufserkrankungen ehemaliger Wismut-Arbeiter aus Sicht der Fragesteller gravierende Fragen auf. Dies beginnt damit, dass anscheinend eine individuelle Dosiserfassung aufgrund fehlender Dosimeter für die Arbeiter nicht gegeben war. Darüber hinaus habe es weitere Lücken in der (non-individuellen ) Erfassung der Radioaktivitätsbelastung gegeben, zudem Probleme bei der Bergwerks-Bewetterung. Lücken bei Ermittlung bzw. Dokumentation der Radioaktivitätsbelastung rührten ferner daher, dass die Wismut-Betriebsgesellschaft vor 1989 Messresultate vernichtet habe, wie sich aus dem vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) und der Bergbau-Berufsgenossenschaft (BBG) herausgegebenen Forschungsbericht „Belastung durch ionisierende Strahlung im Uranerzbergbau der ehemaligen DDR“ ergebe. Dessen Abschlussbericht aus Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11294 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode dem Jahr 1998, nach dem Hauptautor Frank Lehmann auch als „Lehmannstudie “ bezeichnet, hält fest: „In den Unterlagen der Wismut GmbH fanden sich für Uranerz-Tagebaue keine Ergebnisse von Radon- und Radon-Folgeprodukt- Messungen. Es kann angenommen werden, daß in den Tagebauen Culmitzsch und Lichtenberg einzelne Erhebungsmessungen erfolgten. Ergebnisse sind nicht verfügbar. Auch Unterlagen zu durchgeführten Staubmessungen sind nicht mehr zugängig, da diese vor 1989 der Kassation zugeführt wurden.“ Laut Deutschlandfunk-Sendung käme in jüngeren Jahren als Problem bei der Anerkennung von Berufserkrankungen ehemaliger Wismut-Bergarbeiter hinzu, dass die Berufsgenossenschaft auf Basis veralteter wissenschaftlicher Grundlagen arbeite. 1. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, ungefähr wie viele Personen insgesamt zum Uranabbau in der Wismut zeitweise zwangsverpflichtet waren? Mit Beginn der Suche und Erkundung von Uranerz in den bestehenden Bergwerken und alten Bergbaugebieten des Erzgebirges durch sowjetische Erkundungsgruppen ab September 1945 wurden zunächst die wenigen bis Kriegsende noch in den Bergwerken beschäftigten deutschen Bergleute unter gleichzeitigem Einsatz von Soldaten der Roten Armee zur Arbeit herangezogen. Auf der Grundlage des für ganz Deutschland gültigen Alliierten Kontrollratsgesetzes Nr. 3 vom 17. Januar 1946 wurden dann Arbeitskräfte dienstverpflichtet. Nach diesem Gesetz erhielten zunächst die Arbeitsämter des Landes Sachsen Auflagen, eine bestimmte Anzahl von Arbeitskräften ihrer Amtsgebiete zur Arbeit im Bergbau des Erzgebirges zu verpflichten. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, wie viele Arbeitskräfte der Staatlichen Aktiengesellschaft der Buntmetallindustrie Wismut (SAG Wismut, 1947 bis 1953) auf der Grundlage des. o. a. Gesetztes tatsächlich zwangsverpflichtet wurden. 2. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, ob und ggf. inwiefern und in welchem Zeitraum die Wismut-Arbeiter über die gesundheitlichen Gefahren des Uranabbaus in der Wismut nicht ausreichend aufgeklärt bzw. im Unklaren gelassen wurden? In der Region, in der die SAG Wismut bzw. die Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft (SDAG Wismut, 1954 bis 1991) tätig war, gab es seit Jahrhunderten (Untertage-)Bergbau. Es ist daher davon auszugehen, dass allgemeine Risiken und Gefahren, die sich daraus ableiten, bekannt waren. Uranerzbergbau in der Dimension, wie sie die SAG/SDAG Wismut nach 1945 durchgeführt hat, wurde vorher in Deutschland nie praktiziert. Es ist daher davon auszugehen, dass Erkenntnisse zu gesundheitlichen Gefahren, die speziell aus der Gewinnung und Verarbeitung von Uranerzen im Umfang wie er durch die SAG/SDAG Wismut betrieben wurde resultieren, bei den Arbeitskräften in der Regel vorher nur wenig bekannt waren. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, über welche konkreten gesundheitlichen Gefahren, in welchem Umfang und zu welchem Zeitpunkt die Mitarbeiter von SAG bzw. SDAG Wismut informiert wurden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/11294 3. Inwiefern waren die Arbeitsbedingungen beim Uranabbau in der Wismut nach Kenntnis der Bundesregierung konkret „schlecht“ (bitte möglichst vollständige und konkrete Angabe aller Probleme; vgl. die in der Vorbemerkung der Fragesteller genannte Informationsbroschüre)? Die Einstufung der Arbeitsbedingungen als „schlecht“ bezieht sich auf die ersten Jahre der Uranerzgewinnung von 1946 bis etwa 1955. In diesen Jahren waren die Abbauarbeiten charakterisiert durch Trockenbohrungen, natürliche Bewetterung (Belüftung) und einen geringen Grad der Mechanisierung. Zudem gab es noch keine wirksamen Strahlenschutzvorschriften und es wurden keine Radonmessungen zur Strahlenschutzüberwachung durchgeführt. Es herrschten lange Wochenarbeitszeiten , schwere körperliche Arbeitsbedingungen, Unfallgefahren und gesundheitsgefährdende Belastungen durch Strahlung, insbesondere von Radon und seinen Folgeprodukten sowie Erz- und Gesteinsstäuben. In den folgenden Jahren verbesserten sich die Arbeitsbedingungen durch Einführung von Bewetterungsmaßnahmen und Nassbohren zunehmend, ab dem Jahr 1970 wurden nach Kenntnis der Bundesregierung internationale Strahlenschutzstandards zugrunde gelegt. 4. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wann die im Uranabbau tätigen Wismut-Arbeiter erstmals über die gesundheitlichen Probleme des Uranabbaus, insbesondere die Belastung durch Radon und Radon-Folgeprodukte , offiziell aufgeklärt wurden? Es wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. 5. Inwiefern erfolgte diese Aufklärung aus Sicht und nach Kenntnis der Bundesregierung a) nach dem damaligen Stand von Wissenschaft und Technik oder b) zumindest in noch ausreichendem Umfang oder c) nur unvollständig bzw. unzureichend? Es wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. 6. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, inwiefern sich die in der DDR für den Uranabbau in der Wismut geltenden Gesundheits- und Strahlenschutzvorschriften in der Zeit des Uranabbaus in der Wismut von den damaligen vergleichbaren Vorschriften der Bundesrepublik Deutschland konkret unterschieden? In der ehemaligen DDR fanden die Verordnung über die Gewährleistung von Atomsicherheit und Strahlenschutz vom 11. Oktober 1984 (GBl. DDR 1984 I S. 341) nebst Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Gewährleistung von Atomsicherheit und Strahlenschutz vom 11. Oktober 1984 (GBl. DDR 1984 I S. 348 (1987 I S. 196), sog. VOAS) sowie die Anordnung zur Gewährleistung des Strahlenschutzes bei Halden und industriellen Absetzanlagen und bei der Verwendung darin abgelagerter Materialien vom 17. November 1980 (GBl. DDR 1980 I S. 347, sog. Haldenanordnung) Anwendung. Damit spiegelte die DDR als Mitgliedstaat der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) den damaligen aktuellen Standard im Strahlenschutz wider. Der VOAS gingen die 1. und 2. Strahlenschutzverordnung (DDR-GBl. II/76 und DDR-GBl. II/99) voraus. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11294 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode In der Bundesrepublik Deutschland wurden in dieser Zeit in Bezug auf den Uranbergbau keine expliziten gesetzlichen Regelungen formuliert, da es hier keinen Uranbergbau im größeren Umfang gab. Bis zur Wiedervereinigung existierten deshalb in der Bundesrepublik Deutschland diesbezüglich keine vergleichbaren Gesundheits- und Strahlenschutz-Vorschriften. Das Fehlen einer vergleichbaren Rechtsregelung in der damaligen Bundesrepublik äußerte sich u. a. darin, dass gemäß Artikel 9 Abs. 2 in Verbindung mit Anlage II Kapitel XII Abschnitt III Nummer 2 und 3 des Einigungsvertrags vom 31. August 1990 (Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands, BGBl. 1990 II S. 885, 889) die oben genannten Regelungen für bergbauliche Tätigkeiten in den neuen Bundesländern fortgalten. Auch mit der Novellierung der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) im Jahr 2001 wurde dies in dem damaligen § 118 StrlSchV bekräftigt. 7. Inwiefern war aus Sicht und nach Kenntnis der Bundesregierung die Prävention oder Reduzierung der radiologischen Belastung der Wismut-Arbeiter beim Uranabbau nicht ausreichend, insbesondere die Prävention oder Reduzierung der Inkorporationsbelastung? Vor dem Jahr 1964 wurden zwar bereits Maßnahmen des Strahlenschutzes durchgeführt , allerdings waren die Beschäftigten der SAG/SDGA Wismut in dieser Zeit trotzdem teilweise hohen Strahlenexpositionen ausgesetzt. Mit der Durchführung von ersten Messungen ab dem Jahr 1955, der kontinuierlichen Einführung von Bewetterungsmaßnahmen ab dem Jahr 1955 sowie der ersten Strahlenschutzverordnung aus dem Jahr 1964 und den nachfolgenden gesetzlichen Regelungen (siehe Antwort zu Frage 6) verbesserte sich der Schutz vor Strahlung, sodass die Strahlenexposition der Wismut-Beschäftigten deutlich reduziert wurde. Die gesetzlichen Regelungen basierten dabei jeweils auf dem damaligen wissenschaftlichen Stand. Die Inkorporationsbelastung durch Radon bezieht sich fast ausschließlich auf die Lunge und den Atemtrakt. Nur ein kleiner Teil des eingeatmeten Radons und seiner Folgeprodukte gelangt über die Lunge ins Blut und letztendlich auch in andere Organe. Die damit verbundenen Organdosen und Krebsrisiken sind sehr gering. Als Gesundheitsrisiko durch Radon nachgewiesen wurde bisher allein das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 9 verwiesen . 8. Inwiefern war aus Sicht und nach Kenntnis der Bundesregierung die Erfassung der radiologischen Belastung der Wismut-Arbeiter a) lückenhaft und b) nicht repräsentativ (bitte nach Erfassungsinstrumenten und Inkorporationsarten differenzieren)? Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) führt seit den 1990er-Jahren die deutsche Uranbergarbeiterstudie (Wismut-Kohorte) durch, für die eine Rekonstruktion der radiologischen Exposition der Kohortenmitglieder durchgeführt wurde. Die deutsche Uranbergarbeiterstudie ist mit fast 60 000 ehemaligen Beschäftigten der Wismut eine der weltweit größten epidemiologischen Kohortenstudien mit beruflich radonbelasteten Bergarbeitern. Hauptziele der Studie sind die Aufarbeitung der gesundheitlichen Folgen einer Beschäftigung bei der Wismut, die Abschätzung von gesundheitlichen Risiken durch ionisierende Strahlung und die Verbesserung des Strahlenschutzes der Bevölkerung. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/11294 Die berufliche Strahlenexposition der Kohortenmitglieder wurde äußerst genau und detailliert von der Bergbau-Berufsgenossenschaft (BBG) in Gera in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), damals Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften, ermittelt. Unter großem Aufwand wurde über eine Expertengruppe nachträglich für jede Person in der Studie ihre individuelle Strahlenexposition durch die Tätigkeit bei der Wismut abgeschätzt. Hierfür wurde eine sogenannte Job-Exposure-Matrix (JEM) erstellt , die jährliche Schätzwerte für die Strahlenexposition durch Radon und seine Folgeprodukte, langlebige Radionuklide und externe Gammastrahlung enthält. Die Expositionsabschätzung wurde von einer externen Expertengruppe (AK8) fachlich begleitet. Die Werte in der JEM wurden in einem mehrstufigen Verfahren in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit von Messwerten und vom Ort mit unterschiedlichen Ansätzen bestimmt. Für den Tagebau basieren die Werte auf Expertenbewertungen, da dort keine Messungen durchgeführt wurden. Für den Unter-Tage-Bereich basieren die Werte in den Anfangsjahren (1946 bis 1954) auf Expertenbewertungen, danach auf ca. 96 000 Radon-Messungen (Sachsen: 1955 bis 1965; Thüringen: 1955 bis 1974) und ca. 300 000 Radonfolgeprodukt–Messungen (Sachsen: ab 1966; Thüringen: ab 1975). Strahlungsmessungen wurden ab Ende 1954 durch den zentralen dosimetrischen Dienst und ab dem Jahr 1957 durch betriebliche dosimetrische Dienste durchgeführt. In den ersten Jahren, in denen Messungen durchgeführt wurden, wurden die Messungen in unregelmäßigen Abständen, später einmal im Monat durchgeführt. In den ersten zwei bis drei Jahren der Messungen wurde die Radonkonzentration in der Luft an ausgewählten Standorten gemessen . Anschließend wurden die Messungen an allen Arbeitsplätzen unter Tage in Sachsen und Thüringen durchgeführt. Die Messungen der Radonkonzentration in der Umgebungsluft der Arbeitsplätze bildet die Grundlage für die Abschätzung der individuellen Exposition jedes Beschäftigten in der Kohortenstudie. Im internationalen Vergleich von epidemiologischen Studien zu Uranbergarbeitern zeichnet sich die Expositionsabschätzung in der Wismut-Kohortenstudie durch eine hohe Qualität und einen hohen Detaillierungsgrad aus. 9. Ist der Bundesregierung der in der Vorbemerkung der Fragesteller genannte, von HVBG und BBG herausgegebene Forschungsbericht bekannt, und falls ja, welche wesentlichen Fehler, Lücken oder Einschränkungen enthält er aus Sicht der Bundesregierung? Der Forschungsbericht von Lehmann et al. aus dem Jahr 19981 dokumentiert die in der Antwort zu Frage 8 beschriebenen Expositionsabschätzungen und die Verfahren , wie diese zustande kamen. Bei den Expositionsabschätzungen handelt es sich nicht um pauschale Abschätzungen, sondern sie wurden wie in der Antwort zu Frage 8 beschrieben von einer Expertengruppe unter großem Aufwand und mit einem hohen Detailgrad nach bestem Wissen ermittelt. Unabhängig davon, ob die Expositionswerte auf Expertenbewertungen oder Messungen beruhen, sind sie mit Unsicherheit behaftet, da jedes Verfahren einer Messung oder Schätzung Unsicherheiten mit sich bringt. 1 Lehmann F, Hambeck L, Linkert KH, Lutze H, Meyer H, Reiber H, Reinisch A, Renner HJ, Seifert T, Wolf F (1998): Belastung durch ionisierende Strahlung im Uranerzbergbau der ehemaligen DDR: Abschlussbericht zu einem Forschungsvorhaben. Hauptverband der Gewerblichen Berufsgenossenschaften, St. Augustin. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11294 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Im Rahmen des aktuellen Ressortforschungsvorhabens „Ermittlung der Unsicherheit in der Strahlenexpositionsabschätzung in der Wismut-Kohorte – Teil 2“ (3618S12223) mit Laufzeit bis zum 30. April 2021 werden die potenziellen Quellen von Unsicherheit in der Strahlenexpositionsabschätzung in der Wismut-Kohorte systematisch quantifiziert und bewertet. Ziel des Forschungsvorhabens ist es, die Unsicherheiten in der Exposition durch Radon und seine Folgeprodukte in der Wismut-Kohortenstudie systematisch zu quantifizieren und in Risikoanalysen für Lungenkrebs durch Radon zu berücksichtigen. Das Vorhaben baut auf dem Forschungsvorhaben „Ermittlung der Unsicherheiten in der Strahlenexpositionsabschätzung in der Wismut-Kohorte – Teil 1“ (3616S12223, Küchenhoff et al. 2018, Laufzeit: 1. November 2016 bis 30. Juni 2017) auf. In diesem Vorhaben wurden mögliche Quellen für Unsicherheiten in der Expositionsabschätzung für Radon und seine Folgeprodukte identifiziert und qualitativ bewertet. 10. Welche sind hinsichtlich der Fragen 8 und 9 die wesentlichen Erkenntnisgrundlagen der Bundesregierung, auf die sie sich stützen kann? Die Arbeiten zur Expositionsabschätzung in der Wismut-Kohortenstudie stützen sich vor allem auf Lehmann et al. 1998, Lehmann 20042, die darin zitierten Quellen , auf die Berichte des dosimetrischen Dienstes sowie die Chronik der Wismut (1999). Die wesentlichen Quellen für die Expositionsabschätzung sind die Protokolle der Messungen in den Berichten des dosimetrischen Dienstes. 11. Inwiefern sind aus Sicht der Bundesregierung die ihr seit der Wiedervereinigung vorliegenden Erkenntnisgrundlagen lückenhaft? Der Bundesregierung ist bekannt, dass nicht für den gesamten Zeitraum des Uranerzabbaus durch die Wismut Messergebnisse für die Bestimmung von Strahlenexpositionen zur Verfügung stehen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass es in den Anfangsjahren der Wismut (1946 bis 1954) noch keine dosimetrischen Dienste und damit keine Berichte und Messprotokolle gab. Daher beruhen die Expositionsabschätzungen in diesem Zeitraum auf Expertenbewertungen und nicht auf Messungen. 12. Welche Erkenntnis hat die Bundesregierung dazu, in welchem Ausmaß die Bewetterung beim Uranabbau in der Wismut ausgeschaltet wurde, ausfiel oder Defizite anderer Art aufwies? Die Bewetterung von Abbaubereichen unter Tage hat verschiedene Funktionen, unter anderem den Strahlenschutz der Arbeitskräfte zu verbessern. Bis zum Jahr 1955 wurde unter natürlicher Bewetterung gearbeitet, bei der eine Hintereinanderbewetterung der Arbeitsplätze nicht verhindert werden konnte. Ab dem Jahr 1955 verbesserten sich die Bewetterungsbedingungen durch den Einsatz von Hauptgrubenlüftern und Ventilatoren zur künstlichen Bewetterung. Allgemein ist festzuhalten, dass Bewetterungssysteme in einem Bergwerk umfangreiche und teilweise sehr komplexe Anlagen sind. Sie bestehen aus (teilweise kilometerlangen) Lutten (Rohren), Grubenlüftern und Steuerungselementen. Durch die sich ständig verlagernden Abbaubereiche sind Umbauten an den Bewetterungsanlagen regelmäßig erforderlich. Technologisch bedingt sind Abschaltungen (z. B. bei Umbauten oder Erweiterungen) unumgänglich, ebenso wie technisch bedingte Ausfälle (z. B. Defekte). 2 Lehmann F (2004): Job-Exposure-Matrix „Ionisierende Strahlung im Uranerzbergbau der ehemaligen DDR“. Technical Report, Version 06/2004. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/11294 Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, wann oder wie oft Bewetterungsanlagen der SAG/SDAG Wismut ausfielen oder ausgeschalten wurden . 13. Kann die Bundesregierung aufgrund eigener Erkenntnisse bestätigen, dass die Wismut-Betriebsgesellschaft vor dem oder bis zum Jahr 1989 Messresultate vernichtet hat, die in der Folgezeit besseren Aufschluss über die radiologische Belastung hätten liefern können (vgl. den in der Vorbemerkung der Fragesteller genannten, von HVBG und BBG herausgegebenen Forschungsbericht )? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, ob und in welchem Umfang die SAG/SDAG Wismut vor dem oder bis zum Jahr 1989 Messresultate vernichtet hat. 14. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung noch Messwerte und Daten, die noch nicht ausgewertet sind, aber für die Beurteilung der Uranabbau-bedingten Radioaktivitätsbelastung ehemaliger Wismut-Arbeiter relevant sein könnten (ggf. bitte darlegen)? Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung noch nicht ausgewertetes Aktenmaterial , noch nicht ausgewertete Unterlagenbestände etc., die betreffende Messwerte und Daten enthalten könnten? Der Bundesregierung sind keine noch nicht ausgewerteten Messwerte oder Daten bekannt, die für die Beurteilung der Uranabbau-bedingten Radioaktivitätsbelastung ehemaliger Wismut-Arbeiter relevant wären. Im Rahmen eines laufenden Forschungsvorhabens (siehe auch Antwort zu Frage 9) werden aktuell die Unsicherheiten in der Strahlenexpositionsabschätzung in der Wismut-Kohorte untersucht . In diesem Zusammenhang wird bestehendes Aktenmaterial teilweise erneut gesichtet und fließt in die Bewertung und Quantifizierung von möglichen Quellen für Unsicherheiten in der Expositionsabschätzung ein. 15. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, ob sich betreffende, noch unausgewertete Mess-Resultate in anderen Aktenbeständen ehemaliger DDR-Institutionen – insbesondere ehemaliger Staatssicherheitsbehörden – a) befinden, b) nicht befinden oder c) befinden könnten? Eine Überblicksrecherche in Datenbanken der Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU) mit Informationen aus der sachthematischen Aktenerschließung hat Treffer mit Bezug zur Wismut insbesondere in den Beständen der ehemaligen Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Karl-Marx-Stadt ergeben. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, ob diese Treffer unausgewertete Messresultate beinhalten, nicht beinhalten oder beinhalten könnten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11294 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 16. Inwiefern ist der Bundesregierung bekannt, welche Atemrate für einen Hauer beim Uranabbau in der Wismut von der Berufsgenossenschaft „Rohstoffe und chemische Industrie“ (BG CRI) zugrunde gelegt wird? Wann gab es nach Kenntnis der Bundesregierung diesbezüglich welche Änderungen der berufsgenossenschaftlichen Annahmen? 17. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass die internationale Fachkommission „International Commission on Radiological Protection“ (ICRP) im Jahr 2002 die ihres Erachtens hier anzunehmende Atemrate bei starker körperlicher Anstrengung verdoppelt hat von 1,5 m3 pro Stunde auf 3 m3 pro Stunde? 18. Inwiefern ist der Bundesregierung bekannt, mit welchem Umrechnungsfaktor von „Working Level Months“ (WLM) zu Millisievert (mSv) der Technische Dienst der Berufsgenossenschaft bei den Anerkennungsverfahren für Berufserkrankungen aufgrund ionisierender Strahlung rechnet (ggf. bitte angeben )? Die Fragen 16 bis 18 werden gemeinsam beantwortet. Bei der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI) wird zur Feststellung einer Berufskrankheit Nr. 2402 – Erkrankungen durch ionisierende Strahlen – im Uranerzbergbau der ehemaligen SDAG Wismut eine Verursachungswahrscheinlichkeit auf den Ergebnissen der Jacobi-Gutachten (Jacobi I3 und II4) ermittelt. Hierbei wird unverändert eine Atemrate für einen Hauer von 1,5 m³/h zugrunde gelegt. Für die Umrechnung von Working Level Months (WLM) zu Millisievert (mSv) wird ein Faktor von 4,97 zu Grunde gelegt, das heißt 1 WLM = 4,97 mSv. Zu der ICRP Veröffentlichung weist die DGUV darauf hin, dass ICRP auch vor dem Jahr 2002 bereits von einer Atemrate bei körperlicher Anstrengung von 3 Kubikmetern pro Stunde (m³/h) bei Männern im Erwachsenenalter ausgegangen war. In der in Bezug genommenen ICRP-Veröffentlichung aus dem Jahre 2002 wird im Punkt 3.7 (S. 39) in der Tabelle 3.3 zwar für schwere Tätigkeit in der Gruppe der Schwerarbeiter („Heavy worker“) eine Atemrate von 3 m³/h genannt. Aber sowohl in der Tabelle als auch in dem darüberstehenden Text wird erläutert, dass für die Gruppe Schwerarbeiter für eine 8-Stunden-Schicht 7 Stunden leichte Arbeit mit einer Atemrate von 1,5 m³/h und nur 1 Stunde schwere Arbeit mit einer Atemrate von 3 m³/h unterstellt wird. Für die Gruppe der Schwerarbeiter wird für eine 8-Stunden-Schicht ein gesamtes eingeatmetes Luftvolumen von 13,5 m³ unterstellt . Daraus lässt sich eine mittlere Atemrate von knapp 1,68 m³/h berechnen. Diese liegt etwa um den Faktor 1,4 über der mittleren Atemrate von 1,2 m³/h für Arbeiter mit leichter Tätigkeit. 3 Jacobi, W., K. Henrichs, D. Barclay: Verursachungs-Wahrscheinlichkeit von Lungenkrebs durch die berufliche Strahlenexposition von Uran-Bergarbeitern der Wismut-AG. („Gutachten Jacobi I“). Hrsg.: Institut für Strahlenschutz der BG der Feinmechanik und Elektrotechnik und der BG der chemischen Industrie, Köln (1992) 1 – 58 4 Jacobi, W., P. Roth: Risiko und Verursachungswahrscheinlichkeit von extrapulmonalen Krebserkrankungen durch die berufliche Strahlenexposition von Beschäftigten der ehemaligen Wismut AG. („Gutachten Jacobi II“). GSF-Bericht, GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit, Neuherberg (1994) Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/11294 19. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung dazu, schätzungsweise wie viele Menschen sich insgesamt um die Anerkennung einer Uranabbau-bedingten Berufserkrankung ehemaliger Wismutarbeiter a) erfolgreich und b) erfolglos bemüht haben, seien es ehemalige Wismutarbeiter selbst oder Hinterbliebene? Die BG RCI hat bei der Berufskrankheit Nummer 2402 (der früheren BK 92) – „Erkrankungen durch ionisierende Strahlen“ –, auf die sich die vorliegende Kleine Anfrage fokussiert, im Zeitraum 1991 bis 2017 für die Wismut rund 4 200 Fälle anerkannt und rund 7 100 Fälle abgelehnt. Für das Geschäftsjahr 2018 liegen noch keine offiziellen Zahlen vor. Für die Zeit vor der Wiedervereinigung wird auf einen Auszug aus der Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsmedizin verwiesen. In der Sonderschrift 4 (Seite 94/101) werden die Berufskrankheiten im Uranerzbergbau in den neuen Bundesländern von 1945 bis 1990 mit historischem Rückblick, BK-Entwicklungen , Fallzahlen etc. dargestellt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333