Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 8. Juli 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/11448 19. Wahlperiode 09.07.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Tobias Pflüger, Helin Evrim Sommer, Michel Brandt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/11057 – Schaffung mittel- und langfristiger Lebensperspektiven für geflüchtete Rohingya in Bangladesch V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im Juni 2018 verabschiedeten das Hochkommissariat für Flüchtlinge der Vereinten Nationen, das Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen und die Regierung Myanmars ein Memorandum of Understanding (MoU), das den Rahmen für eine freiwillige, sichere, würdevolle und langfristige Rückführung von Geflüchteten aus Bangladesch setzt (Bundestagsdrucksache 19/6678). Die Umsetzung des MoU stockt jedoch seither. Wirtschaftliche Interessen Myanmars und dessen Anrainerstaaten u. a. im Rakhine-Staat und die innenpolitische Verknüpfung von kultureller Identität, Recht und Politik in Myanmar, die Unterdrückung, Ausbeutung, Ausgrenzung und Diskriminierung der Rohingya zur Folge hat, machen die Rückführung der Rohingya aus Bangladesch mittelfristig sehr unwahrscheinlich. Zudem ist eine nachhaltige Lösung durch den Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN) nicht erkennbar (vgl. w w w . ipinst.org/wp-content/uploads/2019/02/1902_Delivering-Healthcare-in- Myanmar.pdf). Die Regierung Bangladeschs strebt bislang keine Integration der Rohingya an. Geflüchtete Rohingya in Bangladesch dürfen ihre Camps nicht verlassen oder sich in anderen Landesteilen niederlassen. Derzeit ist geplant, rund 100 000 Rohingya auf die von Überschwemmungen und Wirbelstürmen stark bedrohte Schwemmlandinsel Bhasan Char im Golf von Bengalen umzusiedeln (w w w . hrw.org/news/2019/03/15/rohingya-bangladeshs-bhasan-char-will-be-prison). Das Recht der Geflüchteten auf Leben und körperliche Unversehrtheit, auf Nahrung und auf Bewegungsfreiheit wäre auf dieser Insel nach Auffassung der Fragesteller nicht gewährleistet. Die Lage wird von der Tageszeitung „The Guardian “ als „gefängnisähnlich“ bezeichnet (www.theguardian.com/world/2018/nov/ 29/footage-shows-prison-like-units-built-for-rohingya-on-bangladesh-island). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11448 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Welche nachhaltigen, längerfristigen und integrativen Maßnahmen im Rahmen der deutschen oder multilateralen Entwicklungszusammenarbeit wurden nach Kenntnis der Bundesregierung für die geflüchteten Rohingya vor Ort in Bangladesch initiiert und geplant, um die Bleibeperspektive der Rohingya in Bangladesch sowie anderen aufnehmenden Ländern zu verbessern ? Die Bundesregierung hat seit 2017 insgesamt 38,2 Mio. Euro für mittel- und längerfristige Maßnahmen in den Flüchtlingslagern der Rohingya in Bangladesch zugesagt, weitere 8,5 Mio. Euro sind in Planung. Nachhaltige, und vor allem integrative Maßnahmen, sind von der Regierung Bangladeschs nicht oder nur eingeschränkt zugelassen. Erst seit wenigen Monaten sind im Zuge der Unterstützung von aufnehmenden Gemeinden längerfristige Maßnahmen auch für Rohingya möglich. Im Rahmen der deutschen bilateralen staatlichen Entwicklungszusammenarbeit (EZ) werden mit Mitteln der Übergangshilfe seit 2017 Vorhaben für Kinder und Jugendliche mit UNICEF für Bildung und Ausbildung zur Schaffung von Lebensperspektiven umgesetzt. Dazu sind bereits 22 Mio. Euro zugesagt; das Engagement soll mit weiteren Mitteln ausgebaut werden. Zur Sicherung der Ernährung und zur Stabilisierung des Haushaltseinkommens werden Maßnahmen des Welternährungsprogramms (World Food Programme – WFP) umgesetzt sowie Cashfor -Work-Maßnahmen durchgeführt. Dazu stehen 4 Mio. Euro zur Verfügung. Darüber hinaus plant das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) im laufenden Jahr im Rahmen eines Cross-Border-Ansatzes (Myanmar/Bangladesch) des Deutschen Roten Kreuzes ein Vorhaben zur Unterstützung von Flüchtlingen und Gastgemeinden. In Form einer Ko-Finanzierung des Weltbankengagements werden weitere 7 Mio. Euro für die Stabilisierung der aufnehmenden Gemeinden umgesetzt. Über die Sonderinitiative „Fluchtursachen bekämpfen, Flüchtlinge (re)integrieren “ des BMZ werden Rohingya-Flüchtlinge und aufnehmende Gemeinden in Bangladesch seit 2019 mit einem Mittelvolumen von 5 Mio. Euro unterstützt. Mit dem Vorhaben sollen Einkommens- und Beschäftigungsmöglichkeiten verbessert , psychosoziale Unterstützung geleistet und Konfliktlösungskompetenzen gestärkt werden, insbesondere um Konflikten zwischen Geflüchteten und aufnehmenden Gemeinden entgegenzuwirken. Die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) unterstützt seit Oktober 2018 mit einem Nothilfeprojekt in Höhe von 100 Mio. US-Dollar die Regierung von Bangladesch unter anderem bei der Verbesserung der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung , des Katastrophenrisikomanagement und der nachhaltigen Energieversorgung . Es wird in Abstimmung mit den Organisationen der Vereinten Nationen (VN), der Weltbank (WB) und anderen humanitären Gebern durchgeführt. Die WB führt zur Zeit sieben Vorhaben mit einem Gesamtvolumen von 2,57 Mrd. US-Dollar, insbesondere in den Regionen Chittagong, Sylhet und Cox‘s Bazar, durch. Die Maßnahmen zielen sowohl auf geflüchtete Rohingya als auch auf aufnehmende Gemeinden ab und befassen sich unter anderem mit Ernährungssicherung , Gesundheit, Infrastrukturförderung, Sicherung der Existenzgrundlage, Bildung und Resilienzstärkung. Alle Projekte der WB in Bangladesch sind unter http://projects.worldbank.org/search?lang=en&searchTerm=&country code_exact=BD aufgeführt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/11448 Nachhaltige, längerfristige und integrative Maßnahmen im Rahmen der multilateralen EZ zur Verbesserung der Bleibeperspektive in anderen aufnehmenden Ländern sind der Bundesregierung nicht bekannt. 2. Inwieweit wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im Rahmen der deutschen oder multilateralen Entwicklungszusammenarbeit sichere Dialogräume geschaffen und geplant, um mit der Regierung Bangladeschs, Vertreterinnen und Vertretern der Geflüchteten, zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren und aufnehmenden Gemeinschaften mittel- und langfristige Perspektiven für Rohingya in Bangladesch in den Lagern und den umliegenden Gemeinden zu entwickeln – u. a. zu den Themen rechtlicher Status , Wohnraum, Ernährungssicherheit, Zugang zum Arbeitsmarkt und zu Bildung? Die Bundesregierung verfolgt im Rahmen der EZ folgende Ansätze: Die deutsche Förderung in der EZ über UNICEF erlaubt es, den Dialog mit der Regierung und den Rohingya um ein Bildungsrahmenwerk für die Rohingya zu führen. Dabei werden gezielt mit der Regierung Lernziele und Curricula erörtert, die ein größtmögliches Maß an Bildung vermitteln können (Lernen von/in Burmesisch , Englisch, Mathematik für Jugendliche, Vermitteln von „life skills“, einfache Handwerkskenntnisse etc.). Im Jahr 2019 ist ein Vorhaben der bilateralen staatlichen technischen EZ geplant, das erstmals eine Umsetzung längerfristiger Maßnahmen in gemeinsamer Verantwortung mit der Regierung (zuständig ist das Ministerium für Katastrophenmanagement ) vorsieht. 3. Welche Konfliktstudien wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im Rahmen der deutschen oder multilateralen Zusammenarbeit in Auftrag gegeben oder geplant, um die verschiedenen Interessen und Bedürfnisse aller beteiligten Akteurinnen und Akteure (Rohingya, Regierungen in Bangladesch und Myanmar, Anrainerstaaten, aufnehmende Bevölkerung) besser zu verstehen und um basierend auf diesen Analysen politische Handlungsempfehlungen zu formulieren, die die internationale Gemeinschaft gemeinsam mit den Regierungen in Bangladesch und Myanmar in der Verantwortung für langfristige und transnationale Handlungs- und Lösungsansätze sehen? Die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) fördert im Rahmen von lokalen Maßnahmen konfliktpräventive Studien, um vor Ort in den aufnehmenden Gemeinden konfliktmindernd wirken zu können. Die Weltbank führt im Rahmen der Überprüfung ihrer regulären Arbeit in Bangladesch und in Myanmar mehrere Analysen und Studien durch, auf Grundlage derer die Programmgestaltung entsprechend der Bedürfnisse der Bevölkerung sowie der Flüchtlinge angepasst wird. Ein Gutachten zu Auswirkungen und Bedarf („Rapid Impact, Vulnerability and Needs Assessment“, Zusammenfassung abrufbar unter www.gfdrr.org/sites/default/files/Rohingya%20crisis%20exec%20 summary-2.pdf) ist bereits abgeschlossen, weitere Arbeiten dauern noch an. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11448 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 4. Welche Projekte im Bereich Friedensarbeit, zivile Konfliktbearbeitung und Konfliktnachsorge werden aktuell mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit für Angehörige der Rohingya in den vom Konflikt unmittelbar betroffenen Ländern bzw. in anderen Aufnahmeländern finanziert (bitte nach Projekt, Finanzvolumen und Laufzeit auflisten)? In Bangladesch werden im Rahmen des in der Antwort zu Frage 1 genannten Vorhabens der Sonderinitiative „Fluchtursachen bekämpfen, Flüchtlinge (re)integrieren “ Konfliktlösungskompetenzen gestärkt (Laufzeit des Vorhabens Mai 2019 bis April 2022). In Indien, Malaysia, Thailand und Indonesien werden seitens des BMZ keine spezifischen Maßnahmen für Rohingya durchgeführt. 5. Inwieweit wird nach Kenntnis der Bundesregierung von den beteiligten Akteuren sichergestellt, dass deutsches und multilaterales Engagement zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Rohingya nicht zu Lasten der indigenen Gemeinschaften gehen darf, die in den Chittagong Hill Tracts (CHT) im Südosten Bangladeschs leben? Bei den in der Antwort zu Frage 1 genannten Mitteln handelt es sich um zusätzliche Mittel für Krisensituationen, die nicht zu Lasten anderer Vorhaben gehen. Die Weltbank hat im Rahmen der Halbzeitüberprüfung („Midterm Review“) der Internationalen Entwicklungsorganisation (International Development Agency, IDA) die Auszahlungsregelungen für Projekte, die aus dem sogenannten Finanzierungsfenster für Flüchtlinge (Refugee Subwindow) finanziert werden, dahingehend angepasst, dass alle Projekte sowohl den aufnehmenden Gemeinden als auch den Flüchtlingen zu Gute kommen müssen. 6. Welche Einflussmöglichkeiten hat Deutschland als gegenwärtiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates, um die strukturellen Lebensbedingungen der Rohingya mittel- und langfristig zu verbessern, unabhängig von der Unterstützung der Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) gegen Einzelpersonen aus der politischen und militärischen Führung Myanmars? Die Bundesregierung setzt sich auf bi- und auf multilateraler Ebene, sowohl im Rahmen der Vereinten Nationen als auch der Europäischen Union, für die Umsetzung der 88 Empfehlungen der Kofi-Annan-Kommission als Voraussetzung für die mittel- und langfristige Verbesserung der strukturellen Lebensbedingungen der Rohingya im myanmarischen Bundesstaat Rakhine ein. 7. Wie viele Angehörige der Rohingya sind bislang nach Kenntnis der Bundesregierung – ggf. auch schätzungsweise – aus Bangladesch oder anderen Aufnahmeländern nach Myanmar zurückgekehrt, und inwieweit sind nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit sichere Rückkehrmöglichkeiten und Wiederansiedlungsperspektiven für sie in Myanmar vorhanden? Der Bundesregierung liegen keine gesicherten Kenntnisse über Zahlen von Rohingya vor, die von Bangladesch nach Myanmar zurückgekehrt sind. Seit Ende 2018 finden im Norden des myanmarischen Bundesstaates Rakhine, wo die überwiegende Mehrheit der Rohingya vor ihrer Flucht beheimatet war, verstärkt bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen der Arakan-Armee, einer bewaffneten Gruppierung der Ethnie der Rakhine, und dem myanmarischen Militär statt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333