Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 3. Juli 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/11387 19. Wahlperiode 04.07.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Markus Herbrand, Christian Dürr, Dr. Florian Toncar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/10976 – Urteile des Bundesfinanzhofes zur Abgeltungsteuer V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der Bundesfinanzhof (BFH) hat seit 2012 in mehreren Urteilen bestätigt, dass durch die Einführung der Abgeltungsteuer im Jahr 2009 ein Wechsel hin zu einer umfassenden Besteuerung von Vermögensänderungen stattgefunden hat. Alle Urteile des BFH enthalten die Grundaussage, dass nicht nur eine umfassende Besteuerung von Vermögenszuwächsen, sondern auch von Vermögensminderungen vorzunehmen ist. In den Urteilen wird ausdrücklich bestätigt, dass nach dem Willen des Gesetzgebers mit Einführung der Abgeltungsteuer zum Jahr 2009 die „traditionelle quellentheoretische Trennung von Vermögens- und Ertragsebene“ aufgegeben wurde und dass seit 2009 eine vollständige steuerrechtliche Erfassung aller Wertveränderungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen besteht (BFH, Urt. v. 20. November 2018, VIII R 37/15, DStR 2019, S. 55, Rz. 26 unter Verweis auf BFH, Urt. v. 24. Oktober 2017, VIII R 13/15, BB 2018, S. 99, Rz. 11-12; BFH, Urt. v. 12. Januar 2016, XI R 48/14, BStBl. II 2016, 456, BFH, Urt. v. 12. Januar 2016, XI R 49/14, BStBl. II 2016, 459, BFH, Urt. v. 12. Januar 2016, XI R 50/14, BStBl. II 2016, 462, BFH, Urt. v. 24. Oktober 2017, VIII R 13/145). Der BFH begründet seine Aussagen mit entsprechenden Fundstellen aus der Gesetzesbegründung zum Unternehmensteuerreformgesetz 2008 (vgl. Bundestagsdrucksache 16/4841, S. 56, rechte Spalte, „Zu Satz 2“) in der ausgeführt wird, dass mit der Abgeltungsteuer die „vollständige steuerrechtliche Erfassung aller Wertveränderungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen erreicht werden soll“. Weiter wird verwiesen auf die Begründung zum durch das Jahressteuergesetz 2009 eingefügten § 52a Absatz 10 Satz 7 Halbsatz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG), wonach die „theoretisch mögliche Unterscheidung zwischen Ertrags- und Vermögensebene […] im Rahmen der Abgeltungsteuer für neu angeschaffte Kapitalanlagen ohnehin wegfällt“ (Bundestagsdrucksache 16/10189, S. 66). Die Finanzverwaltung hat den vom BFH herausgestellten und vom Gesetzgeber intendierten Systemwechsel nach Ansicht der Fragesteller bisher nur teilweise in den Verwaltungsanweisungen umgesetzt. Das hat für die Steuerpflichtigen Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11387 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode negative Folgen: Denn die Kreditinstitute dürfen die Verluste nicht beim Kapitalertragsteuerabzug berücksichtigen. Denn die Institute sind sind nach § 44 Absatz 1 Satz 3 EStG beim Steuerabzug an die im Bundessteuerblatt veröffentlichten Verwaltungsanweisungen der Finanzverwaltung gebunden, die besagen, dass die in Rede stehenden Verluste nicht zu berücksichtigen sind. Veröffentlicht die Finanzverwaltung ein Urteil des BFH nicht im maßgeblichen Anwendungsschreiben zur Abgeltungsteuer, dürfen es die Banken auch nicht anwenden . Beispielhaft kann das Urteil des BFH vom 20. November 2018, VIII R 37/15, DStR 2019, S. 55, angeführt werden, wonach Verluste aus dem „automatischen Verfall“ sog. Knock-Out-Zertifikate steuerlich berücksichtigt werden müssen. Da das Urteil nicht im Bundessteuerblatt (BStBl.) veröffentlicht wurde, dürfen die Banken es auch nicht anwenden und die Kunden bekommen in ihren Verlusttöpfen keinen Verlust berücksichtigt. Den Kunden bleibt daher nur der Weg in die Veranlagung. Eine steuerliche Anerkennung von Verlusten aus den nachfolgenden Kapitalanlagen ist vom BFH bisher abweichend von der im BMF-Anwendungsschreiben zur Abgeltungsteuer festgelegten Auffassung der Finanzverwaltung bejaht worden : Verluste des Berechtigten aus dem Verfall einer Option: BFH v. 12. Januar 2016, XI R 48/14, BStBl. II 2016, 456, 12. Januar 2016, XI R 49/14, BStBl. II 2016, 459, 12. Januar 2016, XI R 50/14, BStBl. II 2016, 462 (umgesetzt von der Finanzverwaltung, vgl. BMF-Schreiben vom 16. Juni 2016, BStBl. I 2016, 527) Verluste aus der (im Rahmen eines amerikanischen Insolvenzplans) zwangsweisen Einziehung wertloser Aktien ohne Gegenleistung: BFH v. 12. Mai 2015, IX R 57/13 Verluste des Stillhalters aus gezahltem Barausgleich: BFH v. 20. Oktober 2016, VIII R 55/13, BStBl. II 2017, 264 (umgesetzt von der Finanzverwaltung , vgl. BMF-Schreiben v. 12. April 2018, BStBl. I 2018, 624) Verluste aus dem insolvenzbedingten Ausfall einer privaten Darlehensforderung : BFH v. 24. Oktober 2017, VIII R 13/15 Verluste aus der Veräußerung von Aktien zu einem Kaufpreis, der (nur) die Transaktionskosten abdeckt: BFH v. 12. Juni 2018, VIII R 32/16 Verluste aus dem Verfall von Knock-out-Zertifikaten: BFH v. 20. November 2018, VIII R 37/15. Die Finanzverwaltung hat bisher nur die im BStBl. II veröffentlichten BFH- Urteile durch Änderung des BMF-Anwendungsschreiben zur Abgeltungsteuer umgesetzt. Die fehlende Umsetzung der BFH-Rechtsprechung führt im Ergebnis dazu, dass das Besteuerungsverfahren entgegen der Intention des Gesetzgebers nicht mit dem Kapitalertragsteuerabzug abgeschlossen ist („Abgeltungsteuer“, § 43 Absatz 5 Satz 1 EStG) und Anleger die steuerlichen Verluste im Wege des Veranlagungsverfahrens geltend machen müssen. Weitere Revisionsverfahren sind anhängig, bei denen das Ergebnis aufgrund der gefestigten Rechtsprechung des BFH absehbar ist: Verfall von Lehman-Brothers-Zertifikaten auf Grund von Zahlungsunfähigkeit des Emittenten: Az. BFH VIII R 28/14 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/11387 Verluste aufgrund entschädigungsloser zwangsweiser Einziehung von Aktien im Rahmen eines Insolvenzverfahrens durch eine Kapitalherabsetzung auf Null mit anschließender Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts der Altaktionäre: Az. BFH VIII R 34/16Veräußerung von Knock-out- Zertifikaten nach Erreichen der Knock-out-Schwelle: Az. BFH VIII R 1/17 Verluste aus der ersatzlosen Ausbuchung von endgültig wertlos gewordenen Aktien: Az. BFH VIII R 5/19. Die Zahl anhängiger Verfahren bei den Finanzgerichten ist nicht bekannt. Die Fragesteller möchten sich erkundigen, ob, und falls ja, weshalb, die restriktive Ansicht im Anwendungsschreiben zur Abgeltungsteuer zur Nichtanerkennung von Verlusten (etwa bei Knock-Outs) von der Finanzverwaltung in anhängigen Verfahren und Revisionen weiter vertreten wird, obwohl sie vom BFH durch den festgestellten Systemwechsel mehrmals abgelehnt wurde. Hierzu lässt sich etwa das Revisionsverfahren beim BFH (Az. VIII R 5/19) gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG) Rheinland-Pfalz vom 12. Dezember 2018 (2 K 1952/16) anführen, das nach Ansicht der Fragesteller die Vermutung zulässt , dass die Finanzverwaltung nach wie vor eine gegenläufige Rechtsauffassung zu der des Bundesfinanzhofs vertritt. 1. Warum veröffentlicht die Finanzverwaltung die oben genannten Urteile nicht im Bundessteuerblatt II (BStBl II) und setzt sie im Anwendungsschreiben zur Abgeltungsteuer vom 18. Januar 2016, BStBl I 2016, S. 85, um? Die Finanzverwaltung veröffentlicht zu Besitz- und Verkehrsteuern ergangene Entscheidungen des Bundesfinanzhof (BFH) im Bundesteuerblatt Teil II, soweit sie vom BFH selbst (ggf. nachträglich) zur amtlichen Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BFHE vorgesehen sind und die Grundsätze der Entscheidung über den entschiedenen Einzelfall hinaus allgemein angewendet werden sollen. Urteile, die der BFH nicht zur amtlichen Veröffentlichung vorsieht (NV-Urteile), wie das in der Vorbemerkung der Fragesteller der Kleinen Anfrage angeführte Urteil vom 12. Mai 2015, IX R 57/13, werden grundsätzlich nicht im Bundessteuerblatt Teil II veröffentlicht. Die Bundesregierung weist zudem darauf hin, dass die Umsetzung der Rechtsprechung des BFH im Zusammenhang mit der Abgeltungsteuer und die Änderung des Anwendungschreibens zur Abgeltungsteuer auch regelmäßig eine Abstimmung mit den Verbänden der Kreditwirtschaft erfordert. Denn diese haben im Rahmen des Kapitalertragsteuerabzugs etwaige Änderungen bei der Rechtsauffassung informationstechnisch umzusetzen. Im Übrigen wurde das Urteil vom 12. Juni 2018 bereits im Bundessteuerblatt Teil II veröffentlicht (BStBl II S. 221). Auch die hierauf ergangene Änderung des Abgeltungsteuerschreibens vom 10. Mai 2019 wurde im Bundessteuerblatt Teil I abgedruckt (BStBl I S. 464). 2. Behandelt die Bundesregierung die benannten BFH-Urteile als Einzelfallentscheidungen ? Falls ja, inwiefern steht die benannte Auffassung der Bundesregierung mit der wiederholten Aussage des BFH und der ausdrücklichen Aussage des Gesetzgebers im Einklang, wonach mit Einführung der Abgeltungsteuer im Bereich der Einkünfte aus Kapitalvermögen ein Paradigmenwechsel stattgefunden habe und Gewinne wie Verluste umfassend zu berücksichtigen seien? Nein. Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. Über den Zeitpunkt der Veröffentlichung wird in gemeinsamen Gremiensitzungen der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder entschieden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11387 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 3. Warum legt die Finanzverwaltung nach Kenntnis der Bundesregierung trotz der entgegenstehenden BFH-Urteile neue Revisionen ein (etwa: Revision beim BFH VIII R 5/19 gegen das Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 12. Dezember 2018, 2 K 1952/16)? Nach § 115 Absatz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) steht den Beteiligten gegen das Urteil des Finanzgerichts die Revision an den BFH zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der BFH sie zugelassen hat. Die Revision ist nach § 115 Absatz 2 FGO nur zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 2. die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert oder 3. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Der Vollzug des Einkommensteuergesetzes obliegt den Finanzbehörden der Länder . Dazu gehört auch die Entscheidung, gegen ein finanzgerichtliches Urteil Revision oder ggf. Nichtzulassungsbeschwerde einzulegen. 4. Wie viele Verfahren sind nach Kenntnis der Bundesregierung bei den Finanzgerichten bzw. wie viele Revisionen sind insgesamt beim BFH zu dem Themenkomplex Verlustberücksichtigung bei Einkünften aus Kapitalvermögen aktuell anhängig, in denen die Finanzverwaltung Verfahrensbeteiligter ist (bitte in tabellarischer Form auflisten)? In finanzgerichtlichen Verfahren ist die jeweils zuständige Finanzbehörde Verfahrensbeteiligte . Der Bundesregierung ist nicht bekannt, wie viele Verfahren bei den Finanzgerichten zu diesem Themenkomplex anhängig sind. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sind der Bundesregierung folgende Revisionsverfahren beim BFH zu diesem Themenkomplex bekannt: Aktenzeichen Revisionsverfahren Aktenzeichen Vorinstanz Gegenstand des Verfahrens VIII R 34/16 FG Düsseldorf vom 23.11.2016, 7 K 2175/16 F wertloser Verfall von Aktien VIII R 43/18 FG Hessen vom 10.4.2018, 7 K 440/16 wertloser Verfall von Aktien VIII R 5/19 FG Rheinland-Pfalz vom 12.12.2018, 2 K 1952/16 wertloser Verfall von Aktien VIII R 1/17 FG Köln vom 26.10.2016, 7 K 3387/13 Knock-Out-Zertifikate mit Stopp-Loss-Schwelle VIII R 28/18 (vorhergehend VIII R 13/15) FG Düsseldorf vom 18.7.2018, 7 K 3302/17 E Forderungsausfall IX 17/18 FG Hessen vom 12.4.2018, 9 K 1053/15 Forderungsausfall IX R 9/18 FG Münster vom 12.3.2018, 2 K 3127/15 E Forderungsausfall Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/11387 5. Warum werden die anhängigen Verfahren trotz der entgegenstehenden BFH- Urteile nicht zurückgenommen bzw. ausgesetzt oder ruhend gestellt (etwa: Revision beim BFH VIII R 5/19 gegen das Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 12. Dezember 2018, 2 K 1952/16)? Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. 6. Wie ist es zu begründen, dass die auszahlenden Stellen (insbesondere Kreditinstitute ) nach § 44 Absatz 1 Satz 3 EStG das für den Kapitalertragsteuerabzug maßgebliche Anwendungsschreiben zur Abgeltungsteuer vom 18. Januar 2016, BStBl I 2016, S. 85, anwenden müssen, obwohl in diesem nicht alle genannten Urteile des BFH – die auf einer gefestigten Rechtsprechung beruhen – nicht umgesetzt wurden? Warum wurden bisher nur einzelne Urteile des BFH im Anwendungsschreiben zur Abgeltungsteuer vom 18. Januar 2016, BStBl I 2016, S. 85, umgesetzt obwohl die Rechtsprechung des BFH mittlerweile gefestigt ist? Die die Kapitalerträge auszahlende Stelle hat gemäß § 44 Absatz 1 Satz 3 EStG den Steuerabzug unter Beachtung der im Bundessteuerblatt veröffentlichten Auslegungsvorschriften der Finanzverwaltung vorzunehmen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 7. Wie wird nach Kenntnis der Bundesregierung von der Finanzverwaltung begründet , dass die Finanzverwaltung in den Verfahren VIII R 55/13, VIII R 54/14, VIII R 23/15, VIII R 32/16 den Standpunkt vertreten hat, dass eine Verlustberücksichtigung nur erfolgen darf, wenn eine Bescheinigung der auszahlenden Stelle im Sinne von § 20 Absatz 6 Satz 5 und § 43a Absatz 3 Satz 4 EStG vorliegt? 8. Warum fordert die Finanzverwaltung die Vorlage einer Steuerbescheinigung , obwohl die auszahlenden Stellen gar keine ausstellen dürfen (bitte in der Antwort auch berücksichtigen, dass nach Ansicht der Vorsitzenden Richterin im XIII. Senat des BFH Anleger durch die in den Verfahren beim BFH aufgestellten und vom BFH mehrfach verworfenen Forderung der Finanzverwaltung , dass die Anleger eine Verlustbescheinigung vorlegen müssen, obwohl die Bank nach dem für sie gemäß § 44 Absatz 1 Satz 3 EStG maßgeblichen Anwendungsschreiben zur Abgeltungsteuer dem Anleger keine ausstellen darf, „rechtsschutzlos“ gestellt würden, Zitat aus Jachmann- Michel, DB 2018, 2777, 2781)? Warum wird diese mehrfach vom BFH verworfene Ansicht in Verfahren vor Finanzgerichten und vor dem BFH weiter vertreten? Warum will die Finanzverwaltung Anleger „rechtsschutzlos“ stellen? Die Fragen 7 und 8 werden zusammen beantwortet. Die Finanzverwaltung hat sämtliche in Frage 7 angeführten Urteile im Bundessteuerblatt Teil II veröffentlicht. Damit sind die Grundsätze dieser Entscheidungen über den Einzelfall hinaus allgemein anzuwenden. Ist die auszahlende Stelle für eine Übergangszeit technisch nicht in der Lage, die Änderung umzusetzen, kann der Steuerpflichtige die Berücksichtigung der BFH-Entscheidung mit der Einkommensteuererklärung beantragen. Um zu verhindern, dass Verluste doppelt berücksichtigt werden, bleibt es den zuständigen Finanzbehörden unbenommen, vom Steuerpflichtigen Unterlagen anzufordern, aus denen hervorgeht, dass entsprechende Verluste von der auszahlenden Stelle nicht berücksichtigt wurden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11387 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 9. Wie begründet die Bundesregierung, dass ausweislich der Entwurfsbegründung eines Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften bestimmte Verluste als Lehre aus der Finanzkrise nicht anzuerkennen seien, Gewinne aus demselben Anlageinstrument aber steuerpflichtig sind (bitte in der Antwort auch berücksichtigen, dass im Referentenentwurf eines Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften in § 20 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3a EStG-E klargestellt werden soll, dass u. a. der Verfall von Optionen im Privatvermögen einkommensteuerrechtlich nicht von Bedeutung ist)? Welche Begründung gibt es dafür, dass Gewinne zu versteuern und Verluste aus demselben Finanzinstrument nicht anzuerkennen sind? Bei Optionsgeschäften handelt es sich hochspekulative Geschäfte, die auf Grund der Rechtsprechung des BFH steuerlich günstiger behandelt werden, als dies vom Unternehmensteuerreformgesetz 2008 bezweckt war. Mit der geänderten Regelung wird der ursprüngliche Gesetzeszweck wiederhergestellt: Geht der Steuerpflichtige das hochspekulative Risiko eines Optionsgeschäfts ein und erzielt er hieraus Wertzuwächse, sind diese – wie auch andere Termingeschäfte – der Einkommensbesteuerung zu unterwerfen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass andere Kapitalerträge über Gestaltungen mit diesen Derivaten der Besteuerung entzogen werden. In diesem Fall werden auch folgerichtig die entsprechenden Aufwendungen des Steuerpflichtigen einkommensteuerrechtlich berücksichtigt. Der Gesetzgeber ist allerdings beim Verfall einer Option – auch verfassungsrechtlich – nicht gezwungen, die Allgemeinheit mit den Kosten des Steuerpflichtigen für seine Risikogeschäfte zu belasten, wenn die Spekulation nicht aufgeht. 10. Warum werden stattdessen nicht die Grundsätze der Urteile des BFH umgesetzt , wonach ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat und eine vollständige steuerrechtliche Erfassung aller Wertveränderungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen erreicht werden soll? Wieso ist der Stichtag der 31. Dezember 2019? Interpretiert die Rechtsprechung eine Norm anders als der Gesetzgeber sie verstanden wissen will, kann der Gesetzgeber für die Zukunft eine klarstellende Regelung erlassen. Will der Gesetzgeber den Interessenkonflikt zwischen ihm und der Rechtsprechung aber rückwirkend in seinem Sinne entscheiden, muss er die Grundsätze rückwirkender Gesetzesänderungen beachten (vgl. BVerfGE 126, 369 [392]). Aus diesem Grund soll die mit dem Referentenentwurf vorgesehene Änderung in § 20 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 Buchstabe a EStG erstmals auf Termingeschäfte Anwendung finden, die nach dem 31. Dezember 2019 abgeschlossen wurden. 11. Wie verträgt sich die geplante Gesetzesänderung nach Ansicht der Bundesregierung mit verfassungsrechtlichen Prinzipien? Auf die Antworten zu den Fragen 9 und 10 wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/11387 12. Wieso wird im Entwurf behauptet, dass es sich um eine „Klarstellung“ handelt , obwohl der Gesetzgeber an zwei Stellen ausdrücklich geäußert hatte, dass mit der Abgeltungsteuer die „vollständige steuerrechtliche Erfassung aller Wertveränderungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen erreicht werden soll“ (Bundestagsdrucksache 16/10189, S. 66; Bundestagsdrucksache 16/4841, S. 56, rechte Spalte, „Zu Satz 2“)? Nach Auffassung der Bundesregierung wollte der Gesetzgeber mit der Einführung der Abgeltungsteuer keine steuerrechtliche Erfassung aller Wertveränderungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen erreichen. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang vor allem der Wortlaut des Gesetzes. So gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen neben den in § 20 Absatz 1 EStG geregelten laufenden Erträgen aus einer Einkunftsquelle (z. B. Zinsen und Dividenden) nach § 20 Absatz 2 EStG auch der Gewinn sowie der Verlust aus der Veräußerung dieser Einkunftsquelle . Als Veräußerung gilt nach § 20 Absatz 2 Satz 2 EStG zudem die Einlösung, Rückzahlung, Abtretung oder verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft . Die abschließende Aufzählung der steuerlich relevanten Realisationsvorgänge in § 20 Absatz 2 Satz 2 EStG führt ausschließlich Veräußerungssurrogate auf, deren wesentliches Merkmal der Rechtsträgerwechsel und die Entgeltlichkeit ist. Zudem wollte der Gesetzgeber auch nach der Gesetzesbegründung zu § 20 Absatz 2 Satz 2 EStG des Unternehmensteuerreformgesetz 2008 (Bundestagsdrucksache 16/4841, S. 56) mit dieser Gesetzesänderung nicht – wie in der Frage fälschlicherweise angeführt – sämtliche Wertveränderungen der Besteuerung unterwerfen , sondern ausdrücklich eine steuerliche Erfassung aller Wertzuwächse im Zusammenhang mit Kapitaleinkünften erreichen. Denn vor Einführung der Abgeltungsteuer bestand die Möglichkeit, durch entsprechende Gestaltungen von Finanzprodukte laufende Erträge, die zu einem Wertzuwachs führten, dem Anleger – z. B. über Zertifikate – steuerfrei zuzuführen. Auch die zweite Fundstelle beinhaltet nicht die Formulierung, dass nunmehr sämtliche Wertveränderungen steuerlich erfasst werden sollen. Es handelt sich hierbei um die Gesetzesbegründung zur Übergangsregelung bei sogenannten Finanzinnovationen . 13. Gibt es andere Beispiele im deutschen Steuerrecht, in denen Verluste nicht anzuerkennen sind, Gewinne aus demselben Anlageinstrument aber steuerpflichtig sind? 14. Gibt es Beispiele im deutschen Steuerrecht, in der die Rechtslage umgekehrt ist, d. h. dass die Verluste anerkannt werden, die Gewinne aus demselben Finanzinstrument aber nicht steuerpflichtig sind? Wenn nein, warum fallen solche Tatbestände immer zu Ungunsten des Steuerpflichtigen aus? Die Fragen 13 und 14 werden zusammen beantwortet. Grundsätzlich ergibt sich aus der Systematik der Einkunftsermittlung des Einkommensteuergesetzes , dass gemäß § 2 Absatz 2 EStG bei sämtlichen Einkunftsarten über die Gewinnermittlung oder über die Ermittlung des Überschusses der Einnahmen über die Werbungskosten sowohl Gewinne wie auch Verluste steuerlich zu berücksichtigen sind. Abweichungen hiervon mit der Folge, dass ein Verlust – begrenzt oder unbegrenzt – abziehbar ist oder ob ein Gewinn ganz oder teilweise steuerbehaftet oder steuerbefreit ist, kann der Gesetzgeber in begründeten Fällen anordnen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11387 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 15. Wie schätzt die Bundesregierung ein, dass der BFH zur geplanten zukünftigen Rechtslage vor dem Hintergrund der eindeutigen Äußerungen des Gesetzgebers auf Bundestagsdrucksachen 16/10189, S. 66, und 16/4841, S. 56, weiterhin auf dem Standpunkt stehen wird, dass beispielsweise Verluste aus Knock-Out-Zertifikaten anzuerkennen seien? Die Bundesregierung beteiligt sich nicht an Spekulationen zur zukünftigen Rechtsprechung des BFH. 16. Lehnt die Bundesregierung die Aussage des Gesetzgebers, dass eine „vollständige steuerrechtliche Erfassung aller Wertveränderungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen erreicht werden soll“ (Bundestagsdrucksache 16/10189, S. 66; Bundestagsdrucksache 16/4841, S. 56, rechte Spalte, „Zu Satz 2“), die mehrmals vom BFH bestätigt wurde, ab? Wenn nein, wieso plant sie dann eine Gesetzesänderung, die dieser Aussage entgegensteht? Wenn ja, wieso werden immer nur Verluste nicht anerkannt und Gewinne aus demselben Finanzinstrument selbstverständlich besteuert? Auf die Antworten zu den Fragen 9 und 12 wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333