Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 17. Juli 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/11959 19. Wahlperiode 23.07.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Abgeordneten Beatrix von Storch, Jürgen Braun, Waldemar Herdt, Anton Friesen und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/8355 – Umsetzung der Bundestagsresolution zum Völkermord an den Armeniern V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r In den Jahren 1915/1916 begann das Osmanische Reich mit der systematischen Vertreibung von und Massakern an den Armeniern und anderen christlichen Minderheiten. Die Taten der damaligen jungtürkischen Komiteeregierung führten fast zur vollständigen Vernichtung der Armenier im Osmanischen Reich. Ebenso fielen Angehörige anderer christlicher Volksgruppen, insbesondere aramäisch -assyrische und chaldäische Christen den Deportationen und Massakern zum Opfer (vgl. Bundestagsdrucksache 18/8613). Den Auftakt bildete am 24. April 1915 die Verhaftung von 235 Personen aus der armenischen Elite in Konstantinopel (Istanbul). Gegen keinen dieser Verhafteten wurde ein Gerichtsverfahren anhängig gemacht, die meisten von ihnen wurden ohne einen Richterspruch hingerichtet (vgl. Aktennotiz des Auswärtigen Amts 1917-11-20-DE-001). Im weiteren Verlauf dieser Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurden schätzungsweise eine Million Armenier ermordet (vgl. www.faz.net/aktuell/politik/ausland/wie-der-voelkermord-an-den-armeniernbegann -13555608.html). Der 24. April gilt daher als offizieller Gedenktag für den Völkermord an den Armeniern. Seit Jahrzehnten kämpfen armenische Politiker und Organisationen gegen die Leugnung und Bagatellisierung der Verbrechen der jungtürkischen Regierung des Osmanischen Reiches und für die Anerkennung des Geschehens als Völkermord auf Basis der UN-Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes (offiziell: englisch Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, CPPCG) von 1948 (vgl. Tessa Hofmann: Annäherung an Armenien. Geschichte und Gegenwart. München: Beck, 1997, S. 172 f.). Eine öffentliche Bezeichnung der Taten des Osmanischen Reiches als „Völkermord “ führt regelmäßig zu einer Anklage wegen Beleidigung des Türkentums (seit 2008: Beleidigung der türkischen Nation) gemäß Artikel 301 Absatz 1 des Strafgesetzbuchs der Türkei (Türk Ceza Kanunu, TCK; vgl. www.faz.net/ aktuell/feuilleton/buecher/tuerkei-orhan-pamuk-vor-meiner-gerichtsverhandlung- 1294102.html?). Vor allem Intellektuelle geraten durch dieses Gesetz in das Visier der türkischen Justiz (vgl. www.handelsblatt.com/politik/international/ Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11959 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode aenderung-im-strafrecht-ankara-reformiert-umstrittenen-tuerkentum-paragrafen/ 2944468.html?). Lautstarke Kritiker der türkischen Politik der Unterdrückung von Erinnerung und Gedenken sind immer wieder an Leib und Leben gefährdet. Dies zeigt sich nach Ansicht der Fragesteller eklatant am Beispiel des ermordeten türkisch-armenischen Journalisten Hrant Dink. Dieser setzte sich stets für eine Anerkennung des Völkermordes ein, weshalb er nach besagtem Strafgesetz verurteilt wurde (https://tsarchive.wordpress.com/2007/01/21/meldung66468/). Noch heute wird in türkischen Schulen unterrichtet, einen Völkermord habe es nicht gegeben und alle gegenteiligen Behauptungen seien feindliche Propaganda der ehemaligen Kriegsgegner, um der Türkei zu schaden (vgl. www.bpb.de/ geschichte/zeitgeschichte/genozid-an-den-armeniern/218116/der-voelkermordim -unterricht). Die Verbrechen des Osmanischen Reiches wurden durch die Resolution des Deutschen Bundestages vom 2. Juni 2016 zu Armenien (Bundestagsdrucksache 18/8613) als Völkermord anerkannt. Dies fand erheblich später statt als beispielsweise in der benachbarten Republik Frankreich, dort geschah das bereits im Jahre 2001 (vgl. www.legifrance.gouv.fr/affichTexte.do?cidTexte=JORFTEXT0 00000403928). Sie ist jedoch nach Ansicht der Fragesteller ein wichtiges Signal an die heutige Republik Türkei, sich als Nachfolgerin des Osmanischen Reiches einer ehrlichen und grundlegenden Aufarbeitung des Geschehens nicht weiter zu verschließen. Diese Aufarbeitung steht am Anfang einer aufrichtigen Aussöhnung der beiden Völker. Die wichtigsten Personen der damaligen Bundesregierung nahmen an der Plenarsitzung , in welcher die Anerkennung des Völkermordes durch den Bundestag stattfand, nicht teil. So blieben die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, der Vizekanzler Sigmar Gabriel und auch der Außenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier der Abstimmung fern (vgl. www.spiegel.de/politik/deutschland/ bundestag-verabschiedet-armenien-resolution-a-1095477.html). Von der Bundeskanzlerin selbst scheint es keine ausdrückliche Benennung des Völkermordes zu geben, jedenfalls ergibt sich das für die Fragesteller aus sorgfältigem Quellenstudium ihrer Reden und Äußerungen – nach Auffassung der Fragesteller würde das eine falsche Rücksichtnahme gegenüber der Republik Türkei bedeuten. Dazu ein Beispiel: Sie vermied es, das Geschehene während ihrer Kaukasus-Reise Ende August des Jahres 2018 deutlich zu benennen und sprach stattdessen lediglich von „Gräueltaten am armenischen Volk“ (vgl. www.tagesschau.de/ausland/merkel-armenien-101.html). Auch von den übrigen Mitgliedern der Bundesregierung fehlt aus Sicht der Fragesteller weiterhin die unmissverständliche Bezeichnung der Verbrechen des Osmanischen Reiches als Genozid. Im Gegenteil, die fraktionsübergreifende, mit überwiegender Mehrheit des Parlaments angenommene „Armenien-Resolution “ wird wiederholt als bloße Meinungsäußerung des Deutschen Bundestages abgetan, ohne dass sich daraus Schlüsse oder Handlungsanreize für die Bundesregierung ziehen ließen (vgl. Plenarprotokoll 18/189, Anlage 14 oder Plenarprotokoll 19/51, TOP 1, S. 5333 C, http://dipbt.bundestag.de/doc/btp/19/ 19051.pdf). Analog zu dieser Geisteshaltung wird auch die Forderung der Resolution, sich mit den damaligen „Vertreibungen und Massakern offen auseinanderzusetzen“, d. h. die Aufarbeitung des Völkermordes zu fördern, aus Sicht der Fragesteller nur mangelhaft umgesetzt. Die Bundesregierung fördert hierbei lediglich zwei Projekte (Antwort auf die Schriftliche Frage 38 auf Bundestagsdrucksache 19/3847), von denen eines sich auf eine – nach Ansicht der Fragesteller für das Gedenken an den Völkermord nur mittelbar geeignete – Gedenkstätte für Hrant Dink spezialisiert (vgl. www.dvv-international.de/weltweit/europa/kaukasus-undtuerkei /tuerkei/). Andere, in der Resolution als Handlungsmöglichkeit anempfohlene Initiativen seitens der Regierung werden nicht verfolgt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/11959 1. Stellt sich die Bundesregierung hinter die Ziele der Armenier-Resolution des Deutschen Bundestages, insbesondere hinter die Aufforderung, zur breiten öffentlichen Auseinandersetzung beizutragen sowie die türkische Seite zu ermutigen, sich mit der Vertreibung und Vernichtung der Armenier auseinanderzusetzen ? Die Bundesregierung berücksichtigt die Ziele der Resolution vom 2. Juni 2016 bei ihrer Politik gegenüber der Republik Türkei und der Republik Armenien. 2. Welche Ministerien und den Ministerien nachgeordneten Behörden sind mit der Umsetzung der Forderung der Armenier-Resolution des Deutschen Bundestages befasst? Innerhalb der Bundesregierung befasst sich das Auswärtige Amt mit der Förderung von Initiativen und Projekten zur Umsetzung dieser Bundestagsresolution. 3. Wie viele Arbeitsstunden wurden seit der Verabschiedung der Armenier-Resolution in den Bundesministerien und den ihnen nachgeordneten Behörden mit der Umsetzung der Resolution eingesetzt, und wie vielen Vollzeitäquivalenten entspricht das? Die Stellenprofile innerhalb der Bundesregierung und ihrer nachgeordneten Behörden , die sich oft im Querschnittsverbund mit Armenien und der Türkei sowie der Umsetzung der Resolution befassen, lassen eine statistische Erfassung der Arbeitszeit im Sinne der Fragestellung nicht zu. 4. Welche Initiativen und Projekte, die der Aufarbeitung des Völkermordes an den Armeniern dienen und zu einer breiten öffentlichen Auseinandersetzung beitragen, sind von der Bundesregierung bis zum Ende der Legislaturperiode geplant? 5. Welche Finanzmittel und welche Stellen sind dafür von der Bundesregierung eingeplant (bitte eine Auflistung der Projekte mit den ihnen zugeordneten Finanzmitteln beifügen)? Die Fragen 4 und 5 werden gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung hat die von 2017 bis Ende 2018 laufenden Projekte der Berghof-Stiftung (BHS) und des Deutschen Volkshochschul-Verbandes (DVV) mit 572 000 Euro und 320 000 Euro gefördert. Für die zweite Projektphase des DVV-Projekts plant die Bundesregierung, von 2019 bis 2021 ca. 724 000 Euro bereitzustellen. In Bezug auf das BHS-Projekt wird die Unterstützung einer neuen Projektphase derzeit geprüft. Im Rahmen des Förderprogramms „Ausbau der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft in den Ländern der Östlichen Partnerschaft und Russland“ des Auswärtigen Amts können entsprechende zivilgesellschaftliche Projekte gefördert werden . Für 2019 wurden keine Anträge zu diesem Thema eingereicht. Durch den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) können unter anderem im Rahmen des thematisch und fachlich weit gefassten Standardprogramms „Forschungsstipendien – Promotionen in Deutschland“ auch Promotionen gefördert werden, die sich mit dem Thema befassen. Informationen zu den administrativen und finanziellen Rahmenbedingungen dieses Programms finden sich unter: www.daad.de/deutschland/stipendium/datenbank/de/21148- stipendiendatenbank/. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11959 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 6. Auf welche Weise sollen die Botschaften in Ankara und Eriwan sowie die Goethe-Institute, insbesondere das auch für Armenien zuständige, das sich im georgischen Tiflis befindet, von der Bundesregierung in die Umsetzung der Armenier-Resolution des Deutschen Bundestages einbezogen werden? Welche Finanzmittel sind für Projekte der Botschaften und der Goethe-Institute für die Umsetzung der Armenier-Resolution vorgesehen? Für die durchgeführten Projekte wird auf die Antwort zu den Fragen 4 und 5 verwiesen . Die Botschaften sind eng in die Umsetzung der in den jeweiligen Ländern durchgeführten Projekte eingebunden. Die deutschen Auslandsvertretungen in der Türkei stehen im engen Austausch mit der Hrant-Dink-Stiftung, die sich in der Türkei für die türkisch-armenische Annäherung und für die Auseinandersetzung mit der nationalen Geschichte in der Türkei einsetzt. Das Goethe-Institut als unabhängige Mittlerorganisation leitet aus der Resolution keinen Handlungsauftrag ab. 7. Sind Bund-Länder-Kooperationen geplant, um die Ziele der Armenier-Resolution zu erreichen? Wer ist in diesen Kooperationen federführend, und welche Projekte umfassen diese Bund-Länder-Kooperationen? Derzeit sind keine Bund-Länder-Kooperationen geplant. 8. Welche Gedenkakte und Erklärungen plant die Bundesregierung für den Armenier -Gedenktag am 24. April 2019, an dem jährlich dem Beginn der Deportationen der armenischen Minderheit im Osmanischen Reich, dem direkten Vorgängerstaat der heutigen Türkei, gedacht wird? An der von der armenischen Botschaft in Berlin, der Diözese der Armenischen Kirche in Deutschland und dem Zentralrat der Armenier in Deutschland organisierten Gedenkstunde am 24. April 2019 nahm auch ein Vertreter der Bundesregierung teil. Der deutsche Botschafter in Armenien legte an diesem Tag im Rahmen des offiziellen Gedenkens in Eriwan einen Kranz am Mahnmal Zizernakaberd nieder. 9. Macht sich die Bundesregierung den in der Resolution „Erinnerung und Gedenken an den Völkermord an den Armeniern und anderen christlichen Minderheiten in den Jahren 1915 und 1916“ verwendeten Begriff „Völkermord“ zu eigen? 10. Falls sich die Bundesregierung den Begriff „Völkermord“ nicht zu eigen macht, bestreitet die Bundesregierung, dass es sich bei der Verfolgung und Vernichtung der Armenier durch das Osmanische Reich um einen Völkermord gehandelt hat? 11. Welche Gründe sieht die Bundesregierung ggf., den Begriff „Völkermord“ für die Vernichtung der christlichen Armenier nicht zu verwenden? Die Fragen 9, 10 und 11 werden gemeinsam beantwortet. Es wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 12 der Abgeordneten Sevim Dağdelen auf Bundestagsdrucksache 18/8815 sowie die Antworten zu den Fragen 1 und 2 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/10340 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/11959 12. Welche historischen und rechtswissenschaftlichen Expertisen wurden von der Bundesregierung zur Bewertung der Vertreibung und Vernichtung der Armenier in den Jahren 1915 und 1916 in Auftrag gegeben, oder welche bereits vorhandenen Expertisen wurden herangezogen (bitte mit einer Auflistung der Expertisen, Experten und Publikationen, die von der Bundesregierung herangezogen wurden, belegen)? Die Bundesregierung stützt ihre Haltung sowohl auf eigene wie auch auf externe Expertise. Sie berücksichtigt diverse Studien und Unterlagen und führt Gespräche mit Expertinnen und Experten. Eine systematische Erfassung dieser zahlreichen Quellen erfolgt nicht. 13. Welche Informationen liegen der Bundesregierung darüber vor, ob seit der Resolution des Bundestages die Pflege des armenischen Kulturerbes in der Republik Türkei, wie es in der Resolution heißt, „fortgesetzt und intensiviert “ worden ist? Nach Kenntnis der Bundesregierung engagieren sich verschiedene Stiftungen, Vereine und Einzelpersonen in der Republik Türkei für den Erhalt und die Förderung des armenischen Brauchtums, des kulturellen Erbes, der Sprache und Kunst, darunter die Hrant-Dink-Stiftung und der Kulturverein Anadolu Kültür. 14. Welchen Beitrag leistet die Republik Türkei nach Kenntnis der Bundesregierung zur Pflege des armenischen Kulturerbes? Im Rahmen der Kulturerhaltprogramme des türkischen Ministeriums für Kultur und Tourismus und durch weitere staatliche Einrichtungen, wie etwa Universitäten , wird der Erhalt armenischer Kulturgüter gefördert. So wurde die Renovierung des Akdamar Kirchenkomplexes in Van (von 2005 bis 2012) mit insgesamt rund 2,1 Mio. Euro aus dem Budget des Kulturministeriums gefördert. Im März 2019 kündigte die türkische Regierung die Finanzierung der Restaurierung der armenisch-apostolischen St. Giragos Kathedrale in Diyarbakir an. 15. Ist der Bundesregierung bekannt, ob und in welchem Umfang die Republik Türkei finanzielle Mittel für die Pflege des armenischen Kulturerbes zur Verfügung stellt? Wenn ja, wie hoch sind die entsprechenden Beträge? Die Republik Türkei stellt finanzielle Mittel für Erhalt und Pflege des armenischen Kulturerbes bereit. Im Jahr 2018 betrug der Haushaltstitel „Kulturschätze und Museen“ umgerechnet etwa 71 922 000 Euro. Die Höhe der Mittel, die speziell für die Pflege des armenischen Kulturerbes gestellt werden, ist der Bundesregierung nicht bekannt. 16. Sieht die Bundesregierung einen Zusammenhang zwischen der Verfolgung und massenhaften, planvollen Tötung der Armenier im Osmanischen Reich und der aktuellen Verfolgung von Christen in der islamischen Welt? Einen solchen Zusammenhang sieht die Bundesregierung nicht. Die Bundesregierung stimmt im Übrigen der in der Fragestellung enthaltenen Aussage zur „aktuellen Verfolgung von Christen in der islamischen Welt“ in ihrer Pauschalität nicht zu. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11959 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 17. Bei welchen Gelegenheiten hat die Bundesregierung die türkische Regierung oder für Menschenrechte zuständige Institutionen in der Türkei ermutigt, sich mit der Vertreibung der Armenier und dem dort begangenen Genozid auseinanderzusetzen, und auf welche Weise hat sie das getan? Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, dass eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte aus einem gesellschaftlichen Prozess erwachsen muss. Sie fördert daher zivilgesellschaftliche Projekte, die diesem Zweck dienen. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 4, 5 und 6 verwiesen. 18. Wurde in den Gesprächen der Bundesregierung mit der türkischen Regierung der Begriff „Völkermord“ verwendet, bei welcher Gelegenheit ist das geschehen, und wie waren die Reaktionen von Seiten der Türkei? Die Bundesregierung verweist auf die Vertraulichkeit bilateraler Gespräche. Im Übrigen erfasst sie die Verwendung einzelner Begriffe in solchen Gesprächen nicht. Zur Einordnung der Ereignisse von 1915/1916 durch die Bundesregierung wird auf die Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 2 und 9 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/10340 verwiesen . Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 17 verwiesen. 19. Wie bewertet die Bundesregierung die Anklage von Personen in der Türkei auf der Grundlage des Paragraphen gegen die Beleidigung gegen das Türkentum (Artikel 301 des türkischen Strafgesetzbuchs), die sich für die Anerkennung des Völkermords an den Armeniern einsetzen? 20. Hält die Bundesregierung diesen Paragraphen und die rechtliche Verfolgung der Forderung nach Anerkennung des Völkermordes an den Armeniern für vereinbar mit einer Mitgliedschaft in der EU? Die Fragen 19 und 20 werden gemeinsam beantwortet. Seit der Änderung des türkischen Strafgesetzbuchs 2008 gibt es den Strafbestandteil „Beleidigung des Türkentums“ nicht mehr. Artikel 301 Absatz 1 des türkischen StGB lautet nunmehr: „Wer die türkische Nation, den Staat der Türkischen Republik, die Große Nationalversammlung der Türkei, die Regierung der Türkischen Republik und die staatlichen Justizorgane öffentlich herabsetzt, wird mit sechs Monaten bis zu zwei Jahren Gefängnis bestraft.“ Ein Peer-Review-Bericht im Auftrag der Europäischen Kommission zum Thema Meinungsfreiheit aus dem Jahr 2011 fordert die Abschaffung des Artikels 301 bzw. die Verankerung des Schutzes von Journalisten und Rundfunkveranstaltern sowie weiterer Personen, die über Angelegenheiten von legitimem öffentlichen Interesse berichten oder gewaltfreie politische Ansichten zum Ausdruck bringen. Zudem solle die Unschuldsvermutung grundsätzlich zugunsten der Veröffentlichung gelten. Da die sogenannten Rechtsstaatskapitel 23 und 24 im EU-Beitrittsverhandlungsprozess mit der Türkei bislang nicht geöffnet wurden, liegt eine über den genannten Bericht der Europäischen Kommission hinausgehende und für den Verhandlungsprozess maßgebliche Verhandlungsposition der EU derzeit nicht vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/11959 21. Wann und in welcher Weise hat die Bundesregierung seit der Verabschiedung der Resolution zum Völkermord an den Armeniern des Bundestages darauf hingewirkt, dass die strafrechtliche Verfolgung der Forderung nach Anerkennung des Völkermordes an den Armeniern in der Türkei beendet wird und dass der Völkermord selbst als solcher von der Türkei anerkannt wird? Es wird auf die Antworten zu den Fragen 4, 5, 6, 17 und 19 verwiesen. 22. Stellt die Leugnung des Völkermordes an den Armeniern in Deutschland nach Auffassung der Bundesregierung einen Hinweis auf extremistische und verfassungswidrige Einstellungen dar? 23. Sollte die Leugnung des Völkermordes an den Armeniern durch Vereine, Verbände, Organisationen und Einzelpersonen nach Auffassung der Bundesregierung auch Eingang in den Verfassungsschutzbericht finden? Die Fragen 22 und 23 werden gemeinsam beantwortet. Ob Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen im Sinne des Bundesverfassungsschutzgesetzes bestehen, ist abhängig vom Kontext und in Würdigung des jeweiligen Einzelfalls zu entscheiden. Im Übrigen wird auf den Verfassungsschutzbericht der Bundesregierung verwiesen . 24. Hält die Bundesregierung die Leugnung des Völkermordes an den Armeniern mit einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst für vereinbar? Der Beamtenstatus geht mit Rechten und Pflichten einher. Die Haupt- und Nebenpflichten der Beamtinnen und Beamten, die sich verfassungsrechtlich aus dem in Artikel 33 Absatz 4 GG geregelten Dienst- und Treueverhältnis ergeben, werden für die Landesbeamten in §§ 33 ff. BeamtStG und für die Bundesbeamten in §§ 60 ff. BBG einfachgesetzlich konkretisiert. Zu den Grundpflichten der Beamtinnen und Beamten zählt das Bekenntnis zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und das Eintreten für ihre Erhaltung. Überdies haben Beamtinnen und Beamte bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergeben. Hiermit nicht vereinbar ist die öffentliche Äußerung extremistischer politischer Positionen, die geeignet sein könnten, das Vertrauen in die unparteiische und gerechte Amtsführung zu gefährden. Auch Tarifbeschäftigte im öffentlichen Dienst unterliegen einer politischen Treuepflicht, die sich als Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme aus dem Arbeitsvertrag ergibt. Unter anderem regelt § 41 Satz 2 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst – Besonderer Teil Verwaltung: „Beschäftigte des Bundes und anderer Arbeitgeber, in deren Aufgabenbereichen auch hoheitliche Tätigkeiten wahrgenommen werden , müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen.“ Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/11959 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 25. Schließt es die Bundesregierung aus, mit Organisationen und Vereinen zu kooperieren, die den Völkermord an den Armeniern leugnen? 26. Schließt die Bundesregierung die finanzielle Förderung und Bezuschussung von Organisationen und Vereinen aus, die den Völkermord an den Armeniern leugnen? Die Fragen 25 und 26 werden gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung prüft jede Kooperation mit oder finanzielle Unterstützung von Vereinen und Organisationen einzelfallbezogen. Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen sind bei einer solchen Prüfung Kriterien, die nach entsprechend sorgfältiger Bewertung zum Ausschluss der Förderungswürdigkeit führen können. 27. Sollte die Leugnung des Völkermordes an den Armeniern nach Auffassung der Bundesregierung für Ausländer auch aufenthaltsrechtliche Konsequenzen haben? Das geltende Recht sieht für Ausländer, die durch ihr Verhalten die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen beeinträchtigen, als aufenthaltsrechtliche Konsequenz die Ausweisung vor. Folge dieser Ausweisungsentscheidung ist das Erlöschen des Aufenthaltstitels und die Verpflichtung des Ausländers zur Ausreise kraft Gesetzes. Jeder Ausweisungsentscheidung geht eine Prüfung voraus, bei der im Einzelfall zwischen dem Interesse des Ausländers am Verbleib in Deutschland und dem öffentlichen Interesse an der Ausreise abzuwägen ist. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333