Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 2. Juli 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/11349 19. Wahlperiode 03.07.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frank Schäffler, Christian Dürr, Dr. Florian Toncar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/10960 – Leerverkaufsverbot der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Wirecard AG ist ein weltweit tätiges Zahlungsdienstleistungsunternehmen mit Sitz in Deutschland. Die Aktien der Wirecard AG sind an der Frankfurter Wertpapierbörse zum Handel zugelassen und seit September 2018 Bestandteil des DAX. Von Februar bis April 2019 hatte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ein Leerverkaufsverbot für Wirecard verhängt. Es war das erste Mal, dass die BaFin ein solches Leerverkaufsverbot für die Aktien eines einzelnen Unternehmens ausgesprochen hat. Die BaFin gab als Begründung an, dass die Preisentwicklung der Wirecard-Aktie (Reduzierung der Marktkapitalisierung um teils etwa 40 Prozent) aufgrund von Medienberichten „eine ernstzunehmende Bedrohung für die Finanzstabilität oder das Marktvertrauen in Deutschland oder in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten“ darstellt (www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/ DE/Aufsichtsrecht/Verfuegung/vf_190218_leerverkaufsmassnahme.html). 1. Welche konkreten Hinweise hatte die Bundesregierung bzw. die BaFin auf Kursmanipulationen bei Wirecard-Aktien im Jahr 2019? a) Was unterschied die aktuellen Attacken von früheren Shortselling-Angriffen , sodass sich die BaFin zu einem Shortselling-Verbot veranlasst sah? Voraussetzung für das Ergreifen einer Leerverkaufsmaßnahme nach Artikel 20 VO (EU) Nr. 236/2012 (EU-LeerverkaufsVO) ist entweder eine Bedrohung für das Marktvertrauen oder eine Bedrohung der Finanzstabilität. Insoweit ist eine Einzelfallentscheidung in Abwägung aller vorliegenden Umstände zu treffen, die einem Abwägungsprozess unterliegt. Nicht jede Short-Attacke führt automatisch zu einer Maßnahme gemäß den Instrumentarien der EU-LeerverkaufsVO. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat das Verbot der Begründung und der Vergrößerung von Netto-Leerverkaufspositionen in Aktien der Wirecard AG am 18. Februar 2019 aufgrund der in den Tagen vor Erlass der Allgemeinverfügung festgestellten massiven Unsicherheiten an den Finanzmärkten erlassen. Diese stellten nach Einschätzung der BaFin eine ernstzunehmende Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11349 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Bedrohung für das Marktvertrauen in Deutschland dar. Auslöser für die Maßnahme waren insbesondere die Preisentwicklung der Aktie der Wirecard AG in den Wochen zuvor sowie die vorliegenden Hinweise auf Short-Attacken auf die Wirecard AG. Das Unternehmen war bereits in der Vergangenheit (2008 und 2016) wiederholt Ziel solcher Short-Attacken. Zudem lagen seit Ende Januar 2019 erneut negative Presseberichte über die Gesellschaft vor. Die Presseberichte fielen zeitlich zusammen mit erhöhten Netto-Leerverkaufspositionen . Ab dem 1. Februar 2019 war hier ein deutlicher Anstieg zu beobachten, der sich ab dem 7. Februar 2019 nochmal deutlich verstärkte. Dies ging mit einer starken Volatilität der Aktie einher. Weiterhin erhielt die BaFin am 15. Februar 2019 konkrete Informationen der Staatsanwaltschaft München, dass eine weitere Short-Attacke geplant sein könnte. Diese Informationen sind in die Entscheidungsfindung eingeflossen. Insgesamt bestand das Risiko, dass das Eingehen und die Erweiterung von Netto- Leerverkaufspositionen im geschilderten Marktumfeld exzessive Kursbewegungen der Wirecard Aktie hätte verursachen können. Diese hätten durch ihre trendverstärkende Wirkung den Verlust des Marktvertrauens in Deutschland, insbesondere hinsichtlich der Preisbildung an den Märkten, bewirken können. b) Wann wurde die Bundesregierung bzw. die BaFin erstmalig auf etwaige Kursmanipulationen aufmerksam? Die BaFin wurde mit Veröffentlichung des Berichts der Financial Times vom 30. Januar 2019 auf mögliche Kursmanipulationen aufmerksam. c) Welche Schritte wurden in Folge (vor dem Shortselling-Verbot) unternommen ? Die BaFin hat eine Untersuchung wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Verbot der Marktmanipulation nach Artikel 15 MAR (Market Abuse Regulation, Marktmissbrauchsverordnung) eröffnet. Im Rahmen dieser Untersuchung wurden die der BaFin vorliegenden Hinweise und Informationen ausgewertet. Weiter wurden zur Aufklärung des Sachverhalts Auskunfts- und Vorlageersuchen erlassen . Darüber hinaus werden im Rahmen der Marktbeobachtung regelmäßig die Netto- Leerverkaufspositionen, die nach den Vorgaben der Artikel 5ff. EU-Leerverkaufs VO zu melden und ggf. zu veröffentlichen sind, überwacht. Der deutliche Anstieg der Netto-Leerverkaufspositionen in Wirecard ab dem 1. Februar 0219, der sich ab dem 7. Februar 2019 nochmal deutlich verstärkte, führte dann im Zusammenspiel mit den weiteren unter der Antwort auf Frage 1a genannten Gründen zum Erlass der Leerverkaufsmaßnahme. 2. Was ist der Stand der Untersuchung zur möglichen Kursmanipulation von Wirecard-Aktien? Die BaFin hat am 10. April 2019 bei der Staatsanwaltschaft München Anzeige wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Verbot der Marktmanipulation in Form einer Short-Attacke erstattet. Inhaltlich geht es um den Verdacht, dass der Zugang zu Medien ausgenutzt wurde, um durch Abgabe von negativen Stellungnahmen zur Wirecard AG und den hiermit verbundenen negativen Auswirkungen Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/11349 auf den Kurs der Wirecard Aktie und der verbundenen Finanzinstrumente aufgrund von zuvor eingegangenen Leerverkaufspositionen zu profitieren. Auf einen hierdurch begründeten Interessenkonflikt wurde dabei nicht gleichzeitig ordnungsgemäß und wirksam hingewiesen. Die Untersuchung der BaFin hinsichtlich anderer potenzieller Marktmanipulationen in Aktien der Wirecard AG sowie hinsichtlich möglicher Verstöße gegen das Insiderhandelsverbot dauert an. 3. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der BaFin, dass die Entwicklungen bei Wirecard „eine ernstzunehmende Bedrohung für das Marktvertrauen in Deutschland“ dargestellt haben? Aus Sicht der Bundesregierung hat die BaFin mit ihrer Einschätzung innerhalb des ihr zugewiesenen Aufgabenbereichs gehandelt und ist ihren zugewiesenen Aufgaben nachgekommen. 4. Hat die Bundesregierung bzw. die BaFin Hinweise darauf, dass Shortseller der Wirecard-Aktie ihre Anteile gestückelt haben, um unter der Meldeschwelle von einem halben Prozent Grundkapital zu bleiben, ab dem Investoren Shortselling-Positionen melden müssen? Es liegen keine Hinweise darauf vor, dass Melder von Netto-Leerverkaufspositionen gegen die Vorgaben der Artikel 5 ff. VO (EU) Nr. 236/2012 verstoßen haben . 5. Liegen der Bundesregierung bzw. der BaFin Kenntnisse vor, die auf eine Verbindung der britischen Zeitung „Financial Times“ zu Shortsellern bzw. Hedgefonds hindeuten? Wenn ja, welche? Aufgrund der laufenden Verfahren können keine Angaben zu konkret vorliegenden Hinweisen gemacht werden. 6. Handelte es sich bei den mutmaßlichen Shortsellern 2019 um dieselben Personen bzw. Unternehmen, die bereits in der Vergangenheit gegen Wirecard spekuliert haben? Die Melder, die Netto-Leerverkaufspositionen in der Wirecard AG halten, sind insofern bekannt, als dass sie überwiegend auch schon in der Vergangenheit Netto-Leerverkaufspositionen in der Wirecard AG hielten, die sie mitgeteilt und ggf. veröffentlicht hatten. 7. Haben sich Marktakteure aufgrund des Shortselling-Verbots bereits mit Schadenersatzklagen an die Bundesregierung bzw. die BaFin gewandt? Wenn ja, wie hoch sind die Schadenssummen nach Kenntnis der Bundesregierung ? Bei der Bundesregierung und der BaFin liegen bisher keine Informationen zu Schadensersatzklagen vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11349 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 8. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung bzw. die BaFin mit Blick auf Pressemeldungen über mögliche Unregelmäßigkeiten in der Wirecard-Niederlassung in Singapur (www.welt.de/newsticker/dpa_nt/infoline_nt/ wirtschaft_nt/article190889649/Wirecard-Verdacht-strafbarer-Verstoessein -Singapur.html)? a) Welche eigenen Ermittlungen hat die BaFin hinsichtlich des Sachverhalts in Singapur unternommen? b) Stehen die Bundesregierung bzw. die BaFin zu dem Sachverhalt in Kontakt mit Behörden in Singapur? Wenn ja, wann erfolgte die Kontaktaufnahme? Wenn ja, welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den Ermittlungsstand der in Singapur ansässigen Behörden zu der Sachlage? c) Stehen die Bundesregierung bzw. die BaFin zu dem Sachverhalt in Kontakt mit Behörden aus weiteren Ländern? Wenn ja, mit welchen, und wann erfolgte die Kontaktaufnahme? Die Aufklärung der unmittelbar gegen Mitarbeiter der Wirecard-Gruppe in Südostasien gerichteten Vorwürfe fällt zunächst in die Zuständigkeit der Behörden in Singapur. Die BaFin befasst sich im Rahmen der Wertpapieraufsicht mit der Wirecard AG und im Rahmen der Banken- und Geldwäscheaufsicht mit der Wirecard Bank AG. Die von der BaFin beaufsichtigte Wirecard Bank AG ist eine unmittelbare 100-prozentige Tochtergesellschaft der im Dax notierten Wirecard AG und hat keine Tochterunternehmen im In- und Ausland. Die im Artikel der Financial Times geschilderten Ereignisse betreffen eine Tochtergesellschaft der Wirecard AG in Singapur und nicht die Wirecard Bank AG, die der Aufsicht der BaFin unterliegt. Die Bundesregierung erteilt keine Auskünfte zu Einzelinstituten und laufenden Prüfungen bzw. Untersuchungen. Im Rahmen ihrer Untersuchungen steht die BaFin mit ausländischen Aufsichtsbehörden in Kontakt. Weitere Angaben zur Kommunikation mit ausländischen Aufsichtsbehörden sind aufgrund der laufenden Untersuchungen nicht möglich. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333