Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 11. Juli 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/11667 19. Wahlperiode 15.07.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Till Mansmann, Michael Theurer, Jens Beeck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/11214 – Auswirkungen und Evaluierung des Gesetzes zur Änderung der Arbeitnehmerüberlassung V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Seit April 2017 ist die Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) in Kraft. Die Neuregelungen, die im Kern auf die missbräuchliche Nutzung gerichtet waren, haben auch für die legale Zeitarbeit zu neuen bürokratischen Hürden geführt, beispielsweise bei der neu eingeführten Bezeichnungs- und Konkretisierungspflicht (§ 1 Absatz 1 Satz 5 und 6 AÜG). Hier drohen nunmehr auch bei nur geringen formalen Fehlern und Ungenauigkeiten, wie einer versehentlichen Falschbezeichnung des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages, empfindliche Bußgelder. Der Gesetzgeber hat es zudem unterlassen, die rechtsverbindliche Form der Konkretisierung zu bestimmen, so dass in der Praxis unklar ist, ob die Konkretisierung die Schriftform erfordert (§ 126 des Bürgerlichen Gesetzbuches –BGB, z. B. eigenhändige Unterschrift) oder aber die Textform gemäß § 126b BGB ausreichend ist, die auch die elektronische Kommunikation z. B. durch E-Mail mit umfasst. Die hierzu veröffentlichten missverständlichen Aussagen der Bundesagentur für Arbeit in der Fachlichen Weisung zum AÜG haben diese Rechtsunsicherheit noch vergrößert (vgl. S. 20, https://con. arbeitsagentur.de/prod/apok/ct/dam/download/documents/FW-AUeG_ba016586. pdf). Offen ist auch, ob die neu eingeführten Bürokratiepflichten auch für Altverträge gelten – eine solche Rückwirkung des Gesetzes wird von der Bundesagentur für Arbeit ohne weitere Begründung vertreten (vgl. die oben zitierte Fachliche Weisung, S. 20 f.). Erste arbeitsgerichtliche Rechtsprechung hält eine solche Rückwirkung für verfassungsrechtlich bedenklich (Arbeitsgericht Mainz, Urteil vom 28. Juni 2018 – 3 Ca 111/18). Auch hier hat die handwerklich schlechte Ausgestaltung der Neuregelung zu enormer Rechtsunsicherheit bei Ver- und Entleihern geführt. Besondere Probleme verursacht zudem die neu eingeführte gesetzliche Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten (§ 1 Absatz 1b Satz 1 AÜG). Hier hat es der Gesetzgeber nach Auffassung der Fragesteller bereits formal unterlassen, eine rechtssichere Regelung zu schaffen. Unklar blieb etwa, wie die 18-monatige Frist überhaupt zu berechnen ist, d. h. ob nach der kalendarischen Berechnungsweise (§§ 187 Absatz 1, 188 BGB) oder aber nach der kaufmännischen Berech- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11667 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode nungsweise (§ 191 BGB). Auch inhaltlich verfehlt die Regelung ihr eigentliches Ziel, die Übernahmechancen von Zeitarbeitnehmern zu verbessern – das Gegenteil ist der Fall. Wenn Zeitarbeitnehmer und Kundenbetrieb mit dem Einsatz zufrieden sind, muss der Zeitarbeitnehmer gegebenenfalls mitten in einem Auftrag das Einsatzunternehmen mit Ablauf der Frist zwangsweise verlassen. Die Annahme, durch eine Überlassungshöchstdauer könnten Anreize zur Übernahme geschaffen werden, ist in der Praxis kaum belegt. Zeitarbeit wird von den Kundenbetrieben in den allermeisten Fällen gerade als dringend benötigter Flexibilitätspuffer oder zur Überbrückung von Auftragsspitzen eingesetzt. Insbesondere bei unsicherer Auftragslage und der sich derzeit eintrübenden Wirtschaftslage kann das Gros der Betriebe eine Übernahme in die Stammbeschäftigung gerade nicht verantworten, weshalb die Überlassungshöchstdauer gut funktionierende Einsätze künstlich kappt. Die Fristen treffen somit vor allem die Zeitarbeitnehmer selbst und erschweren es, dass ein gut eingearbeiteter Zeitarbeitnehmer im Einsatzbetrieb längerfristig Fuß fasst – was dessen Übernahmechancen langfristig zunichtemacht. Stattdessen muss sich die Zeitarbeitskraft in einem anderen Einsatzunternehmen neu einarbeiten, während finanziell attraktive Einsätze abgebrochen werden, bei denen aufgrund der längeren Überlassungsdauer besonders hohe Branchenzuschläge fällig sind (tarifliches Equal Pay). Die Ansprüche bei dem neuen Einsatzbetrieb fallen im Regelfall hinter den bisherigen Standard deutlich zurück. Besonders hart werden auch hochqualifizierte Zeitarbeitnehmer getroffen, deren Einarbeitung wegen der Komplexität des Auftrags besonders lang ist und die dadurch häufiger projektgebundene Arbeiten übernehmen, die im Regelfall mehr als 18 Monate dauern. Zugleich wurden nach Auffassung der Fragesteller mit der gesetzlichen Regelung auch Pflegeoder Elternzeitvertretungen, die die Überlassungsfrist überschreiten, massiv erschwert . Die Änderungen haben insgesamt zu Verunsicherung und Rechtsunsicherheit bei Zeitarbeitsunternehmen und ihren Kunden geführt. Nach § 20 AÜG ist die Anwendung des Gesetzes und vor allem auch der genannten Reformen im Jahr 2020 zu evaluieren. Im Rahmen dieses Evaluierungsprozesses besteht auch die Möglichkeit, eingetretene Fehlwirkungen objektiv und unter Hinzunahme der betroffenen Akteure in der Zeitarbeitsbranche zu beleuchten und Abhilfe zu schaffen. Durch zielgenaue Re- bzw. Deregulierungen lassen sich Anreize schaffen, die sich positiv auf die eigentliche Zielrichtung der Branche auswirken , nämlich ihre Funktion als wichtiges Flexibilisierungsinstrument für Entleiher bei unsicheren Auftragslagen sowie als Einstieg in eine dauerhafte Beschäftigung für Arbeitnehmer. Zeitarbeit ist nachweislich eine besonders effektive Brücke in den Arbeitsmarkt für (Langzeit-)Arbeitslose, Geringqualifizierte, ausländische Arbeitnehmer und Geflüchtete (vgl. Bundesagentur für Arbeit, Aktuelle Entwicklungen in der Zeitarbeit, Januar 2019, https://statistik. arbeitsagentur.de/Statischer-Content/Arbeitsmarktberichte/Branchen/generische- Publikationen/Arbeitsmarkt-Deutschland-Zeitarbeit-Aktuelle-Entwicklung.pdf). V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g : Das Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze, welches am 1. April 2017 in Kraft getreten ist, enthält vielfältige Maßnahmen zur Verbesserung der Stellung und fairen Bezahlung von Leiharbeitskräften , zur Orientierung der Leiharbeit auf ihre Kernfunktion sowie zur Bekämpfung des Missbrauchs von Werkvertragsgestaltungen. Zur Bekämpfung des Missbrauchs von Werkvertragsgestaltungen wurden unter anderem neue Transparenzpflichten eingeführt. So ist eine Arbeitnehmerüberlassung vor der Überlassung zwischen Verleiher und Entleiher sowie gegenüber den Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/11667 Leiharbeitskräften offenzulegen. Damit wird verdeckter oder als vermeintlicher Werkvertrag falsch bezeichneter Arbeitnehmerüberlassung entgegengewirkt. Aus der Sicht der Bundesregierung besteht weder Rechtsunklarheit bezüglich der Form der Konkretisierungspflicht, noch sind die Aussagen der Bundesagentur für Arbeit in den Fachlichen Weisungen zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz missverständlich . Im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ist festgelegt, dass Verleiher und Entleiher die Überlassung von Leiharbeitskräften in ihrem Vertrag ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassung zu bezeichnen haben (sog. Offenlegungspflicht ). Der Überlassungsvertrag zwischen Ver- und Entleiher unterliegt nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz der Schriftform, weshalb auch die Offenlegung schriftlich zu erfolgen hat. Diese Konkretisierung muss nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz nicht im Überlassungsvertrag stattfinden, sondern kann auch unter Bezugnahme auf diesen Vertrag erfolgen. Somit kann die Konkretisierung auch in anderer geeigneter Form, z. B. in Textform, erfolgen. Aus den Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit wird eben dies deutlich (weitere Ausführungen siehe Antwort zu Frage 1b). Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass die Pflicht zur Bezeichnung und Konkretisierung nach § 1 Absatz 1 Satz 5 und Satz 6 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) auch für Überlassungsverträge gilt, die vor dem 1. April 2017 geschlossen wurden. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes . Eine Übergangsregelung für die Transparenzpflichten (Offenlegung und Konkretisierung) ist nicht vorgesehen, obwohl es andere Übergangsregelungen gibt. Es handelt sich um eine zulässige sogenannte unechte Rückwirkung (weitere Ausführungen siehe Antwort zu Frage 1d). Zur Orientierung der Leiharbeit auf ihre Kernfunktionen wurde eine gesetzliche Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten eingeführt. Abweichende Überlassungshöchstdauern , die auch Pflege- und Elternzeitvertretungen durch eine einzelne Leiharbeitskraft ermöglichen, können vorrangig die Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche festlegen. Mit der Neuregelung zur Überlassungshöchstdauer wurde das bereits zuvor geltende Verbot einer nicht nur vorübergehenden Überlassung von Leiharbeitskräften konkretisiert und so Rechtssicherheit geschaffen. Das Bundesarbeitsgericht hat bereits im Jahr 2013 entschieden, dass die nicht nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung untersagt ist (Beschluss vom 10. Juli 2013 – 7 ABR 91/11, Urteil vom 10. Dezember 2013 - 9 AZR 51/13). Mit der Überlassungshöchstdauer wird zum einen ein Anreiz für Entleiher geschaffen, eingearbeitete Leiharbeitskräfte in die Stammbelegschaft zu übernehmen. Zum anderen wird die Arbeitnehmerüberlassung auf ihre Kernfunktion orientiert, nämlich den vorübergehenden Einsatz von Leiharbeitskräften zur Abdeckung von Auftragsspitzen. Dadurch wird unter anderem die dauerhafte Aufspaltung der Arbeitgeberstellung bei der Arbeitnehmerüberlassung vermieden sowie der Verdrängung der Stammbelegschaft entgegengewirkt. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat die Vergabe eines wissenschaftlichen Forschungsvorhabens zur Evaluation des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes eingeleitet. Im Rahmen der Evaluation sollen auch die Erfahrungen und Bewertungen der Sozialpartner, der öffentlichen Arbeitgeber sowie der Kontrollbehörden Bundesagentur für Arbeit und Zollverwaltung eingeholt werden. Wegen des großen Interesses der Sozialpartner und um deren Sicht schon bei der Konkretisierung des Forschungsinteresses angemessen zu berücksichtigen, wurde bereits einige Monate vor Beginn des Vergabeverfahrens im Bundesministerium für Arbeit und Soziales ein Informationsgespräch durchgeführt. An diesem haben unter anderem Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11667 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), des Bundesarbeitgeberverbandes der Personaldienstleister (BAP) und des Interessenverbandes Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) sowie der Bundesagentur für Arbeit teilgenommen. 1. Wie, und woran bemisst die Bundesregierung derzeit grundsätzlich den Erfolg der Änderungen im AÜG im Jahr 2017, auch vor dem Hintergrund der in der Vorbemerkung der Fragesteller dargestellten Rechtsunsicherheiten, die durch die Neuregelungen eingetreten sind? a) Geht die Bundesregierung davon aus, dass Verträge, die legale Arbeitnehmerüberlassung zum Inhalt haben und etwa als „Vertrag über Personalgestellung “ oder ähnlich bezeichnet worden sind, nach der Einführung der sog. Bezeichnungspflicht in § 1 Absatz 1 Satz 5 AÜG unwirksam bzw. bußgeldbewährt sind, wonach der Einsatz von Zeitarbeitnehmern „ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassung zu bezeichnen“ ist? Gibt es Erkenntnisse über die Anzahl der Sanktionen, die in diesem Zusammenhang bisher verhängt wurden (falls ja, bitte detailliert anführen)? Die Fragen 1 und 1a werden gemeinsam beantwortet. Die Überlassung von Leiharbeitskräften ist im Vertrag zwischen dem Verleiher und dem Entleiher ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassung zu bezeichnen, siehe § 1 Absatz 1 Satz 5 AÜG. Die Regelung dient zusammen mit der Konkretisierungspflicht (siehe § 1 Absatz 1 Satz 6, vgl. auch die Antwort zu Frage 2) dazu, missbräuchliche Gestaltungen des Fremdpersonaleinsatzes zu vermeiden, wie sie vor der Änderung des AÜG aufgetreten sind. Auch soll diese Regelung verhindern, dass der vermeintliche Werkunternehmer und sein Auftraggeber bei der Vorlage einer Verleiherlaubnis (sogenannte Vorratserlaubnis) bessergestellt werden, als derjenige, der ohne die erforderliche Erlaubnis Arbeitnehmerüberlassung betreibt. Arbeitnehmerüberlassung hat daher offengelegt zu erfolgen. Die verdeckte Arbeitnehmerüberlassung ist gesetzlich sanktioniert. Entsprechend diesem Gesetzeszweck muss sich aus der Vertragsbezeichnung - gegebenenfalls im Wege der Auslegung - eindeutig ergeben, dass eine Arbeitnehmerüberlassung erfolgen soll. Mit dem Begriff „Personalgestellung“ wird nicht in jedem Fall und damit eindeutig Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des AÜG bezeichnet, vielmehr wird Personalgestellung gerade auch in Abgrenzung zur Arbeitnehmerüberlassung verwandt . Es liegen keine Daten über die Anzahl der Sanktionen, die in diesem Zusammenhang verhängt wurden, vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/11667 b) Welche Anforderungen müssen Zeitarbeitsunternehmen und deren Kunden nach Auffassung der Bundesregierung derzeit erfüllen, um die Konkretisierungspflicht nach § 1 Absatz 1 Satz 6 AÜG rechtssicher zu erfüllen , und wie beurteilt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die von der Bundesagentur auf Seite 20 ihrer Fachlichen Weisung geäußerte Rechtsauffassung, dass bei Einzelüberlassungsverträgen die Konkretisierung in Schriftform (§ 126 BGB) erfolgen muss und bei Rahmenverträgen die Konkretisierung in Textform (§ 126b BGB) ausreichend ist? Wie erklärt die Bundesregierung diese Differenzierung, obwohl hierzu keine Regelung im AÜG getroffen wurde? Wie verträgt sich ein Schriftformerfordernis nach § 126 BGB mit dem Umstand, dass Einsätze in der Zeitarbeitsbranche oftmals kurzfristig erfolgen und die Wahrung der Schriftform die eigenhändige Unterschrift und den Zugang der unterzeichneten Erklärung beim Vertragspartner voraussetzt ? Nach Auffassung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales kann die Konkretisierung der Person der Leiharbeitskraft nach § 1 Absatz 1 Satz 6 AÜG bereits im Rahmen des Vertrages zwischen Verleiher und Entleiher erfolgen. In einem solchen Fall hat die Konkretisierung in Schriftform zu erfolgen, da der Überlassungsvertrag insgesamt der Schriftform unterliegt, vgl. § 12 Absatz 1 Satz 1 AÜG i. V. m. § 126 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Die schriftliche Form kann durch die elektronische Form ersetzt werden, vgl. §§ 126 Absatz 3, 126a BGB. Auf diesem Wege sind Vertragsabschlüsse auch über räumliche Distanz hinweg kurzfristig möglich. Erfolgt die Konkretisierung nicht im Überlassungsvertrag, sondern unter Bezugnahme auf diesen Vertrag, unterliegt die Konkretisierung nicht der Schriftform. Die Konkretisierung kann in einem solchen Fall nach Auffassung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales auch in Textform oder in anderer geeigneter Form stattfinden. Dies ergibt sich auch aus den Fachlichen Weisungen zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz der Bundesagentur für Arbeit. c) Plant die Bundesregierung, die Rechtsunsicherheit bei der Durchführung der Konkretisierung nach § 1 Absatz 1 Satz 6 AÜG durch eine klarstellende Gesetzesänderung zu beseitigen? Falls ja, mit welchen Vorgaben bezüglich der Form? Falls nein, warum nicht? Eine Änderung des § 1 Absatz 1 Satz 6 AÜG ist aus Sicht der Bundesregierung nicht nötig (siehe die Antwort zu Frage 1b) und daher auch nicht geplant. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11667 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode d) War es Absicht der Bundesregierung, im Rahmen der Pflicht zur Bezeichnung und Konkretisierung nach § 1 Absatz 1 Satz 5 und 6 AÜG auch Altverträge uneingeschränkt zu erfassen, die vor dem 1. April 2017 geschlossen wurden, so wie es die für die Ausführung des Gesetzes zuständige Bundesagentur für Arbeit auf Seite 20 ihrer Fachlichen Weisung vom 20. März 2017 vertritt? Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Bundesagentur für Arbeit? Wie beurteilt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 28. Juni 2018 (Az. 3 Ca 111/18), das für Recht erkannt hat, dass das Gesetz zur Änderung des AÜG explizit keine Rückwirkung zulasse und eine solche auch verfassungsrechtlich bedenklich sei? Die Bundesregierung ist wie die Bundesagentur für Arbeit der Auffassung, dass die Pflicht zur Bezeichnung und Konkretisierung nach § 1 Absatz 1 Satz 5 und Satz 6 AÜG auch für Verträge und Überlassungsvorgänge gilt, die vor dem 1. April 2017 geschlossen wurden und über den 1. April 2017 hinaus fortgesetzt werden. Anders als das Arbeitsgericht Mainz (Urteil vom 28. Juni 2018 – 3 Ca 111/18) geht die Bundesregierung davon aus, dass es dafür keiner konkreten Anordnung der Rückwirkung bedurfte und dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine zulässige sogenannte unechte Rückwirkung. e) Ist der Bundesregierung bekannt, in wie vielen Fällen es aufgrund einer Nichtbeachtung der gesetzlichen Höchstüberlassungsdauer zu der Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher nach § 9 Absatz 1 Nummer 1b i. V. m. § 10 Absatz 1 AÜG kam? Die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher wegen Nichtbeachtung der gesetzlichen Überlassungshöchstdauer (vgl. § 9 Absatz 1 Nummer 1b i. V. m. § 10 Absatz 1 AÜG) kann wegen der Übergangsregelung des § 19 Absatz 2 AÜG erst seit dem 1. Oktober 2018 eintreten. Der Eintritt der Fiktion setzt zudem voraus , dass die Leiharbeitskraft nicht innerhalb eines Monats nach Überschreiten der Überlassungshöchstdauer schriftlich erklärt, dass sie an dem Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festhalten will. Die Fälle von gesetzlich fingierten Arbeitsverhältnissen nach § 9 Absatz 1 Nummer 1b i. V. m. § 10 Absatz 1 AÜG werden nicht statistisch erfasst. Daher ist nicht bekannt, in wie vielen Fällen Verstöße gegen die Überlassungshöchstdauer seit dem 1. Oktober 2018 zur Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher geführt haben. f) Ist der Bundesregierung bekannt, in wie vielen Fällen Zeitarbeitnehmer aufgrund eines drohenden Ablaufs der gesetzlichen Höchstüberlassungsdauer vom Entleiher in ein Arbeitsverhältnis übernommen oder aber an den Verleiher zurückgeschickt wurden? Wie hat sich die Zahl der Übernahmen aus der Zeitarbeit in ein Arbeitsverhältnis bei den Entleihern seit dem Inkrafttreten der AÜG-Reform im April 2017 verändert? Fälle, in denen der drohende Ablauf der Überlassungshöchstdauer dazu geführt hat, dass Leiharbeitskräfte vom Entleiher in die Stammbelegschaft übernommen wurden oder aber an den Verleiher zurückgeschickt wurden, werden statistisch Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/11667 nicht erfasst. Dies gilt auch für die Anzahl der Übernahmen aus der Leiharbeit in ein Arbeitsverhältnis beim Entleiher seit dem 1. April 2017. 2. Gibt es für die Evaluation von Gesetzen einen festen, etablierten Prozess? Wenn ja, wie sieht dieser Prozess aus? 3. Wenn es bisher keine festen Prozessabläufe für die Evaluation von Gesetzen gibt, wann und von welcher Institution könnte zukünftig ein solcher Evaluationsprozess festgelegt werden? Die Fragen 2 und 3 werden gemeinsam beantwortet. Für Evaluierung von Gesetzen gilt die Konzeption zur Evaluierung neuer Regelungsvorhaben , die der Staatssekretärsausschuss Bürokratieabbau am 23. Januar 2013 beschlossen hat. Danach sind alle Ressorts verpflichtet, wesentliche Regelungsvorhaben drei bis fünf Jahre nach deren Inkrafttreten zu evaluieren. Ein Vorhaben gilt als wesentlich, wenn der ex ante geschätzte jährliche Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft oder die Verwaltung den Betrag von 1 Mio. Euro übersteigt . Auch wenn für Bürgerinnen und Bürger der jährliche Sachaufwand mindestens 1 Mio. Euro oder der jährliche Zeitaufwand mindestens 100 000 Stunden beträgt, gilt ein Vorhaben als wesentlich. Die Evaluierung ist hinsichtlich ihrer Tiefe, der Methodik und ihres Umfangs nicht vorbestimmt. Diese Entscheidungen obliegen dem jeweils federführenden Ressort. 4. Wie stellt die Bundesregierung unter den derzeitigen Gegebenheiten sicher, dass der Deutsche Bundestag rechtzeitig in die Prozesse der Gesetzesevaluierung eingebunden und umfassend über den Fortgang und die Ergebnisse solcher Prozesse informiert wird? Die Bundesregierung unterrichtet den Deutschen Bundestag jährlich über die Ergebnisse und Fortentwicklung auf dem Gebiet der besseren Rechtsetzung. Im Rahmen dieser Berichtspflicht informiert die Bundesregierung den Deutschen Bundestag auch über den Fortgang und die Ergebnisse der Gesetzesevaluierungen . 5. In welcher Form plant die Bundesregierung die Durchführung der Evaluation des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes im Jahr 2020? a) Wie sieht die Zeitplanung für den Evaluationsprozess aus? b) Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung bereits in Hinblick auf die Evaluation des AÜG in die Wege geleitet? Die Fragen 5 bis 5b werden gemeinsam beantwortet. Das Vergabeverfahren für die Durchführung der Evaluation des AÜG im Jahr 2020 wurde durch die Veröffentlichung der europaweiten Ausschreibung am 18. Juni 2019 begonnen (https://ted.europa.eu/udl?uri=TED:NOTICE:282899- 2019:TEXT:EN:HTML&tabId=1). Als zeitlicher Rahmen für das Forschungsvorhaben ist eine Dauer von 26 Monaten ab Zuschlagserteilung geplant. Im Anschluss an das Forschungsvorhaben sind die Forschungsergebnisse zu bewerten. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11667 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode c) Werden bei der Evaluation nur die Auswirkungen der Gesetzesänderungen aus dem Jahr 2017 oder auch die Anwendung des gesamten Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes untersucht? Bei der Evaluation soll schwerpunktmäßig die Wirksamkeit der Neuregelungen evaluiert werden. d) Ist bereits bekannt, anhand welcher Kriterien und Fragestellungen die Evaluation erfolgen soll? Wird auch der durch die AÜG-Reform im Jahr 2017 entstandene administrative und zeitliche Mehraufwand für entleihende Unternehmen sowie deren Kunden untersucht? Falls ja, auf welcher Basis findet bzw. fand das statt (bitte im Detail aufführen )? Das Vergabeverfahren (Verhandlungsverfahren) für das Forschungsvorhaben ist noch nicht abgeschlossen. Die Ziele und das Erkenntnisinteresse wurden im Detail in der Leistungsbeschreibung für das Forschungsvorhaben zur Evaluation des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes dargestellt. Diese ist auf der Vergabeplattform veröffentlicht und bis einschließlich 17. Juli 2019 einsehbar (www. evergabe-online.de/tenderdocuments.html?1&id=251503). Die Wirkungen der Neuregelungen im AÜG auf die ver- und entleihenden Unternehmen sind Teil des Erkenntnisinteresses. e) Wird die Evaluation mithilfe externer Institutionen durchgeführt? Falls ja, sind diese bereits bestimmt? f) Nach welchen Kriterien erfolgte bzw. erfolgt die Auswahl der beteiligten Institutionen? g) Wird ggf. eine öffentliche Ausschreibung für die Auftragsvergabe an externe Institutionen durchgeführt? Die Fragen 5e bis 5g werden gemeinsam beantwortet. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat die Vergabe eines wissenschaftlichen Forschungsvorhabens zur Evaluation des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes eingeleitet. Die Auftragsvergabe erfolgt im Wege eines europaweiten Vergabeverfahrens (Verhandlungsverfahren). Das Vergabeverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Die Kriterien für die Vergabe sind die Qualität, insbesondere ein schlüssiges und inhaltlich begründetes Forschungsdesign einschließlich der Begründung der vorgeschlagenen methodischen Herangehensweise bezogen auf den Untersuchungsgegenstand, der Preis sowie die Zweckmäßigkeit des Angebots . Die Details sind auf der Vergabeplattform veröffentlicht und bis einschließlich 17. Juli 2019 einsehbar (www.evergabe-online.de/tenderdocuments.html ?4&id=251503). Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 5a und 5b verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/11667 h) Inwieweit werden weitere externe Institutionen (z. B. Bundesagentur für Arbeit, Statistisches Bundesamt, Zoll, Verwaltungsberufsgenossenschaft ), die regelmäßig Daten über die Zeitarbeit erheben, mit in den Evaluationsprozess eingebunden? Bei der Beantwortung der Forschungsfragen können alle Instrumente des Spektrums qualitativer und quantitativer Sozialforschung genutzt und die Erfahrungen und Erkenntnisse aller Akteure (Leiharbeitskräfte, Verleih- und Entleihunternehmen , Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften, Bundesagentur für Arbeit, Behörden der Zollverwaltung) berücksichtigt werden. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 5a, 5b und 5d verwiesen. i) Wie stellt die Bundesregierung die Beteiligung des Deutschen Bundestages an der Planung und Durchführung der Evaluation und insbesondere an der Interpretation und Bewertung der Ergebnisse sicher? Die Planung und die Durchführung der Evaluation, also insbesondere die Ermittlung und Formulierung des Erkenntnisinteresses sowie die Durchführung des Vergabeverfahrens, ist Aufgabe der Bundesregierung. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 2 bis 4 verwiesen. j) Wie stellt die Bundesregierung darüber hinaus sicher, dass die vom Gesetz betroffenen Akteure (Zeitarbeitnehmerinnen und Zeitarbeitnehmer; Kundenunternehmen; Zeitarbeitsunternehmen) ihre Erfahrungen mit in den Prozess einbringen können? Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung sowie die Antworten zu den Fragen 5a und 5b sowie 5h verwiesen. k) Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass die Daten zur Evaluation des AÜG repräsentativ und valide sind? Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat die Vergabe eines wissenschaftlichen Forschungsvorhabens zur Evaluation des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes eingeleitet. Die Bewerber haben ein schlüssiges Konzept vorzulegen , das repräsentative und valide Daten liefert. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 5a und 5b sowie 5h verwiesen. l) Wie hoch ist das Budget, das die Bundesregierung für die AÜG-Evaluation vorgesehen hat? Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat Haushaltsmittel in Höhe von bis zu 2 Mio. Euro eingeplant. m) In welcher Form plant die Bundesregierung die Veröffentlichung der Ergebnisse der AÜG-Evaluation? n) Wann soll die Evaluation abgeschlossen sein? o) Wann sollen die Ergebnisse der Evaluation veröffentlicht werden? p) In welcher Form sollen die Ergebnisse der Evaluation veröffentlicht werden ? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11667 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode q) Ist geplant, auch die Methodik und die Daten der Evaluation zu veröffentlichen ? Wenn nein, warum nicht? r) Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass Ergebnisse der AÜG- Evaluation zeitnah veröffentlicht werden und sich keine Vorkommnisse wie bei der Studie „Arbeitsqualität in Zeitarbeitsverhältnissen“ des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung und des Instituts für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (www.bmas.de/DE/ Service/Medien/Publikationen/Forschungsberichte/fb486-arbeitsqualitaetin -zeitarbeitsverhaeltnissen.html) zutragen, die das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) in Auftrag gegeben, aber bis Ende Juni 2017 zurückgehalten hatte, bis das Gesetzgebungsverfahren zum AÜG abgeschlossen war, obwohl die Autoren der Studie diese bereits im März 2015 dem Bundesministerium überreicht und explizit festgehalten hatten, dass ihre Ergebnisse „unter Umständen von Relevanz für die aktuelle politische Diskussion bezüglich der Einführung einer Überlassungshöchstdauer “ (Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung/Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik: „Arbeitsqualität in Zeitarbeitsverhältnissen “ – Abschlussbericht – Forschungsvorhaben im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, S. 155) sein könnten ? Die Fragen 5m bis 5r werden gemeinsam beantwortet. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales plant, die Ergebnisse des Forschungsvorhabens nach dessen Abschluss im Jahr 2022 in einem Forschungsbericht zu veröffentlichen. Hierbei ist vorgesehen, in erforderlichem Umfang die Forschungsmethodik und Daten zu veröffentlichen. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 5a und 5b sowie 5d verwiesen. 6. Sind innerhalb der Bundesministerien Zeitarbeitnehmer im Einsatz, auf die das AÜG Anwendung findet (bitte nach Anzahl und Bundesministerien aufschlüsseln )? Im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit sind zwei und im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist eine Leiharbeitskraft im Einsatz. In den übrigen Bundesministerien werden keine Leiharbeitskräfte eingesetzt. 7. Gab es innerhalb der Bundesministerien Zeitarbeitnehmer, die aufgrund der AÜG-Reform aus dem Jahr 2017 nicht mehr beschäftigt werden durften oder konnten (etwa durch Ablauf der Überlassungshöchstdauer)? Falls ja, welche Gründe waren dafür verantwortlich? In den Bundesministerien wurde in keinem Fall der Einsatz von Leiharbeitskräften aufgrund des Inkrafttretens des Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze am 1. April 2017 beendet. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333