Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 20. November 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/116 19. Wahlperiode 22.11.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Martina Renner, Dr. André Hahn, Ulla Jelpke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/35 – Einsatz und Verwendung von Accounts in Kommunikationsnetzwerken durch Bundesbehörden der Polizei und den Zoll V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die „Frankfurter Rundschau“ berichtete im Zusammenhang mit dem Strafprozess gegen Phillip K., welcher dem Münchner OEZ-Attentäter David S. die beim Attentat am Olympia-Einkaufszentrum München am 22. Juli 2016 verwendete Waffe verkauft haben soll, über Ermittlungen der Zollbehörden in einer Handelsplattform im sogenannten Darknet. Dabei sei mit Zustimmung der hessischen Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität der Darknet-Account eines anderweitig Beschuldigten übernommen und fortgeführt worden. So sei letztlich durch die Ermittlungsbehörden ein Scheingeschäft mit dem Waffenhändler Phillip K. angebahnt worden, bei welchem dieser auf „frischer Tat“ festgenommen werden konnte (www.fr.de/panorama/amokschuetze-vonmuenchen -der-haendler-des-todes-a-1337995). 1. In wie vielen Fällen wurden durch das Bundeskriminalamt (BKA), die Bundespolizei oder den Zoll seit 2013 falsche bzw. legendierte Accounts bei sozialen Netzwerken, für Kommunikationsplattformen, Chaträume, Foren oder ähnlichen Kommunikationsformen zur Gewinnung von weiteren Informationen bzw. bei Ermittlungen eingerichtet und genutzt (bitte einzeln nach Jahr und Behörde auflisten)? Für das Bundeskriminalamt und den Zoll wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 12 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. vom 29. August 2016 auf Bundestagsdrucksache 18/9487 (Beobachtungsansätze der Sicherheitsbehörden in sozialen Netzwerken und im sogenannten Darknet) verwiesen. Die Bundespolizei hat im Jahr 2016 174 und im Jahr 2017 284 pseudonyme Accounts verwendet. Der Zoll führt keine Statistik über zu Zwecken der Informationsgewinnung oder Ermittlungsführung eingerichtete und genutzte Accounts, zudem werden Accounts in der Regel einzelfallbezogen zur Informationsgewinnung eingerichtet und teilweise nur einmalig genutzt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/116 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 2. Unter welchen Voraussetzungen dürfen das BKA, die Bundespolizei oder der Zoll falsche bzw. legendierte Accounts bei sozialen Netzwerken, für Kommunikationsplattformen, Chaträume, Foren oder ähnlichen Kommunikationsformen einrichten? Die Einrichtung solcher pseudonymer Accounts im Rahmen der Strafverfolgung richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften der Strafprozessordnung (StPO). Für den Zoll wird die Geltung der StPO durch § 26 Absatz 1 des Gesetzes über das Zollkriminalamt und die Zollfahndungsämter (ZfdG) angeordnet. Die Nutzung eines Accounts unter einem Pseudonym ist eine heimliche Ermittlungsmaßnahme . Wenn die ermittelnden Beamten unter einer ihnen verliehenen, auf Dauer angelegten, veränderten Identität (Legende) ermitteln, richtet sich die Zulässigkeit der Ermittlungsmaßnahme nach der Vorschrift über verdeckte Ermittler in § 110a StPO. Soweit die ermittelnden Beamten nur gelegentlich verdeckt auftreten, sind diese als nicht offen ermittelnde Polizeibeamte einzuordnen. Rechtsgrundlage für Ermittlungsmaßnahmen von nicht offen ermittelnden Polizeibeamten ist die Ermittlungsgeneralklausel (§§ 161 Absatz 1 Satz 2, 163 Absatz 1 Satz 2 StPO). Bei Ermittlungsmaßnahmen in geschlossenen Chaträumen kann im Einzelfall eine richterliche Anordnung nach § 100e Absatz 1 i. V. m. § 100a Absatz 1 erforderlich sein. 3. Ist der Einsatz solcher falschen bzw. legendierten Accounts durch Dienstanweisungen oder ähnliche Vorschriften geregelt? Im Bundeskriminalamt und im Zoll liegen keine Dienstanweisungen oder ähnliche Vorschriften im fragegegenständlichen Sinne vor. Bei der Bundespolizei ist die Verwendung pseudonymer Accounts in einer Rahmenrichtlinie geregelt. Für Justizbehörden der Länder finden nach Kenntnis der Bundesregierung die Gemeinsamen Richtlinien der Justizminister/-senatoren und der Innenminister/- senatoren der Länder über die Inanspruchnahme von Informanten sowie über den Einsatz von Vertrauenspersonen (V-Personen) und Verdeckten Ermittlern im Rahmen der Strafverfolgung Anwendung (Anlage D RiStBV). Ziffer II der Richtlinien erfasst sowohl den Einsatz von verdeckten Ermittlern als auch den Einsatz von nicht offen ermittelnden Polizeibeamten. 4. Wie und durch welche Verfahrensschritte wird beim Einsatz von falschen bzw. legendierten Accounts zur Informationsgewinnung bzw. im Rahmen von Ermittlungsverfahren im Einzelnen sichergestellt, dass Verarbeitung, Speicherung und Weitergabe der durch den Einsatz falscher bzw. legendierter Accounts erlangten Daten der datenschutzrechtlichen Zweckbindung entspricht ? Die beim Einsatz von pseudonymen Accounts erlangten Daten sind, im Übrigen wie alle im Rahmen von Ermittlungsverfahren erhobenen Daten, per se zweckgebunden . Die Weitergabe/-verarbeitung richtet sich nach Maßgabe der §§ 477 ff. StPO. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/116 5. Wie und durch welche Verfahrensschritte wird beim Einsatz von falschen bzw. legendierten Accounts zur Informationsgewinnung bzw. im Rahmen von Ermittlungsverfahren im Einzelnen sichergestellt, dass die so erlangten Daten nicht dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung zuzurechnen sind? Für die Zuordnung, ob es sich bei den mittels eines pseudonymen Accounts zur Informationsgewinnung erlangten Daten um kernbereichsrelevante Daten handelt , gelten die gleichen datenschutzrechtlichen Bestimmungen wie bei der allgemeinen Bearbeitung von Ermittlungsverfahren. Die Entscheidung erfolgt über die das Ermittlungsverfahren sachleitende Staatsanwaltschaft. Kernbereichsrelevante Daten sind unmittelbar zu löschen. 6. In wie vielen Fällen wurden durch das BKA, die Bundespolizei oder den Zoll seit 2013 Accounts bei sozialen Netzwerken, für Kommunikationsplattformen , Chaträume, Foren oder ähnlichen Kommunikationsformen zur Gewinnung von weiteren Informationen bzw. bei Ermittlungen genutzt, die zuvor von Dritten eingerichtet worden waren (bitte einzeln nach Jahr und Behörde auflisten)? Durch das Bundeskriminalamt wurden nachfolgende Anzahlen von Accounts genutzt , die zuvor von Dritten eingerichtet worden waren: 2014: 2 2015: 1 2016: 1 2017: 0 (Stand: 8. November 2017). Durch die Bundespolizei wurden nachfolgende Anzahlen von Accounts genutzt, die zuvor von Dritten eingerichtet worden waren: 2016: 15 2017: 21. Der Zoll führt keine Statistik über die Anzahl genutzter Accounts, die zuvor von Dritten eingerichtet wurden. 7. In wie vielen Fällen handelte es sich bei den in Frage 6 genannten Accounts um solche, die zuvor von Beschuldigten, Zeugen, Hinweisgebern, Informanten oder Kontaktpersonen bereits anhängiger Ermittlungen eingerichtet worden waren (bitte einzeln nach Jahr, Rolle des ursprünglichen Accountinhabers und Behörde auflisten)? Beim Bundeskriminalamt handelte es sich in allen vier, bei der Bundespolizei in einem der in der Antwort zu Frage 6 aufgeführten Fälle um Accounts von Beschuldigten bereits anhängiger Ermittlungsverfahren. Beim Zoll wurden auf Weisung der sachleitenden Staatsanwaltschaft / mit Beschluss des zuständigen Gerichts ausschließlich Accounts von Beschuldigten genutzt . Eine Statistik dazu führt der Zoll nicht. Auf die Antwort zu Frage 6 wird verwiesen . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/116 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 8. Unter welchen Voraussetzungen dürfen das BKA, die Bundespolizei oder der Zoll Accounts bei sozialen Netzwerken, für Kommunikationsplattformen , Chaträume, Foren oder ähnlichen Kommunikationsformen fortführen und verwenden, die zuvor von Personen im Sinne der Frage 6 eingerichtet bzw. genutzt wurden? 9. Unter welchen Voraussetzungen dürfen das BKA, die Bundespolizei oder der Zoll Accounts Dritter bei sozialen Netzwerken, für Kommunikationsplattformen , Chaträume, Foren oder ähnlichen Kommunikationsformen übernehmen und für eigene Zwecke nutzen? Auf die Antwort zu Frage 2 wird hier sinngemäß verwiesen. 10. Ist der Einsatz solcher von Dritten übernommenen Accounts durch Dienstanweisungen oder ähnliche Vorschriften geregelt? Der Einsatz von Accounts im fragegegenständlichen Sinne ist für das Bundeskriminalamt , die Bundespolizei und den Zoll nicht durch Dienstanweisungen oder ähnliche Vorschriften geregelt. Für Justizbehörden der Länder finden nach Kenntnis der Bundesregierung die Gemeinsamen Richtlinien der Justizminister/-senatoren und der Innenminister/ -senatoren der Länder über die Inanspruchnahme von Informanten sowie über den Einsatz von Vertrauenspersonen (V-Personen) und Verdeckten Ermittlern im Rahmen der Strafverfolgung Anwendung (Anlage D RiStBV). Ziffer II der Richtlinien erfasst sowohl den Einsatz von verdeckten Ermittlern als auch den Einsatz von nicht offen ermittelnden Polizeibeamten. 11. Inwieweit und in wie vielen Fällen im Sinne der Frage 6 wurden aufgrund bzw. nach der Übernahme der Accounts noch Ermittlungen gegen die vorherigen Inhaber eingeleitet (bitte einzeln nach Jahr und Grund für die Einleitung weiterer Verfahren auflisten)? Auf die Antworten zu Fragen 6 und 7 wird verwiesen. Beim Bundeskriminalamt und beim Zoll waren die vorherigen Inhaber der in der Antwort zu den Fragen 6 bzw. 7 aufgeführten Accounts bereits Beschuldigte in anhängigen Strafverfahren. Bei der Bundespolizei wurden in keinem Fall Ermittlungen gegen die vorherigen Inhaber eingeleitet. 12. Inwieweit und unter welchen Voraussetzungen wurde nach Kenntnis der Bundesregierung in den Fällen im Sinne der Fragen 7 und 11 die Nutzung und Fortführung des Accounts zugunsten der vorherigen Inhaber berücksichtigt (bitte einzeln nach Jahr, Behörde, Art der Berücksichtigung zu Gunsten des vorherigen Inhabers auflisten)? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, inwiefern die Überlassung eines Accounts durch den Beschuldigten in Bezug auf das Strafmaß durch das Gericht gewürdigt wurde. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/116 13. Wie und durch welche Verfahrensschritte wird beim Einsatz solcher von Dritten übernommenen Accounts zur Informationsgewinnung bzw. im Rahmen von Ermittlungsverfahren im Einzelnen sichergestellt, dass Verarbeitung , Speicherung und Weitergabe der durch den Einsatz falscher bzw. legendierter Accounts erlangten Daten der datenschutzrechtlichen Zweckbindung entspricht? Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen. 14. Wie und durch welche Verfahrensschritte wird beim Einsatz solcher von Dritten übernommenen Accounts zur Informationsgewinnung bzw. im Rahmen von Ermittlungsverfahren im Einzelnen sichergestellt, dass die auf diesem Wege erlangten Daten nicht dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung zuzurechnen sind? Auf die Antwort zu Frage 5 wird verwiesen. 15. In wie vielen Fällen konnten durch den Einsatz solcher übernommenen Accounts Beweismittel für Ermittlungsverfahren erlangt werden (bitte einzeln nach Jahr, Behörde, bereits laufende Ermittlungen und neu eingeleitete Ermittlungsverfahren auflisten)? Im Bundeskriminalamt konnten im Jahr 2014 in zwei und im Jahr 2015 in einem laufenden Ermittlungsverfahren durch die Übernahme des Accounts Beweismittel erlangt werden. Bei der Bundespolizei wurden im Jahr 2016 in zehn und im Jahr 2017 in neun Fällen Beweismittel gesichert. Der Zoll führt keine Statistik im Sinne der Fragestellung. Auf die Antwort zu Frage 6 wird verwiesen. 16. Wie viele Personen waren seit 2013 durch die Nutzung von falschen bzw. legendierten oder von Dritten übernommenen Accounts betroffen, ohne dass diese selbst Ziel von Ermittlungen waren oder als Zeugen in einem solchen Verfahren in Betracht kamen, so dass die über sie erlangten Daten wieder gelöscht werden mussten? Im Bundeskriminalamt, in der Bundespolizei und im Zoll werden keine Statistiken im fragegegenständlichen Sinne geführt. 17. Wie viele Personen, deren Daten entsprechend der Frage 16 gelöscht wurden , waren Berufsgeheimnisträgerinnen? 18. Wie viele Personen, deren Daten entsprechend der Frage 16 gelöscht wurden , wurden über den Umstand der Datenerhebung und Datenlöschung informiert ? Auf die Antwort zu Frage 16 wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333