Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 9. Juli 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/11482 19. Wahlperiode 11.07.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Christoph Meyer, Torsten Herbst, Christian Dürr, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/10796 – Ausrüstung der deutschen Infrastruktur und von rollendem Material mit dem Europäischen Zugsicherungssystem ERTMS V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Ausweislich einer vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur an den Berichterstatter der Fraktion der FDP im Haushaltsauschuss für den Einzelplan 12 übersandten Übersicht sind aus der Haushaltsstelle 1202 891 06 „Ausrüstung der deutschen Infrastruktur und von rollendem Material mit dem Europäischen Zugsicherungssystem ERTMS (European Rail Traffic Management System)“ im Jahr 2018 lediglich 0,2 Prozent der veranschlagten Mittel abgeflossen. Von den vom Haushaltsgesetzgeber zur Verfügung gestellten 36,6 Mio. Euro wurden lediglich 59 000 Euro verausgabt. Die Digitalisierung der Schieneninfrastruktur ist ein Schlüsselbaustein für unser nationales Mobilitätskonzept von morgen. Ziele der Bahnreform, wie etwa die Verlagerung größerer Warenströme von der Straße auf die Schiene, können nach Ansicht der Fragesteller nur gelingen, wenn eine durchgängige Interoperabilität auf den entscheidenden Korridoren des Schienennetzes etabliert werden kann. Hier setzt das ERTMS an. Durch das Vorhaben soll ein nahtloses europäisches Eisenbahnsystem geschaffen werden. Es zielt darauf ab, die aktuell bestehenden und europaweit verschiedenartigen Zugsteuerungs- und Zugsicherungssysteme zu ersetzen und somit mehr internationalen Wettbewerb auf der Schiene zu ermöglichen (www.ertms.net/?page_id=44). Die Möglichkeit der kürzeren Abstände zwischen den Zügen erhöht als zusätzlicher Effekt die Kapazitäten der Schieneninfrastruktur, ohne dass auch nur ein Gleis zusätzlich verlegt werden muss. Je nach Strecke können so bis zu 40 Prozent mehr Kapazität entstehen. Darüber hinaus bringt ERTMS potenziell erhebliche Vorteile in Bezug auf Sicherheit, Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit sowie die Einsparung von Wartungskosten mit sich. Als Teil von ERTMS wird das ETCS (European Train Control System) als automatisches Zugsicherungssystem die bestehenden nationalen Systeme ersetzen. Die Datenverkehre zwischen rollendem Material und Infrastruktur werden über das Funksystem GSM-R abgewickelt (www.era. europa.eu/activities/european-rail-traffic-management-system-ertms_en). Da bis Ende 2018 die vom Haushaltsausschuss geforderte Förderrichtlinie noch nicht vorlag, waren diese Mittel in Höhe von 10 Mio. Euro gesperrt und sind nicht abgeflossen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11482 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Welchen Einfluss hat der Megatrend Digitalisierung nach Einschätzung der Bundesregierung auf den Schienenverkehr in Deutschland und Europa, und wie begründet die Bundesregierung ihre Haltung? Ein zentraler Baustein für die Digitalisierung der Schiene ist die Einführung der europäischen Leit- und Sicherungstechnik ERTMS in Kombination mit digitalen Stellwerken (DSTW). Gemeinsam bilden sie eine einheitliche digitale Plattform mit vielen Nutzeneffekten und eine Basis für weitere Innovationen. Eine vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) beauftragte Machbarkeitsstudie geht davon aus, dass mit der Einführung von ER- TMS und DSTW eine höhere Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit und mehr Kapazität bei gleichzeitiger Reduktion der Betriebs- und Instandhaltungskosten erreicht werden. Hochmoderne leistungsfähige digitale Stellwerke lösen ältere Stellwerke ab. Durch die Digitalisierung werden zudem die Zahl der Signalanlagen und der damit verbundene Instandhaltungsaufwand reduziert. Die Neubaustrecke VDE 8, die ohne klassische Signale in Betrieb genommen wurde, ist dafür ein gelungenes Beispiel. 2. Welche Bedeutung misst die Bundesregierung dem ERTMS zu, und wie begründet sie ihre Haltung? In der EU gibt es über zehn verschiedene Zugsicherungssysteme. Die Fahrzeuge müssen in jedem EU-Mitgliedstaat eine Inbetriebnahmegenehmigung für das jeweilige System erhalten, und die Triebfahrzeugführer müssen im grenzüberschreitenden Verkehr mehrere Systeme und deren sichere Umschaltung beherrschen . Das Ziel der EU ist es, einen einheitlichen europäischen Eisenbahnraum zu schaffen. Dieses Ziel kann nicht erreicht werden, wenn jeder EU-Mitgliedstaat an seinem nationalen Signalsystem festhält. Deshalb wurde die Einführung von ERTMS beschlossen. Alle EU-Mitgliedstaaten haben sich verpflichtet, ihr transeuropäisches Bahnnetz mit ERTMS auszustatten. 3. Beabsichtigt die Bundesregierung, das gesamte Schienennetz oder nur bestimmte Korridore mit ERTMS auszurüsten, und wie begründet sie ihre Entscheidung ? a) Für welche Korridore beabsichtigt die Bundesregierung, eine Umrüstung vorzunehmen? b) Wie sieht der jeweilige Zeitplan zur Netzertüchtigung je Korridor oder Gesamtnetz aus? Die Fragen 3 bis 3b werden gemeinsam beantwortet. Die Priorisierung der Streckenausrüstung richtet sich nach EU-Vorgaben: Der European Deployment Plan (EDP, Verordnung (EU) Nr. 6/2017) gibt die Ziele bis 2023 und die Verordnung über transeuropäische Netze (TEN-Verordnung, Verordnung (EU) Nr. 1315/2013) die Ziele bis 2030/2050 vor. Gegenstände des EDP bis 2023 sind der Korridor Rhein-Alpen sowie sieben Grenzanschlussstrecken . Die TEN-Verordnung definiert ein TEN-Kernnetz, das bis 2030 und ein TEN-Gesamtnetz, das bis 2050 u. a. über ETCS verfügen soll. Das sind rund 17 000 von insgesamt 33 000 Streckenkilometer in Deutschland. Außerdem hat die Bundesregierung im Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2020 zusätzliche Mittel für ein Starterpaket eingeplant, welches – nach Vorlage eines abgestimmten Gesamtkonzepts – den bundesweiten Rollout vorberei- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/11482 ten soll. Das Starterpaket wird von einer durch das BMVI beauftragten Machbarkeitsstudie empfohlen (www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/E/machbarkeitsstudiedigitalisierung -schiene.pdf?__blob=publicationFile). c) Von welchen Kosten je Korridor oder Gesamtnetz geht die Bundesregierung aus? Die Korridore sind Bestandteil des Gesamtnetzes. Die Gesamtkosten zur bundesweiten ERTMS/DSTW-Ausrüstung werden auf Grundlage der in der Antwort zu den Fragen 3a und 3b genannten Machbarkeitsstudie bis zum Jahr 2040 auf ca. 28 Mrd. Euro für die Infrastruktur geschätzt. 4. Wie viele Kilometer des europäischen TEN-V-Kernnetzes (TEN-V = Transeuropäisches Verkehrsnetz) liegen in Deutschland, und welcher Anteil davon ist heute bereits mit ERTMS ausgerüstet? In Deutschland liegen ca. 10 370 km des europäischen TEN-V Kernnetzes, davon sind ca. 350 km mit ERTMS ausgerüstet. 5. Sind seit der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP auf Bundestagsdrucksache 19/2201 weitere grenzüberschreitenden Strecken mit ERTMS ausgerüstet worden? Folgende grenzüberschreitende Strecken werden zurzeit neu mit ERTMS ausgerüstet : Konstanz–Singen–Thayngen Grenze–Erzingen Basel Badischer Bahnhof–Basel SBB 6. Auf welchen grenzüberschreitenden Strecken wurde ERTMS bereits auf Seiten der deutschen Nachbarländer installiert? Bei folgenden Grenzübergängen ist eine ERTMS-Ausrüstung auf Seiten der deutschen Nachbarländer installiert: Niederlande: Emmerich–Zevenaar Belgien: Aachen Süd–Welkenraedt Polen: Horka–Wegliniec Österreich: Passau–Schärding Schweiz: Basel Badischer Bahnhof–Basel SBB Luxemburg: Igel–Wasserbillig 7. Von welchen Gesamtkosten für den Bund für die Umrüstung von Infrastruktur auf das Zugsicherungssystem ERTMS geht die Bundesregierung gegenwärtig aus? Es wird auf die Antwort zu Frage 3c verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11482 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 8. Von welchen Gesamtkosten für die Umrüstung des rollenden Materials geht die Bundesregierung gegenwärtig aus, und wer soll ihren Planungen zufolge diese Kosten tragen? Die Bundesregierung geht auf Grundlage der in der Antwort zu den Fragen 3a und 3b genannten Machbarkeitsstudie von Gesamtkosten für die Umrüstung des rollenden Materials in Höhe von ca. 4 Mrd. Euro aus. Die Frage der Kostentragung ist noch offen. 9. Worin sieht die Bundesregierung den Umstand begründet, dass aus der Haushaltsstelle 1202 891 06 „Ausrüstung der deutschen Infrastruktur und von rollendem Material mit dem Europäischen Zugsicherungssystem ER- TMS (European Rail Traffic Management System)“ im Jahr 2018 lediglich 0,2 Prozent der veranschlagten Mittel abgeflossen sind, und welche Maßnahmen hat sie wann ergriffen, um den Mittelabfluss zu erhöhen? Neben Kapitel 1202 Titel 891 06 standen im Jahr 2018 auch Mittel aus dem Zukunftsinvestitionsprogramm und seitens der EU zur Verfügung. Aus diesen Finanzierungsquellen wurden die Mittel prioritär abgerufen. Hinzu kamen Verzögerungen beim Sicherheitsnachweis und bei der Vergabe der ETCS-Ausrüstung. 10. Wie stellt sich der Umsetzungsstand zu ERTMS in den übrigen teilnehmenden Staaten jeweils konkret dar, und wie sehen nach Kenntnis der Bundesregierung die jeweiligen Zeitpläne aus? Folgenden Umsetzungsstand zu ERTMS hat die „ERTMS User Group“ im März 2019 mitgeteilt (Die ERTMS User Group ist eine Vereinigung der europäischen Bahnbetreiber mit dem Ziel, ERTMS gemeinsam zu entwickeln und zur Praxisreife zu bringen.): Land Umsetzungsstand Norwegen Pilotstrecke ERTMS Level 2 in Betrieb; Ausrüstung des Gesamtnetzes bis 2034 geplant Schweden Wenige Strecken mit ERTMS Level 2 ausgerüstet; Ausrüstung Gesamtnetz bis 2035 geplant Dänemark Erste Strecke mit ERTMS Level 2 ausgerüstet; Ausrüstung Gesamtnetz bis 2030 geplant Großbritannien Zwei Strecken mit ERTMS ausgerüstet; ein aktualisierter nationaler Ausrüstungsplan soll in Kürze veröffentlicht werden. Niederlande Fünf ERTMS-Strecken in Betrieb; eine Entscheidung zu einem weiteren Rollout auf dem Gesamtnetz soll Mitte 2019 getroffen werden Belgien ca. 24 % des Netzes mit ERTMS ausgerüstet (überwiegend ERTMS Level 1) Frankreich Erste Strecke mit ERTMS-Ausrüstung Level 1 für 2022 geplant Schweiz Gesamtes Netz mit ERTMS Level 1 (überwiegend) und/oder Level 2 ausgerüstet Italien ERTMS-Ausrüstung des Gesamtnetzes bis 2035 geplant. Luxemburg Das gesamte Netz verfügt über ERTMS. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/11482 11. In welchen Gremien und in welchem Sitzungsrhythmus tauscht sich die Bundesregierung mit den übrigen teilnehmenden Staaten aus, und wer vertritt die Bundesregierung bei den Treffen jeweils? Die Bundesregierung tauscht sich auf Arbeitsebene regelmäßig mit den teilnehmenden Staaten und der Europäischen Kommission zum ERTMS aus. Die Ministerien eines Korridors treffen sich drei bis fünf Mal pro Jahr. Außerdem gibt es auf EU-Ebene das Railway Interoperability and Safety Committee (RISC), in dem alle EU-Mitgliedstaaten ERTMS relevante Sachverhalte beraten. 12. Wie stellt sich der jeweilige Realisierungsstand der unter Punkt 2.1 im Nationalen Umsetzungsplan ETCS genannten Streckenabschnitte dar? Stand: Oktober 2017 (Quelle: Streckendatenbank der DB Netz AG) Streckenabschnitt Status 06/2019 Leipzig Messe Hp – Gröbers In Betrieb seit 12/2015 Gröbers/ Halle‐Ammendorf – Erfurt Hbf In Betrieb seit 12/2015 Erfurt Hbf – Unterleiterbach inkl. An‐  schluss Coburg In Betrieb seit 12/2017 Unterleiterbach – Zapfendorf In Betrieb seit 12/2017 Konstanz ‐ Grenze Inbetriebnahme in 2019 Thayngen Gr – Singen Inbetriebnahme in 2019 Knoten Basel Inbetriebnahme in 2019 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333