Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 18. Juli 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/11834 19. Wahlperiode 22.07.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Ingrid Nestle, Dr. Julia Verlinden, Oliver Krischer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/11422 – Bereitstellung von Blindleistung durch erneuerbare Energien V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Erneuerbare Energien können Systemverantwortung für den Betrieb des Stromnetzes übernehmen, Regelleistung liefern und zur Spannungsstabilität durch die Bereitstellung von Blindleistung beitragen. Zurzeit wird diese Möglichkeit durch unterschiedliche Regularien eingeschränkt (www.energate-messenger.de/ news/191255/verteilungsdebatte-um-blindleistungen). Laut einem Bericht im „energate messenger“ vom 29. April 2019 zeichnet sich zwischen Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) und Erneuerbaren-Branche ein Konflikt um die Bereitstellung von Blindleistung ab. Im zweiten Entwurf des Netzentwicklungsplans (NEP) wurde bis 2030 ein Bedarf an Blindleistung von 38 bis 74 Gigavoltampere u. a. durch das Abschalten von Kohlekraftwerken ermittelt. In der Summe müssen laut ÜNB zusätzliche 127 bis 248 Betriebsmittel , wie Kondensatoren, Speicher und rotierende Phasenschieber, errichtet werden (vgl. www.energate-messenger.de/news/191255/verteilungsdebatte-umblindleistung ). Moderne Wechselrichter in Kombination mit erneuerbaren Erzeugungsanlagen sind laut Herstellerangaben technisch darauf ausgelegt Blindleistung zu liefern und tun dies bereits heute. Die weitere Ertüchtigung von Solar-Wechselrichtern sei demnach ein wichtiger Schritt für die Einbindung der Photovoltaik in die Netzregelung. Hierfür ist jedoch laut dem Hersteller SMA „eine faire Vergütung von Blindleistung aus Erneuerbare-Energien-Anlagen beispielsweise ab der Mittelspannung“ notwendig (vgl. www.energate-messenger.de/news/191255/ verteilungsdebatte-um-blindleistung). Eine marktbasierte Beschaffung von Blindleistung wird seit September 2018 durch eine Kommission des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie untersucht. Dort sollen bis zum Herbst 2019 die Fragen der Beschaffung, der Mengen und der Abrufregularien von Blindleistung erörtert werden. Auf EU- Ebene wurde in der jüngst verabschiedeten Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie bereits festgelegt, dass u. a. die Beschaffung von Blindleistung in Zukunft in transparenten, diskriminierungsfreien und marktgestützten Verfahren durch die ÜNB erfolgen muss (vgl. www.bmwi-energiewende.de/EWD/Redaktion/ Newsletter/2018/09/Meldung/direkt-erklaert.html). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11834 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Sieht die Bundesregierung im Übertragungsnetz bereits heute einen Bedarf an zusätzlicher Blindleistung, und welche Schritte wurden bisher unternommen , diese bereitzustellen? Heute kann der Bedarf an Blindleistung in der Regel aus vorhandenen Quellen gedeckt werden. Andernfalls wäre ein Betrieb des Übertragungsnetzes nicht möglich . Teilweise kommt es jedoch bereits heute zu spannungsbedingtem Redispatch , der auch auf einen Mangel an Blindleistung zurückzuführen sein kann. Die Übertragungsnetzbetreiber haben zur Deckung des Blindleistungsbedarfs bereits Kompensationsanlagen errichtet. Für diese werden in der Regel Investitionsmaßnahmen beantragt und durch die Bundesnetzagentur geprüft. 2. Auf welcher Grundlage haben nach Kenntnis der Bundesregierung ÜNB bisher den Bedarf an Blindleistung ermittelt, und wie wurden die notwendigen Betriebsmittel bei der Bundesnetzagentur (BNetzA) beantragt und genehmigt ? Die Übertragungsnetzbetreiber ermitteln den Blindleistungsbedarf mithilfe von Modellierungen des Übertragungsnetzes unter Berücksichtigung vorhandener Blindleistungsquellen und -senken diesbezüglich deren Prognosen. Mit diesen Modellen kann mit AC-Lastflussrechnungen der Blindleistungsbedarf des Übertragungsnetzes berechnet werden. Teilweise führen die Übertragungsnetzbetreiber dafür selbst Rechnungen aus, teilweise werden Gutachten beauftragt. Bisher wurden die entsprechenden Betriebsmittel in der Regel in Form von Investitionsmaßnahmen bei der Bundesnetzagentur beantragt. 3. Welche Aspekte führen aus Sicht der Bundesregierung in Zukunft zu einem erheblichen Bedarf an zusätzlichen Anlagen zur Blindleistungskompensation ? Einerseits fallen mit dem Ausstieg aus der Kohle- und Kernenergie Blindleistungsquellen im Übertragungsnetz weg. Andererseits erhöht sich der Bedarf an Blindleistung durch einen höheren Stromtransport und eine höhere Auslastung der Netze durch Optimierungen wie z. B. Freileitungsmonitoring oder leistungsflusssteuernde Betriebsmittel. Deswegen bedarf es im Übertragungsnetz zusätzlicher Kompensationsanlagen. 4. Wie wurde der steigende Bedarf an Blindleistung nach Kenntnis der Bundesregierung bereits in früheren Netzentwicklungsplänen berücksichtigt und falls dieses nicht der Fall war, warum nicht? Warum hat aus Sicht der Bundesregierung das Szenario C 2030 im NEP 2017 im Vergleich zum Szenario C 2030 im aktuellen NEP keinen Handlungsbedarf in Form weiterer Detailuntersuchungen ausgelöst (vgl. NEP 2019, 2 Entwurf, Seite 131 „[…] erheblichen Bedarf an zusätzlichen Anlagen zur Blindleistungskompensation ausweisen, sind weitere Detailuntersuchungen zur Sicherstellung der Systemstabilität erforderlich“)? Der Bedarf an Kompensationsanlagen wurde bereits seit Beginn im Netzentwicklungsplan regelmäßig thematisiert (z. B. NEP 2012) und war dementsprechend bekannt. Bisher lag der Fokus des Netzentwicklungsplans jedoch vor allem auf Streckenmaßnahmen, so dass die Prüfung von Kompensationsanlagen bisher nicht in diesem Rahmen erfolgt ist. Weitere Detailuntersuchungen waren in der Vergangenheit nicht notwendig, da Kompensationsanlagen als Investitionsmaßnahmen fallbezogen beantragt werden konnten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/11834 Da aber die in der Antwort zu Frage 3 genannten Aspekte durch das Fortschreiten der Energiewende prägender werden und damit eine Analyse der Blindleistungsthematik umfassender und dringlicher, ist es erforderlich, im Rahmen des Prozesses des Netzentwicklungsplans diese eingehender zu untersuchen. Mit dem Prozess zum NEP 2019-2030 bestimmen die Übertragungsnetzbetreiber den Bedarf systematisch und einheitlich. Dadurch kann er von der Bundesnetzagentur gesamtheitlich geprüft und genehmigt werden. 5. Warum wird nach Kenntnis der Bundesregierung im zweiten Entwurf der Übertragungsnetzbetreiber die Berechnungsmethodik für den Bedarf an zusätzlichen Anlagen zur Blindleistungskompensation nicht offengelegt und erläutert? Unter welchen Annahmen entstehen hohe oder niedrige Werte in den angegebenen Bandbreiten von zusätzlichen 127 bis 248 Betriebsmitteln (38 bis 74 Gigavoltampere)? Die Berechnungsmethodik ist unter www.netzentwicklungsplan.de/de/begleit dokument-systemstabilitaet-zu-kapitel-55 veröffentlicht. Nach Kenntnis der Bundesregierung basieren die niedrigen Werte auf einer Abschätzung nach unten durch eine reine Wirkleistungsflussberechnung. Die hohen Werte kommen aus einer realistischeren Berechnung mit AC-Lastflussrechnungen . Hier ist aber dennoch bereits eine ideale Stützung aus dem Verteilnetz unterstellt (cos phi=1). Der so ermittelte Bedarf stellt laut Aussage der Übertragungsnetzbetreiber damit immer noch eher eine untere Abschätzung dar. 6. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung für die Berechnung des Blindleistungsbedarfs ein akzeptiertes Berechnungsverfahren, das alle Netzbetreiber anwenden und von der BNetzA geprüft werden kann? Wenn ja, in welchen technischen Gremien wurden diese Berechnungsmethoden abgestimmt? Wenn nein, warum nicht, und wie prüft die BNetzA dann einen möglichen Bedarf? Es gibt keine in technischen Gremien abgestimmte Berechnungsmethode zur Bedarfsermittlung . Der Blindleistungsbedarf des Übertragungsnetzes ergibt sich in der Regel aus AC-Lastflussrechnungen. Das entsprechende Berechnungsverfahren wird grundsätzlich seit Jahrzehnten angewendet – und seit längerem auch von der Bundesnetzagentur. Unterschiede gibt es bei den Annahmen zu Blindleistungsquellen bzw. -senken. Hier sind, wie auch bei anderen zukünftigen Entwicklungen, sinnvolle Annahmen zu treffen, um eine sachgerechte Entscheidung vorzunehmen. Die Bestimmung des Blindleistungsbedarfs auf Verteilnetzebene wird durch die Bundesnetzagentur nicht geprüft. Insofern liegen der Bundesnetzagentur keine Informationen über die im Verteilnetz angewandten Berechnungsmethoden vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11834 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 7. Welche Blindleistungsquellen gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung grundsätzlich auf den verschiedenen Spannungsebenen? Kann der Bedarf von Blindleistung in den Übertragungsnetzen auch durch Blindleistungsquellen im Verteilnetz gedeckt werden? Blindleistung ist eine Systemdienstleistung, die zur Spannungshaltung dient. Zur Spannungshaltung haben Netzbetreiber nicht nur Blindleistung, sondern auch eine Reihe weiterer planerischen und betrieblichen Maßnahmen zur Verfügung. Verteilnetzbetreiber können z. B. Transformatoren stufen oder Netzumschaltungen und Netzausbaumaßnahmen durchführen. Blindleistung können sie aus Erzeugungsanlagen , Lasten oder Mischbetrieben mit eigenen Kompensationsanlagen , Netzbetriebsmitteln (Spulen, Drosseln etc.) und aus vor- und nachgelagerten Netzen beziehen. Die Übertragungsnetzbetreiber stellen die Spannungshaltung derzeit hauptsächlich sicher, indem konventionellen Erzeugungsanlagen im Netzbetrieb Vorgaben zur Spannungshöhe und Blindleistungsbereitstellung gemacht werden. Darüber hinaus setzen sie eigene Betriebsmittel, wie Kondensatorbänke oder Drosselspulen , ein. Grundsätzlich kann der Bedarf des Übertragungsnetzes durch das Verteilnetz reduziert werden. Bisher deckt das Übertragungsnetz aber häufig noch den Blindleistungsbedarf der Verteilnetze. Blindleistungsquellen im Übertragungsnetz fallen jedoch durch die Abschaltung konventioneller Erzeugungsanlagen Stück für Stück weg. Dem steht der Zubau von Erneuerbare-Energien-Anlagen im Verteilnetz gegenüber. Damit verlagern sich Potenziale der Blindleistungsbereitstellung aus Erzeugungsanlagen von den Übertragungs- in die Verteilernetze. Zukünftig werden die Verteilnetzbetreiber deswegen verstärkt Blindleistung an vor- oder nachgelagerte Netzebenen bereitstellen können. Einige deutsche Verteilnetzbetreiber entwickeln bereits Koordinationsprozesse zum Austausch von Blindleistung mit vor- und nachgelagerten Netzen. Durch die Nutzung von Quellen im Verteilnetz kann dann zunächst der Bedarf im Verteilnetz reduziert werden und damit mittelbar auch im Übertragungsnetz. Außerdem kann der Verteilnetzbetreiber Blindleistung aus Quellen im Verteilnetz dem Übertragungsnetz gesammelt zur Verfügung stellen. Denkbar ist auch, dass der Übertragungsnetzbetreiber direkt auf Quellen im Verteilnetz zugreift. Dies wird in Deutschland aber bisher nicht praktiziert. 8. Wie berücksichtigt die Bundesregierung die Tatsache, dass Erneuerbare- Energien-Anlagen Blindleistung bereitstellen können, und wie wird dies in der Kommission zur Beschaffung von Blindleistung berücksichtigt (s. Vorbemerkung der Fragesteller)? Alle Erzeugungsanlagen, auch Erneuerbare-Energien-Anlagen, sind verpflichtet, entsprechend der technischen Anschlussregeln Blindleistung bereitzustellen. Dies erfolgt bisher grundsätzlich ohne Vergütung. Andere Technologien zur Spannungshaltung sind für die Netzbetreiber hingegen mit Kosten verbunden. Es besteht daher kein Anreiz, dass Netzbetreiber die Kosten bei Erzeugungsanlagen gegen Kosten anderer Technologien abwägen und sie nur bedarfsgerecht einsetzen . Gleichzeitig sind die Anforderungen in den technischen Anschlussregeln in den letzten Jahren gestiegen. Dies führt zu einer Kostensteigerung bei den Erzeugungsanlagen . Die lokalen Unterschiede im Bedarf werden außerdem voraussichtlich dazu führen, dass die Erzeugungsanlagen unterschiedlich stark als Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/11834 Blindleistungsquellen eingesetzt werden und somit auch unterschiedlich stark von einsatzabhängigen Kosten betroffen sind. Für die Betreiber ist es außerdem schwer vorhersehbar, wie hoch die blindleistungsbedingten Betriebskosten ausfallen . Daher können Erneuerbare-Energien-Anlagenbetreiber die Betriebskosten nicht in die EEG-Vergütung einpreisen. Der Wunsch der Erzeugungsanlagenbetreiber nach einer Vergütung für die Bereitstellung von Blindleistung war mit Anlass für die Einsetzung der Blindleistungskommission. Darüber hinaus bestehen bei den Erneuerbaren-Energie-Anlagen aber auch weitere Potentiale zur Blindleistungsbereitstellung, die bisher in den technischen Anschlussregeln nicht vorgesehen sind. Die Anlagen könnten zur dynamischen Netzstützung schneller Blindleistung bereitstellen und auch unabhängig von der eingespeisten Wirkleistung, also wenn kein Wind weht oder in der Nacht (STATCOM-Betrieb). Ziel der Blindleistungskommission ist es, mehrere Vorschläge für ein volkswirtschaftlich effizientes System für die zukünftige Beschaffung von Blindleistung zu entwickeln. Das System soll technologieoffen, diskriminierungsfrei und transparent sein. Dabei werden auch die oben genannten Belange der Erneuerbaren- Energien-Anlagen beachtet. Vertreter der Erneuerbaren Energien sind Mitglied der Kommission. 9. Ist der Bundesregierung bekannt, ob Blindleistung bereits heute vergütet wird, und wenn ja, wie hoch ist das heutige Vergütungsvolumen, und um welche Blindleistungsquellen auf welchen Spannungsebenen handelt es sich? Wie stehen die im NEP von den ÜNB vorgeschlagenen Maßnahmen zur Bereitstellung von Kompensationsanlagen für den Zeitraum bis 2030 im Verhältnis zu der vorgesehenen marktlichen Beschaffung ab 2020? Die Bereitstellung von Blindleistung durch Erzeugungsanlagen innerhalb der technischen Anschlussregeln wird in der Regel nicht vergütet. Eine darüber hinausgehende Bereitstellung wird von den Netzbetreibern vergütet. Die Vergütung ist vertraglich gestaltet und orientiert sich an den Kosten der Bereitstellung, teilweise wird auch der Verschleiß miteinberechnet. Konventionelle Erzeugungsanlagen werden jedoch auch teilweise für die Bereitstellung innerhalb der technischen Anschlussregeln vergütet. Lasten mit eigenen Kompensationsanlagen sind nicht verpflichtet zur Bereitstellung von Blindleistung und werden daher für ihre Leistung vergütet. Der Austausch von Blindleistung zwischen Netzbetreibern erfolgt ohne Vergütung. Den Übertragungsnetzbetreibern sind in den Jahren 2013 bis 2017 Kosten in Höhe von jährlich 12,9 bis 37,5 Mio. Euro angefallen (Bundesnetzagentur, Monitoringbericht 2018). In den Verteilnetzen wird Blindleistung bisher nur sehr vereinzelt vergütet. Die in 2016 im Rahmen der letzten Kostenprüfung geltend gemachten Kosten über alle Verteilnetzbetreiber im Regelverfahren in der Zuständigkeit der Bundesnetzagentur betrugen etwa 7,7 Mio. Euro. Damit befinden sich die vergüteten Blindleistungsquellen vor allem in den Höchst- und Hochspannungsnetzebenen. Im NEP wird zunächst der Bedarf an Blindleistung für den Zeitraum bis 2030 ermittelt. Der Prozess zur zukünftigen Beschaffung von Blindleistung soll sicherstellen , dass Blindleistung zukünftig auch in einem veränderten Energiesystem volkswirtschaftlich effizient beschafft und eingesetzt werden kann. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11834 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 10. Wie stellen die ÜNB sicher, dass vor dem Hintergrund des bereits heute bekannten Blindleistungsbedarfs (s. Vorbemerkung der Fragesteller) Abschaltungen von Kohlekraftwerken nicht an fehlenden Netzbetriebsmitteln scheitern ? Welchen Einfluss haben die Ergebnisse der Blindleistungskommission auf den Zeitplan zur Umsetzung des Kohlekompromisses? Kohlekraftwerke stellen im Übertragungsnetz derzeit im wesentlichen Umfang Blindleistung bereit. Deshalb ist es erforderlich, die wegfallenden Quellen zu ersetzen . Die Übertragungsnetzbetreiber planen, einen Teil durch Kompensationsanlagen zu ersetzen. Die Bauzeiten dieser Anlagen sind nicht gering, liegen aber deutlich unter denen von Leitungsbauprojekten. Darüber hinaus liefern auch HGÜ-Konverter einen hohen Beitrag. Auch unterlagerte Netze, andere Erzeugungsanlagen , Lasten und umgebaute Generatoren zum Phasenschieber können Beiträge zur Blindleistung liefern. Die Bundesregierung geht daher davon aus, dass die Bereitstellung von Blindleistung kein Hindernis bei der Umsetzung der Empfehlungen der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ sein wird. Die Blindleistungskommission erarbeitet Vorschläge, wie die Anlagenbetreiber zur Bereitstellung von Blindleistung verpflichtet oder angereizt werden können. Dabei orientiert sie sich an den Fristen der europäischen Strommarktrichtlinie. Diese muss bis Ende 2020 umgesetzt werden. Die Ergebnisse der Blindleistungskommission haben keinen Einfluss auf den Zeitplan zur Umsetzung des Kohlekompromisses . Die Umsetzung der Ergebnisse der Blindleistungskommission wird aber sicherstellen, dass die Bereitstellung von Blindleistung in einem Energiesystem ohne Kohle- und Kernkraftwerke weiterhin effizient erfolgt. 11. Ist der Bundesregierung bekannt, wie Blindleistung in Netzgebieten in Länder außerhalb Europas mit hohen Anteilen von erneuerbaren Energien bereitgestellt und vergütet wird? Die OTH Regensburg und die INA GmbH haben im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie die Studie „Zukünftige Bereitstellung von Blindleistung und anderen Maßnahmen für die Netzsicherheit“ erstellt. In der Studie wird punktuell auch die Bereitstellung und Vergütung von Blindleistung im Ausland untersucht. In der Blindleistungskommission wird die Untersuchung vertieft. Schwerpunkt der Untersuchung sind die Regelungen im europäischen Ausland. Das außereuropäische Ausland wird nur punktuell beleuchtet. Die Untersuchung bezieht sich schwerpunktmäßig auf das Übertragungsnetz, da über das Verteilnetz wenige Informationen vorliegen. Der Bundesregierung ist bekannt, dass eine Vergütung für die Blindleistungsbereitstellung z. B. in der Schweiz, Australien und in den USA gezahlt wird. Die Vergütungssysteme im Ausland unterscheiden sich stark. Die Preisgestaltung in den USA ist uneinheitlich. In der Schweiz wurde im Jahr 2009 die Beschaffung von Blindleistung grundlegend neu strukturiert, um den Blindleistungseinsatz effizient und kostengünstig zu gestalten. Es existieren vielfältige unterschiedliche Ausprägungen, z. B. leistungs- vs. arbeitsbasierte Vergütung, entschädigungsfreie Bereiche bis vollständige Vergütung eingespeister Blindleistung, pauschale bis individuelle Preisfestsetzung. In der Schweiz und in den USA werden die verwendeten arbeits- oder kapazitätsbezogenen Preise regulatorisch festgelegt oder zumindest genehmigt. Ausschreibungssysteme mit freier Preisbildung sind aktuell eher die Ausnahme. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/11834 12. Sieht die Bundesregierung die Bereitstellung von Blindleistung zukünftig als eine Aufgabe des Netzbetreibers oder der Erzeugungsanlagenbetreiber, oder soll weiterhin eine Kombination möglich sein (bitte begründen)? Der Netzbetreiber ist für den Betrieb des Netzes verantwortlich und damit auch für die Spannungshaltung. Dazu wird es erforderlich sein, dass er sowohl eigene Betriebsmittel benutzt als auch Vorgaben für das Blindleistungsverhalten von Erzeugungsanlagen macht. Die Aufgabe verbleibt jedoch immer beim Netzbetreiber . 13. Plant die Bundesregierung, die Beschaffung von Blindleistung zukünftig marktbasiert und wettbewerbsorientiert zu vergüten? Die Bundesregierung plant eine Optimierung der Blindleistungsbeschaffung unter Berücksichtigung der Vorgaben aus dem Legislativpaket „Saubere Energie für Alle“. Dieses gibt vor, dass Blindleistung ab 2021 marktlich, diskriminierungsfrei und transparent beschafft wird. Eine Ausnahme kann die Regulierungsbehörde davon nur gewähren, wenn ein marktliches System volkswirtschaftlich nicht effizient wäre. a) Wenn ja, wie geht die Bundesregierung damit um, dass die Bereitstellung von Blindleistung ortsbezogen erfolgen muss, und wie ist diese Tatsache mit einer marktbasierten Beschaffung zu vereinbaren? Die Bereitstellung von Blindleistung muss nicht ortsbezogen erfolgen, Blindleistung kann grundsätzlich transportiert werden. Allerdings bestimmen die Spannungsabfälle über den Netzbetriebsmitteln die Spannungsverhältnisse im Netz. Daraus resultiert im Gegensatz zur Frequenz eine Ortsabhängigkeit der Spannung . Zur Spannungshaltung muss die Blindleistung von einer anderen Stelle zum jeweiligen Netzknoten transportiert werden. Dabei erhöht sich der (Schein-) Strom über die zuführende Leitung, was zu einem geänderten Blindleistungsverhalten der Leitung selbst und damit auch zu einem veränderten Bedarf (höher oder geringer) führt. Letztlich resultiert aus der Überlagerung des Blindleistungsverhaltens aller Knoten und Betriebsmittel ein Blindleistungssaldo, welches über weitere Anlagen ausgeglichen werden muss. Durch die Erhöhung des Scheinstroms auf den Leitungen ist es nicht effizient, Blindleistung unbegrenzt zu transportieren. Denn das Netz dient zunächst dem Transport von Wirkleistung. Dies muss auch ein Beschaffungsmodell beachten. Ein deutschlandweiter einheitlicher Markt für Blindleistung wie bei der Wirkleistung ist daher nur schwer vorstellbar. Gleichzeitig muss sichergestellt sein, dass lokale Märkte liquide sind. Die Ortsbezogenheit spielt aber auf den höheren Spannungsebenen eine geringere Rolle als auf den unteren Spannungsebenen. Beschaffungsmodelle könnten sich daher auch in den Spannungsebenen unterscheiden . b) In welchem Zeitrahmen sollen marktbasierte Beschaffungsmechanismen etabliert werden? Das Legislativpaket „Saubere Energie für Alle“ schreibt eine Umsetzung bis Ende 2020 vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11834 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode c) Welches Marktdesign strebt die Bundesregierung für die Bereitstellung von Blindleistung an? Eine Entscheidung zur zukünftigen Beschaffung von Blindleistung wurde noch nicht getroffen. Zunächst sollen die Ergebnisse der Blindleistungskommission abgewartet werden. Diese plant, Ende September ihren Endbericht vorzulegen. d) Wenn nein, ist die zukünftige Vergütung mit den EU-Regularien vereinbar , und welche Hemmnisse führt die Bundesregierung an? Die Bundesregierung wird die Vorgaben des Legislativpakets „Saubere Energie für Alle“ bei der Blindleistungsbeschaffung umsetzen. Es sieht für die Verteilnetzbetreiber aber in Artikel 31 Absatz 7 sowie für die Übertragungsnetzbetreiber in Artikel 40 Absatz 4 der Richtlinie 944/2019 vor, dass die Regulierungsbehörde eine Ausnahme gewähren kann, wenn sie zu der Einschätzung gelangt, dass eine marktgestützte Beschaffung wirtschaftlich nicht effizient ist. Sollte eine solche Entscheidung ergehen, wäre auch sie mit den EU-Regularien vereinbar. 14. Wird die zukünftige Bereitstellung von Blindleistung bei Erneuerbaren-Anteilen von 65 bis 100 Prozent am Strommix durch die Forschungsprogramme der Bundesregierung abgedeckt, und wenn ja, in welchem Forschungsprogramm ? Forschungsfragen zu Systemdienstleistungen und damit auch zur Spannungshaltung und Blindleistungsbereitstellung wurden und werden in verschiedenen Förderprogrammen der Bundesregierung untersucht. Das 7. Energieforschungsprogramm der Bundesregierung gibt den Rahmen vor. Forschungsarbeiten zur Bereitstellung von Systemdienstleistungen werden im Bereich der Förderinitiative „Zukunftsfähige Stromnetze“ und des SINTEG-Programms untersucht. Dabei geht es um Beiträge von Erneuerbaren-Energie-Anlagen , Letztverbrauchern und Speichern, aber auch um Koordinierungsprozesse zwischen den Netzbetreibern. Das webbasierte Portal EnArgus (enargus.de) ist das zentrale Informationssystem der Energieforschungsförderung und informiert über einzelne Forschungsprojekte , Themen und Technologien. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333