Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 16. August 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/12518 19. Wahlperiode 20.08.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Carina Konrad, Frank Sitta, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/12123 – Antibiotikaresistente Erreger als Folge von unsachgemäßem Arzneimitteleinsatz V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Antibiotika helfen im Einsatz gegen bakterielle Infektionen. Ein breiter und unsachgemäßer Einsatz von antibiotischen Arzneimitteln in der Human- und Tiermedizin führt allerdings dazu, dass bakterielle Erreger zunehmend Resistenzen ausbilden. Die Gefahr, die von antibiotikaresistenten Erregern ausgeht, zeigen aktuelle Statistiken des Robert Koch-Instituts (RKI), wonach sich in Deutschland jährlich 54 500 Personen mit Krankenhauskeimen infizieren, die gegen mehrere Antibiotika resistent, also multiresistent sind. Es sterben in Folge einer Infektion mit multiresistenten Keimen etwa 2 400 Menschen jährlich (www.rki. de/SharedDocs/FAQ/Krankenhausinfektionen-und-Antibiotikaresistenz/FAQ_ Liste.html). Laut Verbrauchermonitor des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) haben 89 Prozent der Befragten schon einmal von Antibiotikaresistenzen gehört, was verdeutlicht, dass das Thema zunehmend in der breiten Öffentlichkeit Präsenz erhält. Als Ursprung für Antibiotikaresistenzen lassen sich dabei jene Orte ausmachen, wo antibiotische Arzneimittel eingesetzt werden. Dies ist zum einen der humanmedizinische Bereich, also der Einsatz als Folge menschlicher Erkrankungen im Krankenhaus, zum anderen beim Medikamenteneinsatz in der Nutztierhaltung im Stall. Dabei ist die Bedrohung, die von resistenten Erregern gegenüber Antibiotika ausgeht, kein Problem, welches an Ländergrenzen halt macht, und im Zuge neuer Handelsströme und Transportwege scheint dessen Ausbreitung stetig voranzuschreiten. Eine Studie der Newcastle University zufolge breitete sich ein multiresistenter Erreger innerhalb weniger Jahre aus dem Trinkwassersystem Neu-Dehlis bis in weite Teile Europas aus, wo der mittlerweile in der Umwelt nachgewiesen werden kann (www.euractiv.com/ section/health-consumers/news/antibiotic-resistance-a-treat-crossing-boarders). Wenn bisher angewendete Antibiotika keine Wirkung mehr zeigen, dann hält die Medizin sogenannte Reserveantibiotika vor. Die Wissenschaft ist sich einig, dass diese Stoffe als oftmals letzte Reserve in jeder Antibiotikaklasse besonders gut vor Resistenzen geschützt werden muss und besonderer Überwachung bedarf . Nachgewiesen werden antibiotikaresistente Erreger nicht nur in Krankenhäusern , sondern regelmäßig auch vor allem auf Puten- oder Hähnchenfleisch, wo sie besonders gut überleben und sich vermehren können. Durch starkes Erhitzen werden die Keime zwar abgetötet, können sich vorher jedoch aufgrund Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/12518 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode mangelnder Küchenhygiene auf andere Nahrungsmittel wie beispielsweise Salat übertragen und zu erheblichen Erkrankungen des Verdauungstraktes führen. Der Bericht über die Evaluierung des Antibiotikaminimierungskonzeptes des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) macht deutlich , dass im Zeitraum des zweiten Halbjahres 2014 bis einschließlich 2017 bereits bei allen sechs Nutztierarten (Schweinen bzw. Ferkeln, Rindern bzw. Kälbern, Hühnern und Puten) eine Reduktion der gesamten Antibiotika- Gebrauchsmenge um 31,6 Prozent erreicht wurde (www.bmel.de/SharedDocs/ Pressemitteilungen/2019/135-Antibiotikaminimierungskonzept.html). Der Bericht zeigt außerdem auf, dass die sogenannten Reserveantibiotika zum Einsatz in der Tierhaltung kommen. Sie werden im Umfang von unter 10 Prozent bei Rindern und Schweinen und von knapp 40 Prozent der gesamten Menge an verabreichten Antibiotika bei Masthühnern und Puten eingesetzt. 1. Wie hat sich sie Zahl der antibiotikaresistenten Erreger nach Kenntnis der Bundesregierung in der Veterinärmedizin in den letzten zehn Jahren verändert (bitte nach hauptsächlichem Vorkommen bei den Tierarten Rind bzw. Kalb, Schwein und Huhn bzw. Pute angeben)? In Deutschland werden Antibiotikaresistenzen in zwei unterschiedlichen Monitoring -Programmen überwacht. Die Resistenz von Zoonoseerregern und kommensalen Bakterien gegenüber antimikrobiellen Substanzen wird gemäß der Richtlinie 2003/99/EG und der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über die Erfassung , Auswertung und Veröffentlichung von Daten über das Auftreten von Zoonosen und Zoonoseerregern entlang der Lebensmittelkette (AVV Zoonosen Lebensmittelkette) erfasst (Nationales Zoonosen-Monitoring). Die Ergebnisse dieses Monitorings werden im Rahmen der nationalen Berichterstattung veröffentlicht (www.bvl.bund.de/DE/01_Lebensmittel/01_Aufgaben/02_AmtlicheLebens mittelueberwachung/06_ZoonosenMonitoring/lm_zoonosen_monitoring_node.html). In einem weiteren Programm (GERM-Vet) werden – ähnlich dem Vorgehen in der Humanmedizin – durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) kontinuierlich klinische Bakterienisolate (Tierpathogene) auf ihre Empfindlichkeit gegenüber antibakteriellen Wirkstoffen untersucht, bewertet und veröffentlicht (www.bvl.bund.de/DE/09_Untersuchungen/01_Aufgaben/ 03_Nationales%20Resistenz-Monitoring/untersuchungen_NatResistenzmonitoring_ node.html). Die Entwicklung der Resistenzraten muss differenziert nach Tierart und Bakterienspezies , im Fall des Monitorings von Tierpathogenen auch nach Krankheitsbild betrachtet werden. Nachfolgend werden Beispiele zur Resistenzentwicklung bei einzelnen Nutztierarten dargestellt. Detaillierte Ergebnisse sind den beiden o. g. Berichten sowie dem umfangreichen Bericht über die Evaluierung des Antibiotikaminimierungskonzepts der 16. AMG-Novelle (www.bmel.de/Evaluierung16-AMG-Novelle) zu entnehmen. Resistenzentwicklung bei Zoonoseerregern und kommensalen Bakterien Escherichia (E.) coli E. coli sind in praktisch jeder Kot- oder Blinddarminhaltprobe von warmblütigen Tieren nachweisbar und werden deshalb häufig als Indikatorkeim für die Resistenzsituation bei Tieren verwendet. Zur Entwicklung der Resistenz von E. coli bei Masthühnern, -puten, -schweinen und -kälbern zeigen die Abbildungen 1 und 2, dass sich im Laufe der Jahre der Anteil gegen alle Substanzen empfindlicher Isolate in allen Populationen tendenziell erhöhte. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/12518 Abbildung 1: Resistenz von E. coli aus Kotproben von Masthähnchen und Mastputen im Bestand – Anzahl der Resistenzen. Abbildung 2: Resistenz von E. coli aus Kotproben von Mastschweinen (Schw.) und Mastkälbern (Kalb) im Bestand (Best.) und am Schlachthof (SH) – Anzahl der Resistenzen. Selektiver Nachweis Cephalosporin-resistenter E. coli (ESBL/AmpC-Verdacht) Mittels selektiver Nachweisverfahren lassen sich Cephalosporin-resistente E. coli mit größerer Empfindlichkeit nachweisen, da das Wachstum nicht-resistenter Organismen unterdrückt wird. Die Ergebnisse dieses Nachweisverfahrens müssen daher separat betrachtet werden. Abbildung 3 zeigt die Ergebnisse solcher selektiver Untersuchungen, die seit 2013 im Rahmen des Zoonosen-Monitorings durchgeführt werden. Zeitliche Trends sind hier noch schwer abzuschätzen, da die jeweiligen Populationen bisher höchstens zweimal untersucht wurden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/12518 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Abbildung 3: Nachweis Cephalosporin-resistenter E. coli mit selektiven Nachweisverfahren in verschiedenen Lebensmittelketten seit 2013 im Zoonosen-Monitoring Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) MRSA wurden in den untersuchten Tierbeständen in den letzten Jahren in unterschiedlicher Häufigkeit nachgewiesen. Besonders hohe Nachweisraten wurden in Schweinbeständen gefunden, gefolgt von Mastputen- und Mastkälberbeständen. In Mastrinderbeständen und Milchrindbeständen wurden MRSA seltener nachgewiesen , wobei der Nachweis in Milchviehbeständen sich zwischen den ersten Untersuchungen in 2009/2010 und 2014 deutlich erhöhte (Abbildung 4). Abbildung 4: Anteil MRSA-positiver Staub-/Kot-/Sockentupfer bzw. Milchproben aus Tierbeständen seit 2009 0 20 40 60 80 100 Hähnchenfleisch, N=144/418 Hähnchenkot, N=133/344 Putenfleisch, N=459 Putenkot, N=323 Schweinefleisch, N=454/458 Darminhalt, Schwein, N=353/351 Mastschweinekot, Bestand Rindfleisch, N=132/452/406 Mastrinder, Kot, N=203 Kälb/Jungrind, Darminhalt, N=363/350 Anteil positiver Proben (%) 2016/17 2014/15 2013 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/12518 Campylobacter (C.) spp. bei Geflügel Sehr häufig werden bei allen Tierarten Campylobacter spp. im Darm nachgewiesen . Allerdings wurden nur vom Huhn und der Pute regelmäßig Isolate gewonnen und auf ihre Resistenz gegen antimikrobielle Substanzen untersucht (Abb. 5 und 6), weil dem Geflügel eine erhebliche Bedeutung als Quelle von Campylobacter -Infektionen des Menschen beigemessen wird. Aufgrund von Unterschieden im Resistenzniveau sind C. jejuni und C. coli getrennt zu betrachten. Während Resistenzen gegenüber Tetrazyklin und Erythromycin insbesondere bei der Pute eher zurückgingen, nahm die Resistenz gegenüber den (Fluor-)chinolonen Ciprofloxacin und Nalidixinsäure vor allem bei C. jejuni sowohl bei Puten als auch bei Masthähnchen eher zu. Die Zahl gegenüber allen Testsubstanzen empfindlicher Isolate veränderte sich nicht signifikant. Abbildung 5: Resistenz von C. coli und C. jejuni aus Blinddarmproben von Masthähnchen am Schlachthof gegenüber antimikrobiellen Substanzen – Anzahl der Resistenzen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/12518 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Abbildung 6: Resistenz von C. coli und C. jejuni aus Blinddarmproben von Mastputen am Schlachthof gegenüber antimikrobiellen Substanzen – Anzahl der Resistenzen. Resistenzentwicklung bei Tierpathogenen Bei Escherichia (E). coli-Isolaten von Kalb und Jungrind, isoliert aus Enteritis- Infektionen, zeigten sich 2017 kaum Veränderungen im Vergleich zum Studienjahr 2006/2007. Die Resistenzraten lagen bei Wirkstoffen, für die klinische Grenzwerte vorlagen, zwischen 76 Prozent (Ampicillin) und 16 Prozent (Amoxicillin /Clavulansäure). Die Resistenzraten für E. coli-Isolate von Schweinen mit einer Enteritis lagen zwischen 63 Prozent für Ampicillin und 3 Prozent für Amoxicillin/Clavulansäure. Für die Wirkstoffe Tetrazyklin (56 Prozent vs. 78 Prozent) und Trimethoprim /Sulfamethoxazol (51 Prozent vs. 46 Prozent) wurden bei dieser Tierart für das Studienjahr 2017 niedrigere Resistenzraten ermittelt als für das Vergleichsstudienjahr 2005/2006. Auch bei E. coli-Isolaten vom Masthähnchen haben sich die Resistenzraten im Verlauf von 10 Jahren nur wenig verändert. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass nur wenige Isolate eingesandt wurden, so dass die Resistenzdaten nur Hinweise liefern können. Für die Wirkstoffe Tetrazyklin (26 Prozent vs. 23 Prozent) und Trimethoprim/Sulfamethoxazol (20 Prozent vs. 13 Prozent) wurden höhere Resistenzraten für das Studienjahr 2017 ermittelt als für das Vergleichsjahr 2008. Bei der Pute zeigten die Wirkstoffe Ampicillin (46 Prozent vs. 62 Prozent), Tetrazyklin (26 Prozent vs. 70 Prozent) und Trimethoprim /Sulfamethoxazol (13 Prozent vs. 37 Prozent) niedrigere Resistenzraten für 2017 als im Studienjahr 2006/2007. Bei Enrofloxacin hingegen stieg im Laufe der Studienjahre die Resistenzrate von 2 Prozent auf 7 Prozent an. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/12518 2. Wie definiert die Bundesregierung den Begriff der sogenannten Reserveantibiotika , und welche Wirkstoffe sind nach Auffassung der Bundesregierung als Reserveantibiotika einzustufen? Reserve-Antibiotika sind Antibiotika, die nur bei schweren Infektionen, bei denen der Erreger nicht bekannt ist, oder wenn ein für die Therapie einer Erkrankung empfohlenes Antibiotikum aufgrund von Resistenzen nicht mehr wirkt, eingesetzt werden. Welches Antibiotikum als Reserve-Antibiotikum verwendet wird, hängt von der Infektion und dem Erreger ab. Insbesondere die Wirkstoffklassen, die von der WHO als „Highest Priority Critically Important Antimicrobials“ gelistet sind (www.who.int/foodsafety/ publications/antimicrobials-sixth/en/), haben eine besondere Bedeutung für die Humanmedizin und sollten nicht als Mittel der ersten Wahl eingesetzt werden. Dazu zählen die Chinolone (u. a. Fluorchinolone wie z. B. Ciprofloxacin), die Cephalosporine der 3., 4. und 5. Generation, die Makrolide und Ketolide, die Polymyxine (wie z. B. Colistin) sowie die Glykopeptide. Im Jahr 2018 hat die WHO mit einer ergänzenden Klassifikation Antibiotika drei Gruppen (AWaRe = Access, Watch, and Reserve) zugeordnet und damit erstmals explizit Reserveantibiotika definiert (http://apps.who.int/medicinedocs/en/m/ abstract/Js23413en/). In die Reservegruppe wurden eingestuft Aztreonam Cephalosporine der 4. und 5. Generation Daptomycin Fosfomycin (intravenös) Oxazolidinones (z. B. Linezolid) Polymyxine (z. B. Colistin, Polymyxin B) Tigecyclin Die Antibiotika der Watch-Gruppe umfassen die meisten der „Highest Priority Critically Important Antimicrobials“, auch sie sollten nur für bestimmte, begrenzte Indikationen in Human- und Veterinärmedizin eingesetzt werden. 3. Welche Reserveantibiotika stehen derzeit nach Kenntnis der Bundesregierung zur Verfügung? Wie veränderte sich die Zahl der Reserveantibiotika nach Kenntnis der Bundesregierung innerhalb der letzten zehn Jahre? In Deutschland sind für die Humanmedizin Arzneimittel aus jeder der in der Antwort zu Frage 2 genannten Antibiotikaklassen zugelassen. Seit 2009 wurden von den in der Antwort zu Frage 2 genannten Antibiotikaklassen für den humanmedizinischen Bereich in Deutschland Arzneimittel mit den folgenden neuen Wirkstoffen bzw. neuen Wirkstoffkombinationen zugelassen: Cephalosporine: Ceftarolin (Zinforo®, 2012), Ceftobiprol (Zevtera®, 2014), Ceftolozan + Tazobactam (Kombination mit Betalaktamaseinhibitor, Zerbaxa®, 2015), Ceftazidim + Avibactam (Kombination mit Betalaktamaseinhibitor , Zavicefta®, 2016) Monobactame: Aztreonam (Cayston®, 2009) Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/12518 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Oxazolidinone: Tedizolid (Sivextro®, 2015) Lipoglykopeptide: Oritavancin (Orbactiv®, 2016), Dalbavancin (Xydalba®, 2016) 4. Welche Reserveantibiotika sind nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit in der Veterinärmedizin zugelassen? Für die folgenden Wirkstoffklassen und Wirkstoffe sind Zulassungen für Tierarzneimittel vorhanden: Cephalosporine 3. Generation: Cefoperazon , Cefovecin, Ceftiofur Cephalosporine 4. Generation: Cefquinom Fluorchinolone: Danofloxacin, Enrofloxacin, Marbofloxacin, Orbifloxacin, Pradofloxacin Makrolide: Gamithromycin, Spiramycin, Tildipirosin, Tilmicosin, Tulathromycin , Tylosin, Tylvalosin Polymyxine: Colistin (Polymyxin E), Polmyxin B 5. Wie gestaltet sich nach Kenntnis der Bundesregierung das Vorkommen von resistenten Bakterien auf Lebensmitteln insgesamt? Wie hoch ist der Anteil der Erreger, die auf Fleisch, Fischprodukten und Gemüse vorkommen? Die Untersuchung von Lebensmitteln auf resistente Bakterien und die Veröffentlichung der Ergebnisse erfolgt in Deutschland seit 2009 routinemäßig im Rahmen des Nationalen Zoonosen-Monitorings gemäß der AVV Zoonosen Lebensmittelkette (siehe auch Antwort zu Frage 1 und unter www.bvl.bund.de/DE/01_ Lebensmittel/01_Aufgaben/02_AmtlicheLebensmittelueberwachung/06_ ZoonosenMonitoring/lm_zoonosen_monitoring_node.html). Bei den Untersuchungen ist zu unterscheiden zwischen der Untersuchung der auf Lebensmitteln vorkommenden Bakterien auf ihre Resistenz gegen antimikrobielle Substanzen einerseits und der selektiven Untersuchung zum Vorkommen bestimmter resistenter Bakterien andererseits. Im Hinblick auf das Vorkommen der Bakterien auf Lebensmitteln ist sowohl zwischen den unterschiedlichen Lebensmitteln als auch zwischen den Bakterienarten zu unterscheiden. Fleisch Escherichia (E.) coli Im Rahmen des Zoonosen-Monitorings wurde die Resistenz von E. coli aus dem Fleisch vieler Tierarten untersucht. Die Abbildungen 7 und 8 zeigen in Anlehnung an den Evaluierungsbericht der Bundesregierung zur 16. AMG Novelle (siehe auch Antwort zu Frage 1) basierend auf den Ergebnissen des Zoonosen- Monitorings gegen wie viele Antibiotika die untersuchten Isolate von Hähnchen -, Puten-, Kalb- und Schweinefleisch resistent waren. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/12518 Abbildung 7: Anteil der Isolate von E. coli aus Hähnchenfleisch und Putenfleisch, die gegen keine bzw. mehrere der untersuchten Antibiotika resistent waren (modifiziert nach Evaluierungsbericht) Abbildung 8: Anteil der Isolate von E. coli aus Kalbfleisch und Schweinefleisch, die gegen keine bzw. mehrere der untersuchten Antibiotika resistent waren (modifiziert nach Evaluierungsbericht ) Selektiver Nachweis Cephalosporin-resistenter E. coli Bei der Untersuchung von Fleisch wurden solche Bakterien bisher vor allem auf Geflügelfleisch nachgewiesen (s. Antwort zu Frage 1, Abbildung 3), während der Nachweis auf Rind- und Schweinefleisch seltener gelang. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/12518 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) Auch MRSA wurden bisher besonders häufig auf Puten- und Hähnchenfleisch nachgewiesen, während der Nachweis auf Schweine-, Rind- und Kalbfleisch seltener gelang (Abbildung 9). Abbildung 9: Anteil MRSA-positiver Proben von frischem Fleisch unterschiedlicher Tierarten im Zoonosen-Monitoring 2009–2017 Campylobacter (C.) spp. Campylobacter (C.) spp. werden häufig in Hähnchen- und Putenfleischproben nachgewiesen, während Fleisch von Schweinen und Rindern seltener kontaminiert ist. In den letzten Jahren waren ca. 51,8 Prozent der Proben von Hähnchenfleisch (2017) und 15,9 Prozent der Proben von Putenfleisch (2016) im Einzelhandel positiv für Campylobacter spp.. Die Abbildungen 10 und 11 zeigen die Resistenz von C. coli und C. jejuni aus Hähnchen- und Putenfleisch im Einzelhandel gegenüber antimikrobiellen Substanzen . Es zeigte sich bei den Isolaten aus Hähnchenfleisch ein Rückgang des Anteils gegen alle Testsubstanzen sensibler Isolate. Bei Isolaten aus Putenfleisch zeigte sich keine deutliche Veränderung. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 11 – Drucksache 19/12518 Abbildung 10: Resistenz von C. coli und C. jejuni aus Hähnchenfleisch gegenüber antimikrobiellen Substanzen. Anzahl der Substanzklassen, gegen die die Isolate resistent waren (Zoonosen-Monitoring 2009 bis 2016) Abbildung 11: Resistenz von C. coli und C. jejuni aus Putenfleisch gegenüber antimikrobiellen Substanzen. Anzahl der Substanzklassen, gegen die die Isolate resistent waren (Zoonosen -Monitoring 2009 bis 2016) Pflanzliche Lebensmittel Pflanzliche Lebensmittel wurden im Rahmen des Zoonosen-Monitorings seltener auf Zoonoseerreger und/oder resistente Bakterien untersucht. Auch über die Ergebnisse dieser Untersuchungen wurden unter dem in der Antwort zu Frage 1 angegebenen Link Berichte durch das BVL veröffentlicht. Resistenzuntersuchungen von kommensalen E. coli Isolaten, die aus pflanzlichen Lebensmitteln im Rahmen des nationalen Zoonosen-Monitorings gewonnen wurden , ergaben, dass die meisten Isolate gegen alle Testsubstanzen voll sensibel Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/12518 – 12 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode waren (Tabelle 1). Wenige Isolate wiesen Resistenzen gegenüber einigen Wirkstoffen auf. Auf untersuchten Erdbeeren (485 Proben, 2013), Tomaten (2016), und Himbeeren (2017) wurden keine E. coli nachgewiesen. Selektive Untersuchungen auf ESBL/AmpC bildende E. coli erbrachten bei Sprossen (2016) und frischen Kräutern (2014) eine Nachweisrate von 2,2 Prozent und auf vorgeschnittenen Blattsalaten (2015) eine Rate von 2,3 Prozent. Diese Isolate wiesen gegenüber Cephalosporinen der 3. Generation und einige weitere Wirkstoffe höhere Resistenzraten auf, als die nicht selektiv gewonnenen Isolate. Allerdings handelte es sich wiederum nur um sehr wenige Isolate und eine Quantifizierung der Belastung der Lebensmittel war aufgrund der gewählten Nachweismethodik nicht möglich (Tabelle 2). Auf Erdbeeren (2013), Tomaten (2016) und Himbeeren (2017) erfolgte kein Nachweis. Tabelle 1: Mikrobiologische Resistenz von E. coli, die von pflanzlichen Lebensmitteln im Rahmen des Zoonosen-Monitorings gewonnen wurden, gegenüber 14 Antibiotika. Untersuchungsjahr 2012 2014 2015 2016 Lebensmittel Blatt und Kopfsalate Frische Kräuter vorgeschnittene Blattsalate Sprossen Anzahl Proben 756 381 360 357 Anzahl eingesandte und untersuchte Isolate1 14 % resistent 15 % resistent 9 % resistent 5 % resistent Gentamicin 0 0 0 0 0 0 0 0 Chloramphenicol 0 0 0 0 0 0 0 0 Cefotaxim 0 0 0 0 0 0 0 0 Ceftazidim 0 0 0 0 0 0 0 0 Nalidixinsäure 0 0 0 0 0 0 0 0 Ciprofloxacin 0 0 1 6,7 0 0 0 0 Ampicillin 0 0 3 20 2 22,2 0 0 Colistin 0 0 0 0 0 0 0 0 Sulfamethoxazol 0 0 2 13,3 1 11,1 0 0 Trimethoprim 0 0 1 6,7 1 11,1 0 0 Tetrazyklin 2 14,3 1 6,7 0 0 0 0 Azithromycin n. u.2 0 0 0 0 0 0 Meropenem n. u. 0 0 0 0 0 0 Tigecyclin n. u. 0 0 0 0 0 0 Sensibel 12 85,7 11 73,3 7 77,8 5 100 Einfach resistent 2 14,3 3 20 1 11,1 0 0 Zweifach resistent 0 0 0 0 1 11,1 0 0 Dreifach resistent 0 0 0 0 0 0 0 0 Vierfach resistent 0 0 1 6,7 0 0 0 0 > Vierfach resistent 0 0 0 0 0 0 0 0 1 nicht zu jeder positiven Probe wurden Isolate eingesandt 2 nicht untersucht Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 13 – Drucksache 19/12518 Tabelle 2: Mikrobiologische Resistenz von mit selektiven Nachweismethoden identifizierten ESBL/AmpC-bildenden E. coli von pflanzlichen Lebensmitteln, im Rahmen des Zoonosen-Monitorings gewonnen wurden, gegenüber 14 Antibiotika . Untersuchungsjahr 2014 2015 2016 Lebensmittel Frische Kräuter vorgeschnittene Blattsalate Sprossen Anzahl Proben 405 381 361 Anzahl eingesandte und untersuchte Isolate1 5 % resistent 3 % resistent 5 % resistent Gentamicin 1 20,0 0 0,0 2 40,0 Chloramphenicol 0 0,0 0 0,0 3 60,0 Cefotaxim 5 100,0 3 100,0 5 100,0 Ceftazidim 4 80,0 3 100,0 5 100,0 Nalidixinsäure 1 20,0 1 33,3 3 60,0 Ciprofloxacin 1 20,0 2 66,7 5 100,0 Ampicillin 5 100,0 3 100,0 5 100,0 Colistin 0 0,0 0 0,0 0 0,0 Sulfamethoxazol 2 40,0 2 66,7 4 80,0 Trimethoprim 1 20,0 2 66,7 4 80,0 Tetrazyklin 2 40,0 2 66,7 4 80,0 Azithromycin 1 20,0 0 0,0 2 40,0 Meropenem 0 0,0 0 0,0 0 0,0 Tigecyclin 0 0,0 0 0,0 0 0,0 Sensibel 0 0,0 0 0,0 0 0,0 1x resistent 0 0,0 0 0,0 0 0,0 2x resistent 2 40,0 0 0,0 0 0,0 3x resistent 0 0,0 1 33,3 1 20,0 4x resistent 2 40,0 1 33,3 0 0,0 5x resistent 1 20,0 1 33,3 0 0,0 6x resistent 0 0,0 0 0,0 2 40,0 7x resistent 0 0,0 0 0,0 1 20,0 8x resistent 0 0,0 0 0,0 1 20,0 1 nicht zu jeder positiven Probe wurden Isolate eingesandt Fischprodukte Im Rahmen des Zoonosen-Monitorings wurde bisher (2009 bis 2018) die Resistenz von Bakterien auf Fischen und Fischprodukten nicht untersucht. Im aktuellen Zoonosen-Monitoring des Jahres 2019 werden Fische untersucht. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden jedoch erst im Sommer 2020 vorliegen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/12518 – 14 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 6. Wie schätzt die Bundesregierung die Übertragbarkeit von multiresistenten Keimen, die auf Lebensmitteln vorkommen, auf den Menschen ein? Die Frage der Übertragbarkeit von resistenten Bakterien, die auf Lebensmitteln vorkommen, auf den Menschen ist differenziert nach der Art der Erreger zu betrachten . Bei Zoonoseerregern, die vom Tier auf den Menschen und umgekehrt übertragbar sind und beim Menschen bakteriell bedingte Darmerkrankungen hervorrufen, ist die Übertragbarkeit hoch. Dies trifft insbesondere auf Salmonellen und Campylobacter zu. Allerdings steht hier zunächst die Problematik der Erkrankung im Vordergrund, die von der Resistenz der Bakterien gegen antimikrobielle Substanzen unabhängig ist. Die häufigsten gemeldeten Salmonellen-Infektionen des Menschen werden durch das Serovar Salmonella (S.) Enteritidis hervorgerufen, das in der Regel gegen fast alle Testsubstanzen empfindlich ist. Das zweithäufigste Serovar beim Menschen, S. Typhimurium ist dagegen häufig gegen mehrere antimikrobielle Substanzen resistent. Hygienemaßnahmen bei der Fleischgewinnung dienen bei allen Tierarten der Verminderung der Übertragung solcher Bakterien vom Schlachttier auf das Lebensmittel . Eine besondere Bedeutung kommt auch der Küchenhygiene zu. Hier hat das BfR wichtige Hinweise für Verbraucherinnen und Verbraucher in sogenannten Verbrauchertipps sowie in einem Kurzfilm veröffentlicht (https://mobil.bfr.bund.de/ de/kuechenhygiene-193719.html). Andere Bakterien, sogenannte kommensale Bakterien, die für den Menschen nicht unbedingt krankmachend sind, können ebenfalls Resistenzgene tragen. Auch diese Bakterien sind häufig zwischen Mensch und Tier übertragbar. Hier werden in der Regel im Rahmen des Zoonosen -Monitorings Bakterien der Spezies Escherichia coli untersucht, da diese das Vorkommen von Resistenzgenen in der Bakterienpopulation gut reflektieren (vgl. Fragen 1 und 4). Ihre Bedeutung für die Resistenzsituation bei Bakterien vom Menschen ist nach wie vor nicht exakt zu quantifizieren. Es ist jedoch davon auszugehen , dass bei beruflich mit Nutztieren beschäftigten Personen die Exposition gegenüber solchen Bakterien deutlich höher ist als bei auf diesem Weg nicht exponierten Verbraucherinnen und Verbrauchern. Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) sind Krankheitserreger, die bei Tieren und Menschen in besonderen Fällen Infektionen hervorrufen können . Bei Lebensmitteln werden sie besonders häufig auf Geflügelfleisch, aber auch auf Rind und Schweinefleisch nachgewiesen. Es konnte jedoch gezeigt werden , dass die Keimmenge auf dem Lebensmittel in der Regel gering ist und vermutlich nicht ausreichend, um eine Besiedlung des Menschen durch den Verzehr des Lebensmittels zu erreichen. Nach Angaben des Nationalen Referenzzentrums für Staphylokokken und Enterokokken sind etwa 5 bis 7 Prozent der beim Menschen nachgewiesenen Infektionen mit MRSA durch Bakterienstämme bedingt, die ursprünglich vom Tier stammen. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass diese Bakterien eher nicht über Lebensmittel, sondern durch Kontakt übertragen werden . Die hohe Bedeutung der beruflichen Exposition gegenüber MRSA von Tieren wird immer wieder betont. 7. Welchen Ursprung haben resistente Bakterien nach Kenntnis der Bundesregierung , die auf unverarbeiteten pflanzlichen Erzeugnissen nachgewiesen werden? Eine Kontamination pflanzlicher Lebensmittel mit antibiotikaresistenten Bakterien ist auf allen Stufen der Lebensmittelkette, vom Anbau über Transport und Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 15 – Drucksache 19/12518 Verarbeitung bis hin zum Privathaushalt, möglich. Dabei ist der Anbau von entscheidender Bedeutung für die bakterielle Besiedlung von Pflanzen. Weiterhin können unterschiedlichste Mikroorganismen bei der Ernte (z. B. beim Kontakt mit Menschen), beim Transport und der Lagerung, beispielsweise durch den Kontakt mit Transportbehältern, bei der Reinigung und dem Waschen, durch den Kontakt mit Wasser sowie bei der weiteren Verarbeitung beim Kontakt mit Maschinen bzw. mit dem Menschen in den Produktionsprozess gelangen. Gemüsepflanzen werden in großer Anzahl von Mikroorganismen besiedelt, vor allem auf ihren Oberflächen, aber auch endophytisch (d. h. im Pflanzeninneren). Diese Mikrobiota (Gemeinschaft aller vorhandenen Mikroorganismen) der Pflanze besitzt eine große, produktabhängige und auch geographische Variabilität . Einen entscheidenden Einfluss darauf haben Bakterien, die im Boden und Bewässerungswasser vorkommen sowie durch Wildtiere oder Insekten übertragene Bakterien. In der Umwelt vorhandene, resistente Bakterien können so Teil der Mikrobiota von Pflanzen werden. Welchen Anteil natürliche Resistenzen in der Population von Umweltbakterien besitzen ist ebenso wenig aufgeklärt wie der Anteil resistenter Bakterien, die direkt aus dem human- und veterinärmedizinischen Bereich stammen und über den Eintrag von Gülle/Mist, Abwässern, Klärschlamm , Gärresten aus Biogasanlagen etc. in die Umwelt von Pflanzen gelangen . Auch der Anteil der durch Chemikalienrückstände, wie z. B. Antibiotika, Schwermetalle, Desinfektions- und Reinigungsmittel geförderten Resistenzen ist momentan unklar. 8. Welche Lösungsansätze werden nach Kenntnis der Bundesregierung zur Vermeidung resistenter Erreger auf pflanzlichen Produkten verfolgt? Die Vermeidung resistenter Bakterien auf pflanzlichen Produkten folgt zunächst denselben Grundsätzen, wie die Vermeidung der bakteriellen Kontamination solcher Produkte insgesamt. Der bisher entwickelte One Health Ansatz und die Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie der Bundesregierung DART 2020 bezwecken eine Reduktion des Antibiotikaeinsatzes auf das medizinisch notwendige Maß. Die Verbreitung neuer Resistenzgene in Umweltbakterien kann dadurch verringert werden. Bei der Erzeugung pflanzlicher Lebensmittel gibt es in Deutschland aktuell keinen gezielten Einsatz antimikrobieller Substanzen. Mikrobiologisch einwandfreies Bewässerungswasser und Saatgut sowie sachgemäße Düngemethoden können das Vorkommen von Antibiotikaresistenzen auf Erzeugerebene reduzieren. Bei der Verarbeitung pflanzlicher Erzeugnisse werden die Produkte manuell und maschinell gesäubert und gewaschen. Dabei kann die bakterienreduzierende Wirkung auf die Pflanzenoberfläche durch Zugabe von organischen Säuren oder Chlor in das Waschwasser verstärkt werden. Solche Zusätze sind jedoch streng reglementiert. Ein gründliches Säubern und Waschen von pflanzlichen Frischeprodukten mit Wasser von Trinkwasserqualität ist zudem auf Verbraucherebene im Rahmen einer guten Küchenhygiene unerlässlich. Innovative und zukunftsfähige Konzepte zur Reduktion von Bakterien auf pflanzlichen Frischeprodukten sind der Einsatz von Bakteriophagen und Schutzkulturen sowie die Anwendung von UV-C oder Ultrafiltration. Bakteriophagen können als sog. natürliche Biokontrollwerkzeuge vorhandene (antibiotikaresistente) Bakterien gezielt reduzieren. Weiterhin können durch den Einsatz von definierten Mikroorganismen als Schutzkulturen „unerwünschte“ Bakterien verdrängt werden. Die denkbare Aufbereitung des Waschwassers bzw. des Bewässerungswassers (z. B. mittels UV-C oder Ultrafiltration) trägt auch im Sinne einer effektiven Ressourcennutzung zur Reduktion von (antibiotikaresistenten) Bakterien bei. Eine Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/12518 – 16 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode selektive Dekontamination von nur antibiotikaresistenten Bakterien ist bisher technologisch nicht möglich. 9. Welche Möglichkeiten zur Desinfektion von rohem Fleisch existieren nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland derzeit? Welche Desinfektionsmöglichkeiten, die nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit in den nord- bzw. südamerikanischen und anderen europäischen Staaten Anwendung finden, sind in Deutschland zugelassen? Nach Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nummer 853/2004 dürfen Lebensmittelunternehmer zum Zweck der Entfernung von Oberflächenverunreinigungen von Erzeugnissen tierischen Ursprungs keinen anderen Stoff als Trinkwasser oder sauberes Wasser verwenden, sofern dessen Verwendung nach der Verordnung (EG) Nummer 852/2004 oder der Verordnung (EG) Nummer 853/2004 bereits erlaubt ist. Die Verwendung eines anderen Stoffes muss von der Europäischen Kommission genehmigt werden. Eine entsprechende Genehmigung wurde bislang nur für die Verwendung von Milchsäure zur Verringerung mikrobiologischer Oberflächenverunreinigungen von Rinderschlachtkörpern ausgesprochen. Die Anwendung weiterer Stoffe ist nicht erlaubt. 10. Liegt der Bundesregierung eine Evaluierung des Einsatzes von Antibiotika in der Tierhaltung auf europäischer Ebene vor, aus der hervorgeht, welche antibiotischen Wirkstoffe derzeit bei welcher Tierart in welchem Umfang eingesetzt werden? Eine entsprechende Evaluierung auf europäischer Ebene liegt nicht vor. Mit der neuen Verordnung (EU) 2019/6 über Tierarzneimittel, die ab 28. Januar 2022 in allen EU-Mitgliedstaaten anzuwenden ist, wird ab dem Jahr 2024 schrittweise ein Erfassungssystem für die Anwendung von antimikrobiell wirksamen Arzneimitteln bei Tieren eingeführt. 11. Welche Maßnahmen müssen nach Kenntnis der Bundesregierung erfolgen, um den Einsatz von Antibiotika in der Hühner- und Putenhaltung weiter zu senken? Die Evaluierung des Antibiotikakonzepts der 16. AMG-Novelle hat gezeigt, dass die Antibiotikaanwendung in der Geflügelmast optimiert werden muss. Aus Sicht der Bundesregierung müssen von den verantwortlichen Wirtschaftsbeteiligten geeignete Maßnahmen zur Verbesserung der Tiergesundheit und zur Vermeidung bakterieller Infektionen in Geflügelbeständen systematisch und kontinuierlich ergriffen werden, um die Voraussetzungen für eine dauerhafte Reduktion des Antibiotikaeinsatzes zu schaffen. Das BMEL ist deshalb im intensiven Dialog mit den beteiligten Branchen. Mit der Geflügelwirtschaft wurde verbindlich vereinbart, dass diese in den kommenden zwei Monaten Maßnahmen vorlegt, die zu einer signifikanten Reduktion des allgemeinen Antibiotikaeinsatzes sowie insbesondere des Einsatzes von Reserveantibiotika führen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 17 – Drucksache 19/12518 12. Wie bewertet die Bundesregierung den möglichen Einsatz von sogenannten CE-Kulturen (CE = Competitive Exclusion; die Verabreichung von normalen Darmmikroben gesunder adulter Tiere an Küken kurz nach dem Schlupf bzw. innerhalb der ersten Lebenstage), die nachweislich zu einer Reduzierung der Kolonisation verschiedener darmpathogener Erreger (z. B. Salmonellen und Campylobacter) und somit zu Einsparungen an Antibiotika führen können (Schneitz C (2005): Competitive exclusion in poultry – 30 years of research. Food Control 16: 657-667)? 13. Ist der Einsatz sogenannter CE-Kulturen in Deutschland derzeit zugelassen? a) In welchen Ländern besteht nach Kenntnis der Bundesregierung eine Zulassung für den Einsatz von CE-Kulturen? b) Liegen nach Kenntnis der Bundesregierung bereits Anträge auf eine Zulassung bei den zuständigen Behörden vor? c) Wann ist nach Einschätzung der Bundesregierung mit einer Zulassung zu rechnen? Die Fragen 12 und 13 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Nach Kenntnis der Bundesregierung gibt es weder ein in Deutschland noch ein EU-weit als Futtermittelzusatzstoff oder Tierarzneimittel zugelassenes CE-Produkt zur Anwendung bei lebensmittelliefernden Tieren. Ob es in anderen Ländern nationale Zulassungen für CE-Präparate gibt, ist der Bundesregierung nicht bekannt . Bei den sogenannten CE-Kulturen handelt es sich in der Regel um Zubereitungen von Mikroorganismenmischungen aus der Darmflora adulter Tiere, die Küken als Spray oder über das Tränkwasser verabreicht werden sollen. Einer Zulassung als Futtermittelzusatzstoff im Rahmen der Futtermittelzusatzstoffverordnung, Verordnung (EG) Nummer 1831/2003, steht bislang die fehlende Spezifizierung und Standardisierung der Mikroorganismenmischungen entgegen. Im Hinblick auf die derzeit gültigen, als auch ab 28. Januar 2022 geltenden, gesetzlichen Rahmenbedingungen hinsichtlich der Zulassung von Tierarzneimitteln könnten CE-Produkte als Tierarzneimittel eingestuft werden. Die regulatorischen Herausforderungen einer Zulassung von CE-Produkten als Tierarzneimittel bestehen neben dem erfolgreichen Abschluss von Wirksamkeits- und Unbedenklichkeitsstudien v. a. in ihrer mangelnden Charakterisierbarkeit hinsichtlich der wirksamen Bestandteile . Für Tierarzneimittel sind Angaben zur qualitativen und quantitativen Zusammensetzung vorgeschrieben. 14. Was sind nach Kenntnis der Bundesregierung die häufigsten Ansteckungsquellen mit resistenten Erregern für Menschen? Menschen können durch Aufnahme von Bakterien mit der Nahrung oder durch Kontakt mit besiedelten Menschen (z. B. im Zusammenhang mit der Pflege im Krankenhaus) bzw. Tieren (z. B. bei der Haltung von Heim- oder Nutztieren) mit resistenten Erregern besiedelt werden. Dabei unterscheiden sich die Ausbreitungswege von Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA), Vancomycin -resistenten Enterokokken (VRE) und multiresistenten gram-negativen Erregern (MRGN): Bei MRSA steht aufgrund der Besiedelung von Nase und Haut der direkte (pflegerische oder landwirtschaftliche) Kontakt im Vordergrund. Soziale Kontakte zwischen Menschen sind für eine Übertragung wenig relevant. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/12518 – 18 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode VRE und MRGN besiedeln primär den Darm von Mensch und Tier. In der Regel setzt eine Übertragung daher einen Kontakt mit Ausscheidungen voraus. So können pflegerische Kontakte (z. B. im Krankenhaus) oder kontaminierte ungekochte Lebensmittel eine Quelle für Übertragungen sein. Die Kolonisation mit Bakterien führt erst nach Hinzutreten weiterer disponierender Faktoren zur Infektion. Derartige begünstigende Faktoren sind z. B. invasive medizinische Eingriffe. Eine pauschale Quantifizierung der Bedeutung der Übertragungswege ist aufgrund der Unterschiedlichkeit der Exposition der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen nicht möglich. 15. Mit welchen finanziellen Mitteln unterstützt die Bundesregierung die German One Health Initiative (GOHI)? Die German One Health Initiative (GOHI) ist eine Initiative der Bundeseinrichtungen aus dem Geschäftsbereich des BMG und des BMEL. Die vier Einrichtungen (Robert Koch-Institut (RKI), Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Friedich-Loeffler-Institut (FLI), Paul-Ehrlich-Institut (PEI)) tragen diese Initiative derzeit aus den zugewiesenen, eigenen Mitteln und finanzieren je zwei Doktorandenstellen . 16. Wie hoch ist die Gesamtverbrauchsmenge an Antibiotika bei Haustieren in Deutschland nach Kenntnis der Bundesregierung? Liegt der Bundesregierung eine genaue Evaluierung, ähnlich des Evaluierungsberichts des BMEL für Nutztiere, vor? Es wird davon ausgegangen, dass sich die Fragestellung auf andere Tiere als Nutztiere (lebensmittelliefernde Tiere) bezieht. Hierzu liegen der Bundesregierung keine Kenntnisse vor. Auch die Evaluierung des Antibiotikaminimierungskonzepts der 16. AMG-Novelle enthält keine Angabe zum Antibiotikaverbrauch bei allen Nutztieren, sondern bezieht sich ausschließlich auf die sechs Nutzungsarten der 16. AMG-Novelle (Masthühner, Mastputen, Mastferkel, Mastschweine, Mastkälber, Mastrinder). 17. Welche Erkenntnisse zum Vorkommen von multiresistenten Erregern bei Haustieren liegen der Bundesregierung vor? Zum Vorkommen von MRSA bei Heimtieren liegen Daten aus dem Resistenzmonitoring bei Tierpathogenen von 2009 bis 2016 vor (siehe auch Antwort zu Frage 1). Es wurden S. aureus-Isolate von Hunden und Katzen mit Hautinfektionen und respiratorischen Erkrankungen auf ihre Empfindlichkeit gegenüber Oxacillin untersucht. Der Anteil an MRSA schwankte in diesem Zeitraum zwischen 13 Prozent und 56 Prozent, ohne dass über die Jahre ein Trend abzulesen ist. Die Anzahl der untersuchten Isolate war zudem zu gering, um anhand der Daten eine Beurteilung der Resistenzentwicklung vornehmen zu können. Bezüglich Multiresistenzen von gramnegativen Bakterien liegen aus dem Resistenzmonitoring keine Daten aus der Heimtierhaltung vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 19 – Drucksache 19/12518 18. Wie schätzt die Bundesregierung die Übertragbarkeit von multiresistenten Erregern vom Haustier auf den Menschen ein? Welche Maßnahmen zur Vermeidung dieser Übertragungen werden nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit verfolgt? Die enge Bindung zwischen dem Menschen und seinen Haustieren bietet viele Möglichkeiten für den Austausch von Mikroorganismen, einschließlich antibiotikaresistenter Erreger. Die wechselseitige Übertragung von (multiresistenten) Bakterien zwischen Haustieren und Menschen ist vor allem über den Kontakt zwischen Menschen und Tieren möglich. Dies haben vergleichende Studien zu Bakterien von Menschen und ihren Haustieren gezeigt. Fakultativ pathogene Bakterien, die in der Veterinärmedizin häufig mit Tierklinik-assoziierten Infektionen in Verbindung gebracht werden, sind u. a. methicillinresistente Staphylococcus aureus (MRSA), Extended-Spectrum Betalactamase (ESBL) produzierende Enterobakterien sowie Acinetobacter baumannii. Diese Krankheitserreger werden als zwischen Mensch und Tier übertragbar angesehen. Ausreichend belastbare Studien zur Quantifizierung dieses Problems liegen nach aktuellem Kenntnisstand nicht vor. Da der Kontakt zwischen Menschen und ihren Haustieren in der Regel im nicht regulierten Bereich stattfindet, gibt es neben Aufklärungsbemühungen im Hinblick auf allgemeine Hygienemaßnahmen keine besonderen Maßnahmen zur Vermeidung dieser Übertragung. Die Frage der Resistenz von Bakterien bei Haustieren wird wesentlich vom Einsatz von Antibiotika bei diesen Tieren und vom Kontakt mit anderen besiedelten Tieren, etwa in Tierarztpraxen bestimmt. Auch für nicht lebensmittelliefernde Tiere gilt daher, dass Antibiotika bei diesen Tieren nur dann eingesetzt werden sollten, wenn dies unbedingt erforderlich ist. Nach bisherigen Erkenntnissen spielen jedoch Haustiere für die Verbreitung von Antibiotika-Resistenzen in der deutschen Bevölkerung insbesondere im Vergleich zur Verbreitung im Gesundheitswesen eine nachgeordnete Rolle. Über den Förderschwerpunkt „Zoonosen“ fördert das BMG seit Anfang 2019 über drei Jahre hinweg das Projekt „Antimicrobial resistant pathogens transmitted via pets (AMRPet)“. Das Projekt untersucht u. a., ob der Besitz bestimmter Haustiere einen Risikofaktor für den Erwerb antibiotikaresistenter Erreger darstellt . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333