Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 4. Juli 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/11459 19. Wahlperiode 09.07.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrej Hunko, Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/11038 – Zukunft der Strafverfolgung in der Europäischen Union V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r In einem Diskussionspapier umreißt der rumänische Ratsvorsitz die „Zukunft der Strafverfolgung in der EU“ (Ratsdokument 9393/19). Nach einer Orientierungsaussprache im Ausschuss der Ständigen Vertreter wurde das Dokument im Juni 2019 auf dem Rat der Innen- und Justizminister in Luxemburg behandelt. Vorgestellt werden neue Bedarfe und Möglichkeiten im Rahmen der „Architektur des EU-Sicherheitsmodells“. Obwohl die EU in den letzten Jahren „erhebliche Fortschritte im Bereich der inneren Sicherheit erzielt“ habe und die Mandate der JI-Agenturen (JI = Justiz und Inneres) fortlaufend verstärkt würden, sieht die rumänische Regierung Defizite und schlägt neue Leitlinien vor. So soll die operative und behördenübergreifende Zusammenarbeit von Polizei, Grenzschutz, Zoll, Justiz-, Einwanderungs - und Asylbehörden auf Ebene der EU und der Mitgliedstaaten verstärkt werden. Die zahlreichen neuen Informationssysteme und Datenbanken werden als „digitaler Wandel“ beschrieben. Dieser führe zu einer „beispiellosen Zunahme, was Art und Umfang der Daten anbelangt, die den Behörden zur Verfügung stehen“. Deshalb soll geprüft werden, ob auch „dezentralisierte Systeme, Zolldatenbanken und Instrumente für Finanzermittlungen“ in die vorhandenen Plattformen integriert werden können. Die Zusammenlegung von Informationen wird als „Von der Datenerhebung zur Datenverbindung“ („Moving from data collection to data connection“) beschrieben. Hierzu sollen „Standards, Methoden , Strukturen und technologische Tools“ für die Datenanalyse entwickelt werden . Die EU-Agenturen sollen die Mitgliedstaaten bei der „Nutzung von technischen Speziallösungen und Fachkenntnissen“ unterstützen. Genannt werden „Entschlüsselung , Forensik einschließlich digitaler Forensik, Überwachung des Darknet, künstliche Intelligenz, vorausschauende Polizeiarbeit“. Europol könnte beispielsweise ein „Team von Gastexperten“ schaffen, die für eine begrenzte Zeit in Mitgliedstaaten entsandt werden. Auch in gemeinsamen, grenzüberschreitenden Einsätzen könnten neue Technologien eingesetzt werden, darunter die „vernetzte Mobilität“ und die automatische Nummernschilderkennung . Die zuständigen Agenturen und Behörden sollten „rechtliche, operative Drucksache 19/11459 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode oder technische und praktische Hemmnisse“ ermitteln und abbauen. Hierzu gehören geografische oder zeitliche Beschränkungen für die grenzüberschreitende Nacheile oder die „grenzüberschreitende Überwachung“. 1. Welche Prioritäten sollte die Europäische Union bei der Kooperation im Rahmen der Strafverfolgung aus Sicht der Bundesregierung zukünftig setzen ? 2. In welchen Bereichen sollte die Kooperation zwischen Polizei-, Zoll-, Grenz-, Migrations- und Asylbehörden auf europäischer Ebene sowie zwischen den Mitgliedstaaten aus Sicht der Bundesregierung gestärkt werden, bzw. welche Defizite erkennt sie diesbezüglich? 3. Inwiefern soll dies auch die weitere Verknüpfung der externen und internen Sicherheit bzw. der hierfür zuständigen Agenturen und Behörden betreffen? 4. Welche neue Rolle sollten die Agenturen im Bereich Justiz und Inneres (insbesondere Europol) aus Sicht der Bundesregierung zukünftig einnehmen? Die Fragen 1 bis 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Im Koalitionsvertrag haben die Regierungsparteien vereinbart, die europäische Sicherheitskooperation unter Einbeziehung und Stärkung internationaler und europäischer Organisationen (Europol, Interpol, Europäische Staatsanwaltschaft) zu verbessern und zu vertiefen, mit dem Ziel, durch strukturelle Maßnahmen und mit einer leistungsfähigen IT-Struktur sicherzustellen, dass Straftäterinnen und Straftäter sowie Gefährderinnen und Gefährder überall in Europa identifiziert und relevante Erkenntnisse ausgetauscht werden können. Zu diesem Zwecke wirkt die Bundesregierung einerseits auf eine effektive Vernetzung und Verbesserung der für die Sicherheitsbehörden relevanten Datenbanken hin, andererseits auf eine Verbesserung und Intensivierung des multidisziplinären Informationsaustausches und der Koordinierung von präventiven und operativen Maßnahmen zwischen den EU-Mitgliedstaaten, auch mit Unterstützung von Europol. Beispiel hierfür ist die Unterstützung der Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden mit Europol im Rahmen des „European Counter Terrorism Center“. Daneben fördert die Bundesregierung die internationale Zusammenarbeit, u. a. im Rahmen von Interpol. Das Diskussionspapier des rumänischen Ratsvorsitzes (siehe Vorbemerkung der Fragesteller) beinhaltet Ideen für die zukünftige Ausrichtung der Strategie für die innere Sicherheit innerhalb der EU mit besonderem Fokus auf die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden. Im Sinne eines integrierten Strategieansatzes sollen die Themen des Gemeinsamen Raumes der Sicherheit und des Rechts auch von Polizei, Zoll, Justiz und Ausländer- und Asylbehörden übergreifend gedacht werden . Dadurch sollen insbesondere zwei übergeordnete Ziele erreicht werden: Die Zusammenarbeit zwischen allen zuständigen Behörden auf MS- und EU-Ebene, wie z. B. der Polizei-, Zoll-, Grenz-, Migration- und Asylbehörden soll gestärkt und dabei sollen Synergien freigelegt werden. Als Teilaspekt hiervon wird auch die Verknüpfung der externen und internen Dimension der Sicherheit gesehen. Dabei ist zu erwarten, dass auch die JHA-Agenturen und insbesondere Europol eine wichtige Rolle einnehmen werden. Die Bundesregierung begrüßt den im Diskussionspapier des rumänischen Ratsvorsitzes skizzierten übergreifenden Ansatz als Anregung für die Erörterung von Prioritäten der zukünftigen Zusammenarbeit in der Strafverfolgung sowie der Frage, für welche Prioritäten die Agenturen ihre Ressourcen einsetzen sollten, um Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/11459 die Mitgliedstaaten bestmöglich zu unterstützen. Diese und daran anknüpfende Fragestellungen müssen auf europäischer wie nationaler Ebene weiter erörtert werden. Zu den aufgeworfenen Fragen gibt es noch keine Haltung der Bundesregierung . 5. Welche Ressourcen sollten die Agenturen im Bereich Justiz und Inneres (insbesondere Europol) zur Unterstützung der Mitgliedstaaten nach Auffassung der Bundesregierung zukünftig erhalten? Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass die Agenturen im Bereich Justiz und Inneres eine zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendige und angemessene Ressourcenausstattung erhalten. 6. Was ist der Bundesregierung über die Höhe des Haushalts für Europol in 2019 und 2020 bekannt? Der Europol-Haushalt beträgt im Jahr 2019 138,3 Mio. Euro. Das Verfahren für die Aufstellung des EU-Haushaltsplans für das Jahr 2020 ist noch nicht abgeschlossen . Nach Kenntnis der Bundesregierung beläuft sich der von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Haushaltsansatz für Europol auf 141 Mio. Euro. a) Wie soll sich dieses Budget im Mehrjährigen Finanzrahmen 2021 bis 2027 nach gegenwärtigem Vorschlag entwickeln (bitte für jedes Jahr einzeln darstellen)? b) Inwieweit weicht dieses Budget von den in der Mehrjährigen Programmplanung von Europol geforderten Haushaltsmittel ab? Die Fragen 6a und 6b werden gemeinsam beantwortet. Die Verhandlungen für den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2021 bis 2027 dauern noch an. Nach dem gegenwärtigen Vorschlag der Europäischen Kommission ist für Europol ein jährliches Budget von 123,7 Mio. Euro vorgesehen, das inflationsangepasst steigen soll. Europol sieht nach Kenntnisstand der Bundesregierung einen jährlichen Mittelbedarf von 240 Mio. Euro (im Jahr 2021) bis 300 Mio. Euro (im Jahr 2027). 7. Sollte Europol aus Sicht der Bundesregierung im Mehrjährigen Finanzrahmen 2021 bis 2027 weitere Mittel als die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Gelder erhalten, um die im Ratsdokument 9393/19 beschriebenen Bedarfe und Möglichkeiten umzusetzen? a) In welchen Rubriken sieht die Bundesregierung Änderungsbedarf bei den Obergrenzen? Die Fragen 7 und 7a werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Mittelausstattung für Europol ist Gegenstand der laufenden Verhandlungen zum Mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027 (MFR). Die Bundesregierung wird sich hierzu mit Blick auf den Gesamtkontext der Verhandlungen positionieren. Drucksache 19/11459 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode b) Welche Projekte hat Europol nach Kenntnis der Bundesregierung wegen womöglich knapper Haushaltsmittel im Jahr 2019 zurückgestellt, und an welchen dieser Projekte wollten deutsche Behörden teilnehmen? Europol musste im gesamten Aufgabenfeld Projekte und Vorhaben zurückstellen. Insbesondere hatte dies die geringere Priorisierung des Secure Information Exchange Network Application-Basic Protection Level (SIENA-BPL) und im Bereich der Fähigkeiten zum Datenaustausch zur Folge, was Einschränkungen bei Basis-Services für die Mitgliedstaaten bedeutet. Die Mitgliedstaaten haben großes Interesse daran, dass Europol seine Aufgaben effizient und effektiv erledigt . 8. Welche Maßnahmen oder Vorhaben im Bereich „Cyberkriminalität und Forensik “ haben die Europol-Direktorin und die Leiterin der Abteilung Operative Einsatz- und Ermittlungsunterstützung im Bundeskriminalamt bei ihrem Treffen am 7. Juni 2019 erörtert (http://gleft.de/2Yf)? Das Treffen zwischen Vertretern des Bundekriminalamtes (BKA) und von Europol am 7. Juni 2019 diente dazu, Möglichkeiten der Zusammenarbeit im Bereich Operative Einsatz- und Ermittlungsunterstützung zwischen dem BKA und Europol ausgehend von der in der Europol-Strategie 2020-2025 ausgewiesenen Bestrebung Europols zur Stärkung des Bereichs „Operational Technology“ zu prüfen . Kernthema war die Möglichkeit der Schaffung einer Zusammenarbeitsplattform bei Europol im Bereich der IT-Forensik. Hierbei geht es vorrangig um einen Informations- und Erfahrungsaustausch und die Vernetzung der Experten, in einem zweiten Schritt um die gegenseitige Zurverfügungstellung von bis hin zu einer perspektivischen gemeinsamen Plattform zur Entwicklung entsprechender Tools. Darüber hinaus wurden Fragen einer möglichen Koordinierungsrolle Europols im Themenfeld Automotive IT sowie die Zusammenarbeit in sonstigen Feldern in der Einsatz- und Ermittlungsunterstützung besprochen. a) Wie steht die Bundesregierung zu dem Vorschlag, ein gemeinsames „Innovationslabor “ bei Europol einzurichten? Der Vorschlag aus Ratsdokument 9393/19, die Schaffung eines gemeinsamen Innovationslabors bei Europol in Betracht zu ziehen, wird – wie andere dort gemachte Vorschläge – als Anregung für die Erörterung von Prioritäten des Ressourceneinsatzes bei Europol, um die Mitgliedstaaten bestmöglich zu unterstützen , gesehen. Vor dem Hintergrund steigender Komplexität und wachsender Herausforderungen , z. B. im Bereich der IT-Forensik, könnte ein solches Vorhaben zur ressourcenschonenderen Entwicklung gemeinsamer Lösungen beitragen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass bereits verschiedene Kooperationsformen im europäischen Umfeld bestehen. b) Wie steht die Bundesregierung zu dem Vorschlag, dass Europol ein „Team von Gastexperten“ schafft, die für eine begrenzte Zeit in Mitgliedstaaten entsandt werden? Die Bundesregierung steht einem „Pooling“ von Expertise und Fähigkeiten grundsätzlich offen gegenüber. Mangels bekannter Rahmenbedingungen ist gegenwärtig allerdings keine präzisere Bewertung möglich. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/11459 c) Was ist der Bundesregierung über den aktuellen Stand der Überlegungen einer nichtinstitutionellen Kooperation der EU-Polizeiagentur Europol mit der Gruppe für Terrorismusbekämpfung („Counter Terrorism Group“, CTG) bekannt (Bundestagsdrucksachen 19/7268, 19/2374¸ 19/353, 18/10641, 18/7930)? Der Bundesregierung liegen keine über die in der Frage zitierten Drucksachen sowie die Antworten auf die Schriftliche Frage 9 des Abgeordneten Andrej Hunko auf Bundestagsdrucksache 19/3068 und auf die Schriftlichen Fragen 12 und 13 des Abgeordneten Dr. Diether Dehm auf Bundestagsdrucksache 19/3847 hinausgehenden Informationen vor. Der Sachstand ist unverändert. d) Welchen Mehrwert sieht die Bundesregierung in einer solchen, womöglich engeren Zusammenarbeit, wenn diese das in Deutschland geltende Trennungsgebot beachtet? Der Mehrwert der Sondierungen liegt darin, den an der CTG beteiligten Nachrichtendiensten Möglichkeiten der Kooperation aufzuzeigen. Für die an der CTG beteiligten Nachrichtendienste sind diese jedoch nur wahrnehmbar , wenn sich nach nationalem Recht die Möglichkeit einer Kooperation mit Europol eröffnet. 9. Wann und wohin wird der neue Verbindungsbeamte bzw. die neue Verbindungsbeamtin der Grenzagentur Frontex nach Deutschland entsandt, und inwiefern ist dieser bereits bestimmt (http://gleft.de/2Yj)? a) Welchen Mehrwert sieht die Bundesregierung in dieser Entsendung? b) Welche Aufgaben soll die Verbindungsbeamtin bzw. der Verbindungsbeamte in Deutschland übernehmen, und inwiefern betrifft dies auch den Aufbau eines „Standing Corps“ oder die deutsche Beteiligung an Frontex- Operationen in Drittstaaten? Die Fragen 9 bis 9b werden gemeinsam beantwortet. Der Verbindungsbeamte der Europäischen Grenz- und Küstenwache Frontex wurde in einem Auswahlverfahren aus dem Personal von Frontex durch den Exekutivdirektor bestimmt und wird seinen Dienst am 16. Juli 2019 beim Bundespolizeipräsidium in Potsdam aufnehmen. Die Aufgaben des Verbindungsbeamten ergeben sich aus Artikel 12 der Verordnung (EU) 2016/1624 über die Europäische Grenz- und Küstenwache. Dieser soll „die Zusammenarbeit und den Dialog zwischen der Agentur und den für die Grenzverwaltung und die Rückkehr zuständigen nationalen Behörden […] fördern .“ Hierin sieht die Bundesregierung auch den Mehrwert der Entsendung. Gemäß Artikel 12 der VO (EU) 2016/1624 findet sich keine Verbindung zum Aufbau eines „Standing Corps“ oder der deutschen Beteiligung an Frontex-Operationen in Drittstaaten. 10. Wie steht die Bundesregierung zum Vorschlag der weiteren Zusammenlegung von Datenbanken und Vernetzung vorhandener Informationen, die vom rumänischen Ratsvorsitz als „Von der Datenerhebung zur Datenverbindung “ („Moving from data collection to data connection“) beschrieben wird, und welche Defizite sieht sie hierzu insbesondere nach der jüngsten Verabschiedung der Interoperabilitätsverordnungen? Drucksache 19/11459 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 11. Welche weiteren dezentralen Systeme, Zolldatenbanken und Ermittlungswerkzeuge aus dem Finanzbereich könnten aus Sicht der Bundesregierung in das System „Interoperabilität“ integriert werden? Die Fragen 10 und 11 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Hinsichtlich des Diskussionspapiers des rumänischen Ratsvorsitzes und der darin enthaltenen Vorschläge wird auf die Antwort zu Fragen 1 bis 4 verwiesen. Zur Frage der Einbeziehung „dezentralisierter Systeme, Zolldatenbanken und Instrumente für Finanzermittlungen“ in „Interoperabilität“ hat die Bundesregierung noch keine Position gebildet. Die Verhandlungen der Interoperabilitätsverordnungen wurden erst kürzlich abgeschlossen . Nun steht den Mitgliedstaaten und den damit befassten Agenturen im Bereich Justiz und Inneres ein längere Zeit andauernder und aufwändiger Umsetzungsprozess bevor. Erst in dessen Verlauf bzw. im Ergebnis werden sich mögliche Defizite der vorliegenden Verordnungen identifizieren lassen. 12. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, wer die Studie zur Umsetzung einer EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung durchführt, und wann diese vorliegen soll (Ratsdokument ST 9663/19)? Der Bundesregierung ist nicht bekannt, wen die Kommission mit der Erstellung einer Studie betrauen wird und wann diese vorgelegt werden soll. Nach Kenntnis der Bundesregierung soll die Ausschreibung durch die Kommission nach der „Sommerpause“ erfolgen. 13. Welche Defizite und Einschränkungen sieht die Bundesregierung bei der grenzüberschreitenden polizeilichen Nacheile auf Ebene der EU-Mitgliedstaaten oder bei grenzüberschreitenden Observationen? a) Wie könnten diese ausgeräumt werden? Die Fragen 13 und 13a werden gemeinsam beantwortet. Die grenzüberschreitende polizeiliche Nacheile basiert in den EU-Mitgliedstaaten grundsätzlich auf Artikel 41 des Schengener Durchführungs-Übereinkommens (SDÜ). Darüber hinaus bestehen zum Teil bi- oder multilaterale Verträge, die die Vorgaben des SDÜ konkretisieren. Insbesondere zeitliche und räumliche Begrenzungen sowie die Regelungen für die Nacheile über Land-, Wasser- und Luftgrenzen können daher unterschiedlich ausgestaltet sein. Die grenzüberschreitende polizeiliche Observation basiert in den EU-Mitgliedstaaten grundsätzlich auf Artikel 40 SDÜ. Unterschiede aufgrund von ergänzenden bilateralen Verträgen bestehen beispielsweise bei der Möglichkeit, eine grenzüberschreitende Observation zur polizeilichen Gefahrenabwehr durchzuführen . Ferner ist die grenzüberschreitende Observation im Eilfall hinsichtlich der dazu erforderlichen Straftaten unterschiedlich ausgestaltet. Die diesbezüglichen Regelungen der bilateralen Verträge mit Belgien und der Schweiz werden aktuell im Rahmen der Neuverhandlung der jeweiligen Polizeiverträge überprüft. Auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP auf Bundestagsdrucksache 19/10964 wird Bezug genommen . Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/11459 b) Welche neuen Technologien könnten dabei (verstärkt) eingesetzt werden, und inwiefern sollte dies auch die automatische Nummernschilderkennung betreffen? Anlässlich grenzüberschreitender Maßnahmen können auch technische Hilfsmittel unterstützend eingesetzt werden. Der Einsatz von Kennzeichenerfassungssystemen richtet sich maßgeblich nach den Polizeigesetzen des Bundes und der Länder. Für die Bundespolizei richtet sich der Einsatz anlassbezogener automatischer Kennzeichenerfassung nach § 27b des Bundespolizeigesetzes. 14. Welche Defizite sieht die Bundesregierung hinsichtlich der gegenseitigen Anerkennung oder der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen auf Ebene der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten (Ratsdokument 9317/19)? Nach dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung sollen Entscheidungen grundsätzlich ohne weitere Prüfung in anderen Mitgliedstaaten anerkannt und durchgesetzt werden können. Dieser Grundsatz beruht auf dem gegenseitigen Vertrauen der Mitgliedstaaten darauf, dass ihre jeweiligen nationalen Rechtsordnungen einen gleichwertigen und wirksamen Schutz der auf Unionsebene und insbesondere in der Charta anerkannten Grundrechte bieten. Dieser Vertrauensgrundsatz wird aufgrund jüngster Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) insbesondere im Umgang mit Übergabeverfahren auf der Grundlage des Europäischen Haftbefehls in folgenden Dimensionen herausgefordert : Der Ausstellungsmitgliedstaat stützt den Europäischen Haftbefehl auf ein nicht rechtsstaatlich ergangenes Urteil (z. B. rechtswidrige Abwesenheitsentscheidung ) Der Ausstellungsmitgliedsstaat verfügt über unzureichende Haftbedingungen (Überfüllung der Haftzellen u. a.), bei denen der zu überstellenden Person eine echte Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Sinne von Artikel 4 Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) droht und die deshalb den Vorgaben des EuGH nicht genügen. Aufgrund der Vorgaben des EuGH, die auch eine eigene Prüfpflicht des Vollstreckungsstaates beinhalten (Prüfmaßstab in der Rechtssache C-404/15, Aranyosi), haben deutsche Oberlandesgerichte Überstellungen an verschiedene EU-Mitgliedstaaten wegen eines Verstoßes gegen Artikel 1 Absatz 3 des Rahmenbeschlusses zum Europäischen Haftbefehl abgelehnt. Als Konsequenz kann ein Europäischer Haftbefehl in diesem Fall wegen unzureichender Haftbedingungen im Ausstellungsmitgliedstaat nicht vollzogen werden. 15. Welche dieser Defizite sollten nach Auffassung der Bundesregierung prioritär behoben werden (vgl. dazu die Ratsschlussfolgerungen „Förderung der gegenseitigen Anerkennung durch Stärkung des gegenseitigen Vertrauens“ vom 7. Dezember 2018 sowie Ratsdokumente 6286/19 und 6999/19)? Für die Bundesregierung ist die Beachtung der Grundrechte – neben Strafverfolgungsinteressen – ein prioritäres Anliegen. Beide Belange müssen in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. Aufgrund der vorgenannten Defizite besteht vorrangig Handlungsbedarf, das gegenseitige Vertrauen auf Unionsebene in einen Drucksache 19/11459 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode gleichwertigen und wirksamen Schutz am Maßstab der in der Charta anerkannten Grundrechte zu stärken. Dies kann durch europarechtskonforme Angleichung der Haftbedingungen in allen Mitgliedstaaten erreicht werden. 16. Hat sich die Richtlinie 2014/41/EU über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen aus Sicht der Bundesregierung bewährt, und welche Änderungen schlägt sie bei der Umsetzung vor? Die Richtlinie 2014/41/EU über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen (RL EEA) wurde in der Bundesrepublik Deutschland fristgerecht am 22. Mai 2017 in nationales Recht umgesetzt. Aus Sicht der Bundesregierung hat sich die Europäische Ermittlungsanordnung (EEA) seitdem in der Praxis sehr rasch und gut bewährt. Durch die Vorgabe eines einheitlichen Formulars wurde die praktische Handhabung von ein- und ausgehenden EEAs deutlich vereinfacht. Dies hat nach den Rückmeldungen der Länder zu einem höheren Fallaufkommen geführt. Auch scheint das in der RL EEA vorgesehene Fristenregime nach den Rückmeldungen der Rechtspraxis zu einer Beschleunigung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit beizutragen. Änderungsvorschläge sind aus Sicht der Bundesregierung derzeit nicht veranlasst. 17. Welche aktuellen Herausforderungen und Probleme sind der Bundesregierung auf EU-Ebene hinsichtlich der Überstellung bei Festnahme anlässlich eines Europäischen Haftbefehls bekannt, was beispielsweise die Ausstellung eines solchen Haftbefehls durch eine nicht befugte Behörde betreffen könnte („Deutsche Staatsanwälte dürfen EU-Haftbefehl nicht mehr ausstellen “, www.spiegel.de vom 27. Mai 2019) oder wie im Falle des katalanischen Ex-Präsidenten Carles Puigdemont Medien informiert wurden, weshalb die Behörden die Überstellung nicht im Stillen vollziehen konnten („Spanien zieht Haftbefehl gegen Puigdemont zurück“, www.tagesschau.de vom 19. Juli 2018)? Welche dieser Schwierigkeiten werden nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit in Ratsarbeitsgruppen behandelt? Bei der Überstellung bei Festnahme aufgrund eines Europäischen Haftbefehls sind aktuell drei Bereiche als herausfordernd zu nennen. Dies ist zum einen die Frage, ob eine Staatsanwaltschaft als „ausstellende Justizbehörde “ im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten in der durch den Rahmenbeschluss 2009/299/JI des Rates vom 26. Februar 2009 geänderten Fassung zu qualifizieren ist. In seiner Entscheidung vom 27. Mai 2019 in den verbundenen Rechtssachen C-508/18 und C-82/19 PPU hat der EuGH dies grundsätzlich bejaht, wenn die Staatsanwaltschaft nicht wie in Deutschland und wenigen anderen Mitgliedstaaten der EU einem ministeriellen Weisungsrecht unterworfen ist. In Deutschland werden nun bestehende staatsanwaltschaftliche Europäische Haftbefehle zügig durch Gerichte überprüft und gegebenenfalls ersetzt. Eine Überstellung kann nicht erfolgen, wenn damit die Gefahr verbunden ist, dass die verfolgte Person einer grundrechtswidrigen Behandlung unterworfen ist. Das kann dann der Fall sein, wenn es Bedenken gegen die Unabhängigkeit der Justiz gibt, die über den Strafvorwurf entschieden hat oder entscheiden wird. Dazu hat der EuGH am 25. Juli 2018 in der Entscheidung C-216/18 PPU, die die Unabhängigkeit der Justiz in Polen betrifft, Stellung genommen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/11459 Eine weitere Herausforderung ergibt sich, wenn die Haftbedingungen des ersuchenden Mitgliedstaates allgemeine oder systemische Mängel aufweisen und der zu überstellenden Person eine echte Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Sinne von Artikel 4 GRCh droht. Demgegenüber stellt die Prüfung der beiderseitigen Strafbarkeit, die im Rahmen der Entscheidung zur Überstellung von Carles Puigdemont nach Spanien eine wesentliche Frage war, derzeit kein Kernproblem bei der Anwendung des Europäischen Haftbefehls dar. 18. Inwiefern sollte die Übertragung der Strafverfolgung aus Sicht der Bundesregierung auf EU-Ebene einheitlich geregelt werden, und wie hat sie sich hierzu in Ratsarbeitsgruppen positioniert? Die Bundesregierung hat dazu derzeit noch keine Position. Die Übertragung der Strafverfolgung ist für Deutschland auch im Verhältnis zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Wesentlichen in Artikel 21 des Europäischen Übereinkommens vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen geregelt. Das Europäische Übereinkommen über die Übertragung der Strafverfolgung vom 15. Mai 1972, das dazu weitere Regelungen enthält, hat Deutschland nicht gezeichnet . Ob ein praktischer Regelungsbedarf innerhalb der Europäischen Union besteht, ist bisher weder vom Rat noch von der Kommission der Europäischen Union abschließend festgestellt worden. 19. Welche Position vertritt der Inspekteur der Bereitschaftspolizeien der Länder zur Frage, ob die deutsche Polizei „neue und agile Konzepte für den Umgang mit spontanen Aufzügen“ benötigt (http://gleft.de/2Yh , bitte erläutern)? Ist die „gezielte Falschinformation“ über soziale Medien und die „Irreführung von Einsatzkräften“ bei Versammlungen ein reales Problem für Einsatzkräfte des Bundes, und welche technischen Ansätze werden hierzu untersucht ? Vor allem flächendeckende Verfügbarkeit und Schnelligkeit von Informationen in „Social Media“ können für den Verlauf und die Bewältigung von polizeilichen Einsätzen, auch für den Einsatz der Bereitschaftspolizeien, bedeutsam sein. Dies gilt auch für „fake news“. Durch entsprechende Aufklärung in öffentlich zugänglichen Medien sowie sach- und zeitgerechte Information der Öffentlichkeit haben sich die Polizeien der Länder im Rahmen ihrer originären Zuständigkeit für einsatzbegleitende Öffentlichkeitsarbeit hierauf eingestellt. Flexible und agile Konzepte professioneller polizeilicher Öffentlichkeitsarbeit sind gleichermaßen bei planmäßigen Einsätzen wie „spontanen Aufzügen“ erforderlich. Sie sind u. a. ein bedeutsames Instrument für die Transparenz hoheitlichen Handelns. Die gezielte Falschinformation über soziale Medien und die Irreführung von Einsatzkräften bei Versammlungen ist der Bundespolizei bekannt, jedoch kein reales Problem. Vorbeugend führt die Bundespolizei in sozialen Netzwerken eine auftragsbezogene , gezielte, systematische Suche nach polizeilich relevanten Sachinhalten und/oder personenbezogener Daten im Internet durch. Drucksache 19/11459 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 20. Hat die Bundesregierung versucht in Erfahrung zu bringen, ob bei einem Datenleck der U. S. Customs and Border Protection auch Fotos von Einreisenden mit deutscher Staatsangehörigkeit abhanden gekommen sind („Hacker erbeuten Fotos und Nummerntafeln von US-Einreisenden“, https://der standard.at vom 11. Juni 2019)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine weitergehenden Erkenntnisse vor. 21. Welche Auswirkungen haben die neuen Interoperabilitätsverordnungen (vgl. „Interoperabilität der EU-Informationssysteme: Rat nimmt Verordnungen an“, Pressemitteilung des Rates vom 14. Mai 2019) nach Kenntnis der Bundesregierung auf das Schengener Informationssystem (SIS II)? Im Rahmen der Interoperabilitätsverordnungen sollen Identitätsinformationen aus den beteiligten Systemen, d. h. einschließlich des SIS, systemübergreifend miteinander abgeglichen werden können. Die entsprechenden Elemente der Datensätze des SIS werden dabei nicht in den künftigen gemeinsamen Identitätsspeicher (Common Identity Repository, CIR) überführt, jedoch mit dessen Datensätzen über den Detektor für Mehrfachidentitäten (Multiple Identity Detector, MID) verknüpft. Wenn bei solchen Abgleichen SIS-Datensätze betroffen sind, sehen die Verordnungen für den Überprüfungsprozess eine ausschließliche Zuständigkeit der nationalen SIRENE-Büros vor. a) Wo werden die Treffer überprüft, die nach einer Suche mithilfe des „Europäischen Suchportals“ im SIS II gefunden wurden? Durch das Europäische Suchportal ändern sich weder die Zugriffsrechte noch die Abläufe nach Treffern. Insoweit tritt keine Änderung zu den heute geltenden Verfahren ein. b) Inwiefern ist auch die deutsche Kontaktstelle des SIRENE-Netzwerks beim Bundeskriminalamt von den Interoperabilitätsverordnungen betroffen , welche Anpassungen werden hierzu vorgenommen, und welche Kosten entstehen dafür? Auf die Antwort zu Frage 21 wird verwiesen. Ob hierfür Anpassungen notwendig sind, kann zu diesem Zeitpunkt nicht prognostiziert werden. c) Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, auf welche Weise die Zentralstellen des SIRENE-Netzwerks und der Fluggastdatenzentralstellen (PIU-Netzwerk) miteinander vernetzt werden sollen, welche Anpassungen werden hierzu vorgenommen, und welche Kosten entstehen dafür? Eine solche Vernetzung ist nach Kenntnis der Bundesregierung nicht vorgesehen. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333