Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 22. August 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/12692 19. Wahlperiode 23.08.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Lisa Paus, Stefan Schmidt, Katharina Dröge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/11912 – Cum-Ex – Stand der steuer- und strafrechtlichen Aufarbeitung V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Mit Hilfe von Cum-Ex-Geschäften wurde nach Meinung von Experten der „größte Steuerraub in der Geschichte Europas“ verübt. Bei Cum-Ex-Geschäften erwirkten Anlegerinnen und Anleger die mehrfache Erstattung von Kapitalertragsteuer durch Leerverkäufe von Aktien, obwohl nur einmal Kapitalertragsteuer abgeführt wurde. Bisher ist unklar, wie hoch der Steuerschaden aus den Cum-Ex-Geschäften in Deutschland tatsächlich ist. Nach Informationen des Recherchenetzwerks CORRECTIV und Berechnungen des Steuerprofessors Christoph Spengel von der Universität Mannheim beläuft sich der Steuerschaden für Deutschland auf ca. 12 Milliarden Euro. Seit 2012 hat der Gesetzgeber diese Geschäfte erschwert und eine gesetzliche Regelung erlassen, die Cum-Ex-Geschäfte verhindern soll. Parallel läuft seit 2012 auch die juristische Aufarbeitung des Cum-Ex-Skandals. Dennoch weisen Medienberichte darauf hin, dass mit ähnlich gelagerten Fallkonstruktionen weiter Geschäfte gemacht werden (www.sueddeutsche.de/wirtschaft/cum-exsteuern -1.4490827). 1. Wie viele Anträge auf Erstattung von Kapitalertragsteuer hat das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) in Zusammenhang mit Cum-Ex-Gestaltungen seit dem Jahr 2006 abgelehnt bzw. nicht entsprochen (bitte nach Jahren und Antragsvolumen differenzieren)? Das BZSt hat der Erstattung von Kapitalertragsteuer zzgl. Solidaritätszuschlag (KapESt) für die Zuflussjahre 2006 bis 2011 in insgesamt 206 Antragsverfahren (89 Fallkomplexen) mit einem Erstattungsvolumen in Höhe von 1 255 694 799 Euro nicht entsprochen. Dies bedeutet, dass in diesen Fällen Anträge aufgrund von andauernden Cum/Ex-Ermittlungen noch nicht beschieden bzw. Anträge aufgrund bereits abgeschlossener Cum/Ex-Ermittlungen von den Antragstellern zurückgenommen oder vom Bundeszentralamt für Steuern/BZSt abgelehnt wurden; im Falle (zuvor) bereits beschiedener Anträge sind diejenigen Fälle erfasst, in Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/12692 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode denen die Festsetzungen geändert und die hiernach zu viel erstatteten Beträge zurückgefordert wurden. Zudem befinden sich derzeit einige Ablehnungs- und Änderungsbescheide im Rechtsbehelfsverfahren, sodass insoweit noch keine Bestandskraft eingetreten ist (Stand: 31. Juli 2019). (Anmerkung: In den nachfolgenden Tabellen wurden mehrere förmliche Erstattungsverfahren zu einem sog. Fallkomplex zusammengefasst, wenn sich die Verfahren auf mehrere Anträge desselben Antragstellers betreffend dasselbe (Zufluss -)Jahr beziehen. Die Tabellen enthalten für die Zuflussjahre 2006 bis 2011 sowohl die Anzahl der betroffenen Erstattungsanträge als auch diejenige der betroffenen Fallkomplexe.) a) Aufgrund andauernder Cum/Ex-Ermittlungen noch nicht beschiedene Anträge In der oben genannten Summe sind für die Zuflussjahre 2006 bis 2011 135 noch nicht beschiedene Anträge aus 53 Fallkomplexen mit einem Erstattungsvolumen von 623 514 270 Euro enthalten. Zuflussjahr In Prüfung befindliche, noch nicht ausgezahlte Erstattungssumme (in EUR, gerundet) Anzahl Anträge Anzahl Fallkomplexe 2006 6.516 1 1 2007 2.223.480 2 1 2008 17.468.301 3 3 2009 2.777.224 3 3 2010 15.775.892 12 9 2011 585.262.857 114 36 Summe: 623.514.270 135 53 b) Antragsrücknahmen und bestandskräftige Ablehnungs- bzw. Änderungsbescheide Die Gesamtsumme des Mehrergebnisses für die Zuflussjahre 2006 bis 2011 infolge bisher (ganz oder teilweise) zurückgenommener Erstattungsanträge, (ganz oder teilweise) bestandskräftig abgelehnter und zurückgeforderter Erstattungsbeträge beträgt 500 076 707 Euro. Das Mehrergebnis entfällt dabei auf eine Gesamtzahl von 46 Erstattungsanträgen in 30 Fallkomplexen. Zuflussjahr Rechtskräftige Ablehnungen und Rückforderungen (in EUR, gerundet) Anzahl Anträge Anzahl Fallkomplexe 2006 39.690.811 2 2 2007 60.931.679 4 3 2008 126.041.000 6 3 2009 47.885.608 8 8 2010 25.478.362 14 8 2011 200.049.247 12 6 Summe: 500.076.707 46 30 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/12692 c) Aufgrund anhängiger Rechtsbehelfsverfahren noch nicht bestandskräftige Ablehnungs - und Rückforderungsbescheide In den Jahren 2006 bis 2011 erfolgten in 25 Verfahren aus 6 Fallkomplexen Ablehnungen und Rückforderungen für beantragte Erstattungen in Höhe von 132 103 822 Euro. Zuflussjahr , Noch nicht rechtskräftige Ablehnungen und Rückforderungen (in EUR, gerundet) Anzahl Anträge Anzahl Fallkomplexe 2006 - - - 2007 - - - 2008 - - - 2009 2.125.646 3 1 2010 38.380.251 10 1 2011 91.597.925 12 4 Summe: 132.103.822 25 6 2. Wie entwickelte sich das jährliche Kapitalertragsteuer-Erstattungsvolumen des BZSt von 2006 bis 2018? Die Entwicklung des Erstattungsvolumens des BZSt ist nachfolgender Tabelle zu entnehme3n (Kapitalertragsteuer ohne Solidaritätszuschlag; Währungsangaben in Euro): Jahr § 50d Absatz1 EStG § 44b, 45b EStG a.F. Gesamt 2006 461.020.986 1.402.578.312 1.863.599.298 2007 546.723.482 1.902.861.658 2.449.585.140 2008 775.528.715 1.835.293.352 2.610.822.067 2009 1.128.518.263 1.674.986.374 2.803.504.637 2010 1.140.931.253 603.108.831 1.744.040.084 2011 763.558.955 532.680.574 1.296.239.529 2012 1.258.182.099 395.265.682 1.653.447.781 2013 823.959.958 29.783.040 853.742.998 2014 1.478.841.864 492.126 1.479.333.990 2015 1.186.340.501 --- 1.186.340.501 2016 1.543.225.617 --- 1.543.225.617 2017 1.848.968.324 --- 1.848.968.324 2018 1.102.791.218 --- 1.102.791.218 Die Zahlen beziehen sich auf die im jeweiligen Jahr durch das BZSt bewilligten Erstattungen und nicht auf die Erstattungen, die für Dividendenausschüttungen des betreffenden Jahres gewährt wurden. Schwankungen des Erstattungsvolumens können daher u. a. durch das Entstehen und den Abbau von Bearbeitungsrückständen im BZSt entstehen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/12692 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 3. Wie viel Kapitalertragsteuer ist durch das BZSt seit 2006 an institutionelle Anleger (beispielsweise Banken, Sparkassen, Investmentfonds, etc.) rückerstattet worden, und wie viel davon entfällt auf Kapitalertragsteuer von börsennotierten Aktiengesellschaften mit Sitz in Deutschland (bitte nach Jahren differenzieren)? Die qualitative Auswertung der Kapitalertragsteuer-Erstattungsvolumen bezüglich der genannten Anlegergruppen ist nicht möglich. 4. Wie hoch war das jährliche bundesweite Kapitalertragsteuer-Aufkommen seit 2006? In der nachfolgenden Tabelle sind die Einnahmen aus Kapitalertragsteuern, gemäß der Statistik der kassenmäßigen Steuereinnahmen aufgeteilt auf die Steuerarten „Abgeltungsteuer auf Zins- und Veräußerungserträge“ und „nicht veranlagte Steuern vom Ertrag“ in den Jahren 2006 bis 2018 dargestellt. Die beiden Steuerarten beinhalten das Aufkommen der im Abzugsverfahren an der Quelle von Unternehmen und Privatpersonen eingenommenen Kapitalertragsteuern. Durch Anrechnung im Veranlagungsverfahren wird das Steueraufkommen auf Kapitalerträge erheblich vermindert. Die Kapitalertragsteuern auf Zinserträge wurden in der Statistik der kassenmäßigen Steuereinnahmen bis zum 31. Dezember 2008 unter der Steuerart „Zinsabschlag“ erfasst. Seit dem 1. Januar 2009 sind sie in der Position „Abgeltungsteuer auf Zins- und Veräußerungserträge“ zusammen mit dem Aufkommen aus der Besteuerung der Veräußerung von Wertpapieren enthalten. Mangels getrennter statistischer Erfassung ist ein separater Ausweis der beiden Positionen nicht möglich. Die Kapitalertragsteuer auf Dividenden wird unter der Steuerart „nicht veranlagte Steuern vom Ertrag“ erfasst. Neben der Kapitalertragsteuer auf Dividenden werden unter diesem Titel auch weitere im Abzugsverfahren erhobene Steuern vereinnahmt. Der Anteil der Kapitalertragsteuer überwiegt, ist aber nicht genau bekannt (ca. 97 bis 98 Prozent). Jahr in Mio. Euro Zinsabschlag/Abgeltungsteuer auf Zinsund Veräußerungserträge nicht veranlagte Steuern vom Ertrag 2006 7.633 11.904 2007 11.178 13.791 2008 13.459 16.575 2009 12.442 12.474 2010 8.709 12.982 2011 8.020 18.136 2012 8.234 20.059 2013 8.664 17.259 2014 7.812 17.423 2015 8.259 17.945 2016 5.940 19.452 2017 7.333 20.918 2018 6.893 23.176 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/12692 5. Welchen Kenntnisstand zur Höhe der Erstattungsvolumina bei der Kapitalertragsteuer hatte das BZSt jeweils am Ende der Jahre 2011 bis 2017? Statistische Auswertungen über die Kapitalertragsteuer-Erstattungsvolumina der jährlich verarbeiteten Erstattungsfälle wurden automatisiert innerhalb von zwei Wochen nach Abschluss des jeweiligen Kalenderjahres erstellt. 6. Wie interpretierten die Verantwortlichen im BZSt in den Jahren 2011 bis 2017 diese Erstattungsvolumina in Bezug auf die Wirksamkeit der gesetzlichen Regelung zu Cum-Ex im OGAW-4-Umsetzungsgesetz, und welche Schlüsse wurden hieraus gezogen? Die Wirksamkeit der vorgenannten gesetzlichen Regelung wurde evaluiert. Nach den bisherigen Erkenntnissen ist der Steuermissbrauch, der mit den Cum-Ex-Geschäften betrieben wurde, seither nicht mehr möglich. Die dargestellten Erstattungsvolumina konnten im Rahmen dieser Evaluation jedoch nur bedingt herangezogen werden. Denn die Höhe der Erstattungsvolumina eines jeden Jahres steht unmittelbar lediglich im Zusammenhang mit der Anzahl der im jeweiligen Kalenderjahr beschiedenen Erstattungsanträge und lässt daher keine Rückschlüsse auf die in den jeweiligen Zuflussjahren zu Grunde liegenden inländischen Kapitalerträge zu. Deren Entwicklung kann aus den jährlichen Erstattungsvolumina nicht abgeleitet werden. Mithin können hieraus auch keine Rückschlüsse über deren Entwicklung vor und nach Umsetzung der vorgenannten gesetzlichen Regelung gezogen werden. 7. Welche Informationen erhielt das Bundesministerium der Finanzen zu welchem Zeitpunkt zwischen 2011 und 2017 über die Höhe der Erstattungsvolumina sowie die Interpretation durch die Verantwortlichen im BZSt? Welche dieser Informationen hierzu erreichten wann die Leitungsebene? Im Rahmen jährlich mehrfach stattfindender Rechts- und Fachaufsichtsgespräche wird das zuständige Referat im Bundesministerium der Finanzen regelmäßig auch über die Höhe der Erstattungsvolumina informiert. Zur Weitergabe von Interpretationsergebnissen vgl. die Antwort zu Frage 6. 8. Welche Verfahren existieren beim BZSt, um den Anspruch auf Erstattung der Kapitalertragsteuer hinsichtlich des Bestehens und der Höhe des Anspruchs auf Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen, und welche Zuständigkeiten existieren hierfür? Das Verfahren zur Erstattung der einbehaltenen und abgeführten oder der auf Grund Haftungsbescheid oder Nachforderungsbescheid entrichteten Kapitalertragsteuern richtet sich nach den Vorgaben des § 50d Absatz 1 bis 4 Einkommensteuergesetz /EStG in der jeweils geltenden Fassung. Danach kann ein Antrag schriftlich oder unter bestimmten Umständen auch auf maschinell verwertbaren Datenträgern (sog. Datenträgerverfahren) gestellt werden. Je nach Verfahrensweg und Rechtslage sind unterschiedliche Nachweise, insbesondere eine Steuerbescheinigung nach § 45a Absatz 2 EStG sowie eine Ansässigkeitsbescheinigung nach § 50d Absatz 4 EStG, im Original beizufügen. Die Prüfung der Anträge erfolgt risikoorientiert und nach Maßgabe der in der Abgabenordnung niedergelegten Besteuerungsgrundsätze, insbesondere unter Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes. Soweit angezeigt und erforderlich, werden bestimmte Fälle (beispielsweise Cum/Ex-Verdachtsfälle) durch hierfür Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/12692 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode besonders fortgebildetes Personal geprüft. Dieses Personal verfügt neben steuerrechtlichen Kenntnissen auch über detailliertes Wissen zum Aktien- und Derivatehandel . Zum Teil erfolgt die Prüfung der Fälle unter Beteiligung von Betriebsprüfungsstellen . Soweit im Einzelfall erforderlich, werden neben Auskünften des Steuerpflichtigen weitere Auskünfte im Wege der Amtshilfe bzw. durch Drittauskunftsersuchen eingeholt. Zuständig für die Bearbeitung von Anträgen auf Erstattung von Kapitalertragsteuer beschränkt Steuerpflichtiger nach § 50d Absatz 1 EStG ist das Bundeszentralamt für Steuern. Die Prüfung findet dort in zwei Referaten der Steuerabteilung für internationale Steuern statt. 9. Mit welchen Maßnahmen und in welchen Zeitabständen evaluiert die Bundesregierung , ob die gesetzlich ergriffenen Maßnahmen, um Cum-Ex-Geschäfte zu verhindern, wirklich greifen, und welche Erkenntnisse bzw. Handlungserfordernisse haben sich bisher daraus ergeben? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, dass die Finanzbehörden des Bundes und der Länder im Rahmen der Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Aufgaben Cum-Ex-Gestaltungen aufgegriffen haben, die den Zeitraum nach dem 31. Dezember 2011 betreffen. In der Aufarbeitung der Cum/Ex-Gestaltungen stehen die Finanzbehörden des Bundes und der Länder in engem Austausch. Gleiches gilt für die Kooperation der BaFin mit dem BZSt zu Fragestellungen im Zuständigkeitsbereich beider Behörden. In der Gesamtschau ergeben sich bisher keine Hinweise, dass Kapitalertragsteuerbescheinigungen ausgestellt wurden, obwohl gar keine Steuerabführung erfolgte . Auch bei der Untersuchung von Geschäften mit „Pre-Release ADR“ (auch als Phantom-Aktien bezeichnet) sind bislang keine Hinweise auf Cum/Ex-Gestaltungsmodelle erkennbar. Die bisherigen Erkenntnisse sprechen dafür, dass die „Pre-Release ADR“ dazu eingesetzt wurden, um in ADR-Programmen verwahrte Aktien zu nutzen und an Stelle und zu Lasten der wirtschaftlich Berechtigten Erstattungsansprüche geltend zu machen. Die Gestaltungen mit „Pre-Release-ADR (American Depository Receipts)“ sind Beleg für die Variantenvielfalt möglicher Modelle. Einer abstrakten Herangehensweise der Steueraufsicht sind vor diesem Hintergrund Grenzen gesetzt. Einer möglichst engen Vernetzung der Finanzbehörden des Bundes und der Länder einerseits und der Finanzaufsichts- und Steuerbehörden andererseits kommt deshalb eine besondere Bedeutung zu. Die Bundesregierung unterstützt den Aufbau und die Umsetzung dieser Strukturen. 10. Haben sich, sofern Verfahren zur Prüfung der Rechtmäßigkeit des Bestehens und der Höhe des Anspruchs für die Erstattung von Kapitalertragsteuern existieren, diese infolge des Cum-Ex-Skandals verändert, und falls ja, worin bestanden die Änderungen? Für Kapitalerträge, die dem Gläubiger nach dem 31. Dezember 2011 zufließen, wurde das Einkommensteuergesetz an verschiedenen Stellen angepasst. Insbesondere wurde die Erhebungsweise der Kapitalertragsteuer in Fällen von Dividenden , die aufgrund sammelverwahrter Aktien gezahlt werden, umgestellt auf das sogenannte Zahlstellenprinzip. Danach hat das letzte inländische depotführende Institut des Anlegers die Kapitalertragsteuer einzubehalten und an das zuständige Finanzamt abzuführen. Dieses Institut ist auch für die Erstellung von Steuerbescheinigungen gemäß § 45a Absatz 2 EStG zuständig. Bei Überweisung Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/12692 von Dividenden aus sammelverwahrten Wertpapieren ins Ausland hat die letzte inländische Zahlstelle sowohl den Kapitalertragsteuereinbehalt vorzunehmen als auch auf Antrag eine Steuerbescheinigung auszustellen. Zur Ermittlung von Cum/Ex-Verdachtsfällen wurde im Laufe der Jahre steigend Personal eingesetzt und in die spezielle Materie eingearbeitet. Aktuell werden diese speziellen Cum/Ex-Ermittlungen in einem zusätzlich errichteten Referat konzentriert. Die Zusammenarbeit mit externen Stellen, wie z. B. Landesfinanzbehörden , Staatsanwaltschaft und der Bundesanstalt für Finanzaufsicht, wurde intensiviert . Über die maßgeblichen Entwicklungen und Änderungen in gesetzlicher und verfahrenstechnischer Hinsicht besteht regelmäßiger Informationsaustausch und eine enge Zusammenarbeit und Abstimmung zwischen den betroffenen Referaten im BZSt und den jeweiligen Fachaufsichtsreferaten im Bundesministerium der Finanzen (BMF). 11. In wie vielen Fällen von Cum-Ex-Geschäften wurden seit 2006 unter Beteiligung des BZSt zur Klärung des Sachverhaltes tatsächliche Verständigungen oder anderweitige Absprachen getroffen (bitte die Anzahl der Fälle getrennt nach Jahr und Höhe der betroffenen Kapitalertragsteuer sowie endgültig festgesetzter Kapitalertragsteuer angeben)? In Fällen mit Cum/Ex-Bezug hat das BZSt in vier Fallkomplexen, die wiederum insgesamt acht Erstattungsanträge betrafen, unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben tatsächliche Verständigungen geschlossen und Kapitalertragsteuer in Höhe von 53 945 607 Euro zurückerhalten. Diese Rückzahlungen entsprachen durchschnittlich einem Wert in Höhe von 98,99 Prozent der gesamten beantragten und ursprünglich ausgezahlten Erstattungssummen (s. nachfolgende Aufstellung). Anderweitige Absprachen in Steuersachen sind nach den Besteuerungsgrundsätzen unzulässig und wurden auch nicht getroffen. Zuflussjahr Rückforderungen aufgrund tats. Verständigungen (in EUR) Endgültig festgesetzte Erstattungen (in EUR) Rückzahlungen im Verhältnis zur gesamten Erstattung Anzahl Anträge Anzahl Fallkomplexe 2006 - - - - - 2007 7.722.952 2.597 99,97 % 2 1 2008 28.221.333 501.908 98,25 % 4 1 2009 17.793.975 47.277 99,74 % 1 1 2010 207.347 53 99,97 % 1 1 2011 - - - - Summe 53.945.607 551.836 98,99 % 8 4 Die endgültig festgesetzten Erstattungen in Höhe von 551 836 Euro beziehen sich ausschließlich auf Zuflüsse aus Aktien, welche dem Antragsteller zuzurechnen waren. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/12692 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 12. In wie vielen Fällen seit 2006 hat das BZSt Anzeigen nach § 116 der Abgabenordnung (AO) in Bezug auf Cum-Ex-Geschäfte erhalten, und wie viele dieser Anzeigen führten zu weiteren straf- bzw. steuerrechtlichen Ermittlungshandlungen (bitte die Anzahl getrennt nach Jahr und Absender der Anzeigen aufgliedern)? Das BZSt hat seit 2006 fünf Anzeigen nach § 116 AO in Bezug auf Cum-Ex- Geschäfte erhalten. Davon gingen vier Anzeigen in 2017 und eine Anzeige in 2019 beim BZSt ein. Absender dieser Anzeigen war in vier Fällen die BaFin und in einem Fall in 2017 das hessische Finanzgericht. In allen diesen Fällen wurde zuvor bereits straf- bzw. steuerrechtlich ermittelt. 13. In wie vielen Fällen seit 2006 hat das BZSt ihm gegenüber nach § 116 AO erstattete Anzeigen an die zuständigen Finanzbehörden weitergeleitet (bitte getrennt nach Jahren und Bundesländern aufgliedern)? Bis 2012 wurde statistisch nicht zwischen Anzeigen nach § 116 Absatz 1 Satz 1 AO und Mitteilungen nach § 116 Absatz 1 Satz 3 AO unterschieden. Daher kann bis 2012 keine Aussage darüber getroffen werden, wie viele Anzeigen gem. § 116 Absatz 1 Satz 1 AO tatsächlich weitergeleitet wurden. Ab 2013 erfolgte eine differenzierte statistische Erfassung nach Anzeigen bzw. Mitteilungen nach § 116 AO. Die Fallzahlen zu den weitergeleiteten Anzeigen nach § 116 Absatz 1 Satz 1 AO sind – unabhängig vom Inhalt der Anzeigen, aufgeschlüsselt nach Jahren und Bundesländern – der nachfolgenden Aufstellung zu entnehmen: 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Baden-Württemberg 208 119 75 108 69 47 31 Bayern 417 209 240 168 226 243 180 Berlin 21 22 44 43 18 32 12 Brandenburg 26 21 48 37 53 46 13 Bremen 0 0 0 0 0 0 0 Hamburg 4 7 2 8 1 17 4 Hessen 40 24 34 20 37 17 26 Mecklenburg-Vorpommern 3 7 10 1 6 1 0 Niedersachsen 13 21 23 27 52 26 29 Nordrhein-Westfalen 30 34 41 41 149 94 133 Rheinland-Pfalz 5 1 4 7 21 15 4 Saarland 1 0 2 0 0 0 1 Sachsen 12 25 9 13 18 9 14 Sachsen-Anhalt 10 1 0 3 5 0 4 Schleswig-Holstein 2 5 3 4 9 8 1 Thüringen 7 2 3 1 5 4 0 Gesamtzahl 799 498 538 481 669 559 452 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/12692 14. Wie stellt die Bundesregierung organisatorisch und fachlich sicher, dass Gerichte und andere Bundesbehörden oder Behörden der Länder und kommunaler Träger der öffentlichen Verwaltung, die nicht Finanzbehörden sind, ihre Verpflichtung nach § 116 AO erfüllen, und fachlich dazu in der Lage sind, zu erkennen, ob dienstlich bekannt gewordene Tatsachen auf eine Steuerhinterziehung schließen lassen? Die Bundesministerien werden auf § 116 Absatz 1 Satz 1 AO schriftlich hingewiesen . Zur weiteren Verwendung ggf. für deren nachgeordneten Bereich werden das Merkblatt zur Zusammenarbeit von Behörden und Gerichten mit den Finanzbehörden des Bundes (Zollverwaltung) und der Länder sowie das Mitteilungsformular zu § 116 AO zur Verfügung gestellt. 15. Inwiefern beteiligt sich der Bund an Sach- und/oder Personalkosten des Landes Nordrhein-Westfalen, die in Zusammenhang mit steuer- und strafrechtlichen Ermittlungen gegen Antragsteller stehen, deren Anträge auf Kapitalertragsteuererstattung das BZSt nicht entsprochen hat? Aus dem Einzelplan 08 (BMF) ist im Zusammenhang mit den genannten Ermittlungen keine Beteiligung an Sach- und/oder Personalkosten des Landes Nordrhein -Westfalen erfolgt. Das Gleiche gilt für den übrigen Bundeshaushalt. 16. Wie hoch war nach Kenntnis der Bundesregierung der Personaleinsatz der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte für die im Auftrag der BaFin durchgeführte Sonderprüfung bei der Warburg-Bank? Der BaFin liegen derzeit noch nicht alle Abrechnungen vor, welche zur Bestimmung des Personaleinsatzes bei der Warburg-Bank erforderlich wären. 17. Wie stehen die derzeitigen Erkenntnisse über Cum-Ex-Fälle im Verhältnis zu den Ergebnissen der BaFin-Abfrage (BaFin = Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ) vom Frühjahr 2016? a) Stimmen die dortigen Angaben der Banken mit dem jetzigen Stand der Ermittlungen überein, oder gibt es relevante Diskrepanzen? b) Falls ja, wie erklärt sich die BaFin die Diskrepanzen? Die Fragen 17 bis 17b werden zusammen beantwortet. Für die bedeutenden Kreditinstitute innerhalb Deutschlands ist die Europäische Zentralbank seit November 2014 zuständige Behörde gemäß § 6 Absatz 1 Kreditwesen (KWG). Die nachfolgenden Informationen beziehen sich daher auf weniger bedeutende Kreditinstitute: Im Zuge der weiteren aufsichtlichen Nachverfolgung hat sich in einzelnen Fällen herausgestellt, dass die Angaben in der Abfrage von 2016 von dem aktuellen Erkenntnisstand der BaFin abweichen. Dies ist insbes. der Komplexität der betreffenden Transaktionen geschuldet. Zudem hat sich bei den Untersuchungen der Sachverhalte herausgestellt, dass deutsche Kreditinstitute bei den betreffenden Geschäften verschiedene Rollen annahmen, beispielsweise als Depotbank oder als Wertpapier-Verleiher. In manchen Fällen wurden auch verschiedene Funktionen gleichzeitig wahrgenommen. In einigen Fällen konnte durch weitere Nachforschungen ausgeschlossen werden, dass diese Institute Cum/Ex-Geschäfte tätigten . In einem Fall verneinte ein Institut zunächst, in Cum/Ex-Geschäfte involviert zu sein, was sich jedoch durch weitere Ermittlungen von BaFin und Staats- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/12692 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode anwaltschaft als nicht zutreffend herausstellte. In diesem Fall hat das Institut als Reaktion auf drohende Steuer- sowie Zinsnachzahlungen Rückstellungen in niedriger dreistelliger Millionenhöhe gebildet. Des Weiteren liegen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) nach Informationen aus steuerlichen und strafrechtlichen Ermittlungen weitere Informationen zu Banken vor, welche zum damaligen Zeitpunkt keine direkten oder indirekten Beteiligungen an Cum/Ex-Geschäften angaben. Hier steht die BaFin in Kontakt zu den ermittelnden Behörden. Insgesamt ist die Sachverhaltsaufklärung derzeit noch nicht abgeschlossen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333