Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit vom 28. Juni 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/11315 19. Wahlperiode 02.07.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden), Ingrid Nestle, Lisa Badum, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –Drucksache 19/10905 – Genehmigungsverfahren Kraftwerk und Tagebau Turów V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Bundesrepublik Deutschland und die Republik Polen haben im Rahmen des Deutsch-Polnischen Umweltrates am 10. Oktober 2018 die Vereinbarung über Umweltverträglichkeitsprüfungen und Strategische Umweltprüfungen im grenzüberschreitenden Rahmen unterzeichnet (www.bmu.de/gesetz/gesetzes entwurf-zu-der-vereinbarung-vom-10-oktober-2018-zwischen-deutschland-undpolen -ueber-umweltv/). Im Dreiländereck Polen-Tschechien-Deutschland befindet sich der Braunkohltagebau Turów mit angeschlossener Kraftwerksanlage in unmittelbarere Nähe zur Grenze. Tagebau und Kraftwerk gehören dem polnischen Stromversorger PGE S. A. In den letzten vier Monaten wurden zwei Beteiligungsverfahren im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung für die Inbetriebnahme eines neuen Kraftwerksblockes sowie zur Konzessionsverlängerung und Erweiterung des Braunkohletagebaus durchgeführt. Im Ergebnis der Planungen sollen der Tagebau bis 2044 und das Kraftwerk ohne Frist betrieben werden (www.saechsische.de/polnischer-tagebau-soll-erweitert-werden-5053946. html; www.saechsische.de/polen-pruefen-deutsche-einwaende-zu-turow- 5081418.html; www.saechsische.de/plus/wer-hat-einwaende-gegen-die-turowplaene -5028894.html; www.saechsische.de/plus/turow-5061896.html). Beide Vorhaben werden nach Ansicht der Fragesteller nicht unerhebliche Auswirkungen auf die Lebenssituation der Menschen im Dreiländereck haben. Zu befürchten sind eine Zunahme der Emissionen von Feinstaub und Stickoxiden wie auch eine Verschlechterung der Trinkwassersituation durch die geplante Vertiefung und Erweiterung des Braunkohletagebaus. Der Wasserhaushalt, insbesondere durch Grundwasserabsenkung, wird bei dem Tagebau-Erweiterungsvorhaben großflächig in Mitleidenschaft gezogen. Das kann auch auf deutscher Seite Auswirkungen auf den Grundwasserstand sowie auf Bauwerke haben. Bezogen auf die Verpflichtungen der EU im Pariser Klimaschutzabkommen wirken die aktuellen Planungen für die Erweiterung des Braunkohletagebaus bei Turów im Dreiländereck kontraproduktiv. Während in Deutschland Planungen zum Kohleausstieg in der Lausitz eine erhebliche CO2-Reduzierung bringen würden – wenn auch klimapolitisch nicht ausreichend –, werden mit der Inbetriebnahme des neuen Kraftwerkblocks in Turów ca. 2,8 Millionen Tonnen CO2 jährlich zusätzlich im Vergleich zum Status quo emittiert. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11315 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Nach § 58 Absatz 5 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) ist auf deutscher Seite für grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren jeweils die Behörde zuständig, die für ein gleichartiges Vorhaben in Deutschland zuständig wäre. Das sind im Zusammenhang mit der Genehmigung eines neuen Kraftwerksblocks die Landesdirektion Sachsen und für die Ausweitung des Tagebaus in Turów das sächsische Oberbergamt. Die geplante Erweiterung des Braunkohletagebaus sowie die Errichtung und der Betrieb eines neuen Kraftwerkblocks in Turów waren bereits Gegenstand parlamentarischer Anfragen an den Deutschen Bundestag (Mündliche Frage 3 auf Plenarprotokoll 19/70 vom 12. Dezember 2018) sowie in Sachsen (Drucksache 6/ 15508 vom 28. Dezember 2018) und Brandenburg (Frage 1654 auf Plenarprotokoll 76. Sitzung vom 11. April 2019). Insofern wird auf die entsprechenden Beantwortungen verwiesen. 1. Seit wann hat die Bundesregierung von den geplanten Vorhaben zur Inbetriebnahme eines neuen Kraftwerkblocks sowie der Erweiterung des Tagebaus Turów Kenntnis, und inwiefern ist sie in den Genehmigungsprozess einbezogen? Hinsichtlich der Änderung beziehungsweise Erweiterung des Kraftwerkes wurde Deutschland im Februar 2016 von der polnischen Seite notifiziert. Deutschland erklärte im März 2016 seine Beteiligung. Hierzu wurde ein grenzüberschreitendes UVP-Verfahren durchgeführt, das im Juni 2016 (vorläufig) abgeschlossen wurde. Im November 2018 hat Polen die deutschen Behörden darüber informiert, dass eine Überarbeitung der Antragsunterlagen für die Errichtung und den Betrieb eines neuen Kraftwerkblocks für erforderlich gehalten wurde. Die zuständige Landesdirektion Sachsen hat vom 7. Januar bis zum 6. Februar 2019 zu den geänderten Unterlagen eine Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung in Deutschland durchgeführt. Die Stellungnahmen der betroffenen sächsischen Behörden und der Öffentlichkeit erfolgten direkt an die polnische Generaldirektion für Umweltschutz . Hinsichtlich der Erweiterung des Braunkohletagebaus hat nach Angaben des sächsischen Umweltministeriums das sächsische Oberbergamt bereits im Jahr 2015 gegenüber der polnischen Generaldirektion für Umweltschutz seinen Wunsch zur Einbeziehung in ein grenzüberschreitende UVP-Verfahren geäußert. Mit Schreiben vom 12. Februar 2019 hat die polnische Generaldirektion für Umweltschutz dem Sächsischen Oberbergamt die Unterlagen zur Umweltverträglichkeitsprüfung für das Vorhaben „Fortführung des Abbaus der Braunkohlelagerstätte Turów“ zur Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung übergeben. Zu den von der Republik Polen hierfür übermittelten Unterlagen wurde durch das zuständige Sächsische Oberbergamt vom 1. April 2019 bis 23. April 2019 eine Behörden-und Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt. Die Stellungnahmen der deutschen Behörden und der Öffentlichkeit wurden an die polnische Generaldirektion für Umweltschutz übersandt. Eine aktive Beteiligung der Bundesregierung an dem grenzüberschreitenden Verfahren ist derzeit nicht vorgesehen. Zuständig für die Durchführung der grenzüberschreitenden UVP-Verfahren sind auf deutscher Seite die beiden in der Vorbemerkung der Bundesregierung genannten sächsischen Landesbehörden. Weitergehende Informationen zu den beiden Umweltverträglichkeitsprüfungen finden sich auf dem UVP-Portal der Länder (www.uvp-portal.de/de/node/422). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/11315 2. Welche Unterlagen, Gutachten und sonstigen Informationen liegen der Bundesregierung bisher in Zusammenhang mit den Genehmigungs- und Erweiterungsplänen bzgl. Kraftwerk und Tagebau Turów vor? 3. Wie bewertet die Bundesregierung Genehmigungs- und Erweiterungspläne bezüglich Kraftwerk und Tagebau Turów? Gab es hierzu Gespräche (bitte auflisten wann, wo und mit sowie zwischen wem)? 4. Wie verändert sich die Schadstoffbelastung durch Emission von Feinstaub, Stickoxiden, Schwefeldioxid und Quecksilber nach Inbetriebnahme des neuen Kraftwerkblocks in Bezug auf die heutigen Emissionen nach Kenntnis der Bundesregierung auf deutschem Staatsgebiet? Inwiefern basieren die Einschätzungen der Bundesregierung zu dieser Frage auf wissenschaftlichen Untersuchungen und aktuellen Wetterdaten (bitte konkrete Untersuchungen und Datengrundlagen benennen)? 5. Wie verändert sich die Lärmbelastung in der Region nach Inbetriebnahme des neuen Kraftwerkblocks in Bezug auf die heutigen Immissionen nach Kenntnis der Bundesregierung? 6. Welche Auswirkungen hat die Inbetriebnahme des neuen Kraftwerkblocks auf die auf deutscher Seite in unmittelbarer Nähe gelegenen FFH-Gebiete (FFH = Fauna-Flora-Habitat) Neißetal und Kemmlitzbach nach Einschätzung der Bundesregierung? 7. Welche Auswirkungen hat die geplante Tagebauerweiterung Turów auf die Grundwassersituation im Zittauer Becken nach Einschätzung der Bundesregierung ? Inwiefern basieren die Einschätzungen der Bundesregierung zu dieser Frage auf wissenschaftlichen Untersuchungen (bitte konkrete Untersuchungen benennen )? 8. Können Schäden auf deutscher Seite durch Erweiterung des Tagebaus Turów ausgeschlossen werden, und falls nein, welche konkreten Schäden und abstrakten Risiken erwartet die Bundesregierung durch die Erweiterung des Tagebaus? Die Fragen 2 bis 8 werden zusammen beantwortet. Auf deutscher Seite ist für das Verfahren nach § 58 Absatz 5 UVPG die Behörde zuständig, die für ein gleichartiges Vorhaben in Deutschland zuständig wäre. Das sind in diesem Fall die Landesdirektion bzw. die Oberbergbehörde in Sachsen. Die zuständigen Behörden führen nach Übersendung der Unterlagen eine Behörden - und Öffentlichkeitsbeteiligung nach den Vorgaben des UVPG durch. Im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung können deutsche Bürgerinnen und Bürger sich mit ihren Stellungnahmen innerhalb derselben Frist, die auch für die polnische Öffentlichkeit gilt, direkt an die polnische Behörde wenden. Für weitere Informationen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11315 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 9. Welche konkreten Schritte unternimmt die Bundesregierung, um den Widerspruch in der Energieerzeugung im Dreiländereck Deutschland-Polen- Tschechien in Hinblick auf die Verpflichtungen der EU aus dem Pariser Klimaschutzabkommen aufzulösen? Die Bundesregierung unternimmt verschiedene Maßnahmen im Rahmen der energiepolitischen Kooperation und arbeitet mit anderen Staaten international und europäisch mit Blick auf die Erreichung des Übereinkommens von Paris zusammen . Jeder Mitgliedstaat ist jedoch souverän, die Bedingungen für die Nutzung seiner Energieressourcen, seine Wahl zwischen verschiedenen Energiequellen und die allgemeine Struktur seiner Energieversorgung zu bestimmen (Artikel 194 Absatz 2 AEUV). Darüber hinaus spricht die Bundesregierung das Thema bei passenden Gelegenheiten an. 10. Werden auf deutscher Seite höhere CO2-Reduktionsantrengungen erforderlich , um auf europäischer Ebene die langfristigen Mehremissionen eines neuen polnischen Braunkohlekraftwerksblocks auszugleichen? Die Stromerzeugung aus Braunkohlekraftwerken unterliegt in Europa dem Europäischen Emissionshandelssystem (EU-ETS). In diesem Rahmen wird durch die Ausgabe einer begrenzten und jährlich absinkenden Menge an Zertifikaten auch die Gesamtemission aller am EU-ETS teilnehmenden Anlagen begrenzt. Die Betreiber polnischer Braunkohle-Kraftwerksblöcke sind wie alle anderen Teilnehmer am EU-ETS dazu verpflichtet, Emissionszertifikate für die von ihnen verursachten Emissionen abzugeben. Eine höhere Nachfrage nach Emissionsrechten an einem bestimmten Standort führt daher tendenziell zu höheren Preisen für die Emissionsrechte im EU-ETS und geringeren Emissionen an anderen Standorten. 11. Wie bewertet die Bundesregierung den Ausbau zusätzlicher Kraftwerkskapazitäten am Standort Turów in Bezug auf die lokale Netzsituation der Grenzkuppelleitung Hagenwerder–Mikulowa und im Netzgebiet von 50 Hertz, insbesondere jedoch hinsichtlich der verpflichtenden Öffnung der Grenzkuppelleitung laut der jüngst verabschiedeten EU-Verordnung über den Elektrizitätsbinnenmarkt? Die Handelsflüsse und in deren Folge die Auslastung der Grenzkuppelleitungen ergeben sich aus dem Handelsergebnis auf dem Strommarkt. Dabei ist ab dem 1. Januar 2020 die verpflichtende Öffnung der Grenzkuppelleitung nach den Vorgaben der EU-Verordnung zu berücksichtigen. Der Bundesregierung liegen zum jetzigen Zeitpunkt keine netztechnischen Analysen der Wirkung der zusätzlichen Kraftwerkskapazität am Standort Turów auf das Handelsergebnis und die Stromflüsse vor. 12. Welche Regionen in Deutschland und Polen erhalten aus der Initiative der EU-Kommission „Kohleregionen im Übergang“ wie viel finanzielle Unterstützung für welche konkreten Maßnahmen (vgl. Sächsische Zeitung, 6. Mai 2019, www.saechsische.de/plus/ost-ministerpraesidenten-kaempfenum -die-kohle-kohle-5067411.html)? Die von der Europäischen Kommission im Dezember 2017 gestartete Plattform zum Thema „Kohleregionen im Wandel“ richtet sich an nationale und regionale Behörden, sowie die Vertreter von Industrie, Zivilgesellschaft und Sozialpartner, die an einer erfolgreichen Umwandlung von Kohleregionen interessiert sind. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/11315 Die Plattform soll den Mitgliedstaaten helfen, den Strukturwandel in den Kohleregionen zu bewältigen. Sie ermöglicht einen Dialog zwischen den verschiedenen Akteuren über politische Rahmenbedingungen und Finanzierung sowie über die Einführung von Technologien zur Nutzung erneuerbarer Energieträger. Für die Plattform sind keine originären Förderprogramme vorgesehen, die über die bereits bestehenden EU-Förderprogramme hinausgehen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333