Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 19. Juli 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/11836 19. Wahlperiode 22.07.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Reinhard Houben, Michael Theurer, Thomas L. Kemmerich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/11212 – Deutsche Unternehmen im Spannungsfeld zwischen USA und Iran V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Am 8. Mai 2018 gab der Präsident der Vereinigten Staaten, Donald Trump, die Entscheidung bekannt, dass sich die USA aus dem Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) zurückziehen und bislang ausgesetzte US-Sanktionen gegen den Iran wieder in Kraft treten werden. Im August 2018 wurden die ersten dieser Sanktionen in Kraft gesetzt und im November noch einmal verschärft. Darunter fiel die Warnung der amerikanischen Regierung, Unternehmen, die Geschäfte im Iran oder mit iranischen Unternehmen im Ausland machen, mit Handelsverboten zu belegen. Die Europäische Union und somit auch der Mitgliedstaat Deutschland halten am Nuklearabkommen JCPOA fest und unterstützen somit auch keine der von den USA wieder eingeführten bzw. verschärften Wirtschaftssanktionen. Als Reaktion auf die Sanktionen der USA hat die EU ihre Blocking-Verordnung aktualisiert , um europäische Firmen zu schützen. Ziel ist es, die Interessen der in Iran investierenden Unternehmen zu wahren und zu zeigen, dass die EU weiterhin an dem Atomabkommen mit Iran festhält (Delegierte Verordnung (EU) 2018/1100 der Kommission vom 6. Juni 2018 zur Änderung des Anhangs der Verordnung (EG) Nr. 2271/96 des Rates zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte sowie von darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen). „Der SPIEGEL“ berichtete am 15. März 2019 von der iranischen Nationalbank Melli, der die Deutsche Telekom AG aus Sorge vor amerikanischen Repressionen und Reputationsschaden alle Telefon- und Internetanschlüsse fristlos kündigte . Das Bankhaus steht auf der Sanktionsliste der USA. Auch der Aufzugbauer Kone stoppte den Wartungsvertrag in dem Gebäude in Hamburg, in dem die Bank ansässig ist. Ähnlich verlief es bei anderen Zweigstellen iranischer Firmen in Deutschland. Die Telekom hat zugegeben, dass sie einen Reputationsschaden in den USA befürchtet, wenn sie in Deutschland die Iranfiliale beliefert. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11836 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Im Februar 2019 erstattete die Bank Anzeige bei der Bonner Staatsanwaltschaft. Die Landgerichte Hamburg und Bonn kippten zunächst in mehreren einstweiligen Verfahren die fristlosen Kündigungen der Telekom. Möglicherweise könnte die Telekom EU-Recht verletzt haben. Die EU-Kommission wurde von der Bank eingeschaltet (www.spiegel.de/plus/telekom-warum-die-iranische-bankmelli -mit-dem-netzbetreiber-streitet-a-00000000-0002-0001-0000-000162913148). Die Telekom und deren Telekommunikationsdienstleistungen gehören zu den sogenannten kritischen Infrastrukturen Deutschlands. Als solche kommt ihnen in vielen Fällen besonderer Schutz durch die Bundesregierung zu. Als Hauptgrund für die Nichtveräußerungen von Telekom-Anteilen durch Bund und KfW gab der Bundesminister für Wirtschaft und Energie Peter Altmaier an, dass die Deutsche Telekom AG zu den Betreibern kritischer Infrastrukturen in Deutschland gehört (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP auf Bundestagsdrucksache 19/4195). Der deutsche Staat ist direkt und indirekt (KfW) Hauptanteilseigner der Deutschen Telekom AG. 1. Welche deutschen Unternehmen sind nach Kenntnis der Bundesregierung durch die Sanktionen gegen das Bankhaus Melli direkt oder indirekt betroffen ? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Kenntnisse vor. 2. Welche iranischen Unternehmen oder Banken klagten an deutschen Gerichten nach Kenntnis der Bundesregierung gegen Kündigungen der Deutschen Telekom seit August 2018? Die Bundesregierung hat über die in öffentlichen Medien genannten Fälle hinaus keine eigenen Erkenntnisse. 3. Welche anderen iranischen Banken gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland, denen Verträge von deutschen Unternehmen gekündigt wurden, um mutmaßlichen Restriktionen durch die USA zu entgehen? 4. Welche iranischen Unternehmen in Deutschland gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung, denen Verträge von deutschen Unternehmen gekündigt wurden, um mutmaßlichen Restriktionen durch die USA zu entgehen? Die Fragen 3 und 4 werden gemeinsam beantwortet. Der Bundesregierung liegen derzeit keine Kenntnisse hierzu vor. 5. Welche Gespräche fanden zwischen Vertretern und Mitarbeitern der Bundesregierung und dem Bankhaus Melli seit August 2018 statt? Wann, und wo fanden diese statt? 6. Welche Gespräche fanden zwischen Vertretern und Mitarbeitern der Bundesregierung und der Deutschen Telekom AG seit August 2018 bezüglich der US-Sanktionen gegen den Iran statt? Die Fragen 5 und 6 werden gemeinsam beantwortet. Die Angaben zu Gesprächen erfolgen auf der Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse sowie vorhandener Unterlagen und Aufzeichnungen. Eine Verpflichtung zur Erfassung sämtlicher geführter Gespräche (einschließlich Telefonate) besteht nicht, und eine solche umfassende Dokumentation wurde auch nicht durchgeführt (siehe dazu auch die Vorbemerkung der Bundesregierung zu der Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/11836 Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/1174). Nach den vorliegenden Informationen haben keine Gespräche mit der Bank Melli stattgefunden. Es haben keine entsprechenden Gespräche mit der Deutschen Telekom AG stattgefunden. 7. Für wie wirksam hält die Bundesregierung die aktualisierte EU-Blocking- Verordnung? Ziel der Blocking-Verordnung ist es, den unrechtmäßigen Auswirkungen von extraterritorialen Sanktionen, die von Drittländern verhängt werden, auf EU-Wirtschaftsteilnehmer entgegenzuwirken. Ihr Hauptzweck besteht somit darin, EU- Wirtschaftsteilnehmer zu schützen, die im Einklang mit dem EU-Recht rechtmäßig am internationalen Handels- und/oder Kapitalverkehr und an damit verbundenen Geschäftstätigkeiten mit Drittländern teilnehmen. Durch die Blocking-Verordnung wird jede in einem Drittland gefällte Entscheidung – einschließlich Gerichtsurteilen und Schiedssprüchen –, die auf den gelisteten extraterritorialen Rechtsakten oder nach ihnen erlassenen Rechtsakten oder Vorschriften beruht, in der EU für unwirksam erklärt (Artikel 4); erhalten EU-Wirtschaftsteilnehmer die Möglichkeit, für Schäden, die ihnen aus der Anwendung der gelisteten extraterritorialen Rechtsakte entstehen, von den natürlichen oder juristischen Personen oder Stellen, die sie verursachen, Ersatz zu verlangen (Artikel 6). Eine Bewertung der Effektivität der Blocking-Verordnung ist zum aktuellen Zeitpunkt nicht möglich. 8. Inwiefern ist es deutschen Unternehmen nach Kenntnis der Bundesregierung möglich, die EU-Blocking-Verordnung zu umgehen? Wie in der Antwort zu Frage 7 ausgeführt, ist vorrangiges Ziel der Blocking-Verordnung die Gewährung von Schutz zugunsten deutscher und europäischer Unternehmen . Die Blocking-Verordnung soll sicherstellen, dass Geschäftsentscheidungen weiterhin frei getroffen werden können und EU-Wirtschaftsteilnehmern nicht durch die gelisteten extraterritorialen Rechtsakte, deren Anwendbarkeit auf EU-Wirtschaftsteilnehmer im Unionsrecht nicht anerkannt wird, aufgezwungen werden. Von daher besteht grundsätzlich kein Anlass für deutsche Unternehmen, die Blocking-Verordnung zu „umgehen“. Auch die Einstellung oder Nichtaufnahme von Geschäft mit Iran-Hintergrund kann nach dem Verständnis der Bundesregierung nicht per se als „Umgehung“ eingeordnet werden. Die EU-Kommission hat zur Auslegung und Anwendung der Blocking-Verordnung einen Leitfaden veröffentlicht (ABl. EU C 277 I/4 vom 7. August 2018). Zum „Befolgungsverbot“ (Artikel 5 Absatz 1) findet sich darin unter Frage 5 der Hinweis, dass EU-Wirtschaftsteilnehmer frei entscheiden können , eine Geschäftstätigkeit aufzunehmen, fortzusetzen oder einzustellen und auf der Grundlage ihrer Bewertung der wirtschaftlichen Lage in einem Wirtschaftszweig tätig zu werden oder nicht. Die Blocking-Verordnung enthält demnach keine Pflicht zur Durchführung oder Fortsetzung von bestimmtem Geschäft. Die Unternehmen bleiben in ihren Geschäftsentscheidungen grundsätzlich frei. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11836 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 9. Wie beurteilt die Bundesregierung den Umstand, dass sich deutsche Unternehmen auf deutschem Staatsgebiet direkt oder indirekt dem US-Recht unterwerfen ? 10. Wie beurteilt die Bundesregierung im Besonderen den Umstand, dass sich deutsche Unternehmen mit sogenannter kritischer Infrastruktur auf deutschem Staatsgebiet direkt oder indirekt dem US-Recht unterwerfen? Die Fragen 9 und 10 werden gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung lehnt gemeinsam mit ihren europäischen Partnern die Verhängung von extraterritorial anknüpfenden Sekundärsanktionen prinzipiell ab und setzt sich im Dialog mit US-Regierung und -Kongress für ihre Streichung oder jedenfalls die Begrenzung ihrer Rechtswirkungen ein, um deutsche Unternehmen vor den nachteiligen Auswirkungen von US-Sanktionen zu schützen. Die Bundesregierung geht im Übrigen davon aus, dass deutsche Unternehmen auch mögliche Risiken für ihr US-Geschäft in ihre wirtschaftlichen Überlegungen und damit in ihre – freien – geschäftspolitischen Entscheidungen einfließen lassen . Dies hält die Bundesregierung für nachvollziehbar und zulässig, sofern der hier geltende Rechtsrahmen beachtet wird. 11. Welche binnenrechtlichen Maßnahmen gibt es von Seiten der Bundesregierung für Anbieter von kritischer Infrastruktur in Deutschland, um die Einflussnahme von Drittstaaten oder die Durchsetzung geschäftspolitischer Entscheidungen zu verhindern? Der Erwerb eines inländischen Unternehmens, das Betreiber einer Kritischen Infrastruktur ist, bzw. von mindestens 10 Prozent der Stimmrechte an einem solchen Unternehmen, durch einen Unionsfremden kann nach §§ 55 ff. der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie im Wege der sog. Investitionsprüfung daraufhin überprüft werden, ob der Erwerb die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet (vgl. insbesondere § 56 Absatz 1 Nummer 1 i. V. m. § 55 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 AWV). 12. Welche zuständigen Behörden hat die Bundesregierung für die Entgegennahme und Weiterleitung von Unterrichtungen durch Unternehmen nach Artikel 2 der Verordnung (EU) Nr. 2271/1996 in Deutschland definiert? Eigentlicher Adressat der Unterrichtung ist nach Artikel 2 Absatz 1 der Blocking- Verordnung die EU-Kommission. Sie kann unmittelbar über die Mitgliedstaaten unterrichtet werden. Unterrichtungen der EU-Kommission an die Bundesregierung gemäß Artikel 2 Absatz 3 der Blocking-Verordnung werden über die Ständige Vertretung Deutschlands in Brüssel an das Auswärtige Amt und das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geleitet, die wiederum das Bundesministerium der Finanzen und im Einzelfall weitere zuständige Stellen einbinden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333