Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 16. Juli 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/11764 19. Wahlperiode 19.07.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Konstantin Kuhle, Stefan Thomae, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/11056 – Effektive Bekämpfung von Clankriminalität V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Bedrohung der öffentlichen Sicherheit durch Angehörige krimineller Familienclans ist jüngst durch konkrete Straftaten deutlich geworden. Im September 2018 erschossen mutmaßliche Mitglieder eines Familienclans auf offener Straße in Berlin einen der führenden Köpfe einer konkurrierenden Großfamilie (vgl. DER TAGESSPIEGEL, 10. September 2018, www.tagesspiegel.de/berlin/ kriminelle-clans-in-berlin-neukoelln-am-ende-wurde-nidal-r-selbst-zum-opfer/ 23051064.html, letzter Abruf 30. April 2019). Im März 2017 stahlen Mitglieder eines Familienclans die schwere Goldmünze „Big Maple Leaf“ aus dem Berliner Bode-Museum (vgl. Berliner Zeitung, 2. Februar 2019, www.berlinerzeitung .de/berlin/polizei/der-goldmuenzen-coup-wie-es-gelang--die--big-mapleleaf --aus-dem-bode-museum-zu-stehlen-31975256, letzter Abruf 30. April 2019). Auch ein Überfall auf die Schmuckabteilung des Berliner Kaufhauses KaDeWe und ein Sparkassenüberfall mit einer Beute von 9 Mio. Euro werden Mitgliedern krimineller Familienclans zugerechnet (vgl. Berliner Zeitung, 5. Februar 2019, www.berliner-zeitung.de/berlin/polizei/clan-kriminalitaet-inberlin --die-grossfamilie-ist-alles-und-der-rest-ist-nichts--31989544, letzter Abruf 30. April 2019). Neben Berlin gelten auch Niedersachsen und Nordrhein- Westfalen als Schwerpunkte dieser Kriminalitätsform (vgl. Deutschlandfunk, 27. Januar 2019, www.deutschlandfunk.de/clan-kriminalitaet-die-parallelweltist -das-eigentliche.694.de.html?dram:article_id=439431, letzter Abruf 30. April 2019). Dabei ist unklar, wie Clankriminalität überhaupt zu definieren ist. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter definiert Clankriminalität als „die Begehung von Straftaten durch Angehörige ethnisch abgeschotteter Subkulturen. Sie ist bestimmt von verwandtschaftlichen Beziehungen, einer gemeinsamen ethnischen Herkunft und einem hohen Maß an Abschottung der Täter“ (vgl. Bund Deutscher Kriminalbeamter, Positionspapier Clankriminalität bekämpfen: Strategische Ausrichtung – nachhaltige Erfolge, www.bdk.de/der-bdk/positionspapiere/ clankriminalitaet/2019-04-29%20BDK%20Positionspapier%20Clankriminalitaet.pdf, letzter Abruf 8. Mai 2019). Wie viele Personen bundesweit in Familienstrukturen leben, die auf die Begehung von Straftaten ausgerichtet sind, ist ebenfalls unklar (vgl. Deutschlandfunk, 19. Dezember 2018, www.deutschlandfunk. de/nachgefragt-was-hinter-clan-kriminalitaet-steckt.2852.de.html?dram:article_ Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11764 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode id=436417, letzter Abruf 2. Mai 2019). Besonders auffällig sind Straftaten, die von Mitgliedern arabisch-türkisch-kurdischer Großfamilien begangen wurden, von denen ein großer Teil zur Volksgruppe der Mhallamiye-Kurden gehört (vgl. Hannoversche Allgemeine Zeitung, 17. Januar 2019, www.haz.de/Hannover/ Aus-der-Stadt/Kriminelle-Grossfamilien-Hannover-ist-Hochburg-fuer- Clankriminalitaet, letzter Abruf 2. Mai 2019). Diese Gruppen zeichnen sich durch eine eigene Werteordnung und eine grundsätzliche Ablehnung der deutschen Rechtsordnung aus. Das Bundeskriminalamt beabsichtigt, die Bekämpfung von Clankriminalität zukünftig zu intensivieren (vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung www.faz.net/ aktuell/politik/inland/kriminelle-grossfamilien-bka-will-vernetzung-von-clansaufklaeren -16107615.html). 1. Wie definiert die Bundesregierung bzw. wie definiert das Bundeskriminalamt den Begriff Clankriminalität? Welche Gruppierungen und Ethnien werden miteinbezogen? Für die Erfassung von Ermittlungsverfahren der Organisierten Kriminalität (OK), die im Kontext der Clankriminalität zu betrachten sind, werden Zuordnungskriterien und Indikatoren für Clankriminalität im Zusammenhang mit OK verwendet , die sich aktuell noch zwischen Bund und Ländern in der Abstimmung befinden . Im Zuge der Erstellung des Bundeslagebilds OK 2018 kommen diese erstmals zur Anwendung und sollen mit der Veröffentlichung des Bundeslagebilds OK 2018 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Insbesondere fallen darunter kriminelle Mitglieder aus Clanstrukturen arabisch- bzw. türkeistämmiger Herkunft. 2. Welche Schlussfolgerungen hat die Bundesregierung aus dem im Jahr 2004 vorgelegten Schlussbericht der Bund-Länder-Projektgruppe „ethnisch abgeschottete Subkulturen“ für die Arbeit von Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden gezogen? Der Ergebnisbericht „Bekämpfung der Kriminalität ethnisch abgeschotteter Subkulturen “ der Bund-Länder-Projektgruppe „ethnisch abgeschottete Subkulturen“ wurde in unterschiedlichen polizeilichen Gremien erörtert. Dort erwähnte polizeifachliche Aspekte finden in der polizeilichen Bekämpfung der Clankriminalität entsprechende Berücksichtigung. 3. Wie viele Angehörige der Volksgruppe der Mhallamiye-Kurden sind nach Kenntnis der Bundesregierung gegenwärtig bundesweit in Clanstrukturen organisiert, die auf die Begehung von Straftaten ausgerichtet sind (bitte nach Bundesländern aufschlüsseln)? Der Bundesregierung liegen keine Daten darüber vor, wie viele Angehörige der Mhallamiye-Kurden in Clanstrukturen organisiert sind. Es wird darauf hingewiesen , dass Clanfamilien nicht per se kriminell sind, sondern lediglich Teile der Familien strafrechtlich in Erscheinung treten bzw. getreten sind. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/11764 4. Wie viele Ermittlungsverfahren sind nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem Jahr 2010 gegen Angehörige von Mhallamiye-Familienclans bundesweit eingeleitet worden? In wie vielen Fällen wurden seit dem Jahr 2010 Angehörige von Mhallamiye-Familienclans strafrechtlich verurteilt? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 5. Welche Straftaten werden nach Kenntnis der Bundesregierung von Angehörigen der Mhallamiye-Clans dabei am häufigsten begangen? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung vor. Das Bundeslagebild OK 2018 befindet sich derzeit in der Erstellung, daher können noch keine Angaben zu OK-Verfahren gemacht werden. 6. Wie viele Straftaten zum Nachteil von Polizeibeamten, Justizvollzugsbediensteten , Staatsanwälten und Richtern wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem Jahr 2010 von Angehörigen krimineller Mhallamiye-Familienclans begangen? Wie viele solcher Straftaten wurden im selben Zeitraum insgesamt begangen ? Im Sinne der Fragestellung liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Es wird auf das seit 2010 jährlich erstellte Bundeslagebild Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte verwiesen (verfügbar unter: www.bka.de/DE/AktuelleInformationen/StatistikenLagebilder/Lagebilder/Gewalt GegenPVB/gewaltGegenPVB_node.html). 7. Ist die Tätigkeit von sogenannten Friedensrichtern aus Sicht der Bundesregierung problematisch, insbesondere im Hinblick auf eine mögliche Aushöhlung des staatlichen Gewaltmonopols? Wenn ja, welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung dagegen? Nach Artikel 92 des Grundgesetzes ist die Rechtsprechung von Verfassungs wegen den staatlichen Gerichten zugewiesen. Den im Zusammenhang mit der Fragestellung gemeinten Friedensrichtern kommen daher aus Sicht der Bundesregierung keinerlei staatliche Rechtsprechungsbefugnisse zu. Das Vorgehen gegen illegale Tätigkeiten von sogenannten Friedensrichtern fällt primär in die Zuständigkeit der Länder. 8. Wie viele der Personen in den Fragen 3 und 4 besitzen nach Kenntnis der Bundesregierung neben der deutschen Staatsangehörigkeit noch eine weitere Staatsangehörigkeit? Welche weiteren Staatsangehörigkeiten besitzen diese Personen? Wie viele Personen besitzen keine deutsche Staatsangehörigkeit? Welchen Aufenthaltsstatus haben diese Personen? Wie viele der Personen in den Fragen 3 und 4 besitzen nach Kenntnis der Bundesregierung ausschließlich die deutsche Staatsangehörigkeit? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11764 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 9. Welche Maßnahmen werden nach Kenntnis der Bundesregierung ergriffen, um straffällige Angehörige von Mhallamiye-Familienclans, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, abzuschieben? Wie viele Personen, auf die diese Kriterien zutreffen, sind nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem Jahr 2010 abgeschoben worden? Die Abschiebung vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer obliegt grundsätzlich der Zuständigkeit der Länder. Durch das Gemeinsame Zentrum zur Unterstützung der Rückkehr (ZUR) unterstützt die Bundesregierung die Länder insbesondere bei der Koordinierung der Abschiebung bei besonders auffälligen Straf- und Intensivstraftätern . 10. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung zur Eindämmung der Clankriminalität ? Derzeit befinden sich unterschiedliche Initiativen und Maßnahmen zur Bekämpfung der Clankriminalität in Planung bzw. bereits in der Umsetzung. Die Kommission Organisierte Kriminalität (KOK) befasst sich mit der Thematik seit längerer Zeit und verfolgt den Ansatz einer gemeinsamen und arbeitsteiligen Kooperation zwischen Bund und Ländern. Weiterhin wird das Bundeskriminalamt im Bundeslagebild OK 2018 erstmals ausführlicher zur Clankriminalität berichten . Darüber hinaus hat sich zuletzt die Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) in ihrer Sitzung vom 12. bis 14. Juni 2019 auf ein Maßnahmenpaket geeinigt, das auf der Basis der in den Ländern entwickelten Konzepte und Handlungsempfehlungen sowie im Rahmen der bereits bestehenden Strukturen die länderübergreifende Zusammenarbeit in der operativen sowie der Grundlagenarbeit intensivieren soll. 11. Welche Maßnahmen ergreift oder plant die Bundesregierung, um die Bildung neuer krimineller Familienstrukturen bei Einwanderern, beispielsweise bei Syrern, zukünftig zu verhindern? Wie kann aus Sicht der Bundesregierung sichergestellt werden, dass Migranten durch Duldungen ohne die Perspektive einer Rückkehr ins Heimatland nicht in die Kriminalität getrieben werden? Im Rahmen der kriminalpolizeilichen Aufgabenerfüllung verfolgen die Ermittlungsbehörden von Bund und Ländern bereits seit 2015 sehr aufmerksam die Aktivitäten bereits etablierter Clanstrukturen in Bezug auf eventuelle Rekrutierungsbemühungen . Gleiches gilt in Bezug auf Hinweise zur Etablierung neuer OK- Gruppierungen in Deutschland. Geduldeten kann der Zugang zum Arbeitsmarkt unter den Voraussetzungen u. a. der §§ 18a, 60a Absatz 6 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) gewährt werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/11764 12. Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, um besonders Kinder und Frauen dazu zu bewegen, aus kriminellen Clanstrukturen auszubrechen? In welchen Bundesländern gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung gegenwärtig bereits Anlaufstellen für Aussteiger aus kriminellen Familienstrukturen ? In welchen Bundesländern werden Lehrer und Schulen nach Kenntnis der Bundesregierung darauf vorbereitet, mit Kindern aus solchen Clanstrukturen umzugehen? Die Möglichkeit des Ausstiegs aus patriarchalisch geprägten Clanstrukturen, aus denen die kriminellen Strukturen hervorgehen können, ist im Rahmen eines ganzheitlichen und behördenübergreifenden Ansatzes Gegenstand von Bekämpfungsstrategien . Auf Ebene der Länder gibt es hierzu erste Initiativen, die das Ziel verfolgen , Aussteigewilligen Anlaufstellen zu bieten. Weiterhin sind Präventionsund Aussteigerprogramme im Zusammenhang mit Clankriminalität Gegenstand der Forschung. 13. Wie sind die kriminellen Mhallamiye-Familienclans nach Kenntnis der Bundesregierung europaweit vernetzt? Welche internationalen Bemühungen unterstützen die Bundesbehörden bei der Bekämpfung der Clankriminalität? Kriminelle Mitglieder aus Clanstrukturen haben Verbindungen ins europäische Ausland (z. B. Skandinavien) bzw. in die Herkunftsstaaten der Clans (u. a. Libanon , Türkei). Vor dem Hintergrund der Bekämpfung der Clankriminalität wird der Informationsaustausch mit diesen Staaten durch die Bundes- und Länderbehörden intensiviert und ausgebaut. 14. Plant die Bundesregierung derzeit eine Ausweitung der Möglichkeiten zur Vermögensabschöpfung? Wie steht die Bundesregierung zur Einführung einer Beweislastumkehr bei der Vermögensabschöpfung? Mit dem Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung, das am 1. Juli 2017 in Kraft getreten ist, wurde das Recht der Vermögensabschöpfung vollständig neu gefasst. Unter anderem wurde durch § 73a des Strafgesetzbuchs (StGB) die Möglichkeit einer erweiterten Einziehung von Taterträgen auf alle Straftatbestände ausgedehnt. Zudem wurde mit § 76a StGB – insbesondere mit Blick auf Terrorismus und Organisierte Kriminalität – ein rechtliches Abschöpfungsinstrument geschaffen, das die Lücke für die Fallgruppe des aus Straftaten herrührenden Vermögens unklarer Herkunft schließt. Die Regelung wird von § 437 der Strafprozessordnung flankiert und ermöglicht es, Vermögensgegenstände unabhängig vom Nachweis einer rechtswidrigen Tat (selbständig) einzuziehen, wenn das Gericht von ihrer illegalen Herkunft überzeugt ist. In beweisrechtlicher Hinsicht orientiert sich das Verfahren an den zivilrechtlichen Darlegungs- und Beweislastregeln (vgl. Bundestagsdrucksache 18/9525, S. 92). Aus Sicht der Bundesregierung steht damit im Bereich der Vermögensabschöpfung ein ausgewogenes Regelungsregime zur Verfügung, das den Bedürfnissen der Strafverfolgungspraxis und den Rechten der Betroffenen entspricht. Die Bundesregierung beobachtet die weitere rechtstatsächliche Entwicklung und legt erforderlichenfalls Vorschläge vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11764 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 15. In wie vielen Fällen kam es nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem Jahr 2010 in Deutschland zu Eheschließungen von Mitgliedern der Mhallamiye -Familien, bei denen minderjährige Mädchen oder Jungen verheiratet wurden? In wie vielen Fällen wurden Personen verheiratet, die nach deutschem Recht nicht hätten heiraten dürfen? Wie viele Eheschließungen erfolgten unter Ausübung von Zwang? Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, um die Eheschließung mit Minderjährigen in Familienclans zu verhindern? Statistische Angaben im Sinne der Fragestellung liegen der Bundesregierung nicht vor. Unabhängig davon verurteilt die Bundesregierung Zwangsheiraten. Nach § 237 Absatz 1 StGB ist Zwangsheirat in Deutschland strafbar. Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen am 22. Juli 2017 wurde die Ehemündigkeit ohne Befreiungsmöglichkeit auf den Zeitpunkt der Volljährigkeit festgesetzt. Damit dürfen vor den deutschen Standesämtern keine Ehen mit Minderjährigen geschlossen werden. Gleiches gilt nach § 11 Absatz 2 des Personenstandsgesetzes (PStG) für religiöse oder traditionelle Handlungen, die einer Eheschließung gleich kommen. Im Falle einer Zuwiderhandlung liegt nach § 70 Absatz 1 PStG eine Ordnungswidrigkeit vor. Im Jahr 2011 wurde eine im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren , Frauen und Jugend (BMFSFJ) erstellte Studie veröffentlicht mit dem Titel „Zwangsverheiratung in Deutschland – Anzahl und Analyse von Beratungsfällen “ (abzurufen unter: www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/zwangs verheiratung-in-deutschland---anzahl-und-analyse-von-beratungsfaellen/80740). Im Juli 2018 hat das BMFSFJ die Neufassung der Handreichung für die Kinderund Jugendhilfe „Zwangsverheiratung bekämpfen – Betroffene wirksam schützen “, die in Zusammenarbeit mit TERRE DES FEMMES erstellt wurde, veröffentlicht . Die Handreichung richtet sich vor allem an die Fachkräfte der Kinderund Jugendhilfe, aber auch an andere mit der Thematik befasste Fachkräfte und Institutionen. Das seit 2013 bestehende Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ berät als bundesweites Beratungsangebot für Frauen zu allen Formen von Gewalt einschließlich Zwangsverheiratung. Unter der Nummer 08000 116 016 und via Online-Beratung unterstützt das Hilfetelefon auch von Zwangsverheiratung bedrohte oder betroffene Mädchen und Frauen rund um die Uhr, anonym und kostenfrei, auf Deutsch und in 17 weiteren Sprachen und barrierefrei. Im Jahr 2018 wurden beim Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ 201 Beratungen zum Thema Zwangsheirat durchgeführt. Schutz und Beratung erhalten Betroffene von Zwangsverheiratung außerdem in zahlreichen Frauenhäusern, Schutzwohnungen und Fachberatungsstellen vor Ort. Schutz vor Gewalt bieten bundesweit auch ca. 350 Frauenhäuser sowie ca. 40 Zufluchtswohnungen : mit insgesamt über 6 000 Plätzen. Hinzu kommen ca. 750 Fachberatungsstellen und Interventionsstellen. Um den weiteren Ausbau und die finanzielle Absicherung von Einrichtungen zu unterstützen hat der Bund das Aktionsprogramm „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ gestartet. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/11764 16. Wann wird das Bundeskriminalamt ein Lagebild zur Clankriminalität in Deutschland veröffentlichen? Wenn dies nicht vorgesehen ist, welche Erwägungen haben zu dieser Entscheidung geführt? Warum gibt es bisher noch kein Lagebild zur Clankriminalität? Die IMK hat in ihrer Sitzung vom 12. bis 14. Juni 2019 u. a. die Erstellung einer einheitlichen und bundesweiten Lageübersicht „Clankriminalität“ beschlossen. Das Bundeslagebild OK 2018 mit einer detaillierteren Betrachtung zur Clankriminalität wird voraussichtlich Mitte des Jahres 2019 veröffentlicht. Die Kooperation der Bundes- und Länderbehörden sieht bei der Bekämpfung der Clankriminalität u. a. eine Verbesserung der Lagedarstellung in diesem Phänomenbereich vor. Die Umsetzung bzw. die Erstellung eines Lagebilds bzw. einer Lagedarstellung zu Clankriminalität erfordert jedoch umfangreiche Absprachen und einen hohen koordinatorischen Aufwand zwischen den Bundes- und Länderbehörden . 17. Wie erhebt das Bundeskriminalamt die Daten, die es im Kapitel mit dem Titel „Kriminelle Mitglieder von Großfamilien ethnisch abgeschotteter Subkulturen “ im Bundeslagebild Organisierte Kriminalität abbilden will? Wie können Straftaten Mitgliedern von Familienclans zugeordnet werden? Im Bundeslagebild OK erfolgt die Betrachtung aller OK-Verfahren, die im Berichtsjahr bei den Bundes- und Länderbehörden geführt wurden. Hierfür werden dem Bundeskriminalamt alle für das Bundeslagebild OK relevanten Daten übermittelt , u. a. auch zu OK-Verfahren, die der Clankriminalität zugerechnet werden. Wie in der Antwort zu Frage 1 ausgeführt, sollen die Zuordnungskriterien und Indikatoren den ermittelnden Polizeibehörden dazu dienen, ihre OK-Verfahren ggf. dem Phänomenbereich der Clankriminalität zuzuordnen. Anlassbezogen erfolgt in Abstimmung mit den jeweiligen Länderbehörden eine detaillierte Einzelfallbetrachtung , um relevante OK-Verfahren der Clankriminalität zu erheben. Auf Grundlage dieser geprüften Daten erfolgt die erstmalige ausführliche Betrachtung der Clankriminalität im Bundeslagebild OK. 18. Verfügt das Bundeskriminalamt über ein System zur Identifizierung von Clanbezügen bei Straftaten? Verfügt das Bundeskriminalamt über ein namensgebundenes Recherchemodell , welches die Zuordnung von Straftaten zu Familienstrukturen erlaubt, wie es beispielsweise in Niedersachsen eingesetzt wird? Falls nein, warum wird ein solches System nicht erstellt und bundesweit Landeskriminalämtern zur Verfügung gestellt? Mit Hilfe der Zuordnungskriterien und Indikatoren für Clankriminalität im Zusammenhang mit OK sollen zukünftig OK-Straftaten kriminellen Mitgliedern aus Clanstrukturen zugeordnet werden. Ein namensgebundenes Recherchemodell wird derzeit nicht verwendet. Inwieweit ein derartiges Modell in Zukunft zur Anwendung kommt, bedarf einer umfassenden Erörterung und Abstimmung zwischen den Bundes- und Länderbehörden, vor allem mit den Ländern, die überwiegend von Clankriminalität betroffen sind. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11764 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 19. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über das sogenannte Hawala- Banking? In welchem Umfang wird dieses System von Mitgliedern krimineller Familienclans genutzt? Welche Summen werden auf diese Weise innerhalb Deutschlands und aus der Bundesrepublik Deutschland hinaus transferiert? Welche Maßnahmen ergreifen Bundesbehörden, um dieses Phänomen zu bekämpfen ? Bei dem sog. Hawala-Banking handelt es sich um ein weltweit eingesetztes informelles Überweisungssystem, das seine Wurzeln in der frühmittelalterlichen Handelsgesellschaft des Vorderen und Mittleren Orients hat. Das Hawala-Banking ist in der Bundesrepublik Deutschland als Finanztransfergeschäft (§ 1 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes – ZAG) unter einen Erlaubnisvorbehalt gestellt. In Deutschland gibt es jedoch derzeit keine Genehmigungen und auch keine Anträge in dieser Hinsicht. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat im Rahmen ihrer gefahrenabwehrrechtlich -präventiven Eingriffskompetenzen die Befugnis, gegen unerlaubt tätige Hawaladare mittels Untersagung des Geschäftsbetriebs vorzugehen. Die behördliche Untersagung ist zwangsgeldbewehrt mit einem Rahmen von bis zu 2,5 Mio. Euro. Die Staatsanwaltschaften verfolgen das unerlaubte Betreiben des Hawala- Bankings repressiv, da es als Finanztransfergeschäft ohne Erlaubnis in Deutschland strafbar ist (§ 63 Absatz 1 Nummer 4 ZAG). Über den Umfang der Nutzung dieses Systems durch kriminelle Mitglieder aus Clanstrukturen und die möglicherweise dabei bewegten Summen liegen der Bundesregierung keine belastbaren Informationen vor. 20. Welche Erkenntnisse liegen bei der Bundesregierung zu Überschneidungen zwischen Mitgliedern krimineller Familienclans und den Mitgliedern von kriminellen Rockervereinigungen vor? Dem Bundeskriminalamt liegen Erkenntnissen vor, nach denen es Kooperationen zwischen Rockergruppierungen bzw. rockerähnlichen Gruppierungen und kriminellen Mitgliedern aus Clanstrukturen, oftmals in Form personeller Überschneidungen , gibt. 21. Wie bewertet die Bundesregierung die Möglichkeit einer einheitlichen Gesamtstrategie Personalausbildung für den Umgang mit Clankriminalität? Welche Maßnahmen sind aus Sicht der Bundesregierung sinnvoll, um das in diesem Bereich eingesetzte Personal der Landespolizeibehörden besser ausund weiterzubilden? Der Ansatz, Fähigkeiten bei den Polizeien der Länder und des Bundes zur Bekämpfung spezieller Phänomenbereiche zu fördern bzw. auszubauen, ist grundsätzlich positiv. Verschiedene Zusammenarbeitsformen zwischen den Polizeien des Bundes und der Länder und der damit verknüpfte fachliche Austausch dienen ebenfalls der fachlichen Weiterentwicklung. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/11764 22. Welche Maßnahmen unternimmt die Bundesregierung, um auch andere Bundesbehörden für den Umgang mit Clankriminalität zu sensibilisieren? Werden Mitarbeiter von Jobcentern und Arbeitsagenturen geschult, um beispielsweise Sozialleistungsmissbrauch in diesem Bereich besser zu erkennen ? Bei der aktuellen Bekämpfung der Clankriminalität wird von den Polizeibehörden ein gesamtheitlicher administrativer Ansatz verfolgt, der die enge Kooperation und Abstimmung zwischen Polizei, Justiz, Verwaltungs- und Ordnungsbehörden vorsieht. Die Verwaltungs- und Ordnungsbehörden werden oftmals eng in polizeiliche Maßnahmen eingebunden und sind somit hinsichtlich der vielfältigen strafrechtlichen Ausprägungen der Clankriminalität sensibilisiert. Unabhängig davon können weitere Sensibilisierungsmaßnahmen im Rahmen einer gemeinsamen und länderübergreifenden Bekämpfungsstrategie in Betracht gezogen werden. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) bekämpft jede Form von Sozialleistungsbetrug aktiv; sie hat die Jobcenter vor Ort sensibilisiert und die Voraussetzungen für eine konsequente Aufdeckung von jeglichen Betrugsfällen geschaffen. Die Jobcenter vor Ort arbeiten darüber hinaus mit zahlreichen weiteren Bundes-, Landesund kommunalen Behörden zusammen, insbesondere den Staatsanwaltschaften, der Polizei, der Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls, den Ordnungs- und den Finanzämtern sowie den Familienkassen. Mit dem Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch, das der Deutsche Bundestag am 6. Juni 2019 verabschiedet hat und das Ende Juni im Bundesrat behandelt wurde, hat der Gesetzgeber auch auf den organisierten Sozialleistungsmissbrauch reagiert und u. a. Maßnahmen gegen den Missbrauch staatlicher Leistungen ergriffen, neue Befugnisse und deutlich mehr Personal für die Zollverwaltung vorgesehen sowie die behördenübergreifende Zusammenarbeit und den behördlichen Datenaustausch verbessert, um dem bandenmäßigen und systematischen Missbrauch von Sozialleistungen nachgehen und Verstöße in diesem Bereich wirksam verfolgen zu können. Zudem arbeiten das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat sowie das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in diesem Zusammenhang auch an einer besseren Vernetzung der BA mit dem Bundeskriminalamt, um zu gewährleisten, dass im Bereich des bandenmäßigen Sozialleistungsbetruges auch strukturelle Zusammenhänge erkannt werden. Zu Qualifizierungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Jobcentern wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 24 der Kleinen Anfrage der Fraktion der FDP auf Bundestagsdrucksache 19/5424 verwiesen. Spezifisch einer „Clankriminalität“ zuordenbare Ausprägungen des Sozialleistungsbetruges sind der Bundesregierung im Übrigen nicht bekannt. 23. Wie bewertet die Bundesregierung die Schaffung von weiteren Verfolgungsrückstellungsmöglichkeiten , um den Staatsanwaltschaften mehr Möglichkeiten zu geben, gegen die verdeckten Strukturen der Clans zu ermitteln? Die Bundesregierung prüft regelmäßig, ob gesetzgeberischer Handlungsbedarf im Bereich der Bekämpfung von Straftaten auch im Bereich der OK besteht. Dies umfasst auch die Prüfung, ob die Ermittlungsbehörden weitere Ermittlungsmaßnahmen etwa zur Aufdeckung verdeckter krimineller Strukturen benötigen oder bestehende Regelungen angepasst werden müssen. Die Verfolgungsrückstellung von Kleinstdelikten ist in den bestehenden Grenzen bereits möglich und kann in Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11764 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Einzelfällen ein Baustein zur Aufdeckung von kriminellen Strukturen sein. Sollten sich im Rahmen der Prüfung Defizite ergeben, werden anschließend die Handlungsmöglichkeiten und die erforderlichen Änderungen geprüft. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333