Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 19. August 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/12551 19. Wahlperiode 21.08.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Martin Sichert, Christian Wirth, Sebastian Münzenmaier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/12137 – Diebstahl und Verkauf von ausländerbehördlichen Dokumenten an ausreisepflichtige Ausländer V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Wie die „BILD“ am 22. Juni 2019 auf ihrer Webseite berichtete, warnt die Bundespolizei vor dem Auftauchen von gestohlenen Aufenthaltstiteln bei ausreisepflichtigen Ausländern im Bundesgebiet (vgl. www.bild.de/bild-plus/ news/2019/news/polizeibericht-ausreisepflichtige-kaufen-illegal-bleibedokumente -62799614,view=conversionToLogin.bild.html). Laut Bericht entstammen die gestohlenen Dokumente vor allem der Ausländerbehörde Berlin, wo seit 2017 bereits mehrfach entsprechende Unterlagen und Materialien entwendet wurden – insgesamt rund 20 000 an der Zahl –, ohne dass bislang die Täter ermittelt oder die gestohlenen Dokumente sichergestellt werden konnten. Die gestohlenen Blanko-Dokumente und Siegel würden nach polizeilichen Erkenntnissen auf dem Schwarzmarkt an aufenthaltspflichtige Ausländer , die sich unerlaubt im Bundesgebiet aufhalten, verkauft. Der Methodik der Scheinlegalisierung der sogenannten Waschtitel erfolgt nach bundespolizeilichen Informationen, indem die gefälschte Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnis in den alten Pass des Käufers geklebt wird, dieser dann den Pass beschädigt und beim Konsulat seines Heimatlandes einen neuen Pass beantragt. Mit diesem sucht er die deutsche Ausländerbehörde auf, und fordert eine Erneuerung des angeblich im alten Pass vorhandenen Aufenthaltstitels. Da die Behörden durch die immer noch nicht flächendeckende Durchsetzung des elektronischen Aufenthaltstitels nicht auf ein umfassendes elektronisches System zur Überprüfung zurückgreifen können, stellen sie in der Regel einen neuen Aufenthaltstitel aus, der den eigentlich ausreisepflichtigen Ausländern ein Bleiberecht und Anrecht auf Sozialleistungen verschafft (vgl. www.bild.de/bildplus /news/2019/news/polizeibericht-ausreisepflichtige-kaufen-illegalbleibe -dokumente-62799614,view=conversionToLogin.bild.html). Demnach ist nach Ansicht der Fragesteller zu vermuten, dass aktuell bis zu 20 000 Ausländer, die sich unerlaubt im Bundesgebiet aufhalten, mit gefälschten Aufenthaltstiteln missbräuchlich Leistungen nach dem Arbeitslosengeld II und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch beziehen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/12551 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Kritiker zeigen sich empört darüber, wie „sich der deutsche Staat wehrlos [zeigt] und sich zum Gespött [macht], wenn nicht nur gravierende Diebstähle aus der Vergangenheit für eine Reihe alternativer Einbürgerungsmöglichkeiten gesorgt haben, sondern wenn aktuell und wiederum im Herzen von Berlin im ganz großen Stil Papiere der Aufenthaltsgenehmigung samt der dazugehörigen Siegel usw. entwendet wurden, scheinbar mit einer Leichtigkeit und Lässigkeit, als ginge es um das Pfandflaschenlager beim Kiosk um die Ecke.“ (www.tichys einblick.de/kolumnen/alexander-wallasch-heute/berlin-kollabiert-endgueltigraub -von-20-000-aufenthaltspapieren-samt-siegel/). 1. Seit wann hat die Bundesregierung Kenntnis zu a) dem Diebstahl von Blanko-Dokumenten und entsprechender Siegel zum Ausstellen und Verlängern von Aufenthaltstiteln aus der Berliner Ausländerbehörde , b) dem illegalen Handel mit diesen Dokumenten, Die Fragen 1a und 1b werden aufgrund des Sachzusammenhanges gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung hat seit dem 9. Oktober 2017 Kenntnis vom Diebstahl dieser Blanko-Dokumente. In diesem Zusammenhang hat sie auch Hinweise auf einen illegalen Handel der Dokumente erlangt. c) den in der Vorbemerkung der Fragesteller beschriebenen angewandten Methoden der Scheinlegalisierung dieser Dokumente, d) dem Aufgreifen von Personen mit solch scheinlegalisierten Dokumenten (bitte angeben, wann und wo die Personen aufgegriffen wurden, welcher Nationalität diese entstammen, und aus welchem Grund sie eigentlich ausreisepflichtig waren) bzw. Die Fragen 1c und 1d werden aufgrund des Sachzusammenhanges gemeinsam beantwortet. Seit Dezember 2018 liegen Erkenntnisse zur Scheinlegalisierung durch Umschreibung sogenannter Waschtitel vor. So konnte im Nachgang im Rahmen der polizeilichen Zusammenarbeit der Bundespolizei mit dem Landeskriminalamt Berlin der Einreiseversuch eines türkischen Staatsangehörigen am Flughafen Berlin-Schönefeld vom 9. November 2018 diesem modus operandi zugeordnet werden. e) der missbräuchlichen Beantragung und dem Bezug von Sozialleistungen auf Grundlage von gefälschten Aufenthaltstiteln? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 2. Welche Arten von Aufenthaltstiteln wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in welcher Stückzahl entwendet (bitte genau nach Stückzahl im ID-1- Format, ID-2-Format sowie allen Arten von Dokumenten zur Durchführung des Asylverfahrens, Duldungen und sogenannten Fiktionsbescheinigungen aufschlüsseln)? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/12551 3. Über welche detaillierten Informationen verfügt die Bundesregierung bezüglich der Hintergründe zu Diebstahl, Handel, Käufergruppe, Scheinlegalisierung und der missbräuchlichen Nutzung von Aufenthaltstiteln (bitte Ort, Zeit, Straftatbestand, Ermittlungsstand, Anzahl und Herkunft der beteiligten Personen angeben)? 4. Gibt es nach Kenntnis der Bundespolizei und Bundesregierung Hinweise auf den Täterkreis (z. B. politisch motivierte Täter, Clankriminalität, organisierte Kriminalität)? 5. Auf welche Summe belaufen sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Kosten durch den Missbrauch mit gestohlenen und gefälschten Aufenthaltstiteln (Polizeikosten, Verwaltungskosten, missbräuchlich gezahlte Sozialleistungen )? Die Fragen 2 bis 5 werden gemeinsam beantwortet. Die Zuständigkeit für die laufenden Ermittlungen sowie für den Gesamtsachverhalt obliegen der Staatsanwaltschaft Berlin sowie der Ausländerbehörde des Landes Berlin. Angaben im Sinne der Fragestellung obliegen insofern der zuständigen Landesregierung. Der Bundesregierung liegen daher hierzu keine Erkenntnisse im Sinne der Frage vor. 6. Was hat die Bundesregierung unternommen bzw. plant sie zu unternehmen, um den von der Bundespolizei identifizierten illegalen Verkauf und Kauf von Aufenthaltstiteln und daran gekoppelten Missbrauch von Sozialleistungen zu stoppen? Die bei der Bundespolizei vorliegenden Erkenntnisse und Informationen zum festgestellten Phänomen „Waschtitel“ werden im Rahmen polizeilicher Zusammenarbeit mit der Polizei des Landes Berlin sowie mit den Polizeien der Länder ausgetauscht. 7. Ist nach Kenntnis der Bundesregierung bereits eine Ausschreibung in INPOL und im Schengener Informationssystem (SIS) zur Sachfahndung erfolgt? Wenn nein, warum ist dies noch nicht geschehen? Die Zuständigkeit für Sachfahndungsbearbeitung der gestohlenen Dokumente obliegt der Polizei des Landes Berlin. Angaben im Sinne der Fragestellung obliegen insofern der zuständigen Landesregierung. 8. Warum wird die flächendeckende Nutzung der bereits 2011 eingeführten eAT-Chipkarte (eAT = elektronischer Aufenthaltstitel), die solchen Missbrauch verhindern könnte, nach Kenntnis der Bundesregierung nicht angewandt (www.berlin.de/labo/willkommen-in-berlin/aufenthalt/elektronischeraufenthaltstitel /, www.bamf.de/DE/Willkommen/Aufenthalt/eAufenthaltstitel/ e-aufenthaltstitel-node.html)? Der elektronische Aufenthaltstitel (eAT) mit zertifiziertem Chip wurde am 1. September 2011 eingeführt. Grundlage hierfür war die Verordnung (EG) Nr. 380/2008 des Rates vom 18. April 2008 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 zur einheitlichen Gestaltung des Aufenthaltstitels für Drittstaatsangehörige . § 105b des Aufenthaltsgesetzes sieht dabei eine Übergangsvorschrift für die Gültigkeit damals bereits erteilter Aufenthaltstitel vor. Die Vorschrift soll auch unter Berücksichtigung der Ressourcen und Geschäftsprozesse der Ausländerbehörden dazu beitragen, dass Aufenthaltstitel bei Neuausstellung nach dem Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/12551 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode neuen Kartenformat nach § 78 des Aufenthaltsgesetzes mit biometrischen Merkmalen ausgestellt werden und Aufenthaltstitel nach dem bisherigen Format maximal bis zum 31. August 2021 genutzt werden können. Die zehnjährige Übergangsfrist berücksichtigt dabei die Gültigkeitsdauer von Passpapieren, die weltweit in der Regel bei zehn Jahren liegt. 9. Plant die Bundesregierung angesichts der Zirkulation von gefälschten Aufenthaltstiteln eine schnellere vollständige Umstellung auf eAT noch vor 2021? a) Wenn ja, bis wann soll die Umstellung abgeschlossen sein? b) Wenn nein, warum nicht, und welche Gründe verzögern eine zügige Umstellung ? Die Fragen 9 bis 9b werden aufgrund des Sachzusammenhanges gemeinsam beantwortet . Die Bundesregierung plant vor dem Hintergrund der Antwort zu Frage 8 keine schnellere vollständige Umstellung auf den eAT vor dem 31. August 2021. Derzeit wird die Umsetzung der Verordnung (EU) 2017/1954 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2017 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 des Rates zur einheitlichen Gestaltung des Aufenthaltstitels für Drittstaatsangehörige vorbereitet, die im Interesse der Sicherheitsstandards des elektronischen Aufenthaltstitels und zur Verhinderung von Fälschungen u. a. ein neugestaltetes optisches variables Sicherheitselement beim eAT eingeführt. 10. Wird nach Kenntnis der Bundesregierung bei Verlust oder Beschädigung von existenten Reisepässen mit papiernen Klebe-Aufenthaltstiteln bei Neuausstellung nicht automatisch ein elektronischer Aufenthaltstitel vergeben, und wenn ja, warum? Die Voraussetzungen für die Ausstellung sog. einheitlicher Vordruckmuster (Klebe-Aufenthaltstitel) ist in § 78a Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes geregelt. Die Ausführung des Aufenthaltsgesetzes obliegt dabei den Ländern. Grundsätzlich hat die Bundesregierung ein großes Interesse daran, dass entsprechend der rechtlichen Regelungen und der sicherheitlichen Erwägungen elektronische Aufenthaltstitel ausgestellt werden. Hierauf sind die Länder hingewiesen worden. 11. Wie viele insgesamt vergebene Aufenthaltstitel existieren nach Kenntnis der Bundesregierung aktuell in Papierform (Klebeetikett) und wie viele als elektronische Chipkarte (eAT)? Wie viele seit 2015 neu vergebene Aufenthaltstitel wurden in Papierform und wie viele als elektronische Chipkarte ausgestellt? Der Bundesregierung liegen hierzu keine statistischen Erkenntnisse vor. Die Ausführung des Aufenthaltsgesetzes obliegt insoweit den Ländern. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333