Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sylvia Gabelmann, Susanne Ferschl, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/12382 – Deutschland in den Verhandlungen zur Transparenzresolution der Weltgesundheitsversammlung V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Weltweit fehlt hunderttausenden schwer kranken Menschen der Zugang zu überlebenswichtigen Medikamenten, weil diese für die Betroffenen, aber auch für die Krankenkassen und Gesundheitsbehörden des Staates, in dem sie leben , nicht erschwinglich sind. Ein Grund für teils hohe Medikamentenpreise liegt nach Ansicht der Fragesteller in der Intransparenz des Arzneimittelmarktes . Pharmazeutische Unternehmen berufen sich häufig auf hohe Forschungsund Entwicklungskosten als Hauptursache für hohe Produktpreise. Doch müssen sie die tatsächlichen Forschungs- und Entwicklungskosten, die Durchführungskosten klinischer Studien, erhaltene Fördergelder oder den zu erwartenden Gewinn nicht offenlegen. Dies ermöglicht es Pharmaunternehmen, Produktpreise beliebig festzusetzen. Verhandlungen zwischen Pharmakonzernen , Regierungen und Krankenkassen über Preise finden im Geheimen statt, sodass unbekannt bleibt, wie viel das gleiche Medikament in verschiedenen Ländern kostet oder wie hoch sein Absatz ist. Zusätzlich führt eine Informationsasymmetrie hinsichtlich investierter Forschungs- und Entwicklungskosten und tatsächlich gezahlter Preise in unterschiedlichen Ländern zu einem Ungleichgewicht der Verhandlungsmacht zum Vorteil der Konzerne. Auf der Weltgesundheitsversammlung (WHA) in Genf haben die Mitgliedstaaten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) am 28. Mai 2019 die Resolution WHA 72.8 verabschiedet, die diesen Zustand ändern und für mehr Transparenz bei Medikamentenpreisen, Forschungs- und Entwicklungskosten sowie bei der Veröffentlichung von Ergebnissen klinischer Studien sorgen soll. Damit könnte sie zur Verbesserung der weltweiten Medikamentenversorgung und somit zur Erreichung des SDG 3.8 (Sustainable Development Goal – Universal Health Coverage, deutsch etwa allgemeine Gesundheitsabsicherung) beitragen. In den Verhandlungen hat unter anderem die deutsche Delegation Änderungsanträge eingereicht, die nach Ansicht der Fragesteller durch Abschwächung verpflichtender Maßnahmen oder Streichung ganzer Absätze auf eine Verwässerung des Resolutionsentwurfs abzielten. Obwohl viele der von der deutschen Delegation eingebrachten oder unterstützten Änderungs- und Streichungsvorschläge im endgültig verabschiedeten Resolutionstext aufgenommen worden sind, hat sich die deutsche Delegation von diesem Text ge- Deutscher Bundestag Drucksache 19/12881 19. Wahlperiode 30.08.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 28. August 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. gen die große Mehrheit anderer WHO-Staaten schließlich dissoziiert. Am 22. Mai 2019 hat die WHO fälschlicherweise den offiziellen Verhandlungsstand auf ihrer Internetseite bereitgestellt, der jedoch nach kurzer Zeit von dort wieder entfernt wurde. Die Non-Profit-Organisation Knowledge Ecology International (KEI) hat diese Zwischenergebnisse rechtzeitig gespeichert und stellt sie weiterhin zur Verfügung (www.keionline.org/wp-content/uploads/A72_ACONF2-en- May22.pdf). In der Antwort auf die Frage 48 der Abgeordneter Eva-Maria Schreiber, in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 5. Juni 2019 (Plenarprotokoll 19/103, S. 12591 (B)) werden für die Dissoziierung Deutschlands von der Resolution WHA 72.8 verfahrensrechtliche Gründe genannt. Dort heißt es: „Die Resolution wurde jedoch – unter Umgehung des WHO-Exekutivrates, der die Weltgesundheitsversammlung im Mai vorbereiten soll – und Bruch aller üblichen Verfahren – gefasst. Ein vergleichbares Verfahren hat es in den vergangenen zehn Jahren nicht gegeben.“ Es lassen sich jedoch Fälle aufzählen, in denen die Bundesregierung Resolutionen und Entscheidungen der WHA mittrug, die ebenfalls nicht durch den Exekutivrat vorbereitet wurden. Dies war auf der diesjährigen 72. WHA bei der Entscheidung zu „The public health implications of implementation of the Nagoya Protocol“ (Agenda Item 12.10, http://apps.who.int/gb/ebwha/ pdf_files/WHA72/A72(13)-en.pdf) der Fall. Auf der 71. WHA trug die Bundesregierung u. a. die Resolution WHA 71.4 „Cholera prevention and control“ (https://apps.who.int/gb/eb-wha/pdf_files/WHA71/A71_R4-en.pdf) mit, die ebenfalls nach dem Exekutivratstreffen eingereicht wurde. Die Resolution WHA 72.8 wurde am 1. Februar 2019, dem letzten Tag des WHO- Exekutivratstreffens, von Italien eingebracht. Im Vorfeld der 72. WHA fanden in zwei Runden informelle Konsultationen statt, zu denen alle WHA- Mitgliedstaaten eingeladen waren. Den offiziellen WHO-Regeln nach ist ein Einreichen von Resolutionsentwürfen bis zum ersten Tag der WHA formal zulässig . Aus Sicht der Fragesteller blockiert die deutsche Bundesregierung, die in der globalen Gesundheitspolitik eine Führungsrolle einnehmen möchte, durch ihren Umgang mit der Resolution eine progressive Gesundheitspolitik auf internationaler Ebene, die allen Menschen den Zugang zu dringend benötigten Medikamenten und anderen medizinischen Produkten und Technologien ermöglichen soll. Wieso hat sich Deutschland intensiv an den informellen und formellen Verhandlungen sowohl im Vorfeld der 72. WHA als auch während der 72. WHA beteiligt, wenn bereits klar war, dass die Resolution aufgrund des vermeintlich verspäteten Eingangs nicht unterstützt werden würde und/oder könne?  1. Die Bundesregierung nimmt Deutschlands Verantwortung als Mitgliedstaat der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ernst und bringt sich in den jeweiligen Verhandlungen konstruktiv ein. Nur durch eine Teilnahme an den Verhandlungen können Bedenken zur Verfahrensweise wirksam eingebracht und ein regelkonformes Vorgehen angestoßen werden. Die Bundesregierung hat ihre Bedenken zur Verfahrensweise zu der hier in Frage stehenden Resolution sowohl in den informellen als auch in den formellen Verhandlungen klar artikuliert und dafür geworben, dass alle Mitgliedstaaten der WHO ein grundsätzliches Interesse an einem regelbasierten Verhandeln entsprechend der Verfahrensregeln der Weltgesundheitsversammlung (WHA) haben sollten. Die vorgesehene Behandlung von Resolutionen zunächst im Exekutivrat der WHO und erst anschließend in der WHA hat den Zweck sicherzustellen, dass zum Teil sehr komplexe Fragestellungen angemessen aufgearbeitet und in Kenntnis aller relevanten Aspekte adressiert werden können. Das war hier nach Ansicht der Bundesregierung nicht gewährleistet. Angemessen wäre nach Ansicht der Drucksache 19/12881 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Bundesregierung und anderer Mitgliedstaaten gewesen, die Resolution an den Exekutivrat im Januar 2020 zur Annahme durch die WHA 2020 zu verweisen. Im Rahmen des weiteren Verhandlungsprozesses wurde deutlich, dass den von mehreren Mitgliedstaaten artikulierten Bedenken zum Verfahrensgang nicht Rechnung getragen wurde. Daher hat sich Deutschland entschlossen, die Resolution nicht zu unterstützen. Warum hat sich Deutschland als Verfechter von Good Governance von der in der Vorbemerkung der Fragesteller genannten Entscheidung (Agenda Item 12.10, http://apps.who.int/gb/ebwha/pdf_files/WHA72/A72(13)- en.pdf) und der Resolution WHA 71.4, die ebenfalls nicht in den Exekutivrat eingebracht worden sind, nicht ebenfalls dissoziiert? Inwiefern unterscheidet sich die Resolution WHA 72.8 von den in Frage 2 genannten Beispielen, so dass in diesem Fall eine Dissoziierung als angebracht erschien?  2.  3. Die Fragen 2 und 3 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Hinsichtlich des Tagesordnungspunktes 12.10 der diesjährigen WHA (Bericht über die gesundheitspolitischen Auswirkungen der Implementierung des Nagoya-Protokolls) kam es nicht zu einer Umgehung des Exekutivrats, denn dieser hat in seiner Sitzung im Januar 2019 ausdrücklich entschieden, dass das WHO-Sekretariat der WHA einen Bericht zu den Auswirkungen der Implementierung des Nagoya-Protokolls vorlegen solle. Darüber hinaus steht außer Frage, dass aktuelle Gesundheitsnotlagen auch ohne vorherige Befassung des WHO-Exekutivrats von der WHA behandelt werden können. Dies stellen die Verfahrensregeln klar. Die Resolution zu Cholera wurde von ihren Initiatoren angesichts damals aktueller Cholera-Ausbrüche eingebracht . Für diese Resolution beschloss der vorangehende Exekutivrat im Januar , dass ein Entwurf verhandelt und von der WHA verabschiedet werden sollte. Deutschland wurde von der WHA im Mai 2018 als Mitglied im Exekutivrat der WHO bestätigt. Gerade den Mitgliedstaaten des Exekutivrats kommt eine besondere Verantwortung hinsichtlich der Einhaltung der vorgesehenen Verfahren zu. Diese Verantwortung nimmt die Bundesregierung ernst. Schätzt die Bundesregierung – vor dem Hintergrund des konkreten Falls – das Verfolgen der üblichen Verfahrensweise bei Prozessen innerhalb der WHO wichtiger ein als die Regeln der WHO-Governance, und wenn ja, warum?  4. Die Einhaltung von Verfahrensweisen in den Foren und Gremien internationaler Organisationen ist eine Grundvoraussetzung für einen effektiven und partnerschaftlichen Multilateralismus. Dem fühlt sich die Bundesregierung verpflichtet . Dies steht nicht in einem Widerspruch zu einer Führungsrolle der WHO bei der Adressierung zentraler Herausforderungen in der Globalen Gesundheit oder zu anderen Regeln der WHO-Governance. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/12881 Inwiefern hätte aus Sicht der Bundesregierung eine Woche mehr Zeit während des Exekutivrats ausreichend mehr Vorbereitungszeit bedeutet?  5. Eine Behandlung thematisch hochkomplexer Resolutionen im WHO- Exekutivrat gewährleistet in der Regel eine ausreichend längere Vorbereitungszeit , da die Verhandlungen der Resolution in der Zeit zwischen Exekutivrat im Januar und WHA im Mai weitergeführt werden können, wenn dies vom Exekutivrat beschlossen wird. Ist nach Ansicht der Bundesregierung durch die Resolution WHA 72.8 grundsätzlich ein positiver Einfluss auf Zugang zu Medikamenten, deren Bezahlbarkeit und bei der Transparenz ihrer Herstellung zu erwarten ? Wenn ja, warum hat sie sich von der Resolution dissoziiert? Wenn nein, warum nicht?  6. a) b) Es wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Die Bundesregierung unterstützt das Ziel der Resolution, den Zugang zu Arzneimitteln und anderen Gesundheitsprodukten weltweit zu verbessern. Allerdings handelt es sich um ein komplexes Thema. Dabei sind Bedarfe öffentlicher Gesundheit sowie wirtschaftliche und soziale Entwicklungsziele zu berücksichtigen. Auch ist die Arzneimittelentwicklung mit zahlreichen Prozessschritten wie experimenteller Forschung, Organisation und Finanzierung von klinischen Studien, arzneimittelrechtlicher Zulassung und Preisgestaltung verbunden. Eine ausschließliche Betrachtung von Einzelkomponenten wie z. B. der Preistransparenz wird den Herausforderungen nicht gerecht. Um wirklich nachhaltige Verbesserungen zu erreichen und die Arzneimittelversorgung weltweit zu gewährleisten, muss das Thema Zugang zu Arzneimitteln ganzheitlich adressiert werden. In der Resolution finden sich dafür jedoch nur vereinzelt Ansätze . So wird z. B. von der WHO gefordert, insbesondere Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen bei der Implementierung nationaler Leitlinien zu unterstützen. Als Beispiele für Themen solcher Leitlinien werden die nationalen Kapazitäten für eine lokale Produktion, die schnelle Annahme von Generika und Biosimilars, die kosteneffektive Beschaffung und die Qualitätssicherung genannt. Diese Aspekte sind sehr wichtig, um den Zugang zu Arzneimitteln weltweit zu verbessern, sie haben jedoch nichts mit der Transparenz zu tun. Sieht die Bundesregierung mit der Verabschiedung und zu erfolgender Umsetzung der Resolution WHA 72.8 wirtschaftliche Interessen deutscher Unternehmen berührt, und wenn ja, welche?  7. Die Resolution hat keine unmittelbare Geltung für die einzelnen Mitgliedstaaten . Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass auch für die Zukunft eine Versorgung mit innovativen Arzneimitteln sichergestellt ist. Im Rahmen des Pharmadialogs der Bundesregierung werden z. B. solche Fragen diskutiert. Drucksache 19/12881 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Warum hat sich die deutsche Delegation in den Verhandlungen WHA 72.8 mit einem Änderungsantrag (www.keionline.org/wp-content/ uploads/A72_%20ACONF2-en-May22.pdf) gegen Maßnahmen zur Erleichterung des Informationsaustausches über Preise und Kosten von Medikamenten , Impfungen, zell- und genbasierten Therapien und anderen gesundheitsbezogenen Technologien eingesetzt?  8. Bei dem Dokument, auf das sich die Fragen 8 und 9 sowie 11 bis 13 beziehen, handelt es sich um einen Zwischenstand der Verhandlungen zu der Resolution. Insofern müssen die Positionen auch immer im Zusammenhang mit der Verhandlungsdynamik betrachtet werden und sind im Gesamtzusammenhang zu sehen, auch wenn sie verschiedene Einzelaspekte adressieren. Zu der Forderung nach einer Veröffentlichung von Arzneimittelpreisen hat die Bundesregierung erläutert, dass Rabatte, die kassenindividuell mit pharmazeutischen Unternehmern vereinbart werden, als Vertragsbestandteile dem Betriebs- und Geschäftsgeheimnis unterliegen. Warum hat sich die deutsche Delegation in den Verhandlungen zur Resolution WHA 72.8 mit ihrem Änderungsantrag zu OP 1.2 (www. keionline.org/%20wp-content/uploads/A72_ACONF2-en-May22.pdf) gegen die transparenzfördernde Verbreitung der Kosten klinischer Studien ausgesprochen?  9. Es wird auf die Antwort zu Frage 8 verwiesen. OP1.2 verknüpft die Forderung der Offenlegung von Ergebnissen und Daten aus klinischen Studien mit der Forderung nach der Offenlegung der entsprechenden Kosten. Nach Ansicht der Bundesregierung ist diese Verknüpfung kritisch zu sehen, da diese Kosten nicht die Gesamtkosten einer Arzneimittelentwicklung widerspiegeln und stark variieren und bei isolierter Betrachtung zu falschen Rückschlüssen führen können. Die deutsche Delegation hat sich daher in dem in der Frage genannten Änderungsantrag gemeinsam mit anderen Delegationen für eine getrennte Betrachtung und Streichung der Offenlegung der Kosten im OP1.2 ausgesprochen. Wie schätzt die Bundesregierung die Möglichkeit ein, durch die Offenlegung der tatsächlichen Kosten klinischer Studien ein stärkeres Verhandlungsgleichgewicht in Verhandlungen über Medikamentenpreise zu erzielen und es hierdurch insbesondere auch dem gemeinsamen Bundesausschuss zu ermöglichen, günstigere Medikamentenpreise zu verhandeln ? 10. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) verhandelt keine Arzneimittelpreise . Der G-BA bewertet u. a. den Nutzen von erstattungsfähigen Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen, insbesondere, ob und in welchem Ausmaß ein Zusatznutzen im Vergleich zur zweckmäßigen Vergleichstherapie belegt ist (§ 35a Absatz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch). Der Beschluss über diese Nutzenbewertung ist Grundlage für die anschließende Preisverhandlung zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und dem pharmazeutischen Unternehmer , bei der ein nutzenadäquater Erstattungsbetrag verhandelt wird. Denn maßgeblich für die Patientinnen und Patienten ist, welchen therapeutischen Zusatznutzen ein neues Arzneimittel im Vergleich zur bisherigen Standardtherapie bietet. Die in Entwicklung und Produktion eingeflossenen Kosten treffen darüber keine Aussage. So sollte beispielsweise ein neues Arzneimittel nicht deshalb einen höheren Preis erzielen, weil es mit hohem finanziellem Aufwand entwickelt wurde. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/12881 Warum hat sich die deutsche Delegation mit ihrem Löschantrag zu OP 1.3 (www.keionline.org/wp-content/uploads/A72_ACONF2-en- May22.pdf) gegen eine klare Regelung zur Offenlegung der Verkaufszahlen , der Werbekosten, der Kosten für klinische Studien sowie erhaltener Steuerbegünstigungen und anderer öffentlicher Subventionen für die Entwicklung eines Medikaments oder Medizinprodukts ausgesprochen? 11. Es wird auf die Antwort zu Frage 8 verwiesen. Steuerbegünstigungen, Subventionen und öffentliche Förderungen für die Entwicklung von Arzneimittel oder Medizinprodukten werden oft nicht produktbezogen gewährt, sondern unterstützen Produktlinien oder Portfolios sowie Technologien , die für verschiedene Produktenwicklungen zum Einsatz kommen. Eine Zuordnung öffentlicher Förderung zu einzelnen Produkten ist somit i. d. R. nicht möglich. Eine nicht belastbare Offenlegung trägt aus Sicht der Bundesregierung daher nicht zur Transparenz bei. Warum hat sich die deutsche Delegation in den Verhandlungen zur Resolution WHA 72.8 gegen eine klare Regelung zur Verbesserung der Transparenz in der Patentlandschaft, also der um ein Produkt herum angeordneten Patente, wie in OP 1.4 eingesetzt und stattdessen mit OP 1.4 ALT eine deutlich abgeschwächte Forderung unterstützt (vgl. A72/A/CONF./2, OP 1.4 & OP 1.4 ALT, 23. Mai 2019, unter www.keionline.org/wpcontent /uploads/A72_%20ACONF2-en-May22.pdf)? 12. Die Bundesregierung betrachtet Patente als einen zentralen Anreiz für Innovationen . Das Grundprinzip ist, dass die Innovation der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Die Erteilung eines Patents setzt daher voraus, dass die für die Erfindung relevanten Informationen offenbart werden. Eine klare Beschreibung der Erfindung sowie ein ungehinderter Zugang zu den maßgeblichen Informationen sind unverzichtbare Elemente für ein funktionsfähiges Patentwesen. Die Bundesregierung unterstützt deshalb global die Entwicklung der Patentrechtsordnung , beispielsweise durch Kooperationen mit und zwischen den Patentbehörden . Um das Bestehen von Schutzrechten für Arzneimittel und medizinische Produkte zuverlässig einschätzen zu können, ist zunächst eine zweckmäßige Nutzung der Patentinformationen in bereits bestehenden, öffentlich zugänglichen Datenbanken eine wesentliche Voraussetzung. Dazu gehören insbesondere eine sorgfältige Recherche der Patentinformationen und deren Auswertung im Hinblick auf bestimmte Produkte. Die Bundesregierung hat deshalb in den Verhandlungen den Vorschlag OP1.4 ALT befürwortet. Dieser leistet einen konkreten Beitrag zum Resolutionsziel durch Überlegungen zur besseren Information durch Nutzung bestehender öffentlicher Informationsmöglichkeiten. Diese zielgerichtete Maßnahme zur besseren Auswertung der vorhandenen Patentinformationen war dem Vorschlag OP1.4, der sowohl begrifflich als auch inhaltlich eine erhebliche Unschärfe aufweist, vorzuziehen. Warum hat sich die deutsche Delegation mit ihren Änderungsanträgen zu OP 2.3 (A72/A/CONF./2, OP2.3, 23. Mai 2019, www.keionline.org/wpcontent /%20uploads/A72_ACONF2-en-May22.pdf) gegen das Sammeln und die Analyse von Daten zu klinischen Studien und insbesondere deren Kosten sowie von Beschaffungspreisen von Medikamenten und Impfstoffen durch nationale und internationale Agenturen eingesetzt? 13. Es wird auf die Antworten zu den Fragen 8 und 9 verwiesen. Drucksache 19/12881 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Im Hinblick auf Forderungen nach einer Sammlung verschiedener umfassender Daten durch die WHO hat die Bundesregierung darauf hingewiesen, dass dies mit einem hohen bürokratischen Aufwand verbunden ist. Ob dieser gerechtfertigt ist, ist insbesondere dann in Frage zu stellen, wenn es sich um Informationen handelt, die bereits öffentlich verfügbar sind. In Deutschland sind die Ergebnisse klinischer Prüfungen gemäß § 42b Arzneimittelgesetz von den zuständigen Bundesoberbehörden in eine nationale Datenbank einzustellen; sie stehen unter www.pharmnet-bund.de/static/de/index.html zur Verfügung. Die Verordnung (EU) Nr. 536/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/20/EG (ABl. L 158 vom 27.5.2014, S. 1) sieht künftig ebenfalls die Veröffentlichung umfangreicher Daten und Informationen im Zusammenhang mit klinischen Prüfungen von Arzneimitteln in einer EU- Datenbank vor. Auch die darauf basierenden Bewertungen zum Nutzen von Arzneimitteln werden in Deutschland veröffentlicht, künftig sogar regelhaft in englischer Sprache (vgl. § 35a Absatz 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch), so dass sie auch einem internationalen Publikum zugänglich sind. Setzt sich die Bundesregierung international für Verträge und Prozesse ein, die darauf abzielen, die Transparenz über Kosten und Preise auf dem Arzneimittelmarkt zu verbessern? Wenn ja, auf welcher Ebene, in welchen Organisationen, und mit welchen konkreten Schritten (bitte ggf. einzeln auflisten)? Wenn nein, warum nicht? 14. a) b) Die Bundesregierung verfolgt einen holistischen Ansatz zur weltweiten Verbesserung des Zugangs zu Arzneimitteln und anderen Gesundheitsprodukten, wie er auch in der WHO „Road Map for Access to Medicines, Vaccines and other Health Products, 2019 bis 2023“ vorgesehen ist. Dabei ist Transparenz ein Element , das nach Ansicht der Bundesregierung im Rahmen der Komplexität der zu berücksichtigenden Faktoren und Zusammenhänge betrachtet und adressiert werden sollte. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/12881 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333