Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Verteidigung vom 5. März 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/1137 19. Wahlperiode 07.03.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Heike Hänsel, Simone Barrientos, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/798 – Kenntnisse der geschäftsführenden Bundesregierung über Fälle sexuellen Missbrauchs durch alliierte bewaffnete Kräfte in Afghanistan V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r In den USA hat die Kontrollstelle SIGAR (Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction) für den Afghanistan-Einsatz am 18. Januar 2018 einen umfassenden und vormals als geheim eingestuften (SECRET/NOFORN) Untersuchungsbericht (https://sigar.mil/pdf/inspections/SIGAR%2017-47-IP.pdf) zu sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch Mitglieder verbündeter bewaffneter Kräfte in dem zentralasiatischen Staat veröffentlicht. Aus diesem Papier geht hervor, dass die US-Armee ihre afghanischen Alliierten in ihrem Einsatzgebiet zwischen 2010 und 2016 dazu aufgefordert hat, 5 753 entsprechende Verdachtsfälle zu untersuchen. Hintergrund der SIGAR-Untersuchung sind auch Medienberichte (www. nytimes.com/2018/01/23/world/asia/afghanistan-military-abuse.html?partner= rss&emc=rss&smid=tw-nytimes&smtyp=cur) in den USA – vor allem der Tageszeitung „The New York Times“ (www.nytimes.com/2015/09/21/world/ asia/us-soldiers-told-to-ignore-afghan-allies-abuse-of-boys.html) – über die Entlassung bzw. Kündigung von zwei US-Elitesoldaten, die afghanische Polizeikommandeure wegen des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger physisch angegriffen hatten. Auf Basis dieser Aktionen und der folgenden Medienberichte (https://military.id.me/news/pentagon-denies-ordering-soldiers-to-toleratechild -abuse-in-afghanistan/) kam die offizielle und nun öffentliche Untersuchung in Gang. Die US-Armee ist derzeit mit rund 7 000 Soldaten an der NATO-Operation Resolute Support beteiligt (https://tinyurl.com/y8ct93qx). Deutschland beteiligt sich an diesem Einsatz mit bis zu 980 Soldatinnen und Soldaten. Basis der deutschen Bundeswehrtruppen ist das Camp Marmal in Mazar-e Sharif, hinzu kommt das durch einen deutschen Brigadegeneral geführte „Train Advise and Assist Command (TAAC) North“. Deutsche Soldatinnen und Soldaten leisten weiterhin in Kabul und Bagram sowie in Kundus Dienst. Einen wichtigen Teil Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/1137 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode des deutschen Einsatzes macht die Ausbildung afghanischer bewaffneter Kräfte aus. Die personelle Präsenz und das Einsatzprofil lassen nach Auffassung der fragestellenden Fraktion vermuten, dass auch deutsche Einsatzkräfte Fälle sexuellen Missbrauchs durch afghanische Alliierte mitbekommen oder gar gemeldet haben. 1. Welche Rückschlüsse zieht die geschäftsführende Bundesregierung aus dem am 18. Januar 2018 freigegebenen ehemaligen Geheimbericht der US-Armee über sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch Mitglieder verbündeter bewaffneter Kräfte in Afghanistan? Der Bundesregierung sind Fälle sexuellen Missbrauchs von Kindern durch Angehörige der afghanischen Sicherheitskräfte aus der Berichterstattung der Vereinten Nationen sowie der Medienberichterstattung bekannt. Die Bundesregierung setzt sich im Rahmen ihres internationalen Engagements in Afghanistan aktiv dafür ein, derartige Vorfälle zu verhindern. Im Rahmen der NATO-Mission Resolute Support in Afghanistan finanziert die Bundesregierung einen hochrangigen Experten für Fragen der VN-Sicherheitsratsresolution 1612 („Kinder und bewaffnete Konflikte“) zur Ausbildung, Beratung und Unterstützung der afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte. Zu den Ergebnissen dieser Beratungstätigkeit gehört die Verabschiedung einer Kinderschutzstrategie durch die afghanische Regierung im Dezember 2017. 2. Sind der geschäftsführenden Bundesregierung vergleichbare Fälle von sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch Verbündete aus dem Einsatzgebiet der Bundeswehr in Afghanistan bekannt? Die Bundesregierung gibt aus grundsätzlichen Erwägungen keine Auskunft über truppendienstliche Angelegenheiten Verbündeter. 3. Wie viele Fälle von sexuellem Missbrauch Minderjähriger wurden der Bundeswehr seit Beginn des Einsatzes in Afghanistan gemeldet? Der Bundeswehr wurden seit Beginn ihres Einsatzes in Afghanistan keine Fälle von sexuellem Missbrauch Minderjähriger gemeldet. 4. In wie vielen dieser Fälle in Afghanistan wurden a) örtliche Ermittlungsbehörden eingeschaltet, b) eigene Ermittlungen angestellt und c) die Ausbildungskontakte oder die Kooperation mit den Verdächtigten oder womöglich überführten Tätern eingestellt? Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. 5. Sind der geschäftsführenden Bundesregierung vergleichbare Fälle von sexuellem Missbrauch Minderjähriger aus dem übrigen Einsatzgebiet der Bundeswehr bekannt? Es sind keine Fälle von sexuellem Missbrauch Minderjähriger aus den übrigen Einsatzgebieten der Bundeswehr bekannt, die in einem zeitlichen Zusammenhang mit dem jeweiligen Einsatz der Bundeswehr stehen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/1137 6. Wie viele Fälle von sexuellem Missbrauch Minderjähriger wurden im Rahmen übriger Einsätze der Bundeswehr im Jahr 2017 gemeldet? Dem Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) wurden im Jahr 2017 im Rahmen übriger Einsätze der Bundeswehr im Meldewesen „Innere und Soziale Lage der Bundeswehr“ keine Vorfälle mit dem Verdacht auf sexuellen Missbrauch von Minderjährigen gemeldet. 7. In wie vielen dieser Fälle im übrigen Einsatzgebiet der Bundeswehr wurden a) örtliche Ermittlungsbehörden eingeschaltet, b) eigene Ermittlungen angestellt und c) die Ausbildungskontakte oder die Kooperation mit den Verdächtigten oder womöglich überführten Tätern eingestellt? Auf die Antwort zu Frage 6 wird verwiesen. 8. Sind Angehörige der Bundeswehr im afghanischen Einsatzgebiet und in übrigen Auslandseinsätzen aufgefordert, entsprechende Missbrauchsfälle oder auch nur Verdachtsfälle zu melden, und wenn ja, welche nachweisbaren Ausbildungsunterlagen können dazu aufgeführt werden (bitte in Kopie anfügen )? Wenn nein, weshalb nicht? Grundsätzlich sind deutsche Soldatinnen und Soldaten gehalten, wahrgenommene Straftaten oder den Verdacht auf Straftaten zu melden. Im Rahmen der einsatzlandspezifischen Ausbildung werden die für die besondere Auslandsverwendung in Afghanistan vorgesehenen Soldatinnen und Soldaten hinsichtlich des Themas Prostitution von Kindern und Jugendlichen sensibilisiert. Der Befehl des Hauptquartiers Resolute Support (Headquarters Resolute Support Fragmentary Order 172/15) vom 28. September 2015 als Teil der Commanders Guidance thematisiert die Ausbildung in Menschenrechtsangelegenheiten und das Thema Kindesmissbrauch. Deren Inhalte sind obligatorischer Teil im Zuge der Eingliederung aller neuen Soldatinnen und Soldaten in das Deutsche Einsatzkontingent Resolute Support (sogenanntes In-Briefing). 9. Gibt es Ermittlungsstellen oder Ermittlungsbeamte, die zur Aufklärung entsprechender Fälle im Einsatzgebiet der Bundeswehr in Afghanistan und in übrigen Auslandseinsätzen abgestellt sind, und wenn ja, welche Erkenntnisse konnten sie gewinnen? Es gibt keine Ermittlungsstellen oder -beamten, die zur Aufklärung entsprechender Fälle im Einsatzgebiet der Bundeswehr in Afghanistan und in den übrigen Auslandseinsätzen abgestellt sind. 10. Wie viele Mitglieder der afghanischen bewaffneten Kräfte haben im Jahr 2017 an der Maßnahme „Beratung, Ausbildung, und Unterstützung der afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte“ durch die Bundeswehr teilgenommen (https://tinyurl.com/hjf85ym)? Die Gesamtzahl der afghanischen Teilnehmer an dieser speziellen militärischen Ausbildung wird nicht erfasst. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/1137 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 11. In welchem Rahmen wurden in diesem Zusammenhang Fragen von Kinderrechten mit dem Ziel erörtert, sexuellen Missbrauch durch Mitglieder von bewaffneten Kräften zu verhindern, und lassen sich entsprechende Ausbildungsinhalte schriftlich nachweisen? Im Stab des Hauptquartiers des Train, Advise and Assist Commands North in Mazar-e Sharif gibt es zwei Berater für Gender-Fragen. Diese beraten insbesondere auch zu den Themen Kinderrechte beziehungsweise Missbrauch von Kindern und Jugendlichen. Ein Nachweis über Ausbildungs- oder Gesprächsinhalte wird nicht geführt. 12. Sind Angehörige der Bundeswehr, gegen die nach Angaben des Meldewesens „Innere und Soziale Lage der Bundeswehr“ wegen Verdachtes auf Kindesmissbrauch oder Besitzes kinderpornografischen Materials ermittelt wurde oder wird (2015: neun Verdachtsfälle, 2016: 19 Verdachtsfälle, 2017: 26 Verdachtsfälle) weiterhin an Auslandseinsätzen beteiligt (www. bild.de/bild-plus/news/inland/kindesmissbrauch/26-verdachtsfaelle-bei-derbundeswehr -alleine-2017-54499434,view=conversionToLogin.bild.html)? Gemäß Zentralerlass B-1300/51 („Personalangelegenheiten in Auslandseinsätzen “, eingestuft als „Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch“), ist eine Teilnahme an besonderen Auslandsverwendungen unter anderem bei schwebenden Disziplinar- und Strafverfahren sowie bei staatsanwaltschaftlichen oder polizeilichen Ermittlungsverfahren regelmäßig ausgeschlossen. Sofern keine Schuld der Soldatin beziehungsweise des Soldaten festgestellt wird, besteht für die Soldatin bzw. den Soldaten wieder die Möglichkeit der Teilnahme an einem Auslandseinsatz . 13. Sind Angehörige der Bundeswehr, gegen die im Jahr 2017 wegen Sexualdelikten ermittelt wurde, nach Angaben der Bundeswehr 234 Bundeswehrangehörige (www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-01/bundeswehrsexuelle -uebergriffe), weiterhin an Auslandseinsätzen beteiligt? Auf die Antwort zu Frage 12 wird verwiesen. 14. Waren Angehörige der Bundeswehr nach Kenntnis der geschäftsführenden Bundesregierung in der Vergangenheit im Rahmen von Auslandseinsätzen in Fälle sexuellen Missbrauchs involviert, und wenn ja, in welchen Fällen (bitte detailliert aufführen)? Seit der Übernahme der Führungsverantwortung für die Auslandseinsätze der Bundeswehr im Jahr 2002 sind dem Einsatzführungskommando der Bundeswehr keine Fälle sexuellen Missbrauchs in den Auslandseinsätzen bekannt, in die Angehörige der Bundeswehr involviert waren. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/1137 15. Ist Deutschland an der Ausarbeitung von Strategien der NATO gegen sexuelle Gewalt in Konflikten beteiligt (www.nato.int/cps/en/natohq/news_ 151259.htm)? 16. Welche Strategien will die NATO nach Kenntnis der geschäftsführenden Bundesregierung entwickeln, und welche Maßnahmen werden von dem Bündnis bereits umgesetzt? Die Fragen 15 und 16 werden aufgrund ihres inhaltlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. In der NATO werden Maßnahmen zur Verhinderung und Aufklärung von konfliktbasierter sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt im Rahmen von zwei Aktionsplänen zu den Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen 1325 sowie 1612 sowie im Rahmen der NATO-eigenen Politik des Schutzes von Zivilpersonen umgesetzt. Zu den Maßnahmen gehören die Operationalisierung aller drei Arbeitsstränge in allen NATO-Strukturen und Missionen, bspw. durch die Einrichtung von Gender-Beratern in den Einsätzen. Weitere Maßnahmen waren die Durchführung eines Workshops zur Verhinderung sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt, die Verabschiedung von Standardverfahren (Standard Operating Procedures) und die Einrichtung spezialisierter Dienstposten für die Wahrnehmung aus der Resolution 1612 hervorgehender Aufgaben. Der Generalsekretär der NATO hat eine Sonderbeauftragte für die Resolution 1325, Frau Claire Hutchinson, mit der Bündelung aller die Resolution 1325 betreffenden Fragen in der NATO beauftragt. Die Sonderbeauftragte vertritt die NATO ebenso als zentrale Ansprechpartnerin für die Fragen der Resolution 1612 und des Schutzes von Zivilpersonen. 17. Erhebt die NATO nach Kenntnis der geschäftsführenden Bundesregierung Daten über Fälle von Sexualdelikten unter Beteiligung von NATO-Einsatzkräften in derzeitigen Einsätzen, und wenn ja, mit welchem Ergebnis? Die Mission Resolute Support verfügt über ein einheitliches Reporting- und Monitoringsystem , das im Dezember 2017 eingeführt wurde, um Fälle von Rekrutierung Minderjähriger oder Gewalt, inklusive sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt, durch militärische Einheiten gegen Minderjährige erkennen, aufklären und ahnden zu können. Das System befindet sich noch in der Erprobungsphase. Das Reporting erfolgt regelmäßig im Rahmen des Periodic Mission Review (halbjährlich) und anlassbezogen. Nach Kenntnis der Bundesregierung werden Daten in anderen Einsatzgebieten durch die NATO nicht erfasst. Darüber hinaus existieren Berichtssysteme in nationaler Verantwortung. Fälle von Sexualdelikten unter Beteiligung von NATO-Einsatzkräften in Afghanistan sind der Bundesregierung nicht bekannt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333