Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien vom 23. Juli 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/11949 19. Wahlperiode 25.07.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Kirsten Kappert-Gonther, Erhard Grundl, Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/11327 – Umgang mit und Rückgabe von menschlichen Gebeinen aus kolonialen Kontexten V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im Zuge der deutschen Kolonialherrschaft über Teile Afrikas, Ozeaniens und Chinas wurden im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert Tausende von menschlichen Gebeinen und Körperteilen Kolonisierter nach Deutschland verschleppt. Im Rahmen „rassenanthropologischer Forschung“ wurden diese menschlichen Überreste pseudowissenschaftlich genutzt, u. a. um eine vermeintliche Ungleichwertigkeit menschlicher „Rassen“ nachzuweisen. 100 Jahre nach Ende der Kolonialherrschaft befinden sich die meisten dieser „human remains“ noch immer auf deutschem Boden, vor allem in Museen, Universitätssammlungen und medizinischen Institutionen (www.tagesspiegel.de/politik/kolonialismus-wieviel -raubkunst-besitzen-die-deutschen/23225654.html). Zahlreiche Initiativen im globalen Süden und hierzulande treten seit Jahren für die Rückgabe der menschlichen Gebeine an die Nachfahren und Herkunftsgesellschaften ein. Bisher gibt es seitens der Bundesregierung jedoch nur vereinzelte Rückgaben von „human remains“, deren Ablauf zudem sowohl bei Vertreterinnen und Vertretern der Herkunftsgesellschaften als auch bei den zivilgesellschaftlichen Organisationen in Deutschland auf Kritik gestoßen ist. Im zuletzt verabschiedeten Eckpunktepapier hält die Bund-Länder-AG zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten fest: „Menschliche Überreste aus kolonialen Kontexten sind zurückzuführen.“ Ferner kündigt die Bund-Länder- AG an, dem verantwortungsvollen Umgang mit menschlichen Gebeinen „Vorrang “ zu geben und „die Voraussetzungen für Rückführungen von menschlichen Überresten schaffen“ zu wollen. Ein rechtlicher Anspruch der Nachfahren bzw. der Herkunftsgesellschaften auf die Rückgabe menschlicher Gebeine wird allerdings bis zum heutigen Tage nicht gewährt (www.dw.com/de/noch-keinschlussakt -deutscher-kolonialgeschichte/a-45282855; www.kmk.org/aktuelles/ artikelansicht/koloniales-erbe-arbeitsgruppe-zum-umgang-mit-sammlungsgutverabredet .html; https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri= CELEX%3A32009D0406). Dabei ist die Identifizierung und Rückgabe der menschlichen Gebeine Kolonisierter nach Ansicht der Fragesteller eine der dringlichsten ethisch-moralischen und geschichtspolitischen Aufgaben unserer Zeit. Die Lagerung von „human Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11949 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode remains“ in musealen Beständen wird von den Nachfahren nicht selten als „weiterer Gewaltakt“, als ein „Gewaltakt über den Tod hinaus“ wahrgenommen (vgl. http://justlisten.berlin-postkolonial.de/menschliche-gebeine). Die Gebeine müssen daher nach Ansicht der Fragesteller schnellstens zurückgegeben werden, nicht nur aus Pietät, sondern insbesondere, weil ihr Fehlen bei den Angehörigen in vielen Fällen als extrem schmerzvoll wahrgenommen wird und zu schweren psychischen Belastungen führen kann. Hier gilt es also, ganz konkret das Leid der Nachkommen, die ihre Ahnen in der Heimat bestatten wollen, zu beenden. 1. Wie viele der Schädel und Skelette aus der sog. S-Sammlung, die zwischen ca. 1885 und 1924 durch Felix von Luschan vom Königlichen Museum für Völkerkunde (heute Ethnologisches Museum Berlin) angelegt wurde und sich gegenwärtig in den Beständen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz befindet , werden nach Kenntnis der Bundesregierung zur Zeit auf ihre Provenienz hin beforscht? 2. Welcher Zeitplan wird bei der Erforschung der Provenienz weiterer Schädel und Skelette aus der „S-Sammlung“ nach Kenntnis der Bundesregierung verfolgt , und welche finanziellen Mittel werden dabei seitens der Bundesregierung zur Verfügung gestellt? 3. a) Welche Herkunftsgesellschaften der Schädel und Skelette sind auf der Grundlage der überlieferten Dokumentationen und von Markierungen auf den Gebeinen bereits heute bekannt? b) Welche Schädel und Skelette sind auf dieser Grundlage konkreten Personen zuzuordnen? c) Welche bereits bekannten Herkunftsgesellschaften und Familienangehörigen sind schon offiziell informiert worden? Die Fragen 1 bis 3 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Nach Kenntnis der Bundesregierung werden aktuell in einem interdisziplinären und transnationalen Forschungsprojekt zur Rekontextualisierung von ostafrikanischen menschlichen Überresten aus kolonialen Kontexten ca. 1 200 menschliche Überreste aus der sogenannten „S-Sammlung“ auf ihre Provenienz hin untersucht . Das Projekt wird gemäß Auskunft der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) in Kooperation mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern insbesondere aus Ruanda durchgeführt und aus Drittmitteln finanziert. Daneben werden derzeit die Provenienzen von 36 Schädeln aus Hawaii untersucht. Nach Kenntnis der Bundesregierung plant die SPK, auch die menschlichen Überreste aus Westafrika in den Blick zu nehmen. Dabei handelt es sich um eine Gruppe von weiteren ca. 500 menschlichen Überresten. Die Erforschung der Bestände aus Ozeanien soll folgen. Die auf den menschlichen Überresten aus der sogenannten S-Sammlung aufgetragenen historischen Markierungen gelten nach Kenntnis der Bundesregierung größtenteils als nicht gesichert. Sie wurden mit dem Wissenschaftsverständnis des beginnenden 20. Jahrhunderts angebracht und bedürfen deshalb durchweg der kritischen Überprüfung. Als hinreichend gesichert können nach Angaben der SPK nur die Zuordnungen gelten, die Ergebnis des Forschungsprojektes zu Ostafrika sind. Hier konnten der SPK zufolge Zugehörigkeiten zu folgenden Ethnien festgestellt werden: Bondei, Chagga, Digo, Hehe, Massai, Mwera, Ndonde, Ngindo, Pare, Sandawe, Shambaa, Swahili, Turu, Tutsi, Twa, Wagogo und Wakinga . Im Rahmen des angeführten Projekts zu Ostafrika konnten nach Angaben Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/11949 der SPK für über 1 000 der Individuen zum Teil sehr konkrete regionale Zuordnungen ihrer Herkunft vorgenommen werden. In einigen Fällen konnte demzufolge auch eine konkrete Person festgestellt werden. Das betrifft zum Beispiel einen Einwohner aus Moshi, dessen Name mit den Akida Barugo/Baruku ermittelt werden konnte und dessen menschliche Überreste aus der Osteologischen Sammlung der Charité stammen. Geklärt werden konnte auch die Frage, ob die menschlichen Überreste von Chief Meli, Chief Lobulu und Chief Ndesamburo zu den von der SPK verwahrten menschlichen Überresten gehören. Ein DNA-Abgleich der Schädel mit den jeweiligen Nachfahren ergab keine Übereinstimmung. Gleiches gilt für die menschlichen Überreste von Chief Lobulu und Ndesamburo, deren Verbleib bislang ebenfalls in der Sammlung der Charité vermutet wurde. Im Rahmen der Forschungen vor Ort wurde nach Kenntnis der Bundesregierung ein größerer Personenkreis beteiligt. Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen . Eine Kontaktaufnahme zu Familienangehörigen oder Herkunftsgesellschaften der Verstorbenen sollte nach Auffassung der Bundesregierung in enger Abstimmung mit den offiziellen Stellen in den Herkunftsländern erfolgen. 4. a) In welcher Art und Weise werden die Ergebnisse der Provenienzforschung zur „S-Sammlung“ nach Kenntnis der Bundesregierung veröffentlicht ? b) Inwiefern werden die Ergebnisse den Herkunftsgesellschaften vorgelegt? Die Fragen 4a und 4b werden gemeinsam beantwortet. Das Forschungsprojekt wurde nach Kenntnis der Bundesregierung in Kooperation mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus den Herkunftsländern durchgeführt. Die in Kürze abgeschlossene Feldforschung an den Entnahme- und Aneignungsorten der Schädel und Skelette beinhaltet nach Angaben der SPK Gespräche über die Deutsche Kolonialvergangenheit mit ca. 130 Personen, die über den Verbleib der menschlichen Überreste informiert wurden. Ende November 2019 ist ein Abschlussworkshop in Kigali, Ruanda geplant, zu dem Regierungs- und Medienvertreter sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als auch weitere Gäste eingeladen werden sollen. Dabei sollen nach Angaben der SPK die Projektergebnisse besprochen und – unter Einbeziehung der im Rahmen der Feldforschung erhobenen Aussagen – Lösungen für den weiteren Umgang mit den menschlichen Überresten erörtert werden. Darüber hinaus plant die SPK eine Publikation in gedruckter und digitaler Form in englischer Sprache. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11949 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 5. Teilt die Bundesregierung die Position von Dr. Bernhard Heeb, Kurator der „S-Sammlung“ am Museum für Vor- und Frühgeschichte in Berlin, dass menschliche Gebeine aus der „S-Sammlung“, die über eine „unkritische“ Provenienz verfügen, für wissenschaftliche Zwecke genutzt werden könnten (vgl. www.preussischer-kulturbesitz.de/newsroom/dossiers-und-nachrichten/ dossiers/dossier-provenienzforschung/luschan-sammlung.html)? a) Falls ja, wie definiert die Bundesregierung eine „unkritische“ Provenienz der Gebeine, und für welche Forschungszwecke sollen die Gebeine ihrer Auffassung nach genutzt werden? b) Falls nein, hat sich die Bundesregierung gegenüber der Stiftung Preußischer Kulturbesitz bereits für eine umfängliche Restitution der „S-Sammlung “ ausgesprochen? Die Fragen 5 bis 5b werden gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass menschliche Überreste aus kolonialen Kontexten aus der sogenannten S-Sammlung grundsätzlich nicht für wissenschaftliche Forschungszwecke genutzt werden sollten. Der Umgang mit menschlichen Überresten aus kolonialen Kontexten erfordert höchste Sensibilität. 6. Welche Pläne verfolgt die Bundesregierung hinsichtlich der Rückgabe der menschlichen Überreste aus der „S-Sammlung“, und plant die Bundesregierung , die Kosten für zukünftige Rückführungen der verschleppten sterblichen Überreste zu übernehmen? Die Bundesregierung verweist auf die „Ersten Eckpunkte zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten“ vom 13. März 2019, auf die sich die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin, die Staatsministerin im Auswärtigen Amt für internationale Kulturpolitik, die Kulturministerinnen und Kulturminister der Länder und die kommunalen Spitzenverbände verständigt haben, wonach menschliche Überreste aus kolonialen Kontexten zurückzuführen sind. Die Identifikation und Zuordnung menschlicher Überreste zu Herkunftsgesellschaften und Herkunftsstaaten, die notwendige Voraussetzung für eine Rückführung sind, gestalten sich zum Teil jedoch äußerst schwierig. Fragen zur Regelung des Transports der bei der SPK befindlichen sogenannten S-Sammlung werden zu gegebener Zeit im Einzelfall geklärt. 7. Welche Gespräche gab es seitens der Bundesregierung mit Vertreterinnen und Vertretern der Herkunftsgesellschaft zur Rückgabe von sterblichen Überresten aus anderen Sammlungen als der „S-Sammlung“? Zu welchen Ergebnissen führten diese jeweiligen Gespräche nach Kenntnis der Bundesregierung? Die Bundesregierung steht zur Rückführung menschlicher Überreste nach Namibia im Austausch mit der namibischen Regierung und den deutschen Institutionen , bei denen menschliche Überreste namibischer Herkunft vermutet werden. Sie unterstützt das Anliegen der Rückführung und setzt sich gegenüber deutschen Institutionen, in denen menschliche Überreste namibischer Herkunft aufbewahrt werden, für die Erforschung ihrer anatomischen Bestände und – so aus Namibia stammend – deren Rückführung ein. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/11949 In der Vergangenheit hat es mehrere Rückführungen von menschlichen Überresten gegeben. Die jüngste Rückgabe menschlicher Überreste an Namibia erfolgte im August 2018. Im Übrigen wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundestagsdrucksache 19/5130 verwiesen. 8. Welche finanziellen Mittel werden nach Kenntnis der Bundesregierung gegenwärtig verausgabt, um sterbliche Überreste in den Beständen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, der Stiftung Deutsches Historisches Museum sowie der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung auf ihre Provenienz hin zu beforschen (bitte nach den genannten Institutionen aufschlüsseln)? a) Wie viele Stellen mit welchem Stundenumfang sind nach Kenntnis der Bundesregierung in den jeweiligen Institutionen mit der Erforschung der Provenienz menschlicher Gebeine und anderer Körperteile befasst (bitte nach den genannten Institutionen aufschlüsseln)? b) Wie hoch waren die seit 2013 pro Jahr vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel für die Erforschung der Provenienz menschlicher Überreste in den o. g. Institutionen? c) Welche finanziellen Mittel plant die Bundesregierung für die Erforschung der Provenienz menschlicher Überreste in den o. g. Institutionen für das kommende Haushaltsjahr ein? Die Fragen 8 bis 8c werden gemeinsam beantwortet. Nach Kenntnis der Bundesregierung sind bei der SPK 3,4 Stellen bzw. ihre Stelleninhaber sowie eine studentische Hilfskraft mit der Erforschung befasst: Die Erforschung der menschlichen Überreste aus Hawaii wurde mit ca. 20 000 Euro finanziert. Personalmittel der aufgeführten Stellen und Mittel zur Erforschung der Provenienz menschlicher Überreste aus den Beständen der SPK werden aus dem Betriebshaushalt der SPK finanziert, sofern hierfür keine Drittmittel zur Verfügung stehen. Dem Deutschen Historischen Museum stehen für die Provenienzforschung zwei Stellen zur Verfügung, mit denen jedoch nicht ausschließlich die Provenienz menschlicher Überreste erforscht wird. In der Sammlung befinden sich ein Schrumpfkopf und zwei Zöpfe. Die Zöpfe stammen aus dem Zusammenhang des sog. Boxeraufstandes in China. Die Zuordnung dieser menschlichen Überreste zu bestimmten Personen war trotz intensiver Recherchen bislang nicht möglich. In den Sammlungen der im Rahmen der Leibniz-Gemeinschaft institutionell vom Bund geförderten Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung befinden sich menschliche Schädel unterschiedlicher Provenienz. Diese werden von den Kuratoren der Sammlungen betreut, deren Stellen im von Bund und Ländern finanzierten Kernhaushalt der Einrichtung dauerhaft finanziert werden. Genaue Stunden - und Finanzmittelanteile für die Erforschung der Provenienz menschlicher Überreste lassen sich nicht ausweisen. Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten bewahrende sowie dazu forschende Einrichtungen in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft mit Sitz in Deutschland können darüber hinaus Anträge zur Förderung von Projekten zu Grundlagen- und Provenienzforschung, unter anderem zu menschlichen Überresten beim Deutschen Zentrum Kulturgutverluste (DZK) stellen. Für die Erweiterung der Fördertätigkeit des DZK um die Förderung der Provenienzforschung zu Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten wurden bereits in den Bundeshaushalten 2018 und 2019 zusätzliche Mittel von insgesamt über 2 Mio. Euro sowie vier zusätzliche Stelle Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11949 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode ausgebracht. Im Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2020 ist ein weiterer Aufwuchs um 1,6 Mio. Euro für das DZK vorgesehen, der unter anderem für die Provenienzforschung zu Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten verwendet werden soll. Diese Erhöhung steht noch unter dem Vorbehalt der parlamentarischen Beratungen. 9. Die sterblichen Überreste wie vieler Menschen in den Beständen bundesbezuschusster kulturgutbewahrender Einrichtungen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in den vergangenen fünf Jahren erfolgreich auf ihre Provenienz hin beforscht? Die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung hat in den vergangenen fünf Jahren die menschlichen Überreste zweier Personen auf ihre Provenienz hin erforscht . Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 1 bis 3 und 8 verwiesen . 10. Reicht der gegenwärtige gesetzliche Rahmen in Deutschland nach Auffassung der Bundesregierung aus, um menschliche Gebeine aus kolonialen Kontexten sicher, respekt- und würdevoll aufzubewahren und zu lagern? a) Falls ja, wie erklärt sich die Bundesregierung, dass z. B. Teile der „S-Sammlung“ vor der Übergabe an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz „zerbrochen“ oder mit „Schmutz und Schimmel“ (vgl. www.preussischerkulturbesitz .de/newsroom/dossiers-und-nachrichten/dossiers/dossierprovenienzforschung /luschan-sammlung.html) bedeckt waren? b) Falls nein, wird sich die Bundesregierung in der Bund-Länder-AG zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten für entsprechende Gesetzesänderungen aussprechen? 11. Inwieweit orientiert sich die Bundesregierung an der Praxis in Großbritannien , wo es in den letzten Jahren Gesetzesänderungen zur Aufbewahrung und Lagerung von menschlichen Gebeinen aus kolonialen Kontexten gab? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 10 und 11 gemeinsam beantwortet . Der Bundesregierung liegen keine Hinweise vor, dass der gegenwärtige gesetzliche Rahmen für eine sichere, respekt- und würdevolle Aufbewahrung menschlicher Überreste nicht ausreichen würde. Es wird darauf hingewiesen, dass sich die ganz überwiegende Zahl Sammlungsgut bewahrender Einrichtungen, welche nicht immer Museen sind, in Trägerschaft der Länder und Kommunen befindet. Eine der Kernaufgaben von Museen ist nach Auffassung der Bundesregierung die Bewahrung der anvertrauten Sammlung. So ist es zum Beispiel nach dem Stiftungsgesetz der SPK deren Auftrag, ihre Sammlungen zu bewahren und zu pflegen . Alle der SPK anvertrauten Sammlungen werden nach den international anerkannten Standards behandelt. Für den Bereich der SPK ist der sichere, respektund würdevolle Umgang mit menschlichen Überresten gewährleistet. Die Bundesregierung steht – auch zum Thema Sammlungsgut, einschließlich menschlicher Überreste, aus kolonialen Kontexten – mit anderen Staaten im Austausch . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/11949 12. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über gegenwärtig in Deutschland laufende Projekte, in deren Rahmen die Provenienz von menschlichen Gebeinen erforscht wird, und steht die Bundesregierung zwecks Wissenstransfer in einem Austausch mit den Bundesländern? Die Bundesregierung führt dazu keine Erhebungen durch. Innerhalb der Arbeitsgruppe von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden zu Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten stehen Bund und Länder auch zur Situation der Provenienzforschung im Austausch. Ferner hat das DZK mit dem Aufbau einer Forschungsdatenbank begonnen. Diese wird unter anderem der recherchierbaren Dokumentation von Ergebnissen der vom DZK geförderten Provenienzforschung dienen. Vorgesehen ist, dass die neue Datenbank eben-falls Ergebnisse aus den zukünftig vom DZK geförderten Projekten zu Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten aufnimmt. 13. Welche Forschungsprojekte zur Aufarbeitung der „rassenanthropolitischen Forschung“ in Deutschland fördert die Bundesregierung derzeit (bitte mit Angabe des Titels, des Themas, der Laufzeit, des Budgets, des federführenden Ressorts und der beteiligten Institutionen in Deutschland und im Ausland )? Die Aufarbeitung der „rassenanthropologischen Forschung“ ist nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit kein Förderschwerpunkt der von der Bundesregierung geförderten Einrichtungen. 14. Welche internationalen Bildungs- und Forschungsprojekte fördert die Bundesregierung derzeit mit Staaten deutscher Postkolonien (bitte mit Angabe des Titels, des Themas, der Laufzeit, des Budgets, des federführenden Ressorts und der beteiligten Institutionen in Deutschland und im Ausland)? Es wird auf die Antworten zu den Fragen 1 bis 3 und 8 verwiesen. Derzeit fördert die Bundesregierung keine darüber hinausgehenden internationalen Bildungs- und Forschungsprojekte, die explizit dem Thema „menschliche Überreste“ gewidmet sind. 15. Wird die Bundesregierung ein nationales zentrales Register aller menschlichen Überreste aus kolonialen Kontexten erstellen, um den Nachfahren die eigenständige Suche nach ihren verschleppten Vorfahren zu erleichtern? a) Falls ja, welchen Zeitplan verfolgt sie dabei? b) Falls nein, warum nicht? Die Fragen 15 bis 15b werden gemeinsam beantwortet. In den „Ersten Eckpunkten zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten “ ist festgehalten, dass die Digitalisierung von Beständen und Inventaren zum Zweck der Transparenz und „weltweiten Teilhabe“ eine Herausforderung und ein Handlungsfeld für alle staatlichen Ebenen bildet. Die Arbeitsgruppe von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden wird sich dazu in ihrer weiteren Zusammenarbeit verständigen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11949 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 16. Hält es die Bundesregierung für erforderlich, belastbare Kenntnisse über in Deutschland stattfindende Forschung an menschlichen Gebeinen aus kolonialen Kontexten, die nicht ausschließlich der Klärung ihrer Herkunft und Rückgabe dienen, zu erlangen? a) Falls ja, inwiefern plant die Bundesregierung, diese gegenwärtig nicht vorhandenen Kenntnisse zu gewinnen (vgl. Bundestagsdrucksache 19/ 5130)? b) Falls nein, warum nicht? Die Fragen 16 bis 16b werden gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass menschliche Überreste aus kolonialen Kontexten grundsätzlich nicht für wissenschaftliche Forschungszwecke genutzt werden sollten. Eine Erhebung dazu ist nicht vorgesehen. 17. Ist der Kenntnisstand über „rassenanthropologische Forschung“ an menschlichen Gebeinen aus kolonialen Kontexten in Deutschland nach Auffassung der Bundesregierung hinreichend aufgearbeitet, und bestehen in der breiten Bevölkerung sowie in der Wissenschaftsgemeinschaft im Besonderen ausreichend Kenntnisse und Sensibilität für das Thema? a) Falls nein, welche Forschungs- und Bildungsprojekte fördert die Bundesregierung , um eine entsprechende kritische Reflexion zu befördern? b) Setzt sich die Bundesregierung bei den Bundesländern für eine stärkere Thematisierung der „rassenanthropologischen Forschung“ in Bildung, Forschung und Lehre ein? Die Fragen 17 bis 17b werden gemeinsam beantwortet. Dazu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Es fanden keine Erhebungen in diese Richtung statt. 18. Die Gebeine und Körperteile wie vieler Kolonisierter wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in den vergangenen fünf Jahren aus den Beständen bundesbezuschusster kulturgutbewahrender Einrichtungen an die Herkunftsgesellschaften restituiert? 19. In wie vielen Fällen wurden die Nachfahren bzw. Vertreterinnen und Vertreter kolonisierter Herkunftsgesellschaften nach Kenntnis der Bundesregierung vorher proaktiv über die Existenz ihrer Vorfahren in Deutschland informiert ? Die Fragen 18 und 19 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Eine abschließende Übersicht zur Rückgabe von menschlichen Überresten aus kolonialen Kontexten an Herkunftsstaaten und Herkunftsgesellschaften liegt der Bundesregierung aufgrund der Zuständigkeit der Länder für die ganz überwiegende Zahl der Sammlungsgut bewahrenden Einrichtungen nicht vor. In den vergangenen fünf Jahren sind etliche menschliche Überreste an Herkunftsgesellschaften und Herkunftsstaaten zurückgegeben worden. So zum Beispiel an Namibia , auch unter vorheriger Einbindung von Vertreterinnen und Vertretern der Herkunftsgesellschaften. Diese Rückführungen an Namibia erfolgten jedoch nicht aus Beständen bundesbezuschusster kulturgutbewahrender Einrichtungen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/11949 Aus den Beständen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und des Deutschen Historischen Museums hat es nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten fünf Jahren keine Rückgaben von menschlichen Überresten aus kolonialen Kontexten an Herkunftsstaaten gegeben. Die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung hat in den vergangenen fünf Jahren die menschlichen Überreste zweier Personen zurückgegeben. Die Nachfahren bzw. Vertreterinnen und Vertreter ehemals kolonisierter Herkunftsgesellschaften wurden vorher in beiden Fällen proaktiv über die Existenz ihrer Vorfahren in Deutschland informiert. 20. Inwiefern stellt die Bundesregierung sicher, dass Informationen über auf ihre Provenienz hin beforschte menschliche Gebeine zeitnah an Vertreterinnen und Vertreter der Nachfahren bzw. der Herkunftsgesellschaften übermittelt werden? 21. Welche finanziellen Mittel stellt die Bundesregierung für den Zugang zu diesen Informationen gegenwärtig zur Verfügung, und welche Mittel sind dafür in den kommenden Haushaltsjahren vorgesehen (insbesondere in Hinblick auf den im Eckpunktepapier der Bund-Länder-AG zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten enthaltenen Vorschlag zur Errichtung und Ausgestaltung einer Anlaufstelle)? Die Fragen 20 und 21 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die ganz überwiegende Zahl von Sammlungsgut bewahrenden Einrichtungen liegt in Trägerschaft der Länder und Kommunen. Grundsätzlich soll seitens der Einrichtungen, die menschliche Überreste bewahren, und ihrer Träger frühzeitig der Austausch zu möglichen entsprechenden Herkunftsstaaten und Herkunftsgesellschaften oder Nachfahren gesucht werden. Hinsichtlich der Errichtung und Ausgestaltung einer möglichen Anlaufstelle befindet sich die Arbeitsgruppe von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden derzeit in Erörterungen. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 4, 8 und 15 verwiesen. 22. Plant die Bundesregierung, den Nachfahren bzw. den Herkunftsgesellschaften einen rechtlichen Anspruch auf die Rückgabe von „human remains“ aus den Beständen bundesbezuschusster Einrichtungen zu geben? a) Falls ja, welchen Zeitplan verfolgt sie dabei? b) Falls nein, warum nicht? Die Fragen 22 bis 22b werden gemeinsam beantwortet. Die rechtlichen Voraussetzungen für eine mögliche Rückführung von Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten, einschließlich menschlicher Überreste, sind in Deutschland abhängig vom jeweils für die Einrichtungen geltenden Bundes-, Landes- und Organisationsrecht, insbesondere den Haushaltsordnungen des Bundes , der Länder und der Kommunen. Danach sind Rückgaben grundsätzlich möglich. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11949 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 23. Plant die Bundesregierung gesetzliche Maßnahmen, die auch private Sammlungen von Schädeln und anderen Körperteilen Kolonisierter dazu anhalten, für eine würdevolle Aufbewahrung der sterblichen Überreste zu sorgen, Provenienzrecherchen zu betreiben und Rückgaben an die Nachfahren und Herkunftsgesellschaften zu ermöglichen? a) Falls ja, welchen Zeitplan verfolgt die Bundesregierung dabei? b) Falls nein, warum nicht? Die Fragen 23 bis 23b werden gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung hält die Schaffung gesetzlicher Maßnahmen dazu derzeit nicht für notwendig. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333