Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 13. März 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/1229 19. Wahlperiode 15.03.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Markus Kurth, Maria Klein-Schmeink, Sven Lehmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/1021 – Strafgefangene und ihre fehlende Einbeziehung in die Rentenversicherung V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Derzeit unterliegen lediglich die Strafgefangenen und Sicherungsverwahrten der Rentenversicherungspflicht, die einer Beschäftigung oder Berufsbildungsmaßnahme außerhalb der Anstalt nachgehen. Diejenigen, die in der Anstalt einer Tätigkeit nachgehen, haben nur die Möglichkeit, sich freiwillig zu versichern , und müssen die Beiträge hierfür selbst tragen, obwohl sie in der Regel zur Arbeit verpflichtet sind. Da während der Zeit der Strafhaft keine Beiträge in die Rentenversicherung gezahlt werden und diese Zeit auch nicht als Berücksichtigungs -, Anrechnungs- oder Zurechnungszeit gilt, führt die Haft trotz Arbeit dazu, dass Teile der Lebensarbeitszeit für die Altersvorsorge entfallen. Die Zuständigkeit für die Einführung der Rentenversicherungspflicht liegt beim Bund. Um die berufliche Integration von Strafgefangenen zu fördern und ihnen die Schaffung einer wirtschaftlichen Existenzgrundlage zu ermöglichen, war mit der Strafvollzugsreform von 1976 eine bessere Vergütung und eine umfassende Einbeziehung arbeitender Häftlinge in die Sozialversicherung vorgesehen (§§ 190 bis 193 des Strafvollzugsgesetzes – StVollzG). Diese Kernstücke des damaligen Reformkonzepts sind allerdings bis heute nicht umgesetzt. Die Vorschriften sollten durch ein besonderes Bundesgesetz in Kraft gesetzt werden (§ 198 Absatz 3 StVollzG), was aber mit Verweis auf die Belastung der Länderhaushalte nie geschehen ist. Im Rahmen verschiedener Fachministerkonferenzen haben sich die Länder in jüngster Zeit intensiv mit der Thematik befasst (siehe zuletzt: Bericht der Arbeitsgruppe der Arbeits- und Sozialministerkonferenz – ASMK „Einbeziehung von Strafgefangenen und Sicherungsverwahrten in die gesetzliche Rentenversicherung “ vom 14. Juli 2017). Aus Sicht der fragenstellenden Fraktion besteht keine Veranlassung, dass der Bund weiter untätig bleibt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/1229 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. In welchen Bundesländern besteht derzeit nach Kenntnis der Bundesregierung eine Arbeitspflicht für Strafgefangene (hier und in den Folgefragen bitte immer unter besonderer Berücksichtigung der in einer Anstalt zur Arbeit Verpflichteten sowie unter Einbeziehung Sicherungsverwahrter)? Nach Kenntnis der Bundesregierung gibt es derzeit in zwölf der sechzehn Länder eine Arbeitspflicht für Strafgefangene, nämlich in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen. 2. Wie groß war in den vergangenen fünf Jahren und in den einzelnen Bundesländern nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils die Zahl der zur Arbeit herangezogenen Strafgefangenen? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor, da keine bundesweiten Erhebungen zur Zahl der einer Arbeitspflicht unterliegenden beschäftigten Strafgefangenen vorgenommen werden. Im Übrigen wir auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. 3. Wie groß sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Beschäftigungsquoten von Strafgefangenen in den einzelnen Bundesländern und bundesweit? Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) führt eine Statistik zu der jährlichen durchschnittlichen Beschäftigungsquote von Strafgefangenen in Deutschland. Die Angaben basieren auf entsprechenden Ländermitteilungen . Für das Jahr 2016 ergeben sich folgende Zahlen: Länder Durchschnittsbelegung Gesamtbeschäftigte Gesamtbeschäftigte in % BW 6.793 4.639 68,29 BY 11.069 6.204 56,05 BE 3.978 2.913 73,23 BB 1.294 806 62,29 HB 573 352 61,43 HH 1.693 1.057 62,43 HE 4.641 2.880 62,06 MV 1.050 558 53,14 NI 4.721 3.503 74,20 NW 15.597 9.213 59,07 RP 3.097 1.780 57,47 SL 760,5 397,25 52,24 SN 3.470 1.781 51,33 ST 1.650 1.053 63,82 SH 1.114 782 70,22 TH 1.585 971 61,26 Gesamt 63.086 38.890 61,65 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/1229 4. Wie groß ist nach Kenntnis der Bundesregierung aktuell die Zahl derjenigen Strafgefangenen, die trotz Heranziehung zur Arbeit nicht in die Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung einbezogen sind (bitte bundesländerspezifische Daten sowie eine auf den Bund insgesamt bezogene Zahl angeben)? Wie groß ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Anteil der nicht Versicherten an allen Strafgefangenen, die einer Beschäftigung nachgehen (bitte ebenso Länder- und Bundesdaten angeben)? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor, da keine bundesweiten Erhebungen zu den angefragten Daten vorgenommen werden. 5. Welche Erkenntnisse über die durchschnittliche Entlohnung von zur Arbeit herangezogenen Strafgefangenen liegen der Bundesregierung vor? Bis zum Jahr 2016 hat das BMJV jährlich die Eckvergütung der Gefangenen nach der Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung berechnet . Daraus ergaben sich im Jahr 2016 für die einzelnen Vergütungsstufen der Strafvollzugsvergütungsordnung Tagessätze zwischen 9,41 Euro und 15,69 Euro und Stundensätze zwischen 1,18 Euro und 1,96 Euro. Der durchschnittliche Verdienst eines beschäftigten Gefangenen betrug demgemäß 12,55 Euro/Tag und 1,58 Euro/ Stunde. 6. Wie groß ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Anteil derjenigen ehemaligen Strafgefangenen, die auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung angewiesen sind, an der Gesamtzahl der ehemaligen Strafgefangenen im Rentenalter? Welche sonstigen Erkenntnisse zur Frage der Hilfebedürftigkeit ehemaliger Strafgefangener im Alter liegen der Bundesregierung vor? Die Statistik zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch beruht auf den für die Leistungsbearbeitung notwendigen Daten; darüberhinausgehende Merkmale wie eine ehemalige Strafgefangenschaft werden dagegen nicht erfasst. Daher liegen der Bundesregierung keine entsprechenden Daten vor. 7. Inwiefern ist die Bundesregierung der Auffassung, dass eine verpflichtende Einbeziehung von Strafgefangenen in die gesetzliche Rentenversicherung die Wahrscheinlichkeit eines späteren Bezugs von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung verringert, und inwieweit teilt die Bundesregierung die These, dass die bestehende Rechtslage eine nachteilige Wirkung für die Gefangenen mit Blick auf den Erwerbsminderungsschutz hat? Durch die Einbeziehung Strafgefangener in die gesetzliche Rentenversicherung kann ein eventueller Bezug von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nicht ausgeschlossen, aber regelmäßig der Bedarf gemindert werden. Anspruch auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit besteht grundsätzlich dann, wenn neben den jeweiligen persönlichen Voraussetzungen die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren erfüllt ist sowie in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit gezahlt wurden (versicherungsrechtliche Vorausset- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/1229 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode zung). Die aktuelle Rechtslage führt somit dazu, dass bei einem Eintritt der Erwerbsminderung spätestens nach einer Haftdauer von mehr als zwei Jahren, in denen keine Pflichtbeitragszahlung zur gesetzlichen Rentenversicherung erfolgte, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente nicht vorliegen. 8. Welchen Stellenwert misst die Bundesregierung der Arbeit in der Zeit der Haft für das Ziel der Resozialisierung bei, und wie bewertet sie vor diesem Hintergrund die oben skizzierte fehlende Einbeziehung von arbeitenden Strafgefangenen in die gesetzliche Rentenversicherung? Generell ist Arbeit im Justizvollzug ein wesentliches Integrationsmittel und Bestandteil des Resozialisierungskonzepts. Bei Jugendlichen stellt die Arbeit im Strafvollzug ein wichtiges Erziehungsmittel dar. Die Einbeziehung von Strafgefangenen in die gesetzliche Rentenversicherung kann dieses Integrations- und Erziehungsmittel ergänzen und aufwerten. 9. Welche Schritte wird die Bundesregierung in der laufenden Legislatur in Zusammenarbeit mit den Bundesländern unternehmen, um die soziale Absicherung von Strafgefangenen über eine Einbeziehung in die gesetzliche Rentenversicherung zu verbessern? Die Bundesregierung wartet die Meinungsbildung der Länder ab. Insofern sind keine weiteren Schritte von Seiten der Bundesregierung beabsichtigt. 10. Inwiefern ist die Bundesregierung der Auffassung, dass im Vollzug von Strafgefangenen ausgeübte Tätigkeiten, die außerhalb von Vollzugseinrichtungen eine versicherungspflichtige Beschäftigung darstellen würden, eine Rentenversicherungspflicht begründen müssen? Die innerhalb des Strafvollzugs von Strafgefangenen ausgeübten Tätigkeiten begründen kein Beschäftigungsverhältnis im Sinne von § 7 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch . Somit liegt keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 1 Satz 1 Nummer 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch vor. 11. Welche weiteren Schritte sind nach Kenntnis der Bundesregierung nach der Weitergabe des Berichts der ASMK-Arbeitsgruppe „Einbeziehung von Strafgefangenen und Sicherungsverwahrten in die gesetzliche Rentenversicherung “ vom 14. Juli 2017 an die Justizministerkonferenz vorgesehen, bis wann ist insbesondere mit einem Abschluss der Meinungsbildung der Justizminister zu rechnen, inwiefern war und ist die Bundesregierung in das Verfahren einbezogen, und welche Position hat sie gegebenenfalls dabei vertreten bzw. vertritt sie dabei (siehe Externes Ergebnisprotokoll der 94. Konferenz der Minister und Ministerinnen, Senatoren und Senatorinnen für Arbeit und Soziales der Länder, S. 42)? Die Bundesregierung ist durch die zuständigen Bundesressorts als Gast in den Fachministerkonferenzen vertreten und insofern in das Verfahren einbezogen. Zudem hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) auf Fachebene an der Arbeitsgruppe der Arbeits- und Sozialministerkonferenz und zuvor zeitweise an einer vom Strafvollzugsausschuss der Justizministerkonferenz gebildeten Arbeitsgruppe teilgenommen. Das BMAS hat begrüßt, dass sich die Arbeitsgruppe mit der Frage der Einbeziehung von arbeitenden Strafgefangen und Sicherungsverwahrten in die gesetzliche Rentenversicherung befasst hat. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/1229 Der Bundesregierung ist nicht bekannt, bis wann mit einer abschließenden Meinungsbildung der Justizministerinnen und Justizminister der Länder zu rechnen ist. 12. Welche fiktive Beitragsbemessungsgrundlage wäre nach Auffassung der Bundesregierung ggf. bei einer verpflichtenden Einbeziehung von Strafgefangenen zugrunde zu legen, wie bewertet sie insbesondere den Korridor von 20 bis 30 Prozent der Bezugsgröße, oder ist alternativ ein Verdienst in Höhe des tatsächlich erzielten „Arbeitsentgelts“ anzusetzen? Die Beiträge wären durch die Länder als Träger des Strafvollzuges aufzubringen. Eine abschließende Bewertung aller Alternativen seitens der Länder bleibt abzuwarten . Im Rahmen der in Frage 11 geschilderten Beratungen hat das BMAS darauf hingewiesen, dass bei der rechtlichen Ausgestaltung der Beitragsbemessung Wertungswidersprüche in Bezug auf andere Versichertengruppen vermieden werden müssten. Ebenso müsste den mit der Versicherungspflicht einhergehenden Ansprüchen auf die nicht beitragsäquivalenten Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung (Erwerbsminderungsschutz, Reha-Anspruch) eine angemessene Beitragsleistung gegenüberstehen. 13. Mit welchem jährlichen finanziellen Mehraufwand für die Haushalte der Länder wäre nach Kenntnis der Bundesregierung aufgrund von Beitragszahlungen zu rechnen, die infolge der Einbeziehung aller zur Arbeit verpflichteten Strafgefangenen in die gesetzliche Rentenversicherung entstünden (bei einer fiktiven Beitragsbemessungsgrundlage in Höhe von 20 Prozent und 30 Prozent der Bezugsgröße sowie unter der Annahme, dass das tatsächliche „Arbeitsentgelt“ zugrunde gelegt wird)? 14. Insofern der Bundesregierung bezüglich Frage 13 keine Erkenntnisse vorliegen , wie bewertet sie die entsprechenden Berechnungen des Deutschen Caritasverbandes e. V., laut denen bei den Ländern bei einer Beschäftigungsquote zwischen 55 und 60 Prozent Kosten für die Einbeziehung in die Rentenversicherung in Höhe von 170 bis 186 Mio. Euro p. a. entstünden (Deutscher Caritasverband 2015: Position zur Renten- und Arbeitslosenversicherung Strafgefangener, S. 4)? Die Fragen 13 und 14 werden gemeinsam beantwortet. Vor dem Hintergrund der in der Position des Deutschen Caritasverbandes genannten Annahmen kann die Bundesregierung die dort genannten Kosten rechnerisch näherungsweise nachvollziehen. Eine verlässliche Berechnung der Kosten, die bei Einbeziehung aller zur Arbeit verpflichteten Strafgefangenen in die gesetzliche Rentenversicherung entstehen, kann allerdings in Ermangelung der hierfür erforderlichen Daten zu den zur Arbeit verpflichteten Strafgefangenen bzw. der entsprechenden Beitragsbemessungsbasis nicht erfolgen (siehe auch Antwort zu Frage 2). 15. Inwiefern sieht die Bundesregierung eine Notwendigkeit, dass Strafgefangenen die Zeiten ihrer Haft für die Mindestversicherungszeiten in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung angerechnet werden? Über das Beitrittsrecht zur freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 9 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und das Recht zur Weiterversicherung in der sozialen Pflegeversicherung gemäß § 26 des Elften Buches Sozialgesetzbuch bestehen hinrei- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/1229 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode chende Möglichkeiten, damit Personen, die einen ausreichenden Bezug zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung haben, ihre sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche über die Inhaftierung hinaus sichern können. Eine freiwillige Fortführung des gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungsschutzes kann insbesondere mit Blick darauf sinnvoll sein, dass für die Erlangung bestimmter Ansprüche oder Rechte Vorversicherungszeiten erfüllt sein müssen (z. B. für die Pflichtmitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner oder den Anspruch auf Leistungen der sozialen Pflegeversicherung), die – abhängig von den Gegebenheiten des Einzelfalls – wegen der Inhaftierung ansonsten verfehlt werden können. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333