Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vom 8. Juli 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/11506 19. Wahlperiode 10.07.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Jens Brandenburg (Rhein-Neckar), Britta Katharina Dassler, Katja Suding, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/10943 – Nationale Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Um jedem Menschen die weltbeste Bildung zu ermöglichen, muss der Zugang zu einer erfolgreichen Grundbildung gesichert sein. Diese ist Grundlage jeder weiterführenden Bildung und damit die Basis für wirtschaftliche und gesellschaftliche Teilhabe in allen Lebensbereichen. Zur Grundbildung gehört die Alphabetisierung . Während der primäre Analphabetismus in westlichen Industrienationen kaum noch eine Rolle spielt, stellt die geringe Literalität auch in Deutschland noch immer ein Problem dar. Allein in Deutschland sind laut der LEO-Studie 2018 etwa 6,2 Millionen Menschen zwischen 15 und 64 Jahren gering literalisiert (vgl. https://blogs.epb.uni-hamburg.de/leo/files/2019/05/LEO 2018-Presseheft.pdf, www.zeit.de/gesellschaft/schule/2019-05/leo-2018- studie-literalitaet-analphabetismus-deutschland). Die Vorgängerstudie aus dem Jahr 2011 hatte noch von 7,5 Millionen gering literalisierten Menschen in Deutschland berichtet. Die scheinbare Verbesserung der Zahlen kommt vor allem dadurch zustande, dass ältere Menschen aus der Alterspanne der Befragten herausgefallen sind. Bei der Studie 2011 wurde der Jahrgang 1946 bis 1952 noch befragt, worunter der Anteil der gering literalisierten Personen 17 Prozent betragen hat. Diese demographische Gruppe wurde 2018 bei der Studie nicht mehr befragt (vgl. https://blogs.epb.uni-hamburg.de/leo/files/2019/05/LEO 2018-Presseheft.pdf, www.zeit.de/gesellschaft/schule/2019-05/leo-2018-studieliteralitaet -analphabetismus-deutschland). Schriftliche Kommunikation nimmt einen großen Stellenwert im alltäglichen und beruflichen Leben ein. Außerdem wird zunehmend mehr Eigenverantwortung vom Einzelnen abverlangt werden. Menschen aller Altersklassen sind deshalb auf den Zugang zu guter Bildung angewiesen. Eine gute Grundbildung ist dabei nicht nur Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe jeglicher Art, sondern auch für selbstbestimmtes lebenslanges Lernen. Diese Herausforderungen muss eine Strategie zur Besserung der Grundbildung adressieren. Im Jahr 2016 wurde von Bund und Ländern als Nachfolge für die „Nationale Strategie zur Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener in Deutschland 2012 – 2016“ die „Nationale Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung (AlphaDekade)“ gestartet. In der zehnjährigen Laufzeit werden dafür 180 Mio. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11506 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Euro bereitgestellt, von Bundesseite im Haushalt 2019 insgesamt 21,5 Mio. Euro. Aus der LEO-Studie 2018 (https://blogs.epb.uni-hamburg.de/leo/files/ 2019/05/LEO2018-Presseheft.pdf) geht hervor, dass für etwa 10 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland weite Teile der gesellschaftlichen, sozialen und beruflichen Teilhabe erschwert bleiben, da sie gering literalisiert sind. Nur 0,7 Prozent der gering literalisierten Menschen haben laut der Studie an einer Weiterbildungsmaßnahme im Bereich der Grundbildung und Alphabetisierung teilgenommen, 28 Prozent an Weiterbildungen anderer Art. Hinzu kommt, dass die Angst vor Ausgrenzung und sozialem Abstieg bei den Betroffenen oftmals so groß ist, dass diese keine Hilfe in Anspruch nehmen, selbst wenn diese theoretisch zur Verfügung stünde. Das Tabu ist noch immer groß. Dies bestätigt auch die Studienleiterin Anke Grotelüschen (www.zeit.de/gesellschaft/schule/ 2019-05/leo-2018-studie-literalitaet-analphabetismus-deutschland). 1. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung seit 2011 die Zahl der gering literalisierten Erwachsenen in Deutschland verändert (bitte unter Einschluss älterer Kohorten für die einzelnen Jahre jeweils nach Alter, Geschlecht und Berufsgruppen aufgliedern)? Wie beurteilt die Bundesregierung diese Entwicklung? Im Jahr 2010 gab es entsprechend der leo. - Level-One Studie (nachfolgend LEO 2010) 7,5 Millionen gering literalisierte Erwachsene (14,5 Prozent). Im Jahr 2018 lesen und schreiben entsprechend der neuen Level-One Studie (nachfolgend LEO 2018) noch 6,2 Millionen Erwachsene auf einem geringen Kompetenzniveau (12,1 Prozent). Das bedeutet einen Rückgang um 2,4 Prozentpunkte. Männer stellen mit 58,4 Prozent die Mehrheit der gering literalisierten Erwachsenen dar. Die Anteile gering literalisierter Männer und Frauen im Vergleich 2010 und 2018 stellen sich wie folgt dar: Im Jahr 2018 waren 13,9 Prozent aller Männer zwischen 18 und 64 Jahren gering literalisiert; 2010 waren es 17,3 Prozent . Unter der weiblichen Bevölkerung zwischen 18 und 64 Jahren waren 2018 10,2 Prozent gering literalisiert; 2010 betrug der Anteil 11,6 Prozent. Die Anteile von Personen aus verschiedenen Jahrgangsgruppen an allen gering literalisierten Erwachsenen 2018 stellen sich wie folgt dar: Jahrgangsgruppe Alter zum Zeitpunkt der Erhebung Anteil an gering literalisierten Erwachsenen in Prozent 1993-2000 18-25 Jahre alt 12,1 1983-1992 26-35 Jahre alt 18,2 1973-1982 36-45 Jahre alt 22,9 1963-1972 46-55 Jahre alt 25,2 1953-1962 56-65 Jahre alt 21,6 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/11506 Betrachtet man die Veränderung der Anteile der gering literalisierten Erwachsenen an der erwachsenen Gesamtbevölkerung in den verschiedenen Jahrgangsgruppen , ergibt sich folgendes Bild: Jahrgangsgruppe LEO 2010 in Prozent LEO 2018 in Prozent 1993-2000 In der Stichprobe nicht ent-halten 10,9 1983-1992 12,0 10,7 1973-1982 14,9 14,4 1963-1972 14,7 11,8 1953-1962 14,4 12,2 1946-1952 17,0 In der Stichprobe nicht enthalten Wie bereits die Vorgängerstudie hat auch LEO 2018 bestätigt, dass gering literalisierte Erwachsene vor allem einfache Tätigkeiten ausführen (Hilfstätigkeit, Anlernberufe , ungelernte Tätigkeiten). So sind beispielsweise 46,5 Prozent der Hilfskräfte in der Nahrungsmittelindustrie, 29,5 Prozent des Reinigungspersonals , 29,3 Prozent der Bediener/-innen von Maschinen und 26,9 Prozent der Bauund Ausbaufachkräfte gering literalisiert. Die Berufsgruppen wurden in beiden LEO-Studien erhoben. Ein direkter Vergleich ist jedoch nicht möglich, da auf der Basis unterschiedlicher Verfahren codiert wurde. Der Rückgang der Zahl gering literalisierter Menschen wird positiv bewertet. Gleichwohl besteht weiter Handlungsbedarf, um die Zahl von Menschen mit geringen Lese- und Schreibkompetenzen und geringer Grundbildung weiter zu verringern . Bund und Länder wirken daher mit weiteren Partnern in der Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung 2016 bis 2026 (AlphaDekade) zusammen, um ihre Kräfte zu bündeln und gemeinsam einen strategischen Gesamtansatz zu verfolgen. 2. Welche Unterschiede gibt es aus Sicht der Bundesregierung zwischen der LEO-Level-One-Studie aus dem Jahr 2010 und der zweiten Level-One-Studie 2018? Inwieweit sind die Ergebnisse nach Einschätzung der Bundesregierung vergleichbar ? Beide Studien haben das Ausmaß und die Teilhabe gering literalisierter Erwachsener in Deutschland anhand von repräsentativen Stichproben untersucht. Insofern sind beide Studien vergleichbar. Die LEO-Studie 2018 untersucht darüber hinaus auch Alltagspraktiken und Grundkompetenzen in den folgenden Lebensbereichen: digitale Praktiken, finanzbezogene Praktiken, gesundheitsbezogene Praktiken, politische Praktiken, schriftbezogene Praktiken im Kontext von Arbeit, Familie und Alltag, Lese- und Schreibkompetenzen im Kontext von Weiterbildung sowie im Kontext von Migration und Mehrsprachigkeit. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11506 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 3. Wie hat sich seit 2011 die Zahl der Betroffenen entwickelt, die sich in Grundbildungsmaßnahmen befinden (bitte für die einzelnen Jahre jeweils nach Alter , Geschlecht und Berufsgruppen aufgliedern)? Laut Volkshochschulstatistik (VHS) des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung ist ein geringer Anstieg in den Teilnehmendenzahlen seit 2005 festzustellen (https://www.die-bonn.de/id/32405/about/html/). 2005 verzeichnet die VHS-Statistik 30 000 Belegungen im Bereich Alphabetisierung/Elementarbildung und 2017 41 000 Belegungen. Zählt man die Bereiche Zweiter Bildungsweg an Volkshochschulen und Zweiter Bildungsweg an Kollegs und Abendgymnasien hinzu, kann für das Jahr 2017 von insgesamt 100.000 Belegungsfällen ausgegangen werden. Weitere Grundbildungsangebote beispielsweise im Regelkreis des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) und SGB III und der Familienbildung werden auch von gering literalisierten Erwachsenen genutzt. Detaillierte Angaben zu Betroffenen nach Alter, Geschlecht und Berufsgruppe können auf der Grundlage vorliegender Daten nicht gemacht werden. 4. Wie bewertet die Bundesregierung das Ergebnis der LEO-Studie 2018, dass nur 0,7 Prozent der gering literalisierten Personen an Weiterbildungsangeboten aus dem Bereich Grundbildung und Alphabetisierung teilnehmen? Grundsätzlich reicht die geringe Beteiligung an solchen Weiterbildungsangeboten allein nicht aus, um das Niveau der Grundbildung und Alphabetisierung in der Bevölkerung zu heben. Forschung und Praxis zeigen jedoch, dass sich gering literalisierte Personen nur schwer für klassische Kursangebote gewinnen lassen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) legt daher im Rahmen der AlphaDekade einen Schwerpunkt auf die Entwicklung und Erprobung von innovativen Zugangswegen und Angeboten der Alphabetisierung und Grundbildung , die durch Transfer in die Breite getragen werden sollen. a) Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um die Teilnahme an solchen Angeboten zu fördern und Aufmerksamkeit dafür zu generieren? Das vom BMBF geförderte Modell- und Transferprojekte zur „Arbeitsplatzorientierten Grundbildung“– darunter groß angelegte arbeitgeber- und arbeitnehmerseitige Verbundprojekte wie AlphaGrund, MENTO und BasisKomPlus – führen seit 2012 betriebliche Grundbildungsangebote durch, machen das Thema bei Unternehmen und Wirtschaftsverbänden bekannt und bilden entsprechendes Lehrpersonal aus. Das BMBF fördert darüber hinaus im Rahmen der AlphaDekade 19 lebensweltlich orientierte Projekte. Sie nehmen den Alltag sowie das persönliche Umfeld Betroffener in den Fokus und entwickeln daraus innovative Konzepte und Maßnahmen . Die Ansprache und Motivation dieser Personengruppe über die ihnen gut vertrauten lebensweltlichen Themen und Zugänge verspricht dabei einen großen und nachhaltigen Effekt. Auch die Zusammenarbeit sozialräumlich agierender Einrichtungen mit Bildungsanbietern ist noch weitgehend ein Novum. Hier sollen neue Konzepte zur nachhaltigen Kooperation entwickelt, erprobt und verankert werden. Von 2018 bis 2020 fördert das BMBF in Kooperation mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) in einem Sonderschwerpunkt Mehrgenerationenhäuser als Lernorte. Über 160 der vom BMFSFJ geförderten Mehrgenerationenhäuser erhalten 2018 zwischen 5 000 und Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/11506 15 000 Euro für Aktivitäten im Bereich der Alphabetisierung und Grundbildung. Die Mehrgenerationenhäuser engagieren sich in vielfältigen Projekten und Maßnahmen zur Förderung der Lese-, Schreib- und Rechenkompetenzen. Mit dem Gesetz zur Stärkung der beruflichen Weiterbildung (AWStG) vom 1. August 2016 wurden die Instrumente der beruflichen Weiterbildungsförderung nach dem SGB III mit dem Ziel erweitert, den Zugang von gering qualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie von Langzeitarbeitslosen zu einer abschlussbezogenen Weiterbildung zu verbessern. So können zur Vorbereitung auf eine berufsabschlussorientierte Weiterbildung Förderleistungen zum Erwerb von Grundkompetenzen (insbesondere in den Bereichen Lesen, Schreiben, Mathematik und Informations- und Kommunikationstechnologien) gewährt werden. Außerdem können bei geförderten Weiterbildungen, die zu einem Abschluss in anerkannten Ausbildungsberufen mit mindestens zweijähriger Dauer führen, Förderteilnehmer bei Bestehen von Zwischen- bzw. Abschlussprüfungen zur Stärkung von Motivation und Durchhaltevermögen eine Weiterbildungsprämie erhalten . Bei betrieblichen Einzelumschulungen können umschulungsbegleitende Hilfen gefördert werden. b) Wie bewertet die Bundesregierung die Wirksamkeit dieser Maßnahmen? Mit innovativen Ansätzen im Rahmen der AlphaDekade gelingt es, Zielgruppen, die durch klassische Kursangebote nur schwer zu erreichen sind, wirksam anzusprechen und Lernprozesse zu initiieren. Niedrigschwellige Angebote sind geeignet , die heterogene Zielgruppe an bestehende Weiterbildungsangebote im Bereich der Grundbildung und Alphabetisierung heranzuführen. Zur Wirkung des AWStG wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP auf Bundestagsdrucksache 19/10766 verwiesen . c) Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um den Anteil der gering literalisierten Teilnehmer an Grundbildungsmaßnahmen zu erhöhen? In der AlphaDekade wirken Bund und Länder entsprechend ihrer föderalen Kompetenzverteilung zusammen. Weitere Partner sind eingebunden. Die Bundesregierung wird auch weiterhin in diesem Kontext ihren Beitrag leisten , um die Teilnahme an Grundbildungsmaßnahmen zu erhöhen. Bund, Länder und die Bundesagentur für Arbeit haben darüber hinaus den weiteren Handlungsbedarf in der Frage der Alphabetisierung und der Verbesserung von Grundkompetenzen im Rahmen der am 12. Juni 2019 vorgestellten Nationalen Weiterbildungsstrategie aufgegriffen. Sie werden gemeinsam Anstrengungen unternehmen, um die Alphabetisierung und den Erwerb von Grundkompetenzen zu verbessern, insbesondere von Lesen und Schreiben in deutscher Sprache sowie von IT- und Mathematikkenntnissen für Erwachsene. Das Verfügen über Grundkompetenzen ist vor allem für gering qualifizierte Beschäftigte und Arbeitslose Voraussetzung, um eine berufliche Weiterbildung erfolgreich zu absolvieren und damit die individuellen Arbeitsmarkt- und Beschäftigungschancen zu verbessern. Weitere konkrete Schritte sollen im Rahmen eines sich anschließenden Themenlabors verabredet werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11506 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode d) Aus welchen Gründen nehmen aus Sicht der Bundesregierung so wenig gering literalisierte Erwachsene an Grundbildungsangeboten teil? Gering literalisierte Personen lassen sich nur schwer für klassische Kursangebote gewinnen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass innovative Zugangswege und individuell angepasste Angebote sowie die Sensibilisierung der Betroffenen und ihres sozialen Umfelds zu einer höheren Teilnahme an Grundbildungsangeboten führen werden. Die Teilnahme gering literalisierter Menschen an Grundbildungsangeboten im weiteren Sinne wird darüber hinaus jedoch auch nicht ausreichend in Statistiken und Erhebungen abgebildet, so dass von deutlich höheren Teilnehmerzahlen als den erfassten auszugehen ist. 5. Stimmt die Bundesregierung der Aussage der Bundesministerin für Bildung und Forschung im Presseheft für die LEO-Studie 2018 zu, dass „mehr als eine Million Erwachsene in den vergangen acht Jahren in Deutschland ihren Mut zusammengenommen und lesen und schreiben gelernt [haben]“ (vgl. https://blogs.epb.uni-hamburg.de/leo/files/2019/05/LEO2018-Presseheft.pdf)? Wenn ja, welche Datenbasis zieht die Bundesregierung für diese Aussage heran? Die Bundesregierung stimmt der Aussage zu: Grundbildung und Alphabetisierung finden nicht nur in Weiterbildungsangeboten statt, die explizit der Grundbildung und Alphabetisierung gewidmet sind. Insbesondere Maßnahmen der beruflichen Teil- und Nachqualifizierung, Fortbildung und Umschulung nach SGB II und SGB III (jährlich ca. 870 000 Teilnehmer) sowie die Integrationskurse sowie weitere Angebote des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge im Rahmen des Zuwanderungsgesetzes (jährlich ca. 200 000 Teilnehmer) geben gering literalisierten Personen Impulse, ihre Lese- und Schreibkompetenzen zu verbessern. Darüber hinaus sind zahlenmäßig schwer zu erfassende Angebote der betrieblichen Grundbildung, der Familien- und Elternbildung sowie sonstige Weiterbildungsangebote zu nennen. 6. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Zahl von gering literalisierten Menschen in Deutschland, die älter als 64 Jahre sind? Im Jahr 2010 waren 17 Prozent der Personen in der Jahrgangsgruppe 1946 bis 1952 (66 bis 72 Jahre) gering literalisiert. Für das Jahr 2018 liegen diese Zahlen nicht vor, da in der LEO-Studie 2018 diese Altersgruppe nicht in der Stichprobe enthalten war. a) Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, um Zugang zur Grundbildung für ältere gering literalisierte Menschen zu fördern? Bildungsangebote für jede Altersgruppe stellen generell ein zentrales Element in der Arbeit der aktuell rund 540 vom BMFSFJ geförderten Mehrgenerationenhäuser dar. Angebote speziell für Seniorinnen und Senioren finden sich unter anderem in den Handlungsfeldern Selbstbestimmtes Leben im Alter und in generationenübergreifenden Bildungsangeboten. In dem vom BMBF geförderten Sonderschwerpunkt „Förderung der Lese-, Schreib- und Rechenkompetenzen“, den derzeit fast 180 Mehrgenerationenhäuser umsetzen, richten sich die Angebote auch an über 64-Jährige. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/11506 Im Bundesprogramm Mehrgenerationenhaus wurden im Jahr 2018 durch niedrigschwellige Angebote der Mehrgenerationenhäuser im Bereich Alphabetisierung und Grundbildung in der Altersgruppe über 65 Jahre mehr als 300 gering literalisierte Menschen erreicht. b) Mit welchen besonderen Herausforderungen werden nach Einschätzung der Bundesregierung ältere Menschen, die nicht gut lesen und schreiben können, konfrontiert? Gering literalisierte ältere Menschen sind im Alltag grundsätzlich mit den gleichen Herausforderungen konfrontiert wie jüngere. Geringe Literalität kann dabei altersbedingte Herausforderungen wie einen schlechteren Gesundheitszustand noch verstärken. So hat die LEO-Studie 2018 beispielsweise gezeigt, dass gering literalisierte Menschen seltener als der Durchschnitt Dosierungsanweisungen auf Beipackzetteln von Medikamenten nachlesen oder selbständig gesundheitsbezogene Formulare ausfüllen können. 7. Wie steht Deutschland hinsichtlich der Zahl der gering literalisierten Erwachsenen im OECD-Vergleich da? Zur Messung grundlegender Kompetenzen Erwachsener im internationalen Vergleich beteiligt sich Deutschland an der OECD-Studie PIAAC (Programme for the International Assessment of Adult Competencies). PIAAC wurde 2012 erstmalig durchgeführt und wird 2022 wiederholt. Demnach verfügen im OECD- Durchschnitt 16 Prozent der Erwachsenen über eine niedrige Lesekompetenz, d. h. sie schneiden auf oder unter der untersten Kompetenzstufe I (von insgesamt fünf Kompetenzstufen) ab. In Deutschland liegt dieser Anteil mit 18 Prozent leicht höher. Den geringsten Anteil an gering literalisierten Erwachsenen weist Japan mit 4,9 Prozent auf, gefolgt von Finnland mit 10,7 Prozent und den Niederlanden mit 11,7 Prozent. Den höchsten Anteil weist Italien mit 27,9 Prozent auf, gefolgt von Spanien mit 27,5 Prozent und Frankreich mit 21,5 Prozent. 8. Wie hoch schätzt die Bundesregierung den Förderbedarf ein, um effektive Lernangebote für alle gering literalisierte Erwachsene in Deutschland anzubieten ? Grundbildung liegt nach der Zuständigkeitsverteilung des Grundgesetzes im Verantwortungsbereich der Länder, deren Aufgabe es ist den Förderbedarf einzuschätzen . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11506 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 9. Welche Mittel wurden jährlich seit 2010 von der Bundesregierung zur Verbesserung der Literalität zur Verfügung gestellt? Das BMBF hat von 2010 an zunächst für einzelne Projekte sowie im Rahmen der „Nationalen Strategie für Alphabetisierung“ (2012 bis 2016) und der „Nationalen Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung (2016 bis 2026) wie folgt Mittel zur Verfügung gestellt: Jahr Mittel in Mio. Euro 2010 2,99 2011 2,59 2012 9,696 2013 8,206 2014 11,57 2015 13,598 2016 15,632 2017 19,702 2018 24,616 2019 34,555 (Bewilligung 2019) 10. Wie werden die Bundesmittel für die AlphaDekade konkret verwendet (die einzelnen Investitionen bitte nach Zweck, Laufzeit bzw. Abrufungszeitraum sowie dem betreffenden Haushaltsjahr aufteilen)? Die Mittel, die das BMBF im Rahmen der AlphaDekade (Beginn 2016) einsetzt, teilen sich auf in die Förderung von Transferprojekten zur arbeitsplatzorientierten Grundbildung, von Forschungsprojekten, von Projekten im Rahmen der Förderrichtlinie Lebenswelt und von sonstigen Projekten im Themenfeld Alphabetisierung und Grundbildung sowie die Finanzierung des Sonderschwerpunkts „Förderung der Lese-, Schreib- und Rechenkompetenzen“ im Bundesprogramm Mehrgenerationenhaus , der Kampagne zur AlphaDekade sowie der Koordinierungsstelle der AlphaDekade. Mittelabfluss in 2016 in Euro Mittelabfluss in 2017 in Euro Mittelabfluss in 2018 in Euro Bewilligt 2019 in Euro Fördersumme in Euro Arbeitsplatzorientierte Grundbildung 5.060.459 7.306.707 7.138.388 8.138.949 27.644.503 Forschungsprojekte 104.040 728.528 2.047.183 1.557.551 4.437.303 Projekte Lebenswelt 995.616 5.462.352 6.457.968 Sonstige Projekte 5.287.003 6.934.540 6.894.040 10.464.886 29.580.470 Sonderschwerpunkt im Bundesprogramm Mehrgenerationenhaus 2.060.310 2.559.690 4.620.000 Alphabetisierungskampagne 4.565.411 4.037.654 4.591.823 5.385.266 18.580.154 Koordinierungsstelle AlphaDekade 615.570 694.209 888.513 985.868 3.184.160 Gesamtsumme 15.632.484 19.701.639 24.615.875 34.554.562 94.504.560 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/11506 11. Welche konkreten Maßnahmen (bitte jeweils mit einer Kurzbeschreibung auflisten) haben Bund und Länder im Rahmen der AlphaDekade bisher vorgenommen , und welche sind geplant (bitte in die fünf Themenbereiche der AlphaDekade – Öffentlichkeitsarbeit, Forschung, Lernangebote, Professionalisierung und Strukturen – aufgliedern)? Der Bund hat im Rahmen der AlphaDekade insbesondere die nachfolgend dargestellten Maßnahmen vorgenommen bzw. geplant. Bezüglich der Maßnahmen der Länder wird auf den Umsetzungsbericht der Länder verwiesen, der im Herbst 2019 veröffentlicht werden soll. Öffentlichkeitsarbeit: Eine Wort-Bildmarke zur AlphaDekade wurde entwickelt. Das Informations- und Serviceportal zur Dekade www.alphadekade.de ist seit 2017 online. Es stellt die Ziele der AlphaDekade vor, Landesinitiativen, Dekadepartner und geförderte Projekte. Aktuelle Informationen und Termine sind auf der Startseite. Des Weiteren ist geplant, spezifische Themenseiten zum Sonderschwerpunkt „Förderung der Lese-, Schreib- und Rechenkompetenzen“ im Bundesprogramm Mehrgenerationenhaus, zu lebensweltlicher und arbeitsorientierter Alphabetisierungs- und Grundbildungsarbeit zu erstellen. Die Dachkampagne „Mein Schlüssel zur Welt“ wurde unter Einbeziehung von Experten der AlphaDekade grundlegend überarbeitet. Die Kampagne ist mit Fernseh- und Radiospots sowie Plakaten am Weltalphabetisierungstag 2018 mit der neuen Aussage: „Besser Lesen und Schreiben“ gestartet. Es ist geplant, die Dachkampagne weiterzuentwickeln und neue Zugänge zu den Betroffenen über unterschiedliche Multiplikatoren zu erschließen. Begleitend zur Dachkampagne spricht das Projekt iChance des Bundesverbandes für Alphabetisierung und Grundbildung e. V. im Rahmen der AlphaDekade junge Erwachsene insbesondere über soziale Netzwerke an. Die Aktivitäten werden flankiert durch die Social-Media-Kanäle des BMBF. Um Ergebnisse zu präsentieren und aktuelle Herausforderungen in der Alpha- Dekade mit Vertretern aus Politik, Wissenschaft und Praxis zu diskutieren, wird in einem zeitlichen Abstand von etwa 18 Monaten eine Alpha-Dekade- Konferenz durchgeführt und durch umfangreiche Pressearbeit begleitet. Das ALFA Mobil führt Maßnahmen zur aufsuchenden Beratung von funktionalen Analphabetinnen und Analphabeten sowie deren Vertrauenspersonen und Multiplikatoren durch. Dazu gehören Aktionen in Innenstädten, vor Jobcentern oder auf Messen, insbesondere der Leipziger Buchmesse und Jugendmesse YOU. Das Projekt ALFA Mobil besteht aufgrund der starken Nachfrage mittlerweile aus zwei Fahrzeugen (Standorte Münster und Berlin) und hat seit Beginn der AlphaDekade mehr als 200 Aktionen durchgeführt. Mit dem Schauspieler Joachim Król wurde eine prominente Person des öffentlichen Lebens gewonnen, die das Thema Alphabetisierung und Grundbildung durch das Theaterstück „Der erste Mensch“ von Albert Camus in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt hat. Die Koordinierungsstelle und die Dekadepartner haben die Theatertournee von Joachim Król in 2017 und 2018 jeweils an zwölf Standorten mit unterschiedlichen Aktivitäten zur Information und Sensibilisierung der Theaterbesucher begleitet. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11506 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Darüber hinaus haben die vom BMBF im Rahmen der AlphaDekade geförderten Projekte Maßnahmen zur Information der Fachöffentlichkeit und zur Sensibilisierung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren durchgeführt. In den Jahren 2016 und 2017 fanden auf Projektebene insgesamt 44 Fachveranstaltungen statt. Dabei wurde mehr als 5 200 Personen aus Bildung, Wirtschaft und Politik erreicht. Darüber hinaus wurden die Projekte und ihre Projektergebnisse auf 417 Veranstaltungen anderer Akteure präsentiert. Außerdem wurden in diesen beiden Jahren insgesamt 376 Angebote zur Information und Sensibilisierung von insgesamt 8 802 Multiplikatorinnen und Multiplikatoren durchgeführt . Bei mehr als der Hälfte aller Angebote handelt es sich um halb- bis mehrtägige Sensibilisierungsworkshops und -schulungen wie beispielsweise die Mentorenqualifizierung von Betriebs- und Personalräten im Rahmen des Projektes MENTO oder die Sensibilisierungsangebote für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Jobcentern und Arbeitsagenturen im Rahmen des Projekts Alpha- Kommunal. Zum Weltalphabetisierungstag am 8. September 2019 wird die neue Infoausstellung „Lesen und Schreiben öffnet Welten“ fertiggestellt. Die Ausstellung wird u. a. von den Fach- und Koordinierungsstellen der Länder, Grundbildungszentren , Mehrgenerationenhäusern, Alpha-Bündnissen, Volkshochschulen etc. für Informationsveranstaltungen genutzt. Eine Begleitbroschüre und weiteres Infomaterial zu der Ausstellung werden ebenfalls bereitgestellt. Forschung: Anknüpfend an die Ergebnisse der Leo.- Level One Studie der Universität Hamburg von 2010 wurde 2017/18 die Studie zum Umfang und den Hintergründen des funktionalen An-alphabetismus wiederholt. Die Ergebnisse der LEO-Studie 2018 wurden am 7. und 8. Mai 2019 auf der AlphaDekade-Konferenz in Berlin präsentiert. Weitere Auswertungen von Teilbereichen werden von der Universität Hamburg bis Ende 2019 erstellt. Im vom BMBF geförderten Forschungsprojekt GeLiNu (2017 bis 2020) werden auf Grundlage der repräsentativen Längsschnittdaten des Nationalen Bildungspanels (NEPS) Risiko- und Schutzfaktoren für geringe Lese- und Rechenkompetenzen untersucht. Dies ist eine Grundlage, um mit geeigneten Maßnahmen an den entscheidenden Scharnierstellen im Bildungsprozess der einzelnen Personen anzusetzen. Das Forschungsprojekt GeLiNu wird umgesetzt von GESIS – Leibniz Institut für Sozialwissenschaften in Mannheim, der Universität Hamburg und dem Leibniz-Institut für Bildungsverläufe in Bamberg . Im Juni 2016 hat die Universität Hamburg die Umfeld-Studie veröffentlicht, in deren Fokus das mitwissende Umfeld von Personen mit geringer Literarität stand, da von dieser Gruppe ein besonders starker Einfluss auf die Betroffenen ausgeht. Das Projekt REACH (2016 bis 2020) erforscht die Altersgruppe der 16- bis 35- jährigen funktionalen Analphabetinnen und Analphabeten auf Alpha-Level 3 und sucht nach Möglichkeiten, diese Gruppe über lebensweltliche Zugänge zu erreichen und dafür zu motivieren, ihre Schriftsprachkompetenzen zu verbessern . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 11 – Drucksache 19/11506 Aus den gewonnenen Daten will REACH Themen, Kommunikationsmittel, Ansprachemöglichkeiten und praxistaugliche Zugangswege ableiten, die junge Erwachsene niederschwellig und effektiv erreichen. Drei Modellansätze werden derzeit in der Praxis erprobt und wissenschaftlich begleitet. Lernangebote: Im Förderschwerpunkt zur arbeitsplatzorientierten Grundbildung fördert das BMBF zwölf Transferprojekte, die die im Rahmen von Vorgängerprojekten gewonnenen Erkenntnisse, Konzepte und Lernangebote weiterentwickeln und diese Angebote auf neue Branchen und Betriebe ausweiten. So entwickelt und erprobt z. B. das Projekt „AlphaGrund“ des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) gemeinsam mit den Bildungswerken der Wirtschaft in acht Ländern Ansätze , um die Grundbildung als Teil der Personalentwicklung und des Qualitätsmanagements in der betrieblichen Weiterbildung zu verankern. Die Schulungen unterstützen Betroffene dabei, Arbeitsplatzanweisungen, Protokolle und Skizzen besser zu verstehen oder das Verfassen von Berichten, Notizen und Briefen zu trainieren. Das Projekt BasisKomPlus vom Bundesarbeitskreis ARBEIT UND LEBEN e. V. DGB/VHS nutzt spezifische Zugänge zu Betrieben und informiert Personalverantwortliche sowie Personal- und Betriebsräte zum Thema „funktionaler Analphabetismus und Grundbildung“. Mit speziell entwickelten Modulen können diese Alphabetisierung und Grundbildung systematisch zum Teil von Personalgesprächen, Jahreszielen und Seminarplänen machen. Das Projekt arbeitet in den Branchen Logistik, Pflege, Transport, Gartenbau , Glasindustrie, Maschinenbau, Zeitarbeit, Gastronomie und im Reinigungssektor . Im Rahmen der Richtlinie zur Förderung von Entwicklungsvorhaben für lebensweltlich orientierte Alphabetisierungs- und Grundbildung fördert das BMBF 19 Forschungs- und Entwicklungsprojekte, die ihre Lernangebote an der Lebensrealität der Zielgruppe ausrichten und alltagsrelevante Themen wie beispielsweise Ernährung, Verbraucherschutz oder Finanzen als Vehikel für die Verbesserung von Lese-, Schreib- und Rechenkompetenzen nutzen. Die Ansprache und die Umsetzung der Lernangebote erfolgt im Sozialraum der Betroffenen wie z. B. in Kitas, Familienzentren, Moscheen, über die Tafeln, soziale Dienste, Bibliotheken, kirchliche Einrichtungen, Stadtteilzentren, Beratungsstellen , Kochtreffs, etc. Die Sozialraumorientierung garantiert hier die richtige Ebene der Ansprache sowie das Einbringen von für die Zielgruppe relevanten Themen und Fragestellungen. Das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung (DIE) entwickelt im Projekt CurVe II einen wissenschaftlich erprobten Ansatz zur finanziellen Grundbildung und etabliert Standards für Lernangebote. Dabei arbeitet das DIE u. a. mit Schuldnerberatungsstellen und Geldinstituten zusammen. Die Lernportale des Deutschen Volkshochschulverbandes (DVV) zur Alphabetisierung ich-will-lernen.de und ich-will-deutsch-lernen.de wurden mit BMBF-Fördermitteln inhaltlich und technisch weiterentwickelt und zu einem vhs-lernportal.de zusammengeführt. Das Lernportal ist auch auf mobilen Endgeräten und als App nutzbar. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11506 – 12 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Professionalisierung: Im Rahmen der Projektförderung in den Jahren 2016 und 2017 führten 13 Projekte Qualifizierungsangebote für das Lehrpersonal in der Alphabetisierungsund Grundbildungsarbeit durch. Zum Teil wurden neue Qualifizierungen entwickelt , teilweise wurden bereits bestehende Qualifizierungen weiter in die Fläche getragen. Insgesamt wurden in den beiden Jahren 149 Qualifizierungsangebote mit 4113 Stunden durchgeführt und 1912 Teilnehmende erreicht. Die Rahmencurricula des DVV wurden in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern und Experten erstellt und eine Vielzahl von Arbeitsblättern entwickelt. Mittlerweile existieren die Curricula für Lesen, Schreiben und Rechnen, eine Kurzdiagnostik und Branchenmaterialien in sechs Branchen. Bis 2021 werden die Curricula in verschiedenen Settings erprobt und unter wissenschaftlicher Begleitung evaluiert. In den Projekten INA Pflege 2 und KOM-PASS2 wurden branchenspezifische Lernmaterialien für den Altenpflegehilfe-Bereich entwickelt und mit curricularen Hinweisen versehen. Im BMBF-geförderten Projekt AQUA wird die bestehende Fortbildung ProGrundbildung als Online-Qualifizierungsangebot aufbereitet und modularisiert . Länder wie Berlin oder Rheinland-Pfalz haben neben ProGrundbildung eigene modulare Qualifizierungssysteme entwickelt. Diese ergänzen und vertiefen bisherige Inhalte von ProGrundbildung und gehen auch auf die seit 2015 zuwanderungsbedingt heterogener gewordene Zielgruppe in den Alphabetisierungskursen und deren unterschiedliche Bedürfnisse ein. Das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung (DIE) hat im Auftrag des BMBF ein umfangreiches Konzept zur Umsetzung einer webbasierten Produktdatenbank Alphabetisierung und Grundbildung erstellt. Die Datenbank soll Materialien zur Alphabetisierung und Grundbildung zentral bündeln und für Nutzer frei zugänglich machen. Die Umsetzung des Konzeptes ist ab 2019/ 2020 geplant. In dem Projekt KANSAS („Kompetenzadaptive, nutzerorientierte Suchmaschine für authentische Sprachlerntexte“) entwickelt das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung in Kooperation mit der Universität Tübingen und der Universität Köln eine deutschsprachige Suchmaschine, die sich speziell an Lehrende und Lernende in Grundbildung und Deutsch als Zweitsprache richtet. Im Herbst 2018 hat das Kuratorium der AlphaDekade eine Arbeitsgruppe zu „Standards in der Aus- und Fortbildung von Kursleitenden in der Alphabetisierung und Grundbildung“ eingerichtet. Auf der Grundlage vorhandener Standards und Formate wurden Vorschläge für Handlungsempfehlungen erarbeitet. Diese werden nun in den Gremien der KMK diskutiert. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 13 – Drucksache 19/11506 Strukturen: Die meisten Länder haben die strukturelle Verankerung von Alphabetisierung und Grundbildung durch die Einrichtung bzw. den Ausbau von Fach- und Koordinierungsstellen für Alphabetisierung und Grundbildung, von Grundbildungszentren , lokalen bzw. regionalen Alpha-Bündnissen oder runden Tischen in 2016 und 2017 weiter fortgeführt. Bundesweit gibt es aktuell ca. 40 regionale Grundbildungszentren. Diese beraten und unterstützen Bildungsträger, insbesondere Volkshochschulen bei der Planung, Konzeption und Durchführung von Alphabetisierungskursen. Durch die Projektarbeit in den vom BMBF geförderten Projekten konnten die bestehenden Bündnisse regional oder inhaltlich erweitert werden. Andere Bündnisse wurden während der Projektlaufzeit auf Initiative oder durch Mitwirkung des Projektnehmers gegründet. In einigen Ländern wurde darüber hinaus bereits eine landesweite Strategie, ein Pakt oder ein Bündnis für Grundbildung unter Einbindung der Sozialpartner beschlossen. Die Projekte im Rahmen des Förderschwerpunktes Lebensweltorientierte Alphabetisierungs - und Grundbildungsarbeit zielen auf eine nachhaltige Verankerung von Angeboten der Alphabetisierungs- und Grundbildungsarbeit in sozialen Einrichtungen sowie auf interdisziplinäre nachhaltige Kooperationsstrukturen zwischen Bildungsträgern und sozialräumlich agierenden Einrichtungen . Die Aufnahme der Themen Alphabetisierung und Grundbildung als Querschnittsziele in Förderprogramme anderer Politikbereiche konnte im Berichtszeitraum insbesondere mit Maßnahmen der Förderung von Lese-, Schreib- und Rechenkompetenzen in Mehrgenerationenhäusern umgesetzt werden. Hierfür wurde eine Ressortvereinbarung von BMBF und BMFSFJ für den Sonderschwerpunkt „Förderung der Lese-, Schreib- und Rechenkompetenzen“ geschlossen . Der Sonderschwerpunkt wird aus Mitteln des BMBF im Rahmen der AlphaDekade finanziert, ist jedoch vollständig in das Bundesprogramm Mehrgenerationenhaus des BMFSFJ integriert. Im Rahmen des Projektes HEAL werden die Themenfelder Gesundheitskompetenz und Alphabetisierung und Grundbildung zusammengeführt und die Potenziale für die Integration des Themas Gesundheitskompetenz in die Alpha- Dekade ausgelotet. Aus zwei Fachveranstaltungen in 2018 zur Gesundheitsund Ernährungskompetenz und der Durchführung von drei Fokusgruppen mit gering literalisierten Erwachsenen werden konkrete Empfehlungen abgeleitet, die sich an Akteure im Gesundheits- und Bildungswesen sowie an eine breitere Öffentlichkeit richten. 12. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen bzw. plant die Bundesregierung zu ergreifen, um die nationale Dekade für Alphabetisierung auszubauen? Wie berücksichtigt die Bundesregierung dabei insbesondere die arbeitsplatzund familienorientierte Grundbildung? Die vielfältigen Erfahrungen aus den zwölf Projekten im Bereich der arbeitsplatzorientierten Grundbildung werden in einem Sammelband zusammengeführt, der 2020 veröffentlicht werden soll. Perspektivisch sollen die Erkenntnisse zu gelingenden Modellen arbeitsorientierter Grundbildung erfasst und systematisch in Handlungsempfehlungen überführt werden. Die am 12. Juni 2019 veröffentlichte Nationale Weiterbildungsstrategie eröffnet mögliche Perspektiven für eine Fortführung erfolgreicher Modelle. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11506 – 14 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Die 19 Projekte im Rahmen der Förderrichtlinie Lebenswelt laufen mehrheitlich noch bis Mitte/Ende 2021. Die Förderrichtlinie sieht grundsätzlich die Möglichkeit einer anschließenden Förderung für die Verbreitung und den Transfer erfolgreicher Ansätze und Modelle zur lebensweltorientierten Alphabetisierung und Grundbildung vor. Die Laufzeit des Sonderschwerpunktes „Förderung der Lese-, Schreib- und Rechenkompetenzen “ orientiert sich an der Laufzeit des Bundesprogramms Mehrgenerationenhaus und endet am 31. Dezember 2020. Darüber hinaus plant das BMBF die Veröffentlichung einer Richtlinie zur Förderung von Forschungsvorhaben im Bereich Alphabetisierung und Grundbildung. Die Zielsetzung der Förderung ist, mehr Erkenntnisse über die Lebenswelten und das soziale Milieu der Adressaten von Alphabetisierungs- und Grundbildungsangeboten zu gewinnen, insbesondere über ihre Lernhemmnisse und Lernmotivation , über die Qualität und Gelingensfaktoren der Lehr- und Lernprozesse in Lernangeboten sowie die Wirksamkeit von Strukturen und Investitionen in Alphabetisierung und Grundbildung. 13. Wie werden diese Maßnahmen evaluiert? Die Koordinierungsstelle der AlphaDekade erhebt im Rahmen ihres Monitorings quantitative Daten zu den Ergebnissen der Projekte und veröffentlicht diese jährlich in einem Monitoringbericht (www.alphadekade.de/files/Monitoringbericht% 20Projektergebnisse%202016-2017.pdf). Darüber hinaus wird auf der Grundlage der Monitoringdaten sowie von Maßnahmen, die Bund, Länder, Dekadepartner und die Koordinierungsstelle im Berichtzeitraum durchgeführt haben, ein Umsetzungsbericht erstellt. Der Umsetzungsbericht für die Jahre 2016 bis 2018 soll im Herbst 2019 vorgelegt werden und wird durch die Dekadepartner und den Wissenschaftlichen Beirat bewertet. Einige der geförderten Projekte haben eine begleitende Evaluation in ihr Vorhaben integriert, um eine qualitative Prognose hinsichtlich einer sich möglicherweise anschließenden Transferphase treffen zu können. 14. Welche Erfolge lassen sich durch diese Maßnahmen bereits erkennen (bitte in die fünf Themenbereiche der AlphaDekade – Öffentlichkeitsarbeit, Forschung , Lernangebote, Professionalisierung und Strukturen – aufgliedern)? Es wird auf die Antworten zu den Fragen 4a bis 4c und 11 verwiesen. 15. Welche Erkenntnisse lassen sich aus diesen Maßnahmen ableiten (bitte in die fünf Themenbereiche der AlphaDekade – Öffentlichkeitsarbeit, Forschung , Lernangebote, Professionalisierung und Strukturen – aufgliedern)? Es wird auf die Antworten zu den Fragen 12 und 13 verwiesen. 16. Welche finanziellen Aufwendungen haben Bund und Länder bisher für die AlphaDekade verausgabt, und auf welche Höhe werden sich diese Mittel in den nächsten Jahren bis 2026 voraussichtlich belaufen? Es wird auf die Antworten zu den Fragen 9 und 10 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 15 – Drucksache 19/11506 17. Hält die Bundesregierung die Höhe der Mittel, die für die AlphaDekade bereitgestellt wurden, für ausreichend, um die Zahl der gering literalisierten Erwachsenen in Deutschland signifikant und nachhaltig zu verringern? Mit der Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung verfolgen Bund und Länder gemeinsam das Ziel, alle Kräfte zu bündeln, die zur Verringerung der Zahl der gering literalisierten Erwachsenen beitragen können. Die Bundesregierung hält die Höhe der Mittel, die durch den Bund im Rahmen der AlphaDekade bereitgestellt werden, für ausreichend, um entsprechend der Ziele der AlphaDekade zur signifikanten und nachhaltigen Verringerung der Zahl der gering literalisierten Erwachsenen beizutragen. 18. Welche Chancen ergeben sich aus Sicht der Bundesregierung, die Länder bei der Förderung von Alphabetisierung nach der Änderung des Artikels 104c des Grundgesetzes verstärkt zu unterstützen? Nach der am 4. April 2019 in Kraft getretenen Änderung des Artikels 104c des Grundgesetzes kann der Bund den Ländern Finanzhilfen für gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen sowie besondere, mit diesen unmittelbar verbundene, befristete Ausgaben der Länder und Gemeinden (Gemeindeverbände) zur Steigerung der Leistungsfähigkeit der kommunalen Bildungsinfrastruktur gewähren. In entsprechender Anwendung des Artikels 104b Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes ist das Nähere, insbesondere die Arten der zu fördernden Investitionen, ggf. durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, oder auf Grund des Bundeshaushaltsgesetzes durch Verwaltungsvereinbarung von Bund und Ländern zu regeln. 19. Welche Forschungsprojekte im Auftrag der Bundesregierung zum Thema Alphabetisierung gibt bzw. gab es? Wie wurden die Ergebnisse in der Politikgestaltung bisher berücksichtigt? Die von der Bundesregierung geförderten Forschungs- und Entwicklungsprojekte zum Thema Alphabetisierung werden nicht im Wege einer Auftragsvergabe, sondern im Rahmen einer Bewilligung von Projektanträgen gefördert. Sensibilisierung von Arbeitnehmern für das Problem des funktionalen Analphabetismus in Unternehmen (SAPfA-Studie; 2013/2014): Die Erkenntnisse wurden für die Ausgestaltung von arbeitsplatzorientierten Projekten mit Transfercharakter genutzt. Studie zum mitwissenden Umfeld funktionaler Analphabetinnen und Analphabeten (Umfeldstudie; 2014): Die Ergebnisse der Umfeldstudie wurden bei der Erstellung der Förderrichtlinie zur Förderung von Entwicklungsvorhaben in der lebensweltorientierten Alphabetisierungs- und Grundbildungsarbeit berücksichtigt. Reaching young adults with low Achievement in literacy (REACH; 2016 bis 2020): Aus den gewonnenen Daten will REACH Themen, Kommunikationsmittel , Ansprachemöglichkeiten und praxistaugliche Zugangswege ableiten, die junge Erwachsene niederschwellig und effektiv erreichen. Drei Modellansätze sollen 2019 erprobt und wissenschaftlich begleitet werden. Identifikation von Risiko- und Schutzfaktoren für die Entwicklung und Veränderung geringer Literalität und Numeralität bei deutschen Erwachsenen (GeLiNu; 2017 bis 2020): Die Auswertung der Längsschnittdaten sowie quantitativer und qualitativer querschnittlicher Studien in Deutschland (ALWA-Studie des IAB, Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11506 – 16 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode leo.Level-One-Studie der Uni Hamburg sowie PIAAC-Erhebung) soll evidenzbasierte Informationen zu politischen, ökonomischen und soziokulturellen Risiko - und Schutzfaktoren für die Entwicklung geringer Literalität/Numeralität am Übergang ins Erwachsenenalter sowie im Erwachsenenalter liefern. Die Ergebnisse sollen dazu beitragen, neue Wege zur Ansprache funktionaler Analphabeten zu identifizieren, neue Lernformate zu entwickeln sowie Erkenntnisse für die Professionalisierung des Bildungspersonals in Schule (präventiv) und in der Erwachsenenbildung (kurativ) abzuleiten. Zweite Level-One Studie (LEO 2018): Die Bundesregierung wird die Auswertungen in die weitere Politikgestaltung einbeziehen. 20. Welche Förderbereiche sind im Zuge der Nationalen Strategie und der AlphaDekade fortgeführt bzw. neu errichtet worden? In der AlphaDekade werden erfolgreiche Initiativen der „Nationalen Strategie zur Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener (2011 bis 2016)“ weitergeführt und auf Grundlage neuer Erkenntnisse weiterentwickelt. Zudem wurden neue Maßnahmen ins Leben gerufen: – Aus dem BMBF-Förderschwerpunkt der „Arbeitsplatzorientierte Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener“ (veröffentlicht 2011) und vorangegangenen Projektmaßnahmen haben sich einzelne Projekte als besonders wirksam und für einen Ergebnistransfer geeignet erwiesen. – Diese Projekte wurden in der AlphaDekade aufgegriffen, um Konzepte und Angebote für eine breite Anwendung nutzbar zu machen. – Im aktuellen Förderschwerpunkt „Förderung von lebensweltlich orientierten Entwicklungsvorhaben in der Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener “ des BMBF werden seit 2018 in 19 Projekten neue Beratungs- und Lernangebote konzipiert und umgesetzt, die sozialräumliche Zugänge nutzen . – Seit 2018 fördert das BMBF in Kooperation mit dem Bundesfamilienministerium in einem Sonderschwerpunkt „Förderung der Lese-, Schreib- und Rechenkompetenzen “ Mehrgenerationenhäuser als Lernorte. – Die Studienergebnisse der Leo.-Level-one-Studie (2011) wurden in LEO- 2018 fortgeschrieben und um die Untersuchung von Alltagspraktiken und Grundkompetenzen erweitert. 21. Welche Visionen und Ideen hat die Bundesregierung für die Zukunft der AlphaDekade und über diese hinaus für die Zukunft der Grundbildung in Deutschland? Bund und Länder haben die Ziele der AlphaDekade in dem gemeinsamen „Grundsatzpapier zur Nationalen Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung 2016 bis 2026“ festgelegt. Das Grundsatzpapier wird in einem Arbeitsprogramm, das regelmäßig fortgeschrieben wird, konkretisiert. Die AlphaDekade wird im Dialog mit den Partnern und dem Wissenschaftlichen Beirat weiterentwickelt. Darüber hinaus verfolgt die Bundesregierung das Ziel, Synergien zwischen der AlphaDekade und anderen strategischen Ansätzen zu schaffen. Jüngstes Beispiel ist die Nationale Weiterbildungsstrategie, in der auch Alphabetisierung und Grundbildung fest verankert sind, denn für gering literalisierte Menschen sind Alphabetisierung und Grundbildung oft der erste Schritt auf dem Weg der Weiterbildung . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 17 – Drucksache 19/11506 22. Wurde die Bildungsprämie, wie im Ergebnispapier der Nationalen Strategie gefordert, für die Grundbildung geöffnet? Wenn ja, welche Erfolge gibt es? Wenn nein, warum nicht? Das Programm Bildungsprämie ist ein nachfrageorientiertes Programm zur Förderung individueller berufsbezogener Weiterbildung. Bereits seit Beginn der zweiten Förderphase (Dezember 2011) zählen dazu auch Angebote aus dem Bereich Grundbildung. Insofern besteht hier eine Fördermöglichkeit für Personen mit Grundbildungsbedarf. Eine gesonderte Erfassung dieser Zielgruppe und der Maßnahmen erfolgt jedoch nicht, da dies nicht den Kernbereich der Bildungsprämie darstellt. 23. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung aus den regelmäßigen Berichten der Länder gewonnen? Sind konkrete Maßnahmen aus diesen erwachsen? Die Nationale Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung wird von Bund und Ländern gemeinsam verantwortet. Bund und Länder arbeiten bei der Ausgestaltung der Nationalen Dekade einerseits mit dem Wissenschaftlichen Beirat und andererseits mit den Partnern im Kuratorium zusammen und steuern die Arbeit der Gremien. Sie beschließen das Arbeitsprogramm, das zuvor mit den Partnern beraten worden ist. Das Arbeitsprogramm orientiert sich an den Zielsetzungen und Handlungsempfehlungen der Dekade. In einem Zehn-Punkte-Programm zur Nationalen Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung haben sich die Länder durch Beschluss der Kultusministerkonferenz am 15. Februar 2018 auf gemeinsame Zielsetzungen verständigt. Das Zehn-Punkte-Programm wurde aus dem Arbeitsprogramm der AlphaDekade abgeleitet und ist für die einzelnen Länder eine Richtschnur für die eigene Arbeit. Die Bundesregierung entnimmt den regelmäßigen Berichten der Länder die Zielsetzungen und inhaltliche Ausrichtung der Länder. Dadurch werden inhaltlich abgestimmte Maßnahmen und Aktivitäten seitens der Bundesregierung möglich. Es werden dadurch Bedarfe sichtbar, die durch Forschungs- und Entwicklungsprojekte im Rahmen von Förderbekanntmachungen gedeckt werden können. 24. Welchen Bedarf an Lehrkräften zur Förderung des Lesens und Schreibens gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit in Deutschland? Wie hat sich dieser seit 2011 verändert? Von Seiten der Dekadepartner und der Länder sowie aus den Projekten wird auf eine steigende Nachfrage nach Lehrkräften aufgrund der wachsenden Anzahl an Angeboten hingewiesen. 25. In welcher Weise werden die Chancen der Digitalisierung bei der Umsetzung der Ziele der AlphaDekade genutzt? Virtuelle Lernwelten und digitale Anwendungen bieten vielfältige Chancen zur individuellen Unterstützung bei Grundbildungsbedarfen, zur Aufklärungsarbeit und Herstellung von Lernmotivation. Das BMBF fördert daher eine Vielzahl an Projekten, die digitale Lösungen zur Verbesserung der Lese-, Schreib und Rechenkompetenzen weiterentwickeln. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11506 – 18 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 26. Welche Auswirkungen hat aus Sicht der Bundesregierung die zunehmende Digitalisierung der Wirtschaft und Gesellschaft auf gering literalisierte Erwachsene ? Die Digitalisierung findet auch in die Lebens- und Arbeitswelt gering literalisierter Menschen Eingang. Die LEO-Studie 2018 liefert dazu Erkenntnisse: Übergreifend ist festzustellen, dass schriftbasierte Informationsquellen im Internet von gering literalisierten Erwachsenen seltener in Anspruch genommen werden als von der Gesamterwachsenenbevölkerung. Bei der Nutzung nicht-schriftlicher digitaler Praktiken (Videotelefonie, Sprachnachrichten am Smartphone, Online-Tutorials ) gibt es nahezu keine Unterschiede zwischen den gering literalisierten Erwachsenen und der Gesamterwachsenenbevölkerung. Grundsätzlich stellt die Digitalisierung somit eine Herausforderung für die Teilhabe gering literalisierter Menschen dar. Gleichzeitig eröffnet sie neue Wege zur Erreichung der Zielgruppe. 27. Wie bewertet die Bundesregierung, auch unter Berücksichtigung der oben erwähnten Maßnahmen, die Situation der Betroffenen in folgenden Bereichen der gesellschaftlichen Teilhabe: In der LEO-Studie 2018 wurden die Teilhabe, Alltagspraktiken und Kompetenzen gering literalisierter Menschen in verschiedenen Lebensbereichen untersucht. Die Ergebnisse beruhen auf Selbstauskünften der Befragten im Rahmen standardisierter Befragungen. Die Ergebnisse bedürfen noch einer tiefergehenden Bewertung . a) im aktiven und passiven Wahlrecht, Gering literalisierte Menschen üben politische Praktiken in geringerem Umfang aus als die Gesamtbevölkerung. Nach LEO 2018 machen 62 Prozent der gering literalisierten immer/meistens von ihrem Wahlrecht Gebrauch im Vergleich zu 87 Prozent der Gesamtbevölkerung. Die LEO 2018 Ergebnisse zeigen aber auch, dass gering Literalisierte nicht uninformiert oder pauschal desinteressiert sind. Sie schätzen ihre politikbezogenen Kompetenzen und insbesondere ihre kritischhinterfragenden Kompetenzen jedoch geringer ein. So schätzen 28 Prozent der gering literalisierten Erwachsenen es schwierig ein, zu beurteilen, ob eine politische Partei das vertritt, was sie wichtig finden (im Vergleich: 11,7 Prozent der Gesamtbevölkerung). b) in der Medizin, beispielsweise bei der freien Arztwahl oder der Zustimmungserklärung bei Operationen, LEO 2018 hat die gesundheitsbezogenen Alltagspraktiken und Kompetenzen untersucht . Demnach sind Ärzte und Ärztinnen die wichtigste Informationsquelle, gefolgt vom direkten persönlichen Umfeld. Digitale Medien wie Internet oder Gesundheits-Apps werden deutlich geringer genutzt als in der Gesamtbevölkerung . Beim Ausfüllen von Formularen beim Arzt oder im Krankenhaus ist ein großer Anteil dieser Menschen auf Unterstützung angewiesen. c) beim Einkauf, konkret beim Vergleich von Produkten oder bei der Prüfung der Zusammensetzung von Lebensmitteln, Siehe Antwort zu Frage 27i. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 19 – Drucksache 19/11506 d) im Straßenverkehr, LEO 2018 hat Unterschiede bei der Wahl der Verkehrsmittel festgestellt. So nutzt im Vergleich zur Gesamtbevölkerung (23,2 Prozent) ein größerer Anteil der gering Literalisierten (31,1 Prozent) regelmäßig, d. h. mindestens einmal pro Woche , den öffentlichen Nahverkehr. Innerhalb der Gesamtbevölkerung ist der Fahrkartenautomat die häufigste Art für den Erwerb der Fahrkarte (25,5 Prozent). Der zweithäufigste Weg ist der Erwerb online oder mit einer App (16,9 Prozent). Von den Personen mit geringer Literalität erwerben nur 7,3 Prozent eine Fahrkarte häufig online oder mit einer App. Häufiger erwerben Personen mit geringer Literalität ihre Fahrkarten am Automaten (20,6 Prozent) oder im Verkehrsmittel selbst (21,5 Prozent). Der motorisierte Individualverkehr (Auto, Motorrad, Moped ) wird von 77,9 Prozent der Gesamtbevölkerung regelmäßig genutzt, im Vergleich zu 57,5 Prozent der Personen mit geringer Literalität. Die Daten erlauben jedoch keine Rückschlüsse auf die Gründe für geringe Motorisierung, z. B. Kosten - und Umweltargumente oder Führerscheinbesitz. e) bei Behördengängen, Hierzu liegen keine spezifischen Daten vor. f) bei Finanzgeschäften, Nach LEO 2018 zahlen 42,3 Prozent der gering Literalisierten eher häufig per Überweisungsschein, während dies nur noch 25,1 Prozent der Gesamtbevölkerung tun. Demgegenüber begleichen 40,5 Prozent der gering Literalisierten ihre Rechnungen häufig über Online-Banking (inkl. Apps), im Vergleich zu 65,3 Prozent der Gesamtbevölkerung. Von den gering literalisierten Erwachsenen, die kein Online-Banking nutzen, geben 22,2 Prozent an, dass ihnen Online-Banking schwerfällt. Auch nutzen gering literalisierte Erwachsene das Internet selten zur Informationssuche bei größeren Anschaffungen. g) bei Vertragsabschlüsse, LEO 2018 hat die schriftbezogenen Praktiken im Kontext von Arbeit untersucht. Bei der Frage nach dem Vorliegen eines schriftlichen Arbeitsvertrages sind die Unterschiede bei den gering literalisierten Erwachsenen und der Gesamtbevölkerung gering (84,4 Prozent vs. 85,7 Prozent). Die Unterschiede sind größer bei der Frage, ob sie ihren schriftlichen Arbeitsvertrag vor dem Unterschreiben gelesen haben. Diese Frage bejahten 80,3 Prozent der gering Literalisierten (vs. 89,6 Prozent der Gesamtbevölkerung). h) bei der Wohnungssuche, Siehe Antwort zu Frage 27i. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11506 – 20 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode b) bei der Informationsbeschaffung (Adressen, Telefonnummern, Nachrichten in Printmedien etc.)? Schriftbasierte Informationsquellen (Print und Internet) werden von gering literalisierten Erwachsenen seltener in Anspruch genommen als von der Gesamtbevölkerung . So geben 23 Prozent der gering literalisierten Befragten an, täglich eine Zeitung zu lesen (Print oder Internet), während der Anteil in der Gesamtbevölkerung bei 41,9 Prozent liegt. Geringer sind die Unterschiede, wenn man das Anschauen von Nachrichtensendungen im Fernsehen oder Internet betrachtet. Diese nichtschriftliche Praktik wird von 61,7 Prozent der gering Literalisierten und von 62,3 Prozent der Gesamtbevölkerung täglich ausgeübt. Auch bei der Nutzung anderer nichtschriftlicher digitaler Praktiken (Videotelefonie, Sprachnachrichten am Smartphone, Online-Tutorials) gibt es nahezu keine Unterschiede zwischen den gering literalisierten und allen Erwachsenen, was darauf hindeuten lässt, dass nichtschriftliche digitale Praktiken von den gering literalisierten Erwachsenen als Kompensationsstrategien genutzt werden. Gering literalisierte Erwachsene schreiben sich insgesamt geringere digitale Kompetenzen zu, was sich in den folgenden Ergebnissen zeigt: 36 Prozent der gering literalisierten Befragten trauen sich nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten zu, mit Online-Stellenbörsen zurecht zu kommen (im Vergleich zu 10,2 Prozent der Gesamtbevölkerung). Ein ähnliches Bild ergibt sich beim Umgang mit Online-Börsen für die Wohnungssuche oder bei Online-Partnerbörsen. Hier zeigt sich eine Gefährdung von Teilhabeausschluss in den Bereichen, zu denen der Zugang zunehmend ausschließlich digital erfolgt (Arbeitssuche, Finanzen , Wohnungssuche, informierte Entscheidung). 28. Wie bewertet die Bundesregierung die Situation von gering literalisierten Eltern , die schulpflichtige Kinder haben? Gibt es Unterstützung für diese Eltern? Wenn ja, welche, und mit welchem Erfolg wird diese angenommen? Zu der Situation von gering literalisierten Eltern mit schulpflichtigen Kindern liegen der Bundesregierung keine spezifischen Daten vor. Es ist jedoch erkennbar, dass Eltern mit geringen Lese- und Schreibkompetenzen ihre Kinder im Schulalltag nicht in dem Maße unterstützen können wie literalisierte Eltern. Im Rahmen der Familienbildung verfolgt die Bundesregierung das Ziel, präventive Angebote für alle Eltern vorzuhalten, die deren Beziehungs- und Erziehungskompetenz stärken. Damit soll entsprechendes Wissen erweitert oder relevante Fähigkeiten für eine förderliche Bildung, Betreuung und Erziehung innerhalb der Familie unterstützt werden. Besonders profitieren davon Familien in besonderen Lebenslagen. Es gibt vereinzelt Elternkurse, die sich zielgruppenspezifisch an bildungsferne Eltern richten und u. a. die Schriftsprache weitgehend vermeiden. Durch Kooperationen können familienbildende Einrichtungen entsprechend der individuellen Bedarfe der Familien in besonderen Lebenslagen diese an weiterhelfende Ansprechpartner vermitteln. Die Unterstützung und Beratung von Familien ist darüber hinaus ein wichtiger Schwerpunkt der Arbeit der Mehrgenerationenhäuser. So werden Angebote unter anderem in den Bereichen Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Beratung und Unterstützung von Familien, Förderung von (benachteiligten) Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, generationenübergreifende Bildung und Freizeitgestaltung vorgehalten. Im Sonderschwerpunkt „Förderung der Lese-, Schreibund Rechenkompetenzen“, der unter der AlphaDekade initiiert wurde, wird eine Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 21 – Drucksache 19/11506 Vielzahl von Angeboten im Rahmen des Family-Literacy-Ansatzes geboten mit der Zielsetzung, gering literalisierte Eltern zu befähigen, ihre Kinder (besser) zu unterstützen – sei es, indem sie den Kindern vorlesen, bei den Hausaufgaben helfen oder auch gemeinsam eine Bibliothek besuchen. Darüber hinaus arbeiten 74 der 180 Mehrgenerationenhäuser, die im Sonderschwerpunkt „Förderung der Lese-, Schreib- und Rechenkompetenzen“ mitwirken , mit Kindertagesstätten, Grundschulen, Familienberatungsstellen und Trägern der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit zusammen. Typische Angebote in diesem Bereich sind Vorleserunden, Familiencafés mit Lernspielen, Erstellen eines Kochbuchs für und mit Familien, gemeinsames kreatives Arbeiten mit schriftlichen Anleitungen, Rechenspiele für Erwachsene und Kinder, Beteiligung am Weltvorlesetag und vieles mehr. 29. Wie bewertet die Bundesregierung die Wahrnehmung von geringer Literalität in der Gesellschaft? a) Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, um mehr Aufmerksamkeit für diese Herausforderung zu schaffen? Die Bundesregierung arbeitet insbesondere mit der Informationskampagne „Mein Schlüssel zur Welt“ darauf hin, in der Öffentlichkeit mehr Aufmerksamkeit für das Thema geringe Literalität zu schaffen. Auf die Antworten zu den Fragen 11 und 12 wird verwiesen. b) Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, um Stigma gegen gering literalisierte Erwachsene abzubauen? Auf die Antworten zu den Fragen 11, 12 und 19 wird verwiesen. 30. Stimmt die Bundesregierung der Aussage der Bundesministerin für Bildung und Forschung im Presseheft zur LEO-Studie 2018 zu, „dass es inzwischen nicht mehr ein so starkes Tabu ist, nur eingeschränkt lernen und schreiben zu können“ (vgl. https://blogs.epb.uni-hamburg.de/leo/files/2019/05/LEO 2018-Presseheft.pdf)? Wenn ja, welche Belege hat die Bundesregierung für diese Aussage, auch vor dem Hintergrund der Aussagen der Studienleiterin? Die Bundesregierung stimmt der Aussage zu. Insbesondere die SAPfA-Studie und Umfeldstudie belegen, dass es inzwischen nicht mehr ein so starkes Tabu ist, nur eingeschränkt lesen und schreiben zu können. 31. Wie definiert die Bundesregierung das Unterziel 4.6 des Nachhaltigkeitsziels 4 in der Agenda 2030 der Vereinten Nationen, „[b]is 2030 [sicherzustellen ], dass alle Jugendlichen und ein erheblicher Anteil der männlichen und weiblichen Erwachsenen lesen, schreiben und rechnen lernen“, für die Umsetzung in Deutschland? Wie misst die Bundesregierung die Erreichung dieses Ziels? Der Bundesregierung liegen keine systematischen Erhebungen zu Unterziel 4.6 des Nachhaltigkeitsziels 4 der Agenda 2030 der Vereinten Nationen vor. Die Schulbildung liegt nach der Zuständigkeitsverteilung des Grundgesetzes im Verantwortungsbereich der Länder. Es obliegt daher grundsätzlich den Ländern sicherzustellen, dass alle Jugendlichen lesen, schreiben und rechnen lernen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11506 – 22 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Der Bund hat im Rahmen seiner Zuständigkeiten vielfältige Maßnahmen der Alphabetisierung und der Verbesserung von Grundkompetenzen ergriffen. So wurde im Rahmen der Nationalen Weiterbildungsstrategie 2019 der Schwerpunkt „Förderung der Vermittlung von Grundkompetenzen Lesen, Schreiben und Rechnen durch Fortsetzung der Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung; Aufbau niedrigschwelliger Angebote zur Vermittlung digitaler Grundkompetenzen“ gesetzt. Mit der „Nationalen Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung“ (AlphaDekade) setzen sich Bund, Länder und Partner im Zeitraum von 2016 bis 2026 verstärkt dafür ein, die Grundbildung Erwachsener in Deutschland zu verbessern . Das BMBF fördert die AlphaDekade mit bis zu 180 Mio. Euro. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333