Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 28. Juni 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/11353 19. Wahlperiode 03.07.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Benjamin Strasser, Stephan Thomae, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/10517 – Der Fall der IS-Rückkehrerin O. A. V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Journalistin Jenan Moussa veröffentlichte Recherchen zu der in Hamburg geborenen, deutschen Staatsbürgerin und IS-Anhängerin O. A., die nach der Befreiung von Raqqa nach Deutschland zurückgekehrt sein soll (vgl. www. spiegel.de/politik/deutschland/islamischer-staat-is-der-fall-omaima-aaus -hamburg-a-1263019.html). Seitdem lebt und arbeitet O. A. in Hamburg. Sie soll 2015 über die Türkei nach Syrien ausgereist sein. Das Handy von O. A. soll in Syrien gefunden worden sein, auf dem Fotos von ihr mit Waffen und eindeutiger Bezugnahme zum sogenannten Islamischen Staat zu sehen sein sollen . Weitere Fotos beinhalten wohl auch Aufrufe zum bewaffneten Dschihad. Es lägen ebenfalls Informationen darüber vor, dass O. A. bereits 2011 klare Bezüge und engen Kontakt zur salafistischen Szene in Deutschland gehabt haben soll und während ihrer Zeit in Syrien Frauen über das Internet angeworben habe (vgl. Al Aan TV www.youtube.com/watch?v=IBaA_B3ZvJs). O. A. war seit 2012 mit dem IS-Propagandisten Nadir Hadra verheiratet. Nachdem sich Nadir Hadra dem sog. Islamischen Staat anschloss und nach Syrien ausreiste, folgte O. A. diesem im Januar 2015 zusammen mit ihren drei Kindern. Nach dem Tod von Nadir Hadra im bewaffneten Kampf in Syrien heiratete O. A. den prominenten dschiihadistischen Kämpfer Denis Cuspert. Anhand der Fotos muss sie sich bis zumindest Ende 2015 in Syrien aufgehalten haben und dann nach Deutschland zurückgekehrt sein. V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Fragen 3, 4, 5, 7, 8, 9 und 10 Teilfrage 2 können nicht beantwortet werden. Trotz der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Pflicht der Bundesregierung, Informationsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen, tritt hier nach sorgfältiger Abwägung der betroffenen Belange im Einzelfall das Informationsinteresse des Parlaments hinter das berechtigte Geheimhaltungsinteresse zurück. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11353 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Eine Auskunft zu Erkenntnissen aus einem etwaigen Ermittlungsverfahren würde konkret mögliche weitergehende Ermittlungsmaßnahmen erschweren oder gar vereiteln, weshalb aus dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit folgt, dass das betroffene Interesse der Allgemeinheit an der Gewährleistung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege und Strafverfolgung (vgl. dazu BVerfGE 51, 324 343 f.) hier Vorrang vor dem Informationsinteresse hat. 1. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung bzw. haben die ihr nachgeordneten Behörden zur Ausreise von O. A. nach Syrien bzw. in das Gebiet des sog. Islamischen Staates? O. A. reiste im Januar 2015 mit ihren drei Kindern aus Deutschland über Gaziantep nach Raqqa. 2. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung bzw. haben die ihr nachgeordneten Behörden über die Rückkehr von O. A. nach Deutschland? O. A. reiste am 1. September 2016 mit ihren drei Kindern und ihrer Schwester aus der Türkei kommend über den Flughafen Hannover nach Deutschland ein. 3. Sind der Bundesregierung oder den ihr nachgeordneten Behörden Aliasnamen von O. A. bekannt? Wenn ja, wie lauten diese, und wie konnten sie O. A. zugeordnet werden? 4. Was weiß die Bundesregierung bzw. wissen die ihr nachgeordneten Behörden konkret über das Wirken von O. A. beim sog. Islamischen Staat in Irak bzw. Syrien? a) Welche Erkenntnisse haben die Bundesregierung bzw. die ihr nachgeordneten Behörden ggf. von Sicherheitsbehörden und Nachrichtendiensten der Bundesländer erhalten? b) Welche Erkenntnisse haben die Bundesregierung bzw. die ihr nachgeordneten Behörden ggf. von ausländischen Sicherheitsbehörden und Nachrichtendiensten erhalten? 5. Hat die Bundesregierung bzw. haben die ihr nachgeordneten Behörden Kenntnis über das Wirken von O. A. im salafistischen Umfeld in Deutschland vor 2015? Gibt es Anhaltspunkte, dass sie Kämpferinnen oder Kämpfer für den sog. Islamischen Staat geworben hat? Die Fragen 3 bis 5 werden gemeinsam beantwortet. Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen.* 6. War O. A. seit 2011 Gegenstand einer Besprechung im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) oder anderen Gremien der Bundesregierung ? Wenn ja, wie oft, wann, und in welchem Kontext? O. A. war seit dem Jahr 2011 dreimal Gegenstand einer Besprechung im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ). Eine Besprechung fand am 14. Juli 2016 in einer Sitzung der AG „Operativer Informationsaustausch“ des GTAZ in * Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat hat die Antwort als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Die Antwort ist im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort von Berechtigten eingesehen werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/11353 Bezug zur Wiedereinreise der O. A. statt und eine weitere Besprechung am 31. Mai 2018 im Kontext zu einer Kontaktperson der O. A. Hinsichtlich des Gegenstandes der dritten Besprechung am 23. August 2018 kann keine weitere Beantwortung erfolgen, insoweit wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. Weiterhin wurden zwei Besprechungen im Gemeinsamen Internet Zentrum abgehalten : Am 18. April 2019, da zur Person auf der Facebookseite „Al Hayat Nachrichten “ ein Solidaritätsaufruf veröffentlicht wurde und am 16. April 2019, da auf Twitter ein Video über die Person veröffentlicht wurde. 7. Ist O. A. im „EV Pyramide“ bzw. „GAV Lacrima“ des Bundeskriminalamtes in Erscheinung getreten? Wenn ja, in welcher Form? 8. Hat die Bundesregierung bzw. haben die ihr nachgeordneten Behörden Kenntnis von den Daten, die auf dem von O. A in Syrien gefundenen Mobilfunkgerät sein sollen? Wenn ja, um welche Daten und Informationen handelt es sich? 9. Hat die Bundesregierung bzw. haben die ihr nachgeordneten Behörden Kenntnis davon, dass gegen O. A. strafrechtlich ermittelt wird? Wenn ja, was ist die Grundlage für diese Ermittlungen? Wenn nein, was sind die Gründe, nicht zu ermitteln? Die Fragen 7 bis 9 werden gemeinsam beantwortet. Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen.* 10. Inwiefern und wie arbeitet der Bund mit den Bundesländern bei der Rückkehr von IS-Kämpferinnen und IS-Kämpfern zusammen? Wie sah die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern im konkreten Fall bei der IS-Rückkehrerin O. A. aus? Bei der Rückkehr von Personen, die sich in Kriegsgebieten aufgehalten haben, findet ein kontinuierlicher Austausch von Informationen zwischen den zuständigen Behörden im Inland statt, u. a. Generalbundesanwalt, Bundespolizei, Zollkriminalamt , Bundesnachrichtendienst, Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und den jeweiligen Landeskriminalämtern. Abhängig von Einzelfall werden in diesen Austausch mitunter auch andere Landes- oder kommunale Behörden einbezogen , etwa Jugend- oder Sozialbehörden. Dadurch wird sichergestellt, dass bereits vor oder nach der Einreise der betroffenen Person die erforderlichen Maßnahmen sowohl präventiver als auch gegebenenfalls repressiver Art durchgeführt werden können. Auch im Fall der O. A. hat ein fortlaufender Informationsaustausch zwischen den beteiligten Behörden stattgefunden. Im Bereich der Deradikalisierung fördert die Beratungsstelle Radikalisierung im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) seit dem Jahr 2019 das Projekt „Rückkehrkoordinierende“ aus Mitteln des Nationalen Präventionsprogramms gegen islamistischen Extremismus. * Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat hat die Antwort als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Die Antwort ist im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort von Berechtigten eingesehen werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11353 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Die Rückkehrkoordinierenden dienen in den vom Phänomen besonders betroffenen Bundesländern als Schnittstelle zu relevanten zuständigen Akteuren der Polizei - und Verfassungsschutzbehörden, Landeskoordinierungsstellen für Deradikalisierung , Zivilgesellschaft, Regelstrukturen der Länder und Kommunen sowie zum Bund, um den Umgang mit Rückkehrenden aus Jihad-Gebieten zentral zu koordinieren. Die weitere Beantwortung der Frage kann nicht offen erfolgen. Gegenstand der Frage sind solche Informationen, die in besonderem Maße das Staatswohl berühren . Die Einstufung als Verschlusssache ist erforderlich, da sie Informationen enthalten , die im Zusammenhang mit der Arbeitsweise und Methodik des BfV stehen . Ein Bekanntwerden von Einzelheiten der Arbeitsweise und Methodik sowie deren konkreter Anwendung im BfV würde den Erfolg zukünftiger Maßnahmen gefährden und damit die Erkenntnisgewinnung beeinträchtigt werden. Dieses ist zur Aufgabenerfüllung der Verfassungsschutzbehörden jedoch unerlässlich. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen.* 11. Welche grundsätzlichen Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierungen aus dem Fall O. A. für den Umgang mit Rückkehrerinnen bzw. Rückkehrern aus Kampfgebieten des sog. Islamischen Staates? Die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) hat bereits auf ihrer 200. Sitzung am 11./12. Dezember 2014 in Köln festgestellt, dass Personen, die aus Deutschland in Richtung Syrien ausgereist sind, um die dortigen Kampfhandlungen zu unterstützen, bei Rückkehr ein besonderes Sicherheitsrisiko für die Bundesrepublik Deutschland darstellen können. Effektive Strafverfolgung und Gefahrenabwehr haben insofern weiterhin oberster Priorität. In diesem Zusammenhang sind die bestehenden Instrumentarien für einen umfassenden Informationsaustausch, die eingehende Beurteilung der Personen und die Abstimmung der zu treffenden Maßnahmen bestmöglich zu nutzen. Gleichzeitig sind Prävention und Deradikalisierung integrale Bestandteile des deutschen Gesamtansatzes zur Terrorismusbekämpfung. Die IMK hat bereits auf ihrer 200. Sitzung die Notwendigkeit eines ganzheitlichen und konsequenten Ansatzes bei der Bekämpfung des gewaltbereiten Islamismus unterstrichen und ihre Auffassung bekundet, dass geeignete staatliche und nichtstaatliche Aussteigerprogramme bzw. Ausstiegshilfen aus dem gewaltbereiten Islamismus ein präventiver Baustein für die Beendigung islamistischer Karrieren und die Deradikalisierung darstellen können. Die aktuellen Erkenntnisse über die heterogene Zusammensetzung der Gruppe der Rückkehrerinnen und Rückkehrer, insbesondere den hohen Anteil von Kindern unterhalb der Strafmündigkeitsgrenze, verdeutlichen die Wichtigkeit, Maßnahmen der (Re-)Integration stets zu prüfen und, wo möglich und sinnvoll, konsequent anzuwenden. Dabei sind Kinder in erster Linie als Opfer anzusehen; Stigmatisierungen müssen vermieden werden. Erforderlich dafür ist eine effektive Zusammenarbeit mit den bzw. Unterstützung der bestehenden Regelstrukturen der Länder und Kommunen, wie Jugend-, Sozial-, Schul- und Gesundheitsbehörden , Kindertagesstätten. * Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat hat die Antwort als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Die Antwort ist im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort von Berechtigten eingesehen werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/11353 Die Inhalte von Maßnahmen der Deradikalisierung bzw. (Re-)Integration müssen individuell ausgestaltet und an den jeweiligen Einzelfall angepasst werden. Die Koordinierung der Maßnahmen sowie des Ablaufs erfolgt vorrangig über die zuständigen Landesstrukturen, einige mit Unterstützung der in der Antwort zu Frage 10 genannten Rückkehrkoordinierenden. Über die o. a. Darstellungen hinausgehende grundsätzliche Schlussfolgerungen aus dem konkreten Einzelfall O. A. zieht die Bundesregierung deshalb nicht. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333