Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 5. August 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/12212 19. Wahlperiode 07.08.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Fabio De Masi, Jörg Cezanne, Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/11805 – Aufarbeitung Cum/Cum-Geschäfte V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Cum/Cum-Gestaltungen sind laut dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) „dadurch gekennzeichnet, dass unmittelbar vor dem Dividendenstichtag inländische Aktien zur Vermeidung einer Definitivbelastung mit Kapitalertragsteuer (KapSt), insbesondere bei Steuerausländern, durch Aktientransaktionen mit Dividendenberechtigung auf einen anrechnungsberechtigten Steuerinländer übertragen werden.“ Cum/Cum-Gestaltungen in Form der weitergeleiteten Wertpapierleihe führen neben der Anrechnung der KapSt beim (ersten) inländischen Entleiher auch zur missbräuchlichen Generierung von Betriebsausgaben bei den weiteren inländischen Entleihern in der Weiterleitungskette (BMF-Schreiben vom 17. Juli 2017 betreffend Steuerliche Behandlung von „Cum/Cum-Transaktionen “). Vergleichbare Geschäfte sind mindestens seit 1978 bekannt. Höchstrichterliche Entscheidungen im Jahr 2015 für die Vergangenheit sowie Maßnahmen des Investmentsteuerreformgesetzes von 2016 haben ihre Durchführung begrenzt (Bundestagsdrucksache 18/11978). Nach Umfragen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat eine erhebliche Anzahl von Finanzinstituten in Deutschland Rückstellungen wegen möglicher Steuernach- bzw. -rückzahlungen im Zusammenhang mit Cum/Cum-Gestaltungen in dreistelliger Millionenhöhe getroffen (Bundestagsdrucksache 19/120). Dabei sind nach Presseberichten Institute im ganzen Land sowie unterschiedlicher Institutsgruppen betroffen (www.handelsblatt.com/ finanzen/steuern-recht/recht/umstrittene-deals-60-banken-waren-an-cum-cumgeschaeften -beteiligt-ihnen-drohen-hohe-rueckzahlungen/24480698.html). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/12212 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Wie viele Fälle von Cum/Cum-Gestaltungen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung bislang auf der Grundlage des BMF-Schreibens vom 17. Juli 2017 aufgegriffen? Nach Angaben der Länder und des Bundeszentralamts für Steuern wurden bislang 104 Fälle aufgegriffen (Stand März 2019). Bei den Fallzahlen ist zu berücksichtigen , dass für jeden Veranlagungszeitraum ein eigener Fall gebildet wurde. D. h. auf die gleiche Person können mehrere Fälle entfallen. 2. Auf wie viele Banken beziehen sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Fälle von Cum/Cum-Gestaltungen (bitte nach Institutsgruppen aufschlüsseln )? Der Bundesregierung liegen keine bundesweiten Angaben darüber vor, wie viele der unter Frage 1 angeführten 104 Verdachtsfälle der Steuerverwaltung auf Banken entfallen. Nach Erkenntnissen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht/BaFin gibt es derzeit 61 Verdachtsfälle bei Banken. Im Vergleich zu der Antwort auf die Schriftliche Frage 30 auf Bundestagsdrucksache 19/120, wo noch angegeben wurde, dass 85 Institute Cum/Cum-Geschäfte betrieben haben, ist die Zahl der Institute gesunken. Dieser Unterschied erklärt sich vor allem dadurch, dass einige Banken missverständliche Angaben gemacht und fälschlicherweise angegeben hatten, dass sie unmittelbar an Cum/Cum Geschäften beteiligt waren. Aufgeschlüsselt nach Institutsgruppen: Fälle von Cum/Cum-Gestaltungen nach Institutsgruppen Institutsgruppenart Anzahl der Banken Öffentlich-Rechtliche Institute 22 Genossenschaftsbanken 21 sonstige Institute 18 3. Auf wie viele Nicht-Banken beziehen sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Fälle von Cum/Cum-Gestaltungen (bitte nach Typen aufschlüsseln )? Der Bundesregierung liegen keine bundesweiten Angaben darüber vor, wie viele der unter Frage 1 angeführten 104 Verdachtsfälle der Steuerverwaltung auf Nicht- Banken entfallen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/12212 4. Auf welche Bundesländer beziehen sich nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils wie viele der Fälle von Cum/Cum-Gestaltungen? Die in der Antwort zu Frage 1 angegebenen 104 Verdachtsfälle der Steuerverwaltung gliedern sich wie folgt auf: Bundesland / Bundesbehörde Anzahl (insgesamt) Baden-Württemberg 11 Bayern 9 Berlin 1 Brandenburg -- Bremen -- BZSt 8 Hamburg 10 Hessen 14 Mecklenburg-Vorpommern -- Niedersachsen 4 Nordrhein-Westfalen 40 Rheinland-Pfalz 4 Saarland -- Sachsen 3 Sachsen-Anhalt -- Schleswig-Holstein -- Thüringen -- Summe 104 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/12212 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 5. In welchem Umfang haben Institute nach Kenntnis der Bundesregierung in Fällen von Cum/Cum-Gestaltungen Rückstellungen vorgenommen (bitte einzeln aufschlüsseln entsprechend Bundestagsdrucksache 19/120 sowie Summen pro Bundesland und Institutsgruppe angeben)? Nach den vorliegenden Informationen der BaFin haben insgesamt 18 Institute Rückstellungen wegen etwaiger Straf- und Steuernachzahlungen vorgenommen. In einigen Fällen ist bekannt, dass Banken in der Zwischenzeit Rückzahlungen an die Finanzbehörden/Finanzverwaltung geleistet haben. Eine unmittelbare Mitteilung an die Aufsicht muss dabei aber nicht zwingend erfolgen. Einzeln aufgeschlüsselt wurden bei folgenden Instituten Rückstellungen vorgenommen: Finanzielle Rückstellungen nach Instituten Institut Betrag in Euro Institut 1 12.600.000,00 Institut 2 80.550.514,00 Institut 3 58.600.000,00 Institut 4 2.500.000,00 Institut 5 3.400.000,00 Institut 6 2.783.000,00 Institut 7 4.400.000,00 Institut 8 72.000,00 Institut 9 6.000.000,00 Institut 10 4.273.655,00 Institut 11 9.454.559,00 Institut 12 59.500.000,00 Institut 13 15.994.260,00 Institut 14 4.600.000,00 Institut 15 3.000.000,00 Institut 16 3.300.000,00 Institut 17 200.000,00 Institut 18 1.840.000,00 Aufgelistet nach Bundesland: Finanzielle Rückstellungen nach Bundesland Bundesland Betrag in Euro Bayern 62.000.000,00 Baden-Württemberg 31.266.260,00 Berlin 4.273.655,00 Hessen 156.890.514,00 Niedersachsen 9.454.559,00 Rheinland-Pfalz 5.783.000,00 Sachsen 3.400.000,00 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/12212 Aufgelistet nach Institutsgruppe: Finanzielle Rückstellungen nach Institutsgruppen Institutsgruppe Betrag in Euro Öffentlich-Rechtliche Institute 106.660.073,00 Genossenschaftsbanken 28.067.915,00 sonstige Institute 138.340.000,00 6. In wie vielen Fällen besteht nach Kenntnis der Bundesregierung eine Gefahr für die Solvenz eines Instituts durch mögliche Belastungen im Zusammenhang mit Cum/Cum-Gestaltungen? Nach bisheriger Kenntnis der BaFin ist eine Bestandsgefährdung der Institute aufgrund von Rückforderungen der Finanzbehörden im Zusammenhang mit Cum/Cum-Gestaltungen weiterhin nicht zu befürchten. 7. In wie vielen Fällen und in welcher Höhe haben nach Kenntnis der Bundesregierung bisher tatsächlich Finanzbehörden im Zusammenhang mit Cum/Cum-Gestaltungen Steuernach- bzw. -rückzahlungen gefordert (bitte nach Bundesländern aufschlüsseln)? a) Wie viele der Forderungen von Finanzbehörden in welcher Höhe wurden durch Steuerpflichtige beglichen? b) In wie vielen Fällen und mit welchem Volumen sind im Zusammenhang mit Cum/Cum-Gestaltungen gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen Finanzbehörden und Steuerpflichtigen anhängig bzw. bereits beschieden ? Der Bundesregierung ist nicht bekannt, in welcher Höhe die Finanzbehörden tatsächlich Steuernach- oder -rückzahlungen gefordert haben und in welcher Höhe Forderungen der Finanzbehörden beglichen wurden. Weiterhin sind der Bundesregierung keine anhängigen oder beschiedenen Gerichtsverfahren in Fällen mit Cum/Cum-Gestaltungen bekannt. 8. Wie viele Auskünfte hat die BaFin seit Änderung des § 9 Absatz 5 Satz 1 des Kreditwesengesetzes (KWG) im Zusammenhang mit möglichen Cum/Cum-Gestaltungen jeweils an welche Finanzbehörden erteilt? Die BaFin kooperiert vollumfänglich mit Finanzbehörden, „soweit die Finanzbehörden die Kenntnisse für die Durchführung eines Verfahrens wegen einer Steuerstraftat sowie eines damit zusammenhängenden Besteuerungsverfahrens benötigen “ (vgl. § 9 Absatz 5 Satz 1 KWG). Hinsichtlich des Umfangs und der Intensität der Kooperation wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 14 auf Bundesdrucksache 19/7006 verwiesen. Auch die Neufassung von § 9 KWG (Gesetz über das Kreditwesen) erlaubt eine Weitergabe geheimhaltungsbedürftiger Informationen im Zusammenhang mit Finanzermittlungen grundsätzlich nur dann, wenn Strafverfolgungsbehörden diese zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. Strafverfolgungsbehörden sind beispielsweise die Steuerfahndungen der Länder, nicht jedoch Finanzbehörden im Allgemeinen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/12212 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Das BMF-Schreiben vom 17. Juli 2017 ordnet die dort beschriebenen Cum/Cum- Gestaltungen als Gestaltungsmissbrauch gemäß § 42 AO (Abgabenordnung) ein. In diesem Fall liegt keine Steuerstraftat vor, die aber Voraussetzung für eine Weitergabe vertraulicher Informationen durch die BaFin wäre. Der BaFin ist auch kein Ermittlungsverfahren einer Strafverfolgungsbehörde bekannt, welches sich ausschließlich auf Cum/Cum-Gestaltungen beschränkt. Sofern im Zusammenhang mit Cum/Cum-Gestaltungen auch wegen möglicher Straftaten, etwa Cum/Ex-Geschäften, ermittelt wird, kooperiert die BaFin umfänglich mit den Ermittlungsbehörden. 9. Wie hoch schätzt die Bundesregierung derzeit den zu erwartenden steuerlichen Gesamtschaden aus Cum/Cum-Gestaltungen in Deutschland ein? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, anhand derer der Umfang der von Cum/Cum-Gestaltungen betroffenen Kapitalertragsteuer abgeschätzt werden könnte. 10. Wie hoch schätzt die Bundesregierung die durch Cum/Cum-Gestaltungen entstandenen Steuerausfälle, welche aufgrund von Verjährungen nicht mehr durch Finanzbehörden nachgefordert werden können? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, die eine derartige Schätzung ermöglichen würden. 11. Sieht die Bundesregierung mit Blick auf die im BMF-Schreiben vom 17. Juli 2017 getroffenen Bestimmungen weitere Spielräume für Cum/Cum-Gestaltungen in Deutschland, bzw. sind der Bundesregierung Fälle bekannt, wo ein Gestaltungsmissbrauch nicht nachgewiesen werden konnte, obwohl eine steuerliche Gestaltung von der Finanzverwaltung als sehr wahrscheinlich angenommen wurde? Das BMF-Schreiben vom 17. Juli 2017 ist für Fälle konzipiert, die Veranlagungszeiträume vor 2016 betreffen. Ab dem Veranlagungszeitraum 2016 ist § 36a EStG (Einkommensteuergesetz) anwendbar, der nach derzeitiger Einschätzung der Bundesregierung Cum/Cum-Gestaltung wirksam bekämpft. 12. Wie hoch sind die steuermindernden Auswirkungen auf Ertragsteuerarten bei den Cum/Cum-Verdachtsfällen mit weitergeleiteter Wertpapierleihe (differenziert nach Steuerarten und Veranlagungsjahren für alle Verdachtsfälle )? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 13. In wie vielen Cum/Cum-Verdachtsfällen besteht ebenfalls der Verdacht auf eine fortgesetzte Gestaltung im Rahmen der weitergeleiteten Wertpapierleihe ? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/12212 14. Wie erfolgt die Prüfung, ob eine missbräuchliche Generierung von Betriebsausgaben im Rahmen einer weitergeleiteten Wertpapierleihe vorliegt? Sogenannte strukturierte Wertpapierleihegeschäfte sind in der Regel dadurch gekennzeichnet , dass die Aktien an einen Entleiher verliehen werden, bei dem die Dividendenerträge nach § 8b Absatz 1 des KStG (Körperschaftsteuergesetz) von der Steuer befreit sein sollen. Insgesamt handelt es sich bei der strukturierten Wertpapierleihe – anders als bei Cum/Cum-Gestaltungen – um eine Gestaltung, bei der beim Entleiher künstlich ein Betriebsausgabenüberhang geschaffen werden soll. Dieser Betriebsausgabenüberhang entsteht für den Entleiher durch die an den Verleiher zu entrichtenden Entgelte (u. a. Dividendenkompensationszahlung und Wertpapierleihgebühr), denen infolge der Steuerbefreiung für Dividenden nach § 8b Absatz 1 KStG kein steuerpflichtiger Ertrag in Form der Dividende gegenübersteht. Bei einer strukturierten Wertpapierleihe wird zunächst geprüft, ob die vom Bundesfinanzhof /BFH in seinem Urteil vom 18. August 2015, I R 88/13, BStBl II 2016, 961 und dem BMF-Schreiben vom 16. November 2016, IV C 6-S 2134/10/10003-02, BStBl I 2016, 1324 aufgestellten Grundsätze anwendbar sind. In einem zweiten Schritt werden die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Gestaltungsmissbrauchs nach § 42 AO geprüft. 15. Welche Erkenntnisse über typische Fallgestaltungen der weitergeleiteten Wertpapierleihe liegen vor? Der Bundesregierung liegen – abgesehen von den im BMF-Schreiben vom 17. Juli 2017 angeführten Merkmalen – keine Erkenntnisse zu typischen Fallgestaltungen der weitergeleiteten Wertpapierleihe vor. 16. Wie hoch ist die Anzahl der im Verdacht stehenden Beteiligten von Cum/Cum-Gestaltungen mit weitergeleiteter Wertpapierleihe (bitte nach Anstalten des öffentlichen Rechts, Banken, Versicherungen, Unternehmen differenzieren)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 17. Mit welchen Methoden wird der kurzzeitige Handel mit Cum-Aktien überwacht , der durch die Verfügbarmachung von Cum-Aktien die Grundlage für missbräuchliche Steuergestaltungsmodelle darstellt? Aus dem bloßen Umstand, dass Aktien kurzzeitig gehandelt werden, lässt sich nicht ableiten, dass es sich um Cum/Cum-Gestaltungen handelt. Im Übrigen ist der ab dem Veranlagungszeitraum 2016 anwendbare § 36a EStG ein wirksames Instrument zur Verhinderung von Cum/Cum-Gestaltungen. Generell unterliegt die steuerrechtliche Aufarbeitung von Cum/Cum-Geschäften den jeweils zuständigen Finanzbehörden. Bei Cum/Cum-Gestaltungen handelt es sich im Wesentlichen um ein steuerrechtliches Thema. Aus bankaufsichtlicher Sicht ist eine Beobachtung erforderlich, ob mögliche Steuernachzahlungen zu einer Belastung der Kapitalquoten oder der Risikotragfähigkeit führen würden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333