Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. Andre Hahn, Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/12401 – Zweijahresbilanz des Instruments RADAR-iTE V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Seit dem 1. Juli 2017 können die Polizeien der Länder und des Bundes ein Instrument zur Risikoeinschätzung möglicher islamistischer Terroristen nutzen . Das Instrument unter dem Namen „Regelbasierte Analyse potentiell destruktiver Täter zur Einschätzung des akuten Risikos – islamistischer Terrorismus (RADAR- iTE)“ berechnet aufgrund bereits vorhandener Informationen die in die Stufen „moderat“, „auffällig“ und „hoch“ aufgegliederte Gefährlichkeit einer Person in Hinsicht auf deren Bereitschaft zu terroristischen Gewalttaten (vgl. Ausführun-gen der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 18/13422). Über die bewerteten Personen tauschen sich die Sicherheitsbehörden u. a. im Rahmen der Arbeitsgruppe „Risikomanagement“ im Gemeinsamen Terrorismus-Abwehrzent- rum (GTAZ) aus (vgl. Antwort zu Frage 3 auf Bundestagsdrucksache 19/10856). Im Rahmen eines weiteren Projekts mit dem Akronym RISKANT („Risikoanalyse bei islamistisch motivierten Tatgeneigten“) sollen die mit hohem Risiko beurteilten Personen einer „einzelfallorientierten Betrachtung unterzogen“ werden (www.sifo.de/files/Projektumriss_RISKANT.pdf). Bislang wird RADAR-iTE ausschließlich zur Risikoeinschätzung sogenannter Gefährder bzw. Relevanter Personen genutzt. Die Fragestellerinnen und Fragesteller haben schon mehrfach kritisch darauf hingewiesen, dass diese Begriffe sehr unscharf und rein prognostischer Natur sind. Die Einstufung als Gefährder setzt nicht voraus, dass gegen die betreffende Person etwas Justiziables vorliegt. Die Einführung des Instruments RADAR-iTE könnte nach dem Eindruck der Fragestellerinnen und Fragesteller darauf hindeuten, dass auch die Sicherheitsbehörden selbst den Gefährderbegriff für zu unscharf halten und eine nach „objektiven“ Kriterien zustande gekommene einheitliche Einschätzung anstreben , ob bzw. mit welcher Wahrscheinlichkeit von bestimmten Personen eine terroristische Gefahr ausgeht. „Objektiv“ ist dies aus Sicht der Fragestellerinnen und Fragesteller allerdings schon deswegen nicht, weil die Grundlage – der Kreis von „Gefährdern“ und „Relevanten Personen“ – nicht gesetzlich definiert ist. Es zeigt sich vielmehr, dass diese Einstufungen für die betreffenden Personen das Risiko mit sich bringen, erst recht bzw. verstärkt zum Gegen- Deutscher Bundestag Drucksache 19/12859 19. Wahlperiode 30.08.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 28. August 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. stand polizeilicher Maßnahmen zu werden, wie etwa durch die Verknüpfung ihrer Daten im Instrument RADAR-iTE. Ein weiteres Risiko besteht in einer gewissen „Automatisierung“ polizeilicher Maßnahmen infolge einer Risikobewertung. Im Moment ist unklar, welche Kriterien bzw. Merkmale im Einzelnen welche Stufe einer Risikobewertung zur Folge haben. Damit ist auch die Validität dieser Merkmale nicht gesichert. Unklar ist auch, wie genau die computergestützte „Verrechnung“ der Merkmale zur Vergabe einer Risikostufe vor sich geht. Im Ergebnis droht damit die Gefahr, dass polizeiliche Maßnahmen gegen bestimmte Personen überwiegend auf den „Aussagen“ eines Computerprogramms und eines Algorithmus beruhen und weniger auf gerichtsfesten polizeilichen Einschätzungen. Grundsätzlich ist aus Sicht der Fragestellerinnen und Fragesteller aber auch zu fragen, warum – wenn die Sicherheitsbehörden RADAR-iTE als hilfreiches Instrument gegen terroristische Bedrohung ansehen – das Instrument nicht auch im Kampf gegen Rechtsextreme eingesetzt wird. Im Oktober 2018 lagen nach Auskunft der Bundesregierung Ergebnisse zu 386 Personen vor. Davon wurden 40 Prozent als „hohes Risiko“ bewertet, 10 Prozent als „auffälliges“ und 50 Prozent als „moderates“ Die Bundesregierung ging davon aus, dass die Quote von 40 Prozent „überproportional“ sei gemessen an der noch nicht abgeschlossenen Bewertung aller Gefährder und Relevanten Personen, weil die Länder vermutlich diejenigen Personen zunächst bewertet haben, denen aufgrund aktueller Erkenntnislagen eine besondere Relevanz zugemessen werde (Antwort zu den Fragen 7 ff., auf Bundestagsdrucksache 19/5648). Mit Stand vom 22. Mai 2019 lagen Bewertungen zu 465 Personen vor (Antwort zu Frage 3 auf Bundestagsdrucksache 19/10856, allerdings ohne Aufschlüsselung der Risikogruppen). Wie viele Personen sind nach Kenntnis der Bundesregierung inzwischen mit dem Instrument RADAR-iTE bewertet worden, und wie viele hiervon wurden jeweils als moderates, auffälliges und hohes Risiko eingestuft? Bei wie vielen Personen wurde empfohlen, auf eine zukünftige Anwendung von RADAR-iTE zu verzichten?  1. Nach seiner Evaluierung weist das Risikobewertungsinstrument RADAR-iTE (Regelbasierte Analyse potenziell destruktiver Täter zur Einschätzung des akuten Risikos – islamistischer Terrorismus) nur noch die Risikostufen „hoch“ und „moderat“ aus. Mit Stand vom 19. August 2019 liegen dem Bundeskriminalamt (BKA) zu insgesamt 497 Personen Ergebnisse (Bewertungsbögen) vor. 186 Personen (entspricht 37 Prozent) sind dem Bereich des hohen Risikos hinsichtlich der Begehung einer Gewaltstraftat zuzuordnen. 311 Personen (entspricht 63 Prozent) dem Bereich des „moderaten Risikos“. Bei zwölf Personen (entspricht 2 Prozent) wurde empfohlen, eine zukünftige Bewertung mittels RADAR-iTE zu überprüfen. Welche Angaben kann die Bundesregierung dazu machen, wie viele Bewertungen (bitte möglichst nach moderat, auffällig und hoch aufgliedern) jeweils pro Bundesland bzw. vom Bundeskriminalamt (BKA) vorgenommen wurden?  2. Die Gefährdersachbearbeitung und somit auch die Risikobewertung mittels RADAR-iTE liegt im Zuständigkeitsbereich der Länder. Der Bundesregierung liegen keine über die in der Antwort zu Frage 1 hinausgehenden Angaben vor. Drucksache 19/12859 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Bei wie vielen Personen ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Bewertung gegenwärtig in Bearbeitung, und welche Angaben kann sie dazu machen, welchen zeitlichen Aufwand eine solche Bearbeitung bis zur Risikoeinschätzung verursacht?  3. Mit Stand vom 19. August 2019 liegen dem BKA Ergebnisse (Bewertungsbögen ) zu 497 bearbeiteten Personen vor. Auch wenn das BKA mit den Polizeidienststellen der Länder fortwährend im Austausch steht, kann die Bundesregierung über die Einzelheiten des Standes der Bewertungen keine umfassenden Angaben machen, da die Bewertungen in die Zuständigkeiten von Polizeidienststellen der zuständigen Länder fallen und entsprechend von diesen bearbeitet werden. Der Bearbeitungsaufwand hängt vom jeweiligen Einzelfall ab und kann nicht pauschal beziffert werden. Wer (Landeskriminalämter – LKA oder BKA) ist für die Bewertung von Personen zuständig, die sich im Ausland aufhalten?  4. Für die Bewertung ist die Polizei des Bundeslandes zuständig, in welchem die Person seinen letzten Wohnsitz hatte. Kann die Bundesregierung konkrete Angaben machen zur Frage, wie viele der Eingeschätzten sich gegenwärtig jeweils in Haft oder im Ausland befinden, und falls nicht, kann sie eine grobe Einschätzung hierzu übermitteln (soweit möglich, bitte nach moderatem, auffälligem und hohem Risiko untergliedern)?  5. Hierzu kann die Bundesregierung keine Angaben machen. Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. Diese Zahlen werden nur zum jeweiligen Einzelfall tagesaktuell für die Risikobewertung mittels RADAR-iTE erhoben und nicht nachgehalten. Kann die Bundesregierung konkrete Angaben machen zur Frage, wie viele der Eingeschätzten in der Vergangenheit mutmaßlich zwecks Unterstützung einer terroristischen Vereinigung in das irakisch-syrische Kriegsgebiet gereist sind (soweit möglich, bitte nach Risikogruppen moderat, auffällig und hoch untergliedern)?  6. Hierzu kann die Bundesregierung keine Angaben machen. Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. Diese Zahlen werden für die Risikobewertung mittels RADAR-iTE erhoben, jedoch nicht auswertbar nachgehalten. Wie viele der als Risiko eingestuften Personen sind nach Kenntnis der Bundesregierung wegen eines Gewaltdeliktes oder einer politisch motivierten Straftat vorbestraft (Doppelnennungen bitte kenntlich machen), und welche Rolle spielt es für die Risikobewertung, ob eine Person rechtskräftig verurteilt ist oder nicht, bzw. von einem Vorwurf rechtskräftig freigesprochen wurde ?  7. a) b) Die Risikobewertung erfolgt auf Grundlage aller zur Person vorliegenden, rechtmäßig verwertbaren Informationen. Weitergehende Angaben im Sinne der Fragestellung werden nur zum jeweiligen Einzelfall tagesaktuell für die Risiko- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/12859 bewertung mittels RADAR-iTE erhoben und nicht nachgehalten. Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. Zu wie vielen der bewerteten Personen wurden Besprechungen der AG Risikomanagement durchgeführt (bitte nach den unterschiedlichen Risikobewertungen aufgliedern)?  8. Seit Wirkbetriebsaufnahme der Arbeitsgruppe „Risikomanagement“ (AG RI- MA) im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) am 1. Juli 2017 wurden mit Stand vom 19. August 2019 108 Sitzungen zu 97 Personen durchgeführt . Bei ihnen handelte es sich überwiegend um Hoch-Risiko-Personen (Ausnahmen bei moderatrisikobehafteten Personen nur in Fällen von Gruppendelikten ). Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung (beispielsweise aus den AG- Besprechungen) darüber, inwiefern die jeweils zuständigen Länder tatsächlich polizeiliche Maßnahmen gegen die eingestuften Personen durchführen ?  9. Die AG RIMA dient dem Austausch aller dem Fall zu Grunde liegenden Informationen zwecks ressourcengerechter Maßnahmenplanung der sachlich zuständigen Landesbehörden. Die Bundesregierung hat keine umfassende Kenntnis darüber, welche konkreten Maßnahmen die zuständigen Landesbehörden durchführen. Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. Inwiefern hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung bei jenen Personen , die bislang als Risiko eingestuft wurden, durch polizeiliche Beobachtung oder andere Erkenntnisse die Einschätzung bestätigt, dass die Personen tatsächlich ein Risiko darstellen? Wie viele dieser Personen wurden wegen Vorbereitung oder Durchführung von Gewalttaten mittlerweile festgenommen? Wie viele haben sich nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden an politisch motivierten Straftaten beteiligt? Wie viele sind in die islamistische Szene eingebunden? 10. RADAR-iTE differenziert lediglich, ob von polizeilich bekannten Personen des militant-salafistischen Spektrums ein hohes bzw. moderates Risiko ausgeht. Welche Maßnahmen die Folge sind, ist Ergebnis eines Abstimmungsprozesses zwischen allen beteiligten Stellen und ergibt sich aus der Bewertung des Einzelfalls . Eine Statistik zu einzelfallbezogenen Maßnahmen führt das BKA nicht. In wie vielen Fällen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung weitere in-dividuelle Risikoanalysen erstellt, und mit welchem Ergebnis, und aufgrund welcher Erkenntnisse oder Kriterien? 11. Nach Kenntnis der Bundesregierung wurden bislang 97 Personen mit der Methode der individuellen Risikoanalyse seitens des BKA bewertet. Eine solche Analyse erlaubt eine auf den Einzelfall bezogene (und dezidierte) Betrachtung möglicher Entwicklungen im Hinblick auf die Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat oder die Beteiligung an einer solchen. Eine Kategorisierung der Ergebnisse ist nicht möglich. Als Datengrundlage für die individu- Drucksache 19/12859 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode elle Risikoanalyse dient das durch die zuständige Fachdienststelle zur Verfügung gestellte polizeiliche Informationsmaterial. Wie viele der als Risiko eingestuften Personen sind in der Antiterrordatei gespeichert? In welchen anderen Polizeidateien mit Bezug auf politisch motivierte Delikte sind diese Personen gespeichert? Zu wie vielen der gespeicherten Personen sind dort Hinweise auf Gewaltbereitschaft hinterlegt? 12. Die Erfassung der als Risiko eingestuften Personen in Polizeisystemen liegt in der Zuständigkeit der verantwortlichen Bundesländer. Da Hoch-Risiko-Personen auch als sogenannte Gefährder eingestuft sind bzw. werden, finden die bundeseinheitlich festgelegten Standardmaßnahmen für islamistische Gefährder Anwendung. Diese sehen bei Vorliegen der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen u. a. eine Speicherung in der Antiterrorismusdatei (ATD), in der Verbunddatei INPOL-Fall Innere Sicherheit, der Gewalttäterdatei und im polizeilichen Informationssystem (INPOL) aufgrund einer Ausschreibung zur Polizeilichen Beobachtung bzw. zum Setzen eines ermittlungsunterstützenden Hinweises (EHW) oder eines personengebundenen Hinweises (PHW) vor. Inwiefern (bitte wenn möglich konkrete Zahlen angeben) beruht die Risikobewertung nach Kenntnis der Bundesregierung auch auf Informationen inoder ausländischer Geheimdienste? Inwiefern (bitte wenn möglich konkrete Zahlen angeben) werden zu als Risiko eingestuften Personen nach der Bewertung weitere Informationen von ausländischen Polizei- oder Geheimdiensten oder dem Bundesamt für Verfassungsschutz eingeholt? 13. Die Risikobewertung erfolgt auf Grundlage aller zur Person vorliegenden, rechtmäßig verwertbaren Informationen. Auch Erkenntnisse in- und ausländischer Nachrichtendienste – sofern sachdienlich und rechtlich verwertbar – finden Berücksichtigung bei der jeweiligen Bewertung. Inwiefern hat sich die Bundesregierung damit auseinandergesetzt, dass RADAR-iTE zwar eine bundesweit einheitliche Einschätzung zu einer Person erlaubt, damit nach Ansicht der Fragesteller aber auch die Möglichkeit besteht, dass Polizisten, die sich mit einer Person beschäftigen, sich weniger auf ihre polizeiliche Expertise verlassen, sondern vorrangig darauf, was „das System“ ihnen mitteilt? Inwiefern hat sie sich damit auseinandergesetzt, dass eine Person, die möglicherweise zu Unrecht als „Hochrisiko“ eingestuft wird, im Laufe polizeilicher Kontrollen wegen dieser Einstufung weiteren oder aufwändigeren polizeilichen Maßnahmen unterzogen wird? 14. RADAR-iTE ermöglicht eine weitgehend einheitliche und standardisierte polizeiliche Einschätzung des Personenpotenzials im Bereich des islamistischen Terrorismus und die Priorisierung polizeilicher Maßnahmen in Bund und Ländern . Der polizeiliche Sachverstand ist Teil der Bewertung und findet, insbesondere in den Einzelfallbetrachtungen, Anwendung. Aus Gründen der Gefahrenminimierung ist das Instrument eher sensitiv ausgerichtet. „Falsch-Positive-Hoch- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/12859 Risiko-Personen“ werden dann im Rahmen der Einzelfallbetrachtung identifiziert und entsprechend neu bewertet. Die Einstufung als „Hochrisiko“ allein löst keine Maßnahmen aus. In welchen zeitlichen Abständen (bitte ggf. Durchschnittswerte angeben) werden die Risikoeinschätzungen überprüft bzw. neu vorgenommen, um ggf. neu aufgetauchte belastende oder entlastende (bzw. risikomindernde oder – steigernde) Hinweise berücksichtigen zu können, und welche Angaben kann die Bundesregierung dazu machen, wie häufig es seit Einführung des Systems zu Hoch- bzw. Herunterstufungen des zugeschriebenen Risikogrades gekommen ist, bzw. wie häufig eine Person nicht mehr als Risiko eingestuft worden ist? 15. Personen, von denen gemäß RADAR-iTE-Bewertung ein hohes Risiko ausgeht , werden fortlaufend und anlassbezogen, spätestens aber nach drei Monaten einer neuen Betrachtung unterzogen. Bei Personen im moderaten Risiko erfolgt die Betrachtung ebenfalls fortlaufend und anlassbezogen, spätestens aber nach zwölf Monaten erneut. Trifft es weiterhin zu, dass fast ausschließlich solche Personen mit dem RADAR-iTE-Instrument bewertet werden, die als Gefährder oder Relevante Person eingestuft sind, und wenn nicht, wie viele Personen waren nicht als Gefährder oder Relevante Person eingestuft? 16. Bei der überwiegenden Anzahl der bearbeiteten Personen handelt es sich um Gefährder, vereinzelt um Relevante Personen. Die Anzahl der Personen, die zum Zeitpunkt der Bewertung (noch) nicht als Gefährder oder Relevante Person eingestuft waren, bewegt sich derzeit im mittleren einstelligen Bereich. Welche Angaben kann die Bundesregierung zum bei RADAR-iTE verwendeten „Verrechnungsmodell“ (Antwort zu Frage 11c auf Bundestagsdrucksache 18/13422) und seiner konkreten Funktionsweise machen? Welche Stellen bei den Polizeibehörden sowie ggf. weitere Stellen waren in die Entwicklung einbezogen? In welcher Form werden die Ergebnisse dargestellt und gespeichert (bitte auch Speicherort angeben)? 17. Die Funktionsweise des Verrechnungsmodells basiert auf der Wertung der einzelnen Merkmale. Die einzelnen Merkmale werden quantitativ und/oder qualitativ in die Wertung einbezogen. Im Ergebnis erhält der Anwender die Einstufung der beurteilten Person in einer Risikoskala. Dies erfolgt anhand eines Summenwertes (quantitativ) und/oder anhand des Vorliegens einzelner Merkmale (qualitativ). Bei der Entwicklung des Verrechnungsmodells wurde das BKA von der Universität Konstanz im Rahmen des Projekts RISKANT unterstützt. Bezüglich der Speicherung der Ergebnisse wird auf die Antwort zu Frage 30 verwiesen. Drucksache 19/12859 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Trifft es zu, dass in Zusammenhang mit RADAR-iTE keine Algorithmen und Programme verwendet werden, und falls doch, sind diese vom BKA selbst entwickelt worden oder handelt es sich um das Produkt eines privaten Unternehmens, und wenn ja, welches Unternehmen hat es entwickelt, und zu welchem Preis? Welches Programm wird im Rahmen von RADAR-iTE verwendet, und liegt dem BKA der Quellcode dafür vollständig vor? 18. Die quantitative Wertung der einzelnen Merkmale erfolgt nach einem einfachen Rechenvorgang (+1/-1), woraus sich ein Summenwert für die zu bewertende Person ergibt (siehe Frage 17 zum Verrechnungsmodell). Dieses Verrechnungsmodell hat das BKA in Zusammenarbeit mit der Universität Konstanz entwickelt . Das hierfür verwendete Programm ist Microsoft Excel. Inwiefern berücksichtigt das Instrument nicht nur im Ja-/Nein-/Keineausrei - chenden-Informationen-Modus (vgl. Antwort zu Frage 11a auf Bundestagsdrucksache 18/13422), ob bestimmte Merkmale (wie etwa verübte Gewaltdelikte, psychische Auffälligkeiten usw.) vorliegen, sondern auch, zu welchen Zeitpunkten diese auftraten? Inwiefern differenziert das Instrument, ob eine Person erst vor kurzem bzw. bereits vor mehr als einem Jahrzehnt ein Gewaltdelikt verübt hat? 19. Für die Prüfung der Merkmale stehen zwei verschiedene Antwortformate zur Verfügung. Bei einem kleinen Teil der Merkmale ist lediglich deren Vorliegen oder Nicht-Vorliegen anzugeben (1. Antwortformat). Bei den meisten Merkmalen ist jedoch zeitlich zu differenzieren, ob sie innerhalb der letzten zwei Jahre, zu einem länger zurückliegenden Zeitpunkt oder gar nicht vorlagen (2. Antwortformat). Welche quantitativen und qualitativen Elemente enthält das Verrechnungsmodell ? 20. Bei dem quantitativen Element des Verrechnungsmodells werden die risikoerhöhenden Merkmale addiert, während die risikominimierenden Merkmale subtrahiert werden. Das qualitative Element umfasst besondere Merkmale bzw. Merkmalskombinationen, die bei alleinigem Vorliegen besonders berücksichtigt werden. Welche Themenkomplexe enthält der Risikobewertungsbogen (bitte vollständig angeben und voneinander abgrenzen)? Wie viele und welche Merkmale werden diesen Themenkomplexen zugeordnet (bitte vollständig angeben und voneinander abgrenzen)? 21. 22. Die Fragen 21 und 22 werden aufgrund das Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. In der evaluierten Version des Risikobewertungsbogens sind die Themenbereiche „Gewaltverhalten“, „Verhalten gegenüber Behörden und anderen Institutionen “, „Umgang mit Waffen und Waffenaffinität“, „Bezüge zu Terrororganisationen und zur radikalen Szene“, „Ausreiseaktivitäten in Kriegs- und Krisengebiete“, „Berufliche und soziale Situation“, „Krisenhafte, soziale und psychische Auffälligkeiten“ und „neuer Lebensentwurf“ abgebildet. Aus präventivpolizeilichen und kriminaltaktischen Gründen können die einzelnen Merkmale nicht genannt werden. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/12859 Welche Annahmen lagen der Auswahl der Themenkomplexe und Merkmale zugrunde, und auf welcher theoretischen sowie empirischen Basis erfolgte diese Auswahl? 23. Die Merkmale und dahinterliegende Faktoren wurden mit Hilfe eines systematischen und standardisierten Verfahrens zur Untersuchung bestehender wissenschaftlicher Fachliteratur extrahiert. Zudem wurde Expertenwissen miteinbezogen . Inwiefern enthält der Risikobewertungsbogen Angaben zu Ethnizität bzw. Volkszugehörigkeit? 24. Der Risikobewertungsbogen der evaluierten Version RADAR-iTE 2.0 enthält keine Merkmale zu Ethnizität bzw. Volkszugehörigkeit. Inwiefern enthält der Risikobewertungsbogen Angaben zum Besuch bestimmter , z. B. als salafistisch bekannter Moscheen? 25. Der Risikobewertungsbogen der evaluierten Version RADAR-iTE 2.0 enthält keine Merkmale, die konkret den Besuch bestimmter, z. B. als salafistisch bekannter Moscheen abfragen. Inwiefern enthält der Risikobewertungsbogen Angaben zu geleistetem Wehrdienst in deutschen oder ausländischen Streitkräften, und wie viele der als Risiko Eingeschätzten (bitte nach Risikogruppen ausdifferenzieren ) haben Wehrdienst in der Bundeswehr geleistet? 26. Der Risikobewertungsbogen der evaluierten Version RADAR-iTE 2.0 enthält keine Merkmale zu geleistetem Wehrdienst in deutschen oder ausländischen Streitkräften. Welche konkreten polizeilichen Erfahrungswerte hinsichtlich des Nutzens sowie hinsichtlich der Risiken bei der Nutzung von RADAR-iTE sind der Bundesregierung bislang bekannt geworden, und welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus? Hält sie eine Erweiterung des Instruments bzw. seine Anwendung auf Rechtsextremisten für angezeigt (bitte begründen, falls nicht), und falls ja, inwiefern wäre hierfür eine mehr als geringfügige Änderung der Methodik notwendig, und bis wann soll diese erfolgen? 27. RADAR-iTE ist ein Instrument zur regelgeleiteten Risikobewertung für Personen des islamistischen Spektrums, die bereits im polizeilichen Fokus stehen. Das Instrument erlaubt eine Priorisierung der Zielgruppe hinsichtlich ihres Risikos , eine schwere staatsgefährdende Gewalttat in Deutschland zu verüben, und begünstigt damit einen sachgerechten Einsatz polizeilicher Ressourcen. Bei RADAR-iTE handelt es sich um ein standardisiertes Verfahren, dessen Vorteil darin liegt, dass die Ergebnisse nachvollziehbar und transparent sind und so eine Vergleichbarkeit zwischen allen bewerteten Personen gegeben ist. Der bundesweite Einsatz von RADAR-iTE trägt zudem zur Systematisierung und Vereinheitlichung der Fallbearbeitung bei. Für die Durchführung einer Risikobewertung mit RADAR-iTE ist jedoch eine hinreichende Informationsgrundlage über die zu bewertende Person erforderlich . RADAR-iTE kann daher auch nicht zur Aufhellung des Dunkelfeldes bei- Drucksache 19/12859 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode tragen. Hinzu kommt, dass die Anwendung von RADAR-iTE in Einzelfällen zu falschen Bewertungen (Falsch-Positive/Falsch-Negative) führen kann. Dieses grundlegende Risiko, das jedem Risikobewertungsinstrument inhärent ist, wurde durch die einschlägige wissenschaftliche Begleitung der Entwicklung und ihre Fortführung im Rahmen von Evaluation und Fortentwicklung des Instruments minimiert. Die Bundesregierung prüft ein Projekt zur Adaption des Instruments RADARi TE für das Personenpotenzial Politisch Motivierte Kriminalität-rechts (PMKrechts ) im Hinblick auf wissenschaftliche Grundlagen, praktische Umsetzbarkeit sowie zur Verfügung stehende Haushaltsmittel. Für welchen Zeitpunkt ist eine Evaluation des Instruments vorgesehen, und wann soll das Ergebnis vorliegen? 28. RADAR-iTE wurde im Rahmen des Projektes RISKANT evaluiert und überarbeitet und liegt den Bundesländern bereits in der Version 2.0 vor. Inwiefern ist es möglich und Praxis, Korrelationen zwischen den von RADAR-iTE bewerteten Risikopersonen und den im Rahmen des achtstufigen BKA-Prognosemodells beschriebenen Wahrscheinlichkeiten eines potentiellen Schadeneintritts herzustellen, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus? 29. Das achtstufige Prognosemodell ist ein polizeiliches Hilfsmittel, welches bei sogenannten Gefährdungssachverhalten (sachverhaltsbezogene Sachbearbeitung ) Anwendung findet, während RADAR-iTE bzw. das sogenannte Risikomanagement dem Bereich der personenbezogenen Sachbearbeitung zuzuordnen sind. Statistische Aussagen inwieweit Personen, von denen gemäß RADAR-iTE ein hohes Risiko zur Begehung von staatsgefährdenden Straftaten ausgeht, auch tatsächlich in Gefährdungssachverhalten eine Rolle spielen bzw. gespielt haben, liegen hier nicht vor. Aufgrund der fachlichen Nähe der beiden Themengebiete Gefährdungssachbearbeitung (sachverhaltsbezogene Sachbearbeitung) und Risikomanagement (personenbezogene Sachbearbeitung) sind beide Aufgabenbereiche im BKA organisatorisch eng verzahnt. Werden die Ergebnisse der Risikoeinschätzung in einer gemeinsamen Datei gespeichert, und wenn ja, in welcher (bitte Dateinamen angeben), wer führt diese, und auf welcher Rechtsgrundlage? Welche Behörden sind eingabe- und leseberechtigt? 30. Die Ergebnisse der Risikobewertung werden gem. § 13 BKAG im BKAinternen Vorgangsbearbeitungssystem (VBS) und einer anonymisierten Statistik erfasst. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/12859 Ist weiterhin beabsichtigt, bis Anfang 2020 das Projekt RISKANT zu starten sowie in dessen Rahmen eine Datenbank einzurichten, und wenn ja, wie soll diese Datenbank ausgestaltet sein (bitte vorgesehene Daten sowie Lese- und Schreibberechtigungen nennen)? 31. Die Projektlaufzeit des Projektes RISKANT ist von August 2017 bis Januar 2020 geplant. Die Entwicklung einer Datenbank ist dabei nicht vorgesehen. Zur Erleichterung des Arbeitsablaufes wird derzeit eine Software (Web-App) entwickelt , welche die Anwendung von RADAR-iTE unterstützen soll und möglicherweise Anfang 2020 in den Wirkbetrieb gehen kann. Wie soll die „einzelfallorientierte Bedrohungsbeurteilung“ im Rahmen von RISKANT ausgestaltet werden? Welche über den Risikobewertungsbogen hinausgehenden Informationen sollen hierin einfließen? Inwiefern soll die einzelfallorientierte Bedrohungsbeurteilung ebenfalls automatisiert bzw. über einen Algorithmus oder ein Verrechnungsmodell erstellt und standardisiert wiedergegeben werden? Welche Angaben soll sie enthalten? Sofern für RISKANT eine Software entwickelt wird, zu welchem Preis, wer genau ist Auftraggeber, und werden der Bundesregierung Algorithmus und Quellcode vorliegen? 32. a) b) c) d) Die Frage 32 bis 32 d werden zusammenhängend beantwortet. Im Rahmen der einzelfallorientierten Bedrohungsbeurteilung wird auf die im Risikobewertungsbogen angeführten Quelldokumente zurückgegriffen, um zusätzliche Informationen zu generieren, welche für die Einzelfallbetrachtung von Relevanz sein könnten. Eine standardisierte Bewertung der Person wird im ersten Schritt der Risikobewertung mit RADAR-iTE vorgenommen. Für die einzelfallorientierte Bedrohungsbeurteilung ist keine automatisierte bzw. auf Algorithmen basierende Analyse geplant. Im Rahmen von RISKANT wird eine webbasierte Software entwickelt, welche die Anwendung von RADAR-iTE vereinfachen soll (siehe Antwort zu Frage 31). Die Programmierung und Gestaltung der Web-App erfolgt durch BKAinterne IT-Fachkräfte. Eine Einbindung externer IT-Dienstleister erfolgt nicht. Welche Rolle spielt das österreichische Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), das ein „assoziierter Partner“ des RISKANT-Projektes ist (vgl. www.sifo.de/files/Projektumriss _RISKANT. pdf), bei der Auftragsvergabe, -beschreibung und später bei der Umsetzung? Welchen Beitrag hat das BVT zur Projektierung geleistet? Warum ist das BVT mit seinen geheimdienstlichen Kompetenzen in einem Projekt, das laut Bundesregierung ein rein polizeibezogenes ist (vgl. Antwort zu Frage 1a auf Bundestagsdrucksache 18/13422), involviert? 33. Das österreichische Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) ist als polizeiliche Staatsschutzbehörde zuständig für die Bekämpfung extremistischer und terroristischer Phänomene. Das BVT wurde als assoziierter Partner insbesondere aufgrund der dortigen Erfahrung in der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus ausgewählt. Drucksache 19/12859 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333