Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 27. Juni 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/11341 19. Wahlperiode 02.07.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Oliver Krischer, Dr. Julia Verlinden, Ingrid Nestle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/10859 – Windenergie und Genehmigungen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Zwischen den Ausbauzielen und der Genehmigung von Windenergieanlagen klafft eine riesige Lücke. Bei den letzten Windenergie-Ausschreibungen kam es zu gravierenden Unterdeckungen der ausgeschriebenen Mengen. In Summe fehlen rund 1 GW, zusätzlich ist zu befürchten, dass aus den Ausschreibungen (2,8 GW) im Jahr 2017 nur ein Bruchteil der bezuschlagten Anlagen installiert wird. Der Mangel an Genehmigungen liegt auch an dem immer aufwändigeren Naturschutzteil der Verfahren. Das hat dazu geführt, dass heute mindestens vier Jahre Planungszeit für eine Windenergieanlage an Land und wenigstens acht Jahre für Windparks auf See eingeplant werden müssen (www.bundesnetz agentur.de/DE/Sachgebiete/ElektrizitaetundGas/Unternehmen_Institutionen/ Ausschreibungen/Wind_Onshore/BeendeteAusschreibungen/Beendete Ausschreibungen_node.html). Dadurch werden nach Ansicht der Fragesteller die Klimaschutzpläne der die Bundesregierung tragenden Parteien gefährdet, die ein Ausbauziel für erneuerbare Energien von 65 Prozent des Strombedarfs bis 2030 vorsehen (vgl. www.spdfraktion.de/themen/koalitionsvertrag-zwischen-spd-cdu-csu, S. 71). Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat in seinem Beschluss vom 23. Oktober 2018 (1 BvR 2523/13) darauf verwiesen, dass in den Genehmigungen von Windenergieanlagen „naturschutzfachlich allgemein anerkannte standardisierte Maßstäbe und rechenhaft handhabbare Verfahren“ im Naturund Artenschutz regelmäßig fehlen. Je nach Bundesland und Behörde gelten unterschiedliche Standards und oft müssen Behörden und Gerichte naturschutzfachliche Entscheidungen treffen, die ihre Kompetenz – darauf verweist das Verfassungsgericht – deutlich überschreiten. Das Gericht schreibt, dass der Gesetzgeber „Verwaltung und Gerichten nicht ohne weitere Maßgaben auf Dauer Entscheidungen in einem fachwissenschaftlichen „Erkenntnisvakuum“ übertragen“ dürfe. Der Gesetzgeber, so das Gericht, müsse „für eine zumindest untergesetzliche Maßstabsbildung sorgen“. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11341 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Wie viele Genehmigungen für die Windenergie an Land und auf See wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jahren 2017, 2018 und bisher 2019 ausgesprochen? Im Marktstammdatenregister (bzw. bis Juni 2017 im Anlagenregister) der Bundesnetzagentur wurden für das Jahr 2017 insgesamt 441 genehmigte Windenergieanlagen an Land mit einer Leistung von 1 378 MW, für 2018 insgesamt 466 genehmigte Anlagen mit einer Gesamtleistung von 1 581 MW und für den Zeitraum zwischen dem 1. Januar und dem 30. April 2019 insgesamt 135 genehmigte Anlagen mit einer Leistung von 510 MW gemeldet (Datenstand: 24. Mai 2019). Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie hat im Jahr 2017 einen Windpark mit 31 Anlagen und etwa 250 MW und im Jahr 2018 einen Windpark mit zwei Anlagen und etwa 17 MW genehmigt. Im Küstenmeer wurde im Jahr 2019 ein Offshore-Windpark mit 103 Anlagen und einer Leistung von etwa 820 bis 860 MW genehmigt. 2. Wie will die Bundesregierung dafür sorgen, dass für die kommenden Ausschreibungen bei Windkraft an Land keine Unterdeckungen mehr bei den Angeboten auftreten? Wenn die Ausschreibungsmengen nicht durch zugelassene Gebotsmengen vollständig abgedeckt sind, wirkt dies als Signal an die Marktakteure verstärkt in die Entwicklung von Windenergieanlagen zu investieren. Eine unmittelbare Reaktion ist deshalb nicht erforderlich. Um Überförderung in einem solchen Wettbewerbsumfeld zu verhindern, ist die Vergütungshöhe durch einen Höchstwert nach oben hin abgesichert. Wesentliche Hintergründe für die Unterdeckung sind nach heutiger Einschätzung die geringe Dynamik bei der Genehmigung von Windenergieanlagen und ggf. auch weitere Fragestellungen, die sich dem Genehmigungsprozess anschließen. Vor diesem Hintergrund hat die Fachagentur Windenergie an Land eine Gesprächsplattform zu diesen Fragen initiiert, um hierfür entsprechende Lösungsansätzen zu erarbeiten und vorzuschlagen. Im Rahmen der Arbeitsgruppe Akzeptanz/Energiewende der Koalitionsfraktionen wird auch die Umsetzung des 65-Prozent-Ausbauziels für erneuerbare Energien im Strombereich diskutiert. Dies wird für mehr Planungssicherheit sorgen und damit Investitionen anreizen. 3. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung bezüglich der Genehmigungsdauer von Windenergieanlagen? Die Zulassungsverfahren für Offshore-Windparks in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) erstrecken sich von der Antragstellung bis zur Zulassungsentscheidung bislang in der Regel über einen Zeitraum von ca. 2,5 bis 3 Jahre. Diese Zeiträume können sich dabei in Zukunft vor dem Hintergrund der Umstellung auf staatliche Voruntersuchungen im zentralen Modell noch verkürzen. Es liegen hierfür jedoch noch keine Erfahrungswerte vor. Die Fachagentur Windenergie an Land beziffert in einer Studie aus dem Jahr 2015 den zeitlichen Vorlauf für die Realisierung von Windenergieanlagen an Land von Projektbeginn bis zum Antrag der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung auf durchschnittlich drei Jahre. Das Genehmigungsverfahren selbst nimmt der Studie zufolge nochmals rund eineinhalb Jahre in Anspruch. Bei Projekten, die eine Umweltverträglichkeitsprüfung erfordern, verlängere sich die Genehmigungsdauer zudem um durchschnittlich sechs Monate. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/11341 4. Liegen der Bundesregierung Informationen vor, auf welcher Grundlage die Genehmigungsverfahren ausgesetzt oder verzögert werden (bitte in naturschutzfachliche Belange, Landes- und Regionalplanung, Flugsicherung und sonstige Gründe unterscheiden; bitte Grund auflisten und bei Bedarf kategorisieren )? Im Rahmen einer Befragung der Fachagentur Windenergie an Land im Herbst 2018 haben Hersteller als relativ häufige Hemmnisse im Genehmigungsverfahren bei Windenergie an Land die Themen Flächenverfügbarkeit (Regional- und Bauleitplanung ), Artenschutz (allgemein; Vögel/Fledermäuse), zivile Flugsicherung / militärische Belange der Luftfahrt, Bürgerinitiativen, Wechsel des Anlagentyps/- herstellers benannt. Darüber hinaus häufen sich derzeit vermehrt Hemmnisse durch Klageverfahren infolge unterschiedlicher Anlässe. Das betrifft sowohl Klagen gegen genehmigte Regionalpläne der Planungsträger als auch Klagen im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens von Windprojekten durch Dritte. Eine bundesweite Übersicht zum Umfang der Klagen liegt der Bundesregierung nicht vor. Die Konsequenz daraus ist aber in jedem Fall, dass sich durch die langen Gerichtsverfahren die Gesamtverfahrensdauer eines Windprojektes von der Planung bis zum Umsetzung erhöht. 5. Welchen Anteil an der Dauer der Genehmigungsverfahren nimmt der naturschutzfachliche Teil ein? Die Zulassungsverfahren für Offshore-Windparks in der AWZ erstrecken sich über einen Zeitraum von ca. zweieinhalb bis drei Jahren (Antragstellung bis Zulassungsentscheidung ). Die naturschutzfachliche und naturschutzrechtliche Prüfung (inklusive u. a. Flora-Fauna-Habitat-Verträglichkeitsprüfung, artenschutzrechtliche Prüfung) der Vorhaben dauert etwa sechs bis neun Monate. Die Zuständigkeit für die Durchführung der Genehmigungsverfahren von Windenergieanlagen an Land liegt bei den Ländern. Der Bundesregierung liegen hierzu keine Informationen vor. 6. In wie vielen Fällen kommt es nach Kenntnis der Bundesregierung zu naturschutzfachlichen Nachforderungen im Genehmigungsverfahren? Für Offshore-Windparks war es in den Genehmigungsverfahren in der AWZ in Einzelfällen erforderlich, dass bestimmte naturschutzfachliche Dokumente vom Vorhabenträger nachgebessert werden mussten. Für Windenergieanlagen an Land liegen der Bundesregierung hierzu keine Informationen vor. Auf die Antwort zu Frage 5 wird verwiesen. 7. Mit welchen Installationszahlen rechnet die Bundesregierung (bitte gesondert nach Wind an Land und Wind auf See in den Jahren 2019, 2020, 2021 und 2025 aufschlüsseln)? Der Zubaupfad bei der Windenergie an Land wird im Wesentlichen von den Ausschreibungsmengen bestimmt. Diese wurden im Rahmen des Energiesammelgesetzes um Sonderausschreibungsmengen für die Jahre 2019 bis 2021 in einer Höhe von insgesamt 4 000 MW erhöht. Die Zubauwerte werden vor diesem Hintergrund in den Jahren 2019 bis 2021 schrittweise ansteigen. Für das Jahr 2025 orientiert sich die Zubaumenge an dem im Erneuerbare-Energien-Gesetz gesetzlich festgelegten jährlichen Ausbaupfad, der aktuell bei Windenergie an Land bei 2 900 MW brutto pro Jahr liegt. Ende 2018 waren Offshore-Windparks mit einer Leistung von rund 6 400 MW installiert. Für die Offshore-Windenergie erwartet die Bundesregierung, dass spätestens Ende 2020 eine Kapazität von insgesamt Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11341 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode etwa 7,7 GW und bis Ende 2025 etwa 10,8 GW erreicht wird. Im Rahmen der Arbeitsgruppe Akzeptanz/Energiewende der Koalitionsfraktionen wird darüber hinaus auch die Umsetzung des 65-Prozent-Ausbauziels für erneuerbare Energien im Strombereich diskutiert, die auch die zukünftigen Zubaupfade betreffen wird. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe sind abzuwarten. 8. Was hat die Bundesregierung bisher unternommen, um nach der Aufforderung des Gerichts „für eine zumindest untergesetzliche Maßstabsbildung [zu] sorgen“? Welche Schritte wurden hier im Detail gestartet? 9. Plant die Bundesregierung eine umfassende und bundesweit einheitliche Regelung für den Naturschutz, wie sie seit den 1960er Jahren zu Themen wie Lärm (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA Lärm), Emissionen (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft – TA Luft) sowie Abfall und Siedlungsabfall entwickelt wurden? 10. Ist insbesondere aufgrund der in der Vorbemerkung der Fragesteller genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts („Erkenntnisvakuum in der Verwaltung“) daran gedacht, eine TA Artenschutz zu erarbeiten? 11. Was plant die Bundesregierung sonst, um die Gerichte zu entlasten und den naturschutzfachlichen Teil der Genehmigungsverfahren zu beschleunigen? Die Fragen 8 bis 11 werden gemeinsam beantwortet. Bund und Länder prüfen derzeit gemeinsam, welche konkreten Schritte aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts nunmehr erforderlich sind, um „untergesetzliche Maßstäbe“ zu verbessern. Dabei wird insbesondere zu berücksichtigen sein, dass der Vollzug des Naturschutzrechts wie der Gesetzesvollzug im Allgemeinen Aufgabe der Länder ist. Die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Naturschutz, Landschaftspflege und Erholung (LANA) hat deshalb ihre Ausschüsse „Eingriffsregelung“, „Artenschutz“ und „Recht“ gebeten, die möglichen Folgen der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung zu analysieren und herauszuarbeiten, in welchen Bereichen konkret eine weitere Standardisierung naturschutzfachlicher Methoden vorrangig erscheint . Diese Prüfung dauert gegenwärtig noch an. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333