Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 2. August 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/12190 19. Wahlperiode 06.08.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Martin Sichert, Jürgen Pohl, René Springer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/11423 – Weitere Fragen zum Fakultativprotokoll des VN-Sozialpaktes V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Das Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt (VN-Sozialpakt) über wirtschaftliche , soziale und kulturelle Rechte (wsk-Rechte) konstituiert in seinem Kern u. a. ein Individualbeschwerderecht (vgl. Artikel 2-11 des Fakultativprotokolls , www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/PDF-Dateien/ Pakte_Konventionen/ICESCR/icescr_op1_dt.pdf). Dieses Recht erlaubt es Einzelpersonen oder Personengruppen – auch im Namen anderer –, beim zuständigen Fachausschuss der Vereinten Nationen (WSK-Ausschuss) sogenannte Mitteilungen bzw. Beschwerden einzureichen (engl. Individual Complaint Mechanism – siehe Artikel 2 des Fakultativprotokolls). Die Beschwerdeführer müssen lediglich behaupten, in einem der wsk-Rechte verletzt zu sein, und den nationalen Rechtsweg ausgeschöpft haben (Artikel 3). Laut Artikel 2 des Fakultativprotokolls können auch Personengruppen (und somit Verbände) diese Beschwerden auch im Namen anderer einreichen. Dies kann auch dann, wenn die Einwilligung der tatsächlich Betroffenen fehlt, erfolgen , solange die Personengruppen „rechtfertigen [können], ohne eine solche Zustimmung in ihrem Namen [der Betroffenen] zu handeln“ (Artikel 2 Satz 2 des Fakultativprotokolls). Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages haben in ihrer Ausführung (Dokumentnummer: WD 2 – 3000 – 066/15 vom 28. April 2015, insb. Seite 9, „Zur Reichweite des menschenrechtlichen Schutzes im Bereich der Gesundheitsversorgung unter besonderer Berücksichtigung von Artikel 9 und 12 ICESCR“) folgendes festgestellt: Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte erfordern ein „aktives Handeln des Staates“ und stellen somit „eher Programmrechte“ dar, weshalb sie mit „vorsichtig einschränkenden Begrifflichkeiten wie ‚progressive Umsetzung‘, ‚Ressourcenvorbehalt ‘ bzw. ‚Einsatz der maximal verfügbaren Ressourcen‘“ versehen werden (WD 2 – 3000 – 066/15, Seite 9, Absatz 2). „Wegen des häufig weiten Beurteilungsspielraums der Staaten bei der Umsetzung ihrer Gewährleistungspflichten sind die Inhalte wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte oft als vage, schwer bestimmbar, kaum messbar – und daher nicht (gerichtlich) durchsetzbar (justiziabel) eingeordnet worden“ (ebd.). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/12190 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode „(…) das Grundgesetz schweigt zur Frage wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte weitgehend“ (ebd. Seite 10, Absatz 1). „Einige Ausschüsse können auch Individualbeschwerden einzelner Betroffener gegen Staaten bescheiden und entwickeln auf diese Weise eine Art eigener ‚Rechtsprechung‘“ (ebd. Seite 10, Absatz 3). „Diese ist begrenzt, da viele Einzelfallmechanismen erst seit kurzem existieren, Protokolle noch nicht oder gerade erst in Kraft getreten sind und insgesamt das Beschwerdeaufkommen gering ist. Auch die Zusatzprotokolle, die beispielsweise Individualbeschwerdeverfahren vorsehen, müssen aber von den Staaten separat ratifiziert werden und sind erst dann verbindlich.“ Der stellvertretende Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIMR), Michael Windfuhr (der gleichzeitig einer der derzeitigen 18 Mitglieder im VN WSK-Ausschuss ist), kam zu einer ähnlichen Formulierung, als er am 17. Januar 2019 im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe im Deutschen Bundestag (www.bundestag.de/presse/hib/642880-642880) über die Beschwerdemöglichkeit nach dem Zusatzprotokoll sprach. Windfuhr sagte, das Zusatzprotokoll „böte das Verfahren für den Einzelnen die Einklagbarkeit wirtschaftlicher , sozialer und kultureller Menschenrechte auf Ebene der Vereinten Nationen“. Dies wäre, so Windfuhr nachdrücklich, auch in Ländern mit „guten Rechtswegen“ – also auch der Bundesrepublik Deutschland – möglich. Nach dieser Auslegung stellen die Fragesteller fest, dass die Ratifizierung des Zusatzprotokolls und die dadurch ermöglichten Beschwerdeverfahren einen neuen „Quasi-Rechtsweg“, also einen überstaatlichen Rechtsweg, eine – mit den Worten der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages – „eine Art eigener Rechtsprechung“ mit Wirkkraft für die Bundesrepublik Deutschland eröffnen und legitimieren. Derselbe DIMR hat in Kooperation mit dem Leibnitz Institut für Sozialwissenschaften im Januar 2018 eine Publikation (www.ssoar.info/ssoar/handle/ document/56232#) veröffentlicht, worin geschrieben steht, dass „Staaten […] im Einklang mit dem Völkerrecht für das Handeln privater Akteure (einschließlich Unternehmen) verantwortlich gemacht werden [können]“. Die Bundesregierung schreibt zu dem Fakultativprotokoll: „Das Fakultativprotokoll erweitert die Kompetenzen des VN WSK-Ausschusses über wirtschaftliche , soziale und kulturelle Rechte der Vereinten Nationen […] um mehrere Kontrollverfahren“ (siehe Vorbemerkung der Bundesregierung auf Bundestagdrucksache 19/10098). Zu der Frage ob – und falls ja – welcher der beteiligten innerstaatlichen Institutionen in Deutschland, die von der Regelung des Fakultativprotokolls mittelbar oder unmittelbar betroffen wären, bisher Stellung genommen haben, wollte sich die Bundesregierung nicht äußern (siehe dazu die Antwort zu Frage 3 auf Bundestagdrucksache 19/10098). In der Vorbemerkung der Antwort betonte die Bundesregierung lediglich ihre Rechtsauffassung, dass der Pakt „für niemand unmittelbar Rechte oder Ansprüche, die gerichtlich einklagbar wären“ begründet (dabei wird auf die Bundestagsdrucksache 7/658, S. 18 aus dem Jahr 1973 verwiesen). Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Fragesteller zu der Kleinen Anfrage der AfD-Fraktion vom 9. April 2019 (Bundestagdrucksache 19/9199) verwiesen . V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Am 10. Dezember 2008 verabschiedeten die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen (VN) in der Generalversammlung das Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Es erweitert die Kompetenzen des Ausschusses über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/12190 Vereinten Nationen um Kontrollmechanismen, insbesondere das Beschwerdeverfahren (WSK-Ausschuss). Der WSK-Ausschuss ist ein Gremium der VN mit 18 unabhängigen Expertinnen und Experten und überwacht die Umsetzung des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (VN-Sozialpakt ). Die Besetzung und Wahl des WSK-Ausschusses erfolgt durch die Mitgliedstaaten der VN – somit auch durch die Bundesrepublik Deutschland. Die unabhängigen Expertinnen und Experten des Ausschusses haben in der Regel einen universitären Hintergrund, kommen aus der Verwaltung oder von unabhängigen nationalen Menschenrechtsinstitutionen. Sie sind von Verfahren ausgeschlossen , die ihr Herkunftsland betreffen. Wie bereits in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der AfD auf Bundestagsdrucksache 19/10098 dargelegt, ermöglicht das Fakultativprotokoll Einzelpersonen oder Personengruppen, eine Beschwerde im Wege von Mitteilungen beim WSK-Ausschuss einzureichen. Am Ende des Verfahrens übermittelt der WSK-Ausschuss seine Auffassungen zusammen mit etwaigen Empfehlungen an die betreffenden Parteien. Die Empfehlungen sind für den Vertragsstaat nicht völkerrechtlich verbindlich. Sie können zudem keine innerstaatlichen Rechtsakte aufheben oder zum Erlass solcher Rechtsakte verpflichten. Ferner schafft das Fakultativprotokoll keine neuen, subjektiv einklagbaren materiellen Rechte. Das gesamte Verfahren ist auf den Dialog zwischen dem WSK-Ausschuss und dem jeweiligen Vertragsstaat angelegt und kein kontradiktorisches Verfahren zwischen Streitparteien, wie es in der Bundesrepublik Deutschland bei gerichtlichen Verfahren in der Regel üblich ist. Zwischen dem dialogischen Verfahren vor dem WSK-Ausschuss und gerichtlichen Verfahren gibt es daher hinsichtlich der Rechtsfolgen einen wichtigen Unterschied . Gerichte sprechen Urteile mit Rechtskraftwirkung zwischen den Beteiligten . Der WSK-Ausschuss kann Auffassungen annehmen, die rein empfehlenden Charakter haben. Es handelt sich daher beim Beschwerdeverfahren nicht um ein gerichtliches Verfahren, das zu einer Entscheidung mit verbindlicher Rechtskraftwirkung führen würde. 1. Positioniert sich die Bundesregierung zu den Ausführungen der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, wonach „einige Ausschüsse […] auch Individualbeschwerden einzelner Betroffener gegen Staaten bescheiden [können] und […] auf diese Weise eine Art eigene ‚Rechtsprechung ‘ [entwickeln]“ (siehe Vorbemerkung der Fragesteller , Absatz 3 Punkt 4)? Und wenn ja, wie? a) Teilt die Bundesregierung diese Rechtsauffassung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages (bitte konkret begründen, wieso ja bzw. wieso nicht)? b) Welche konkreten Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus diesem Befund in Bezug auf das Fakultativprotokoll zum VN-Sozialpakt? Das Fakultativprotokoll zum VN-Sozialpakt sieht in Artikel 9 vor, dass der WSK- Ausschuss den betreffenden Parteien seine Auffassung zusammen mit etwaigen Empfehlungen übermittelt, nachdem er eine Mitteilung geprüft hat. Der Vertragsstaat prüft im Anschluss die Auffassung und die Empfehlungen und teilt dem WSK-Ausschuss innerhalb von sechs Monaten mit, wie er sich dazu verhält. Das Verfahren ist damit dialogisch ausgestaltet. Die Vertragsausschüsse der VN haben regelmäßig ein Mandat zur Auslegung des jeweiligen VN-Menschenrechtsvertrags – wie den VN-Zivilpakt oder den VN-Sozialpakt – für den sie eingesetzt Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/12190 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode wurden. Diese Funktion leitet sich aus dem jeweiligen Vertrag ab, hier aus dem VN-Sozialpakt, konkretisiert in der ECOSOC Resolution 1985/17 für den WSK- Ausschuss. Im Rahmen der Beschwerdeverfahren greift der zuständige WSK- Ausschuss auf den aktuellen Stand der Auslegung des VN-Sozialpaktes zurück und wendet sie auf den jeweiligen Einzelfall an. Zum materiellrechtlichen Bezugsrahmen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Die Bundesregierung nimmt die Ausführungen des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags regelmäßig zur Kenntnis. 2. Positioniert sich die Bundesregierung zu der Ausführung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, wonach „Zusatzprotokolle, die beispielsweise Individualbeschwerdeverfahren vorsehen, […] von den Staaten separat ratifiziert werden [müssen] und […] erst dann verbindlich [sind]“ (siehe Vorbemerkung der Fragesteller, Absatz 3 Punkt 4)? Und wenn ja, wie? Als eigenständiger völkerrechtlicher Vertrag muss das Fakultativprotokoll von der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert werden, bevor es völkerrechtlich verbindlich wird. Im Übrigen verweist die Bundesregierung auf die Vorbemerkung ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion der AfD auf Bundestagsdrucksache 19/10098. a) Wie ist diese Ausführung im Zusammenhang mit der Ausführung der Bundesregierung in der Vorbemerkung auf Bundestagsdrucksache 19/10098 zu verstehen, wo „[…] der Pakt ‚für niemand unmittelbar Rechte oder Ansprüche, die gerichtlich einklagbar wären‘, begründet“ und dies „nach wie vor der Rechtsauffassung der Bundesregierung [entspricht ]“? b) Wie positioniert sich die Bundesregierung zu diesem Widerspruch und welche konkreten Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus diesem Befund in Bezug auf das Fakultativprotokoll zum VN-Sozialpakt? Die Fragen 2a und 2b werden gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung sieht darin keinen Widerspruch. Wie in der Vorbemerkung ihrer Antwort auf Bundestagsdrucksache 19/10098 ausgeführt, handelt es sich um zwei unabhängig voneinander existierende völkerrechtliche Verträge: der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Reche einerseits sowie das Fakultativprotokoll zum VN-Sozialpakt andererseits. Die Frage, ob die Rechte aus dem VN-Sozialpakt vor deutschen Gerichten unmittelbar gerichtlich einklagbar sind, ist eine Frage der Anwendung des VN-Sozialpaktes. Die Regelungen des VN-Sozialpaktes sind schon jetzt von den deutschen Gerichten und Behörden als Bestandteil des Bundesrechtes bei der Auslegung des nationalen Rechts zu beachten. Demgegenüber betrifft das Fakultativprotokoll die Frage, ob Einzelne oder Personengruppen die Rechte aus dem VN-Sozialpakt vor dem WSK-Ausschuss geltend machen können. Auf die Vorbemerkung wird verwiesen . Es gibt daher keinen unmittelbaren rechtlichen Zusammenhang zwischen der Ratifikation des Fakultativprotokolls und der Geltung der materiell-rechtlichen Bestimmungen des VN-Sozialpaktes in der nationalen Rechtsordnung. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/12190 3. Wie ist die Auffassung aus der Vorbemerkung der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 19/10098 zu verstehen, in welcher die Bundesregierung betont, dass „die Vorgaben des VN-Sozialpaktes […] bei der Auslegung und Anwendung des deutschen Rechts von den Gerichten zu berücksichtigen [sind]“ in Bezug auf mögliche Beschwerdeverfahren, die von deutschen Beschwerdeführern (Einzelpersonen bzw. Personengruppen) vor dem WSK- Ausschuss erfolgreich durchgesetzt werden? a) Ist die Bundesregierung auch hier der Auffassung, dass die Entscheidungen in Rahmen des Individualbeschwerdeverfahrens nach dem Fakultativprotokoll die deutschen Gerichte bei der Auslegung und Anwendung des deutschen Rechts zu berücksichtigen sind (siehe Vorbemerkung auf Bundestagsdrucksache 19/10098)? b) Wenn nicht, mit welcher Argumentation gilt dieses Prinzip bei der Auslegung und Anwendung des deutschen Rechts bei der Berücksichtigung des VN-Sozialpaktes und nicht bei einer etwaigen Ratifikation des Fakultativprotokolls ? Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. Mit dem Vertragsgesetz zum VN-Sozialpakt erteilte die Legislative einen Anwendungsauftrag . Gemäß Artikel 59 Grundgesetz ist der VN-Sozialpakt durch das Vertragsgesetz geltendes Recht im Rang eines Bundesgesetzes. Die Anwendung und Auslegung der Bestimmungen des VN-Sozialpaktes und des Vertragsgesetzes in der nationalen Rechtsordnung obliegt damit allen staatlichen Hoheitsträgern in Deutschland. Außerdem sind bei der Auslegung nationaler Regelungen die Bestimmungen des VN-Sozialpaktes von den Gerichten nach Maßgabe des vom Bundesverfassungsgericht formulierten Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes zu berücksichtigen und auszulegen. Da der VN-Sozialpakt ein völkerrechtlicher Vertrag ist, erfolgt die Auslegung in einem ersten Schritt gemäß der Wiener Vertragsrechtskonvention (WVK), die sich gem. Artikel 31 Absatz 1 WVK insbesondere am Wortlaut, dem Ziel und dem Zweck der jeweiligen Bestimmung orientiert. Zudem ist gem. Artikel 31 Absatz 3 WVK die Staatspraxis und Rechtsauffassung der Vertragsstaaten bei der Anwendung des VN-Sozialpaktes zu berücksichtigen. Auch den Interpretationen des WSK-Ausschusses kommt wegen der durch die ECOSOC Resolution 1985/17 für den WSK-Ausschuss festgeschriebenen Aufgaben eine besondere Bedeutung zu. Das gilt insbesondere für die Allgemeinen Bemerkungen des WSK-Ausschusses, in denen unabhängig vom Einzelfall einzelne Rechtsbereiche des VN-Sozialpaktes systematisch aufgearbeitet werden. Die Vertragsstaaten werden durch das Fakultativprotokoll verpflichtet, sich mit den Empfehlungen des WSK-Ausschusses zu einem Beschwerdeverfahren auseinanderzusetzen , auch wenn diese völkerrechtlich nicht verbindlich sind. Das Bundesverfassungsgericht hat sich bislang nicht zu den Empfehlungen der VN-Vertragsausschüsse im Rahmen von Beschwerdeverfahren und deren Wirkung in der nationalen Rechtsordnung geäußert. Die Empfehlungen im Rahmen von Beschwerdeverfahren sind nicht mit den Entscheidungen internationaler Gerichte vergleichbar. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/12190 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 4. Positioniert sich die Bundesregierung zu der Ausführung des stellvertretenden Direktors des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIMR), Michael Windfuhr (gleichzeitig einer der derzeitigen 18 Mitglieder im VN WSK- Ausschuss), der von der „Einklagbarkeit wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Menschenrechte auf Ebene der Vereinten Nationen“ in Zusammenhang mit dem Fakultativprotokoll im Deutschen Bundestag gesprochen hat (siehe Vorbemerkung der Fragesteller, Absatz 4)? Und wenn ja, wie? Das Deutsche Institut für Menschenrechte hält in seiner Publikation „Die Spruchpraxis des UN-Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte“ mit Blick auf das Beschwerdeverfahren fest: „Das Fakultativprotokoll zum UN- Sozialpakt (…) regelt zunächst die Möglichkeit von Individuen, sich zu beschweren .“ (S. 1). Und weiter: „Anschließend veröffentlicht der Ausschuss seine Entscheidungen in sogenannten ‚Views‘ und verbindet sie in der Regel mit Handlungsempfehlungen an den Staat. Der Dialog zwischen dem WSK-Ausschuss und dem Vertragsstaat bietet die Chancen, alle Rechtsansichten ausführlich zu diskutieren (…). Die Empfehlungen des WSK-Ausschusses sind zwar rechtlich nicht bindend, dennoch ist der Vertragsstaat dazu aufgefordert, sich mit ihnen auseinanderzusetzen (…).“ (S. 2). Von einer darüberhinausgehenden Positionierung sieht die Bundesregierung ab. 5. Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus dem im Artikel 2 des Fakultativprotokolls normierten Rechts auf Einlegen von Beschwerde von Personengruppen im Namen derer, „die behaupten, Opfer einer Verletzung eines der im Pakt niedergelegten wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte durch diesen Vertragsstaat zu sein“ (Artikel 2, Absatz 1)? Artikel 2 Satz 1 des Fakultativprotokolls lautet: „Mitteilungen können von oder im Namen von der Hoheitsgewalt eines Vertragsstaats unterstehenden Einzelpersonen oder Personengruppen eingereicht werden, die behaupten, Opfer einer Verletzung eines der im Pakt niedergelegten wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte durch diesen Vertragsstaat zu sein.“ Nach Auffassung der Bundesregierung wird damit der Personenkreis der möglichen Beschwerdeführer festgelegt . Ausgangspunkt ist immer, dass eine Person oder eine Gruppe von Einzelpersonen geltend machen muss, in ihren Rechten verletzt worden zu sein. Dort, wo der VN-Sozialpakt ausdrücklich einer Personenvereinigung, wie Gewerkschaften , Rechte einräumt, können sie sich ebenfalls darauf beziehen. Dritte, wie Nichtregierungsorganisationen, können zudem unter den engen Voraussetzungen des Fakultativprotokolls im Namen derer, die behaupten, Opfer einer Verletzung zu sein, eine Mitteilung einreichen. Über die Ausgestaltung des Beschwerdeverfahrens und die Anwendung von Artikel 2 entscheidet in den Grenzen des Fakultativprotokolls der WSK-Ausschuss. 6. Wie ist die Beschwerdeoption von Personengruppen (siehe Frage 5), nach Ansicht der Bundesregierung, mit dem Grundsatz des Individualrechtsschutzes im deutschen Sozialrecht vereinbar (Stichwort: Individualrechtsschutz)? Das Beschwerdeverfahren im Rahmen des Fakultativprotokolls kann zu Empfehlungen führen, die für den Vertragsstaat völkerrechtlich nicht verbindlich sind. Im Wege des Individualrechtsschutzes im deutschen Sozialrecht erstrittene Entscheidungen deutscher Gerichte entfalten dagegen Rechtskraftwirkung und sind verbindlich. Die Beschwerdemöglichkeiten im Sinne des Artikels 2 des Fakultativprotokolls bestehen neben dem Individualrechtsschutz nach der jeweiligen na- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/12190 tionalen Rechtsordnung. Eine Mitteilung wird vom WSK-Ausschuss nach Artikel 3 Absatz 2a des Fakultativprotokolls jedoch nur zur Entscheidung angenommen , soweit der innerstaatliche Rechtsweg ausgeschöpft ist. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 7. Wie positioniert sich die Bundesregierung zu dem im Artikel 2 Absatz 2 des Fakultativprotokolls normierten Recht auf Einlegen von Beschwerde von Personengruppen im Namen der Betroffenen, wenn die Einwilligung der tatsächlich Betroffenen fehlt, die Personengruppe aber in dem Fall lediglich „rechtfertigen [können muss]“, auch ohne eine solche Zustimmung in ihrem Namen handeln zu wollen? Wie ist dies nach Ansicht der Bundesregierung mit dem System des deutschen Sozialrechts vereinbar? Artikel 2 Satz 2 des Fakultativprotokolls lautet: „Wird eine Mitteilung im Namen von Einzelpersonen oder Personengruppen eingereicht, so hat dies mit ihrer Zustimmung zu geschehen, es sei denn, der Verfasser kann rechtfertigen, ohne eine solche Zustimmung in ihrem Namen zu handeln.“ Aus Sicht der Bundesregierung sollen mit dieser Regelung die Fälle abgedeckt werden, in denen es der in ihren Rechten verletzten Person oder Personengruppe zum Beispiel mangels Kontakt mit Außenstehenden, aus Angst vor Repressalien oder konkreten Drohungen nicht möglich ist, die Zustimmung zu erteilen. Diese Formulierung muss demnach vor dem Hintergrund sozioökonomischer Rahmenbedingungen in einem Staat gesehen werden, die systematisch betroffenen Personen oder Gruppen den Zugang zum Rechtssystem erschweren oder verweigern. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 6 und auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 8. Wer war nach Kenntnis der Bundesregierung als Vertreter Deutschlands maßgeblich an den Verhandlungen zu dem Fakultativprotokoll zum VN-Sozialpakt beteiligt? Welche Bundesministerien bzw. Bundesbehörden waren daran beteiligt (bitte konkrete Angaben der zuständigen Personen bzw. Behörden und eine Auflistung wann bzw. wo wer beteiligt gewesen ist)? Die Verhandlungen wurden von einer internationalen Arbeitsgruppe (zunächst der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen, dann des Menschenrechtsrates ) zum Fakultativprotokoll unter Leitung der portugiesischen Berichterstatterin Catarina de Albuquerque in Genf vorbereitet. Es handelte sich bei den Verhandlungen um einen fortgesetzten Prozess mit diversen Abstimmungsrunden über einen Zeitraum von mehreren Jahren. Die Bundesregierung war dabei maßgeblich durch das Auswärtige Amt beteiligt. Ab Januar 2006 nahm auch das für die innerstaatliche Umsetzung des VN-Sozialpaktes federführende Bundesministerium für Arbeit und Soziales an den Sitzungen der Arbeitsgruppe in Genf teil. Die Koordinierung der ressortabgestimmten Position der Bundesregierung erfolgte unter Federführung des Auswärtigen Amts, beteiligt waren das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz , das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat sowie das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/12190 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 9. Wann haben nach Kenntnis der Bundesregierung die Verhandlungsrunden stattgefunden? a) In welchem Umfang? b) In welchem Zeitraum (bitte in einer Tabelle auflisten und mit Daten versehen )? Zentrale Diskussionen fanden in den Sitzungen der Arbeitsgruppe zum Fakultativprotokoll (mandatiert in der 59. Sitzung der VN-Menschenrechtskommission) unter Leitung der Berichterstatterin Catarina de Albuquerque in Genf in den Jahren 2003 bis 2008 statt. Entsprechend der Mandatierung (Res. 2004/29 HRC) fanden die Sitzungen für einen Zeitraum von jeweils 10 Tagen statt: Vom 23. Februar bis zum 5. März 2004, vom 10. bis zum 20. Januar 2005, vom 6. bis zum 17. Februar 2006, vom 16. bis zum 27. Juli 2007 und vom 4. bis zum 8. Februar 2008 sowie zuletzt vom 31. März bis zum 4. April 2008. Am 18. November 2008 im Rahmen der 63. Sitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen fand im Anschluss an die letzte Sitzung der Arbeitsgruppe des Menschenrechtsrats die Abschlussdebatte über das Fakultativprotokoll im Dritten Ausschuss der Generalversammlung statt. Darüber hinaus wird auf die Antwort zu Frage 8 verwiesen. 10. Was waren nach Kenntnis der Bundesregierung die Ergebnisse der jeweiligen Verhandlungsrunden? a) Wie hat sich die Bundesrepublik Deutschland jeweils dazu positioniert? b) Welche Bedenken wurden von Deutschland aus gemeldet (bitte in einer Tabelle auflisten)? Zu den oben genannten Sitzungen wurden jeweils umfangreiche, öffentlich verfügbare Protokolle zu Verhandlungsinhalten und aktuellen Positionen der Staaten von der Berichterstatterin angefertigt (vollständig und nach Sitzungen geordnet abrufbar auf der Seite der Arbeitsgruppe unter www.ohchr.org/EN/Issues/ESCR/ OEWG/Pages/OpenEndedWGIndex.aspx). Übergeordnetes Ziel der Bundesregierung war es, zur besseren internationalen Umsetzung der WSK-Rechte beizutragen. Die Schaffung eines Beschwerdemechanismus für WSK-Rechte durch eine Annahme der Mitgliedstaaten der VN im Konsens und nach dem Vorbild der für die anderen wichtigsten Menschenrechtsverträge bereits existierenden Mechanismen hat die Bundesregierung dementsprechend in den Verhandlungen befürwortet. In diesem Sinne haben sich die Vertreter der Bundesregierung positioniert. 11. Haben die Vertreter der Bundesrepublik Deutschland nach Kenntnis der Bundesregierung die Problematik des generellen Streikverbots, das in Deutschland für Beamte gilt, angesprochen? Was war das Ergebnis (bitte konkret erläutern)? Das deutsche Streikverbot für Beamtinnen und Beamte ist bei den Verhandlungen zum Fakultativprotokoll zum WSK-Pakt nicht angesprochen worden, da das Fakultativprotokoll ausschließlich Verfahrensvorschriften enthält. Bei den Verhandlungen zum Fakultativprotokoll wurden daher nicht die Rechtsauffassungen der Vertragsstaaten zu den materiellen Regelungen des VN-Sozialpaktes angesprochen . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/12190 12. Wann und wie wurde der Deutsche Bundestag über die Entwicklungen informiert (bitte detailliert in einer Tabelle mit Datumsangaben und kurzer Zusammenfassung auflisten)? Da Verhandlungen zur Vorbereitung einer Regierungsentscheidung – so auch die Verhandlungen zum Fakultativprotokoll des Sozialpaktes – in die exekutive Eigenverantwortung fallen, besteht keine fortlaufende Unterrichtungspflicht gegenüber dem Bundestag. Die Bundesregierung hat den Bundestag in regelmäßigen Abständen über die relevanten Schritte informiert, so beispielsweise: im Bericht der Bundesregierung zur Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinten Nationen in den Jahren 2002 und 2003, Bundestagsdrucksache 15/4481 vom 8. Dezember 2004; im siebten Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik in den auswärtigen Beziehungen und in anderen Politiken, Bundestagsdrucksache 15/5800 vom 17. Juni 2005, im Bericht der Bundesregierung zur Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinten Nationen und einzelnen, global agierenden, internationalen Organisationen und Institutionen im Rahmen des VN-Systems in den Jahren 2006 und 2007, Bundestagsdrucksache 16/10036 vom 16. Juli 2008; in der Sitzung des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe am 13. Februar 2008 unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin (Unterrichtung zur Arbeit der VN-Arbeitsgruppe und zum Stand der Erarbeitung des Zusatzprotokolls) und im Achten Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik in den auswärtigen Beziehungen und in anderen Politikbereichen, Bundestagsdrucksache 16/10037 vom 16. Juli 2008. Im Übrigen wurde der Bundestag auch im Rahmen der gestellten Kleinen Anfragen über den Fortschritt der laufenden Verhandlungen informiert: Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Irmingard Schewe-Gerigk und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundestagsdrucksache 16/2214 vom 13. Juli 2006 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP zum Ratifikationsstand von internationalen Menschenrechtsabkommen und Zusatzprotokollen durch die Bundesrepublik Deutschland sowie Rücknahme von deutschen Vorbehalten auf Bundestagsdrucksache 16/11603 vom 17. Dezember 2008 Des Weiteren wird der Deutsche Bundestag seit dem Jahr 2011 im Rahmen der Unterrichtung der Bundesregierung über die Staatenberichtsverfahren zum VN- Sozialpakt auch über die Entwicklungen zum Fakultativprotokoll informiert. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/12190 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 13. Welche Stellungnahmen bzw. Informationen haben die beteiligten innerstaatlichen Institutionen bzw. Behörden bzw. Verbände bzw. allgemein die maßgeblichen Stakeholder in Deutschland, die von der Regelung des Fakultativprotokolls mittelbar oder unmittelbar betroffen sind bzw. sein werden, bisher der Bundesregierung mitgeteilt (bitte die Stellungnahmen in einer Tabelle auflisten mit Nennung des Einreichenden, des Datums und die jeweiligen Stellungnahmen als Anlage der Antwort auf die Kleine Anfrage anhängen )? Die Bundesregierung befindet sich hierzu derzeit in einem Abstimmungsprozess, der noch nicht abgeschlossen ist. 14. Welche Stellungnahmen bzw. Expertenanalysen hat die Bundesregierung in Auftrag gegeben oder von den zuständigen Behörden angefordert, um die innerstaatlichen sowie völkerrechtlichen Rechtsfragen, Risiken und Konsequenzen zu klären (bitte die Stellungnahmen in einer Tabelle auflisten mit Nennung des Einreichenden, des Datums und der jeweiligen Stellungnahme als Anlage der Antwort auf die Kleine Anfrage anhängen)? Die Bundesregierung befindet sich hierzu derzeit in einem Abstimmungsprozess, der noch nicht abgeschlossen ist. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333