Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 9. August 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/12358 19. Wahlperiode 13.08.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jan Korte, Dr. Gesine Lötzsch, Lorenz Gösta Beutin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/11953 – Umgang mit Altlasten der chemischen Industrie V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der sorglose Umgang mit Giftmüll hat Auswirkungen bis heute. Nicht alle Giftmülldeponien in der Bundesrepublik Deutschland sind vom Grundwasser getrennt , sondern sind dauerhaft überwacht oder an Anlagen zur Grundwasserreinigung angeschlossen. In der direkt am Rhein gelegenen Altlast Dhünnaue in Leverkusen zum Beispiel muss der Grundwasserspiegel stets unter dem Wasserstand des Rheins gehalten werden, um eine Kontamination zu vermeiden (Deutschlandfunk am 12. April 2019 „Giftmüll unter der Leverkusener Brücke “). In Bitterfeld-Wolfen existieren etliche Giftmülldeponien ohne Absicherung zum Grundwasser, hier werden jedes Jahr 2 Millionen Kubikmeter Wasser hochgepumpt und gereinigt. Nach Angaben in der „Mitteldeutschen Zeitung“ vom 8. April 2019 hat das Land Sachsen-Anhalt „über einen Generalvertrag mit dem Bund insgesamt eine Milliarde Euro erhalten“, während in einer Studie Anfang der 1990er Jahre allein für die Sanierung der Grube Antonie 1 Mrd. DM veranschlagt wurden. Zwar ist der Vollzug des Abfallrechts nach der verfassungsmäßigen Kompetenzzuweisung Aufgabe der Länder, nach Auffassung der Fragestellerinnen und Fragesteller ist jedoch die Frage, welchen Gefahren wir kommende Generationen aussetzen und wie wir diese minimieren können, eine grundsätzliche, und nicht an die Länder delegierbar. Statt kommenden Generationen Giftmülldeponien zu überlassen, hat die Schweiz beschlossen, Giftmülldeponien, von denen Schaden ausgeht oder in Zukunft ausgehen könnte, innerhalb von einer Generation bzw. bis 2040 zu sanieren . Die „Verordnung über die Sanierung von belasteten Standorten“ sieht vor, belastete Standorte in einem Kataster zu erfassen, ihre Sanierungsbedürftigkeit und -dringlichkeit zu evaluieren sowie daraus Überwachungs- und Sanierungsmaßnahmen abzuleiten (www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/ themen/altlasten/inkuerze.html). Seit 1994 verpflichtet das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland zudem in Artikel 20a den Staat dazu, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/12358 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Wie viele mit Giftstoffen belastete Standorte in der Bundesrepublik Deutschland sind der Bundesregierung bekannt (bitte nach Bundesländern aufschlüsseln und bei Deponien Eröffnungsdatum und Datum der Schließung angeben )? 2. Wie viele Giftmülllagerstätten und Altlasten-Standorte müssten nach Auffassung der Bundesregierung saniert werden (bitte auflisten)? 3. Wie viele bislang unsanierte Giftmülldeponien und belastete Standorte mit Grundwasserkontakt sind der Bundesregierung bekannt? 4. Wenn die Bundesregierung zu Frage 1 keine Angaben machen kann, beabsichtigt die Bundesregierung, giftmüllbelastete Standorte in einem bundesweiten Kataster zu erfassen? Die Fragen 1 bis 4 werden im Zusammenhang beantwortet. In Deutschland wurden mit dem Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG) und der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung 1999 wichtige Voraussetzungen , wie die rechtliche Verankerung von Prüf- und Maßnahmenwerten, für die Sanierung von belasteten Standorten geschaffen. Für den Vollzug der bodenschutzrechtlichen Regelungen sind die Fachbehörden der Bundesländer zuständig . Auch können die Länder die Erfassung der altlastverdächtigen Flächen und Altlasten selbst regeln. Die bei der Untersuchung von altlastverdächtigen Flächen erhobenen Daten zu Stoffgehalten in Böden stehen, sofern es sich nicht um bundeeigene Flächen handelt , dem Bund nicht zur Verfügung. Gleichwohl erfolgt regelmäßig ein Informationsaustausch zwischen Bund und Ländern über den Altlastenausschuss (ALA) einem Gremium der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Bodenschutz (LABO). Im Jahr 2003 erstellte der ALA erstmals einen Bericht über ausgewählte Kennzahlen zur Altlastenstatistik der Länder, um bundesweite Abfragen zu ermöglichen . Der Ausschuss beschloss im Jahr 2006, diesen Bericht jährlich zu aktualisieren . Der aktuelle Bericht „Bundesweite Kennzahlen zur Altlastenstatistik“ von 2018 kann auf der Homepage der LABO eingesehen und heruntergeladen werden (www.labo-deutschland.de/documents/Kennzahlen_Altlastenstatistik_2018.pdf). Die Tabelle „Bundesweite Altlastenstatistik“, abrufbar auf der Homepage des Umweltbundesamtes, gibt ebenfalls den Erfassungsstand und den Stand der Bearbeitung der altlastverdächtigen Flächen und Altlasten in der Bundesrepublik Deutschland auf Grundlage der Datenübermittlung aus den Bundesländern wieder (www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/384/bilder/dateien/2_ tab_altlastenstatistik_2018-11-07_0.pdf). Zu den in Rede stehenden „Giftmülldeponien“ oder „Giftmülllagerstätten“ liegen dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) keine Informationen vor. Ein bundesweites Kataster ist aufgrund der mit dem Bodenschutzrecht verankerten Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern nicht geplant. 5. Wie viele mit Giftstoffen belastete Standorte befinden sich derzeit im Eigentum des Bundes (bitte nach Bundesländern sowie Zeitpunkt abgeschlossener Sanierung bzw. projektiertem Zeitraum aufschlüsseln)? Für die Liegenschaften der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) wird auf die nachfolgende Übersicht verwiesen. Die Gesamtsummen beinhalten Flächen mit öffentlich-rechtlicher Verpflichtung gemäß BBodSchG, die sowohl Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/12358 Standorte mit bloßem Anfangsverdacht auf Altlasten enthalten, bis hin zu großen Schadensfällen, die eine jahrelange Sanierung und Überwachung erfordern. Bundesland Gesamt (Anzahl) nach BBodSchG verpflichtende Maßnahmen* abgeschlossen (Anzahl) in Bearbeitung, Planung (Anzahl) bis Schleswig-Holstein 108 8 100 2054 Hamburg 11 1 10 2043 Niedersachsen 146 6 140 2074 Bremen 5 5 2034 Nordrhein-Westfalen 183 23 160 2050 Hessen 73 6 67 2049 Rheinland-Pfalz 112 6 106 2041 Baden-Württemberg 118 16 102 2043 Bayern 261 25 236 2046 Saarland 17 1 16 2045 Berlin 57 26 31 2043 Brandenburg 114 18 96 2066 Mecklenburg-Vorpommern 84 15 69 2050 Sachsen 46 19 27 2040 Sachsen-Anhalt 150 44 106 2060 Thüringen 48 9 39 2035 Gesamt 1.533 223 1.310 2074 * Erkundung/Sanierung/Nachsorge von Altlasten Stand: Juli 2019 Im Eigentum der BImA stehen auch Liegenschaften, die ausländischen Streitkräften zur ausschließlichen Nutzung überlassen sind. Nach den einschlägigen völkerrechtlichen Vereinbarungen tragen hier die ausländischen Streitkräfte die Verantwortung für die Einhaltung des deutschen Umweltrechts und somit insbesondere für die Erkundung und Sanierung von Altlasten. Die Streitkräfte veranlassen und finanzieren selbstständig die Durchführung etwaiger Sanierungsmaßnahmen auf diesen von ihnen genutzten Liegenschaften. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/12358 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode In der nachfolgenden Übersicht sind daher gesondert die Liegenschaften der Gaststreitkräfte aufgeführt, bei denen Kenntnis von Altlasten und vom Stand von Sanierungsmaßnahmen vorliegen: Liegenschaften der BImA mit Altlasten bzw. Altlastenverdacht, die ausländischen Streitkräften zur ausschließlichen Nutzung überlassen sind Bundesland Gesamt (Anzahl) nach BBodSchG verpflichtende Maßnahmen* abgeschlossen (Anzahl) in Bearbeitung, Planung (Anzahl) bis Nordrhein-Westfalen 4 4 nicht bekannt Rheinland-Pfalz 20 2 18 nicht bekannt Baden-Württemberg 1 1 nicht bekannt Bayern 5 5 nicht bekannt * Erkundung/Sanierung/Nachsorge von Altlasten Stand: Juli 2019 6. Wie viele belastete Liegenschaften von Betrieben der Deutschen Demokratischen Republik sind ab 1990 in Bundesbesitz bzw. Treuhand übergegangen ? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erhebungen vor. 7. Welche dieser Liegenschaften (Frage 6) wurden vom Bund bzw. von der Treuhand veräußert oder an die Länder abgetreten? a) Wie hoch war der jeweilige Sanierungsbedarf? b) Welche Sanierungsverpflichtungen wurden im Rahmen der Übertragung auferlegt? c) Welche Ausgleichszahlungen wurden dafür geleistet? d) Welche dieser Standorte sind bis heute nicht saniert worden, und wie hoch schätzt die Bundesregierung die Kosten für eine Sanierung dieser Standorte ein (bitte tabellarisch nach Standort auflisten)? Die Fragen 7 bis 7d werden gemeinsam beantwortet. Die seit 1990 von der Treuhandanstalt (THA)/Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS)/Nachfolgegesellschaften geleisteten Ausgaben für den Bereich Umweltschutz/Altlasten betragen bis einschließlich 2018 insgesamt rund 2,8 Mrd. Euro. Für zukünftige Sanierungsmaßnahmen sind derzeit weitere Kosten in Höhe von insgesamt ca. 200 Mio. Euro geplant. 8. Welche Beiträge des Bundes zur Altlastenfinanzierung sind seit 1990 an die Länder geflossen (bitte auflisten)? Die Privatisierung von THA-Unternehmen mit altlastenbehafteten Liegenschaften erwies sich anfangs als schwierig, da die Investoren nicht bereit waren, das Altlastenrisiko alleine zu tragen und die Länder für diese Standorte nur zögerlich Altlastenfreistellungen nach Artikel 1 § 4 Absatz 3 des Umweltrahmengesetzes erteilten. Zum Abbau dieses Investitionshemmnisses schlossen der Bund und die Länder im Jahre 1992 das Verwaltungsabkommen Altlastenfinanzierung. Danach teilen sich Bund und Land bei behördlich erteilten Freistellungen von Unterneh- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/12358 men die angefallenen Kosten für durchgeführte Sanierungsmaßnahmen im Verhältnis 60:40 (Normalfall) bzw. 75:25 (Großprojekte). Mit den Ländern Thüringen , Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen hat der Bund zwischenzeitlich Generalverträge geschlossen, mit denen der Bund seine nach dem Verwaltungsabkommen Altlastenfinanzierung bestehende Refinanzierungspflicht bei behördlichen Freistellungen durch die Zahlung eines pauschalen Abgeltungsbetrages an die Länder übertragen hat und diese die Sanierungsmaßnahmen in eigener Finanzierungsverantwortung fortführen. Darüber hinaus sind seit 1990 keine Beiträge des Bundes zur Altlastenfinanzierung an die Länder geflossen . 9. Wie hoch schätzt die Bundesregierung nach heutigem Wissen die Kosten für eine Komplettsanierung der Altlasten in den 1990 noch neuen Bundesländern (bitte auflisten)? Auf die Antwort zu Frage 7 wird verwiesen. 10. Welche Studien zu den Kosten der Sanierung von belasteten ehemaligen Treuhandgrundstücken im Raum Anhalt-Bitterfeld sind der Bundesregierung bekannt, welche Verpflichtungen wurden im Zuge der Treuhandveräußerungen übertragen, und hält die Bundesregierung die im Rahmen des Generalvertrags für Altlasten mit Sachsen-Anhalt gezahlte 1 Mrd. Euro vor dem Hintergrund, dass mehr als die Hälfte des Betrags allein für die Sanierung einer einzelnen Deponie notwendig wäre, für ausreichend? Im Jahr 2001 wurde mit dem Land Sachsen-Anhalt ein Generalvertrag geschlossen , mit dem die Finanzierungsverantwortung bei der Durchführung erforderlicher Sanierungsmaßnahmen auf Grundstücken von ehemaligen THA-Unternehmen im Land Sachsen-Anhalt auf das Land übertragen wurde. Mit Abschluss des Generalvertrags wurden auch sämtliche vorhandenen fachlichen Bewertungen an das Land übergeben. In welchem Umfang das Land Sachsen-Anhalt nachfolgend finanzielle Mittel für die Sanierung von Altlastenstandorten aufgewandt hat, ist der Bundesregierung nicht bekannt. 11. Hat die Bundesrepublik nach 1990 belastete Standorte in den damals alten Bundesländern übernommen, aus welchem Grund, von wem, und mit welchen Sanierungslasten? 12. Wie hoch schätzt die Bundesregierung nach heutigem Wissen die Kosten für eine Komplettsanierung der Altlasten in den 1990 noch alten Bundesländern (bitte unter Angabe der Eigentümer der belasteten Liegenschaften auflisten)? Die Fragen 11 und 12 werden im Zusammenhang beantwortet. Im Bereich der BImA wurden seit ihrer Gründung im Jahr 2005 keine belasteten Standorte in den alten Bundesländern übernommen. Im Übrigen liegen der Bundesregierung zu den Fragen 11 und 12 keine Erhebungen vor. 13. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Anteil der Krebserkrankungen in den Bundesländern, in denen mit Giftmüll belastete Standorte liegen, im Vergleich zum Bundesdurchschnitt (bitte nach Neuerkrankungen bei Kindern und bei Erwachsenen und jeweils nach Krebsarten unterscheiden )? Es wird auf die Antwort zu den Fragen 1 bis 4 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/12358 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 14. Welche Kosten für die Sanierung des Alt-Kali-Bergbaus in Thüringen hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zum Abschluss des Kali- Vertrages geschätzt? Bei der Mitteldeutschen Kali AG als Gesamtkonzern wurden im Jahr 1991 die Kosten für die Sanierung des Alt-Kali-Bergbaus in Thüringen auf rund 900 Mio. DM geschätzt. 15. Wie hoch schätzte die Bundesregierung die Kosten für die Sanierung des Alt-Kali-Bergbaus in Thüringen im Jahre 1998? Die Kosten für das Altlasten-Großprojekt Kali + Salz in Thüringen wurden von der BvS und dem Freistaat Thüringen im Jahr 1998 auf ca. 800 Mio. DM als Bemessungsgrundlage im Rahmen des mit dem Freistaat Thüringen geschlossenen Generalvertrages geschätzt. Weiterhin hat die Gesellschaft zur Verwahrung und Verwertung von stillgelegten Bergwerksbetrieben mbH (GVV) als Rechtsvorgängerin der Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau Verwaltungsgesellschaft mbH (LMBV) Ende 1997 zu dem in ihrer Verantwortung stehenden Teil des Ökologischen Großprojektes (ÖGP) Kali Thüringen einen Freistellungsvertrag mit einem Umfang in Höhe von 598 Mio. DM mit der BvS abgeschlossen. 16. Wie hoch schätzt die Bundesregierung die Kosten für Umweltaltlasten aus Zeiten vor 1990 in Thüringen (ohne Kali + Salz)? Im Zusammenhang mit dem im Jahr 1999 mit dem Freistaat Thüringen geschlossenen Generalvertrag wurden die Kosten für Umweltaltlasten aus Zeiten vor 1990 in Thüringen von der BvS und dem Freistaat Thüringen auf einen Betrag in Höhe von ca. 520 Mio. DM als Bemessungsgrundlage geschätzt (ohne Kali + Salz). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333