Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sevim Dagdelen, Heike Hänsel, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/11879 – Der INF-Abrüstungsvertrag und die Rolle der Bundesregierung V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Mit dem 1987 zwischen den USA und der damaligen UdSSR geschlossenen INF-Vertrag (Intermediate Range Nuclear Forces – nukleare Mittelstreckensysteme ) wurde eine komplette Kategorie von landgestützten, konventionell wie nuklear bestückbaren Trägersystemen außer Dienst gestellt und verboten, die mit Reichweiten zwischen 500 bis 5 500 km vor allem Ziele in Europa bedrohten . Insofern ist der Vertrag laut Bundesregierung von grundsätzlicher Bedeutung für die Sicherheit Europas (Bundestagsdrucksache 19/1083, S. 2). Die USA haben am 1. Februar 2019 den INF-Vertrag gekündigt. Am 4. März folgte die formelle Kündigung Russlands. Sollte bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 1. August 2019 keine Einigung erzielt werden, wären beide Seiten durch keine internationale Rechtsnorm mehr daran gehindert, neue Systeme dieser Waffenkategorie einzuführen und in Europa oder Asien zu stationieren (www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/fachpublikationen /Richter_ INF_Vertrag_%20APuZ_26.04.2019.pdf ). Die USA haben den INF-Vertrag mit Rückendeckung der NATO-Partner gekündigt und diesen Schritt damit begründet, dass Russland das Abkommen seit Jahren mit dem landgestützten Marschflugkörper 9M729 mit der NATO-Bezeichnung SSC-8 verletze. Dieser soll mit Atomsprengköpfen bestückbar sein und mehr als 2 000 Kilometer weit fliegen können (dpa vom 26. Juni 2019). Laut Bundesregierung lasse die Summe aller Erkenntnisse, einschließlich der bei diesem nachrichtendienstlichen Austausch geprüften, „keinen anderen vernünftigen Schluss zu, als dass Russland den INF-Vertrag verletzt“ (Plenarprotokoll 19/73, Frage 27). Russland dagegen gibt die maximale Reichweite der 9M729 mit 480 Kilometern an, und betonte zuletzt mit Bezug auf das Treffen der NATO- Verteidigungsminister, die NATO hätte einen Abbruch des Vertrags bewusst herbeigeführt. Die USA und die Verbündeten seien für die komplizierte Situation verantwortlich (dpa vom 26. Juni 2019). Zugleich wirft Russland seinerseits den USA vor, mit den in Rumänien und demnächst auch in Polen aufgestellten Startgeräten ihrer Raketenabwehrwaffen den INF-Vertrag zu verletzen. Denn diese sind identisch mit den Startkanistern für die seegestützten amerikanischen Tomahawk-Cruise Missiles. Diese Waffen haben eine Reichweite von über 2 000 Kilometern. Eine Stationierung der Startkanister an Land wäre Deutscher Bundestag Drucksache 19/12893 19. Wahlperiode 02.09.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 29. August 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. jedoch ein Verstoß gegen den INF-Vertrag (www. sueddeutsche.de/ politik/ atomwaffen-inf-vertrag-usa-russland-1.4312656). Nach Aussagen der Bundesregierung haben sich die USA aber anders als Russland „frühzeitig und öffentlich mit den gegen sie erhobenen Vorwürfen auseinandergesetzt. Die USA haben mehrfach, auch öffentlich, dargestellt, dass das Startsystem der in Rumänien stationierten landbasierten Aegis- Ashore-Raketenabwehr im Gegensatz zur Schiffsvariante nie für landbasierte INF-relevante Mittelstreckensysteme getestet oder angewendet wurde. Das System sei auf die Boden-Luft-Abfangrakete SM-3 konfiguriert. Die SM-3 wurde zudem allein zum Abfang von Flugobjekten entwickelt und getestet. Diese Abfangraketen sind nach Artikel VII Absatz 3 des INF-Vertrags ausdrücklich erlaubt“ (Plenarprotokoll 19/73, Frage 27). Der Vorsitzende des NATO-Militärausschusses, General a. D. Harald Kujat, hat die Bundesregierung für ihre Haltung zum INF-Vertrag kritisiert. Fünf Jahre sei von deutscher Seite in der für die europäische Sicherheit so wichtigen Sache nichts geschehen, und nun stelle man sich einfach hinter die Vorwürfe der USA (www. deutschlandfunk.de/ inf- vertrag- eine- bankrotterklaerungdeutscher -aussen-und.694.de.html?dram:article_id=441275). V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g (I) Der 1987 geschlossene Washingtoner Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme („Intermediate-Range Nuclear Forces Treaty“/INF-Vertrag) war die Grundlage für die Abrüstung und Zerstörung von fast 3.000 Kurz- und Mittelstreckenraketen im Besitz der USA und der Sowjetunion und damit der Abrüstung einer ganzen Kategorie von Nuklearwaffen. Die US-Regierung verfügte seit spätestens 2011 über nachrichtendienstliche Hinweise für ein vertragswidriges russisches Rüstungsprogramm, die sich über mehrere Jahre verdichteten und zu der Überzeugung führten, dass Russland durch Produktion und Test (später auch Einführung) eines durch den INF- Vertrag verbotenen Marschflugkörpers vertragsbrüchig geworden war. Daraufhin suchte die Regierung unter US-Präsident Obama zunächst das vertrauliche Gespräch mit Moskau, bevor sie die Vertragsverletzung 2014 öffentlich machte . Seither haben sich zwei US-amerikanische Regierungen in zahlreichen bilateralen Gesprächen und im Rahmen der im Vertrag verankerten Verifikationskommission intensiv darum bemüht, Russland zur Rückkehr in die Vertragstreue zu bewegen. Nachdem die russische Seite hierauf nicht eingegangen war, hat die US- Regierung 2017 die Bezeichnung des vertragsverletzenden russischen Marschflugkörpers öffentlich gemacht (9M729, NATO-Bezeichnung: SSC-8) und erste Reaktionen angekündigt, unter anderem die vertragskonforme Forschung und Entwicklung für eigene, nicht-nukleare Mittelstreckenraketen. Der Gesprächskanal mit Russland wurde während dieser Zeit durchgehend offen gehalten. Russland hat daraufhin zwar schließlich die Existenz des neuen Marschflugkörpers eingeräumt, aber behauptet, das System verfüge über eine INF-konforme Reichweite von weniger als 500 km. Nachdem die fortgesetzten US-Bemühungen nicht zu einem Einlenken Russlands führten, haben die USA im Dezember 2018 Russland mit Unterstützung der NATO-Verbündeten eine letzte Frist von 60 Tagen eingeräumt, um überprüfbar zur vollständigen Erfüllung des Vertrags zurückzukehren. Die Außenminister der NATO forderten Russland dringend dazu auf, diese Frist zu nutzen , um den Vertrag zu retten und den Vertragsbruch rückgängig zu machen. Als Russland auch hierauf nicht reagierte, haben die USA schließlich zum 2. Februar 2019 offiziell den Vertrag gekündigt, ein Schritt, der von allen Drucksache 19/12893 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode NATO-Verbündeten unterstützt wurde. Nach den Bestimmungen des Vertrags wurde die Kündigung am 2. August 2019 rechtswirksam. Begleitend zu den amerikanischen Bemühungen hat die NATO mehrfach den NATO-Russland Rat genutzt, um nach Lösungen zu suchen (30. Oktober 2018, 25. Januar und 5. Juli 2019). Die Hohe Vertreterin der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini, hat Russland im Namen der EU am 14. Juli 2019 dringend aufgefordert, den Vertrag wieder einzuhalten. Russland hat bis heute keine Bereitschaft erkennen lassen, den verbotenen Marschflugkörper abzurüsten. Die Bundesregierung stand seit Bekanntwerden der Vorwürfe in engem Austausch mit den Vertragsparteien zum Erhalt des Vertrages. Gegenüber Moskau hat die Bundesregierung immer wieder die Notwendigkeit betont, den Vertrag zu erhalten und das System 9M729 abzurüsten. Auch mit Washington stand die Bundesregierung in engem Austausch zum Umgang mit dem INF-Vertrag. Die NATO hat bereits Anfang Februar 2019 darauf hingewiesen, dass sie angesichts der anhaltenden Bedrohung durch eine Nuklearwaffe, deren Reichweite einen Großteil Kontinentaleuropas abdeckt, die eigene Verteidigungsfähigkeit sicherstellen muss. Das Bündnis hat gleichzeitig betont, dass es den Dialog mit Russland in dieser Frage fortsetzen wird. Die NATO-Verteidigungsminister haben am 26. Juni 2019 ein Maßnahmenpaket beschlossen, das nach dem 2. August wirksam geworden ist. Die Minister waren sich einig, dass die in dem Paket enthaltenen Schritte eine ausgewogene und verantwortliche Reaktion darstellen müssen, die die Lage nicht weiter eskaliert . Die NATO hat sich bewusst dagegen entschieden, die russische Aufrüstung im Bereich der Nuklearwaffen kurzer und mittlerer Reichweite „zu spiegeln “. Generalsekretär Stoltenberg hat wiederholt klargestellt, dass die NATO keine Stationierung nuklearer bodengebundener Mittelstreckenwaffen in Europa beabsichtige und ein Wettrüsten ablehne. Auch der US-amerikanische Verteidigungsminister Esper hat dies betont. (II) Die Erkenntnisse der Bundesregierung zur russischen Vertragsverletzung speisen sich aus einem längeren Prozess, in dessen Verlauf sich die Bundesregierung sorgfältig, kritisch und im engen Austausch mit den USA und weiteren Alliierten mit den vorliegenden Fakten auseinandergesetzt hat. Dieser Austausch hat sich auch auf nachrichtendienstliche Erkenntnisse gestützt. Eine weitergehende Beantwortung der Fragen 1, 2, 4 und 18 würde Informationen betreffen, die in besonders hohem Maße das Staatswohl berühren und daher selbst in eingestufter Form nicht ausgeführt werden können. Das verfassungsrechtlich verbürgte Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung wird durch gleichfalls Verfassungsrang genießende schutzwürdige Interessen wie das Staatswohl begrenzt. Eine Offenlegung der angefragten Informationen birgt die Gefahr, dass besonders schutzbedürftige Einzelheiten zur nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit mit ausländischen Partnern bekannt würden. Eine öffentliche Bekanntgabe von Informationen u.a. zum Kenntnisstand, zur Leistungsfähigkeit, zur Ausrichtung und zu technischen Fähigkeiten von ausländischen Partnerdiensten, aber auch zur Frage, ob und in welchem Umfang spezifische Themen besprochen wurden, und damit einhergehend die Kenntnisnahme durch Unbefugte würde erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die vertrauensvolle Zusammenarbeit haben. Würden in der Konsequenz eines Vertrauensverlustes Informationen von ausländischen Stellen entfallen oder wesentlich zurückgehen, entstünden signifikante Informationslücken mit negativen Folgewirkungen für die Genauigkeit der Abbildung der Sicherheitslage in der Bundesrepublik Deutschland sowie im Hinblick auf den Schutz deutscher Interessen im Ausland. Eine Einstufung als Verschlusssache und Hinterlegung der angefragten Informationen in der Ge- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/12893 heimschutzstelle des Deutschen Bundestages würde ihrer erheblichen Brisanz im Hinblick auf die Bedeutung für die Aufgabenerfüllung des Bundesnachrichtendienstes nicht ausreichend Rechnung tragen.  1. Inwieweit ist für die Bundesregierung die Plausibilität eines behaupteten Bruchs des INF-Vertrags durch Russland gleichbedeutend mit dem Beweis eines Bruchs (www. bundesregierung.de/ breg- de/ aktuelles/ neueswettruesten -verhindern-1541050)? Die NATO hat in einer gemeinsamen Erklärung der Außenminister vom 4. Dezember 2018 (www.nato.int/cps/en/natohq/official_texts_161122.htm) und in einer Erklärung des Nordatlantikrats vom 1. Februar 2019 (www.nato.int/cps/ en/natohq/news_162996.htm1) festgehalten, dass Russland ein System mit der Bezeichnung 9M729 entwickelt und eingeführt hat, das den INF-Vertrag verletzt und die euroatlantische Sicherheit vor signifikante Herausforderungen stellt. Darüber hinaus wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung (II) verwiesen .  2. Inwieweit hat die Bundesregierung eigene Erkenntnisse (auch eigene nachrichtendienstliche), dass Russland das INF-Abkommen seit Jahren mit dem landgestützten Marschflugkörper 9M729 mit der NATO- Bezeichnung SSC-8 verletzt? Auf die Antwort der Bundesregierung auf die Mündliche Frage 27 der Abgeordneten Sevim Dagdelen auf Plenarprotokoll 19/73 und auf die Vorbemerkung der Bundesregierung (II) wird verwiesen.  3. Trifft es zu, dass für die Bundesregierung nach – wie von der Bundeskanzlerin ausgeführt – zwar „nicht jahrzehnte-, aber jahrelangen Verletzungen “ des INF-Vertrages durch Russland dessen Kündigung „unabwendbar gewesen“ ist und von dieser entsprechend „mitgetragen“ wurde (https://augengeradeaus.net/2019/02/dokumentation-merkel-rede-auf-dermuenchner -sicherheitskonferenz/)? Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung (I) wird verwiesen.  4. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnisse (auch nachrichtendienstliche ), ob es sich bei den wechselseitigen Vorwürfen der Vertragsverletzung durch die USA und Russland um Fehleinschätzungen oder um unterschiedliche Vertragsinterpretationen handelt, die durch technische Zusatzprotokolle oder gemeinsame Erklärungen einvernehmlich entschärft werden könnten (www.swp-berlin.org/publikation/der-inf-vertragvor -dem-aus/)? Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung (II) und die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. Die Staats- und Regierungschefs der NATO haben am 11. Juli 2018 im NATO-Gipfel-Kommuniqué festgehalten, dass die USA ihre Verpflichtungen aus dem INF-Vertrag erfüllen. Drucksache 19/12893 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode  5. Trifft es zu, dass die Bundesregierung Russland und den USA einen Vorschlag unterbreitet habe, wonach westliche Experten die russischen 9M729-Marschflugkörper und russische Fachleute die US-amerikanischen Startgeräte in Rumänien bzw. Polen überprüfen sollen können? Wenn ja, wem gegenüber konkret haben welche Vertreterinnen und Vertreter der Bundesregierung diesen Vorschlag unterbreitet (bitte mit Angabe des Datums der Übermittlung bzw. Treffens sowie der Namen der teilnehmenden Vertreterinnen und Vertreter nennen; www.ndr.de/info/ sendungen/streitkraefte_und_strategien/streitkraefteundstrategien734.pdf, S. 10)?  6. Inwieweit trifft es zu, dass seitens der USA, der Vorschlag der Bundesregierung , dass westliche Experten die russischen 9M729-Marschflugkörper und russische Fachleute die US-amerikanischen Startgeräte in Rumänien bzw. Polen überprüfen sollen, abgelehnt wurde (www.ndr.de/info/ sendungen/streitkraefte_und_strategien/streitkraefteundstrategien734.pdf, S. 10)?  7. Inwieweit trifft es zu, dass die Bundesregierung für ihren Vorschlag „Transparenz gegen Transparenz“ nicht offensiv und mit Nachdruck geworben hat (www. ndr.de/ info/ sendungen/ streitkraefte_ und_ strategien/ streitkraefte%20undstrategien734.pdf, S. 11)? Die Fragen 5 bis 7 werden zusammengefasst beantwortet. Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. Wenngleich die Bundesregierung seit Bekanntwerden der Vorwürfe zur russischen Vertragsverletzung mit den Vertragsparteien in engem Austausch stand, hat sie den Regierungen Russlands und der USA keinen Vorschlag unterbreitet.  8. Inwieweit trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass die USA die Verifikation ihres Systems nicht ernsthaft erwogen haben, während sich Russland darauf eingelassen und Vor-Ort-Besuche oder Inspektionen angeboten hat (www.ndr.de/info/sendungen/streitkraefte_und_strategien/ streit%20kraefteundstrategien734.pdf, S. 11)? Auf die Antwort der Bundesregierung auf die Mündliche Frage 54 der Abgeordneten Katja Keul auf Plenarprotokoll 19/76 wird verwiesen.  9. Wie viele Gespräche hat es seit Dezember 2018 seitens Vertreterinnen und Vertretern der Bundesregierung mit Vertreterinnen und Vertretern der russischen Regierung und des russischen Präsidenten Vladimir Putin bzw. mit dem Präsidenten Russlands Vladimir Putin speziell zum Umgang mit dem INF-Vertrag gegeben (bitte mit Angabe des Datums der Übermittlung bzw. Treffens sowie der Namen der teilnehmenden Vertreterinnen und Vertreter nennen)? 10. Wie viele Gespräche hat es seit Dezember 2018 seitens Vertreterinnen und Vertretern der Bundesregierung mit Vertreterinnen und Vertretern der US-amerikanischen Regierung und des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump bzw. mit dem US-Präsidenten Donald Trump speziell zum Umgang mit dem INF-Vertrag gegeben (bitte mit Angabe des Datums der Übermittlung bzw. Treffens sowie der Namen der teilnehmenden Vertreterinnen und Vertreter nennen)? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 9 und 10 zusammen beantwortet . Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung (I) wird verwiesen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/12893 Die Bundesregierung führt auf allen Ebenen zahlreiche intensive Gespräche und steht in ständigem Kontakt mit den USA und Russland zu einer breiten Palette sicherheitspolitischer Themen, darunter auch dem INF-Vertrag. Sie führt ihre Gespräche sowohl bilateral als auch am Rande von multilateralen Foren wie zum Beispiel des Treffens des OSZE-Ministerrats, der Münchner Sicherheitskonferenz oder den Treffen der NATO-Außen- oder Verteidigungsminister. Eine zahlenmäßige Erfassung der Gespräche erfolgt nicht. Darüber hinaus macht die Bundesregierung zu den Inhalten vertraulicher Gespräche mit Vertretern ausländischer Regierungen keine Angaben. 11. Inwieweit trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass die USA im Rahmen des Einsatzes des Raketenabwehrsystems Aegis Ashore in Rumänien und vermutlich 2020 auch in Polen Raketenstartanlagen aufstellt , die mithilfe von SM-3-Raketen angreifende ballistische Raketen abfangen sollen (www. sueddeutsche.de/ politik/ atomwaffen- inf- vertragusa -russland-1.4312656)? Auf die Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 45 und 47 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/8904 wird verwiesen. 12. Inwieweit trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass die Startkanister , mit denen SM-3-Raketen abgefeuert werden, auf US-Schiffen benutzt werden, um Marschflugkörper des Typs BGM-109 Tomahawk abzufeuern (www. sueddeutsche.de/ politik/ atomwaffen- inf- vertrag- usarussland -1.4312656)? 13. Inwieweit trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass mit der neuen Raketenabwehr Aegis Ashore auch Tomahawks von Land aus gestartet werden können (www. sueddeutsche.de/ politik/ atomwaffen- infvertrag -usa-russland-1.4312656)? 14. Inwieweit trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass die Marschflugkörper vom Typ Tomahawk mit dem schwersten Gefechtskopf 1 300 Kilometer weit fliegen können und als landgestützte Version unter das INF-Verbot fallen würden (www. sueddeutsche.de/ politik/ atomwaffen-inf-vertrag-%20usa-russland-1.4312656)? 15. Inwieweit trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass eine landgestützte Version der Marschflugkörper vom Typ Tomahawk unter dem Namen Gryphon bereits existiert und auch in Deutschland stationiert war, bevor diese wegen des INF-Vertrags verschrottet werden mussten (www. sueddeutsche.de/politik/atomwaffen-inf-vertrag-usa-russland-1.4312656 )? Die Fragen 12 bis 15 werden aufgrund des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet . Zur NATO-Raketenabwehr wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 47 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/8904 verwiesen. Darüber hinaus macht die Bundesregierung zu Waffensystemen anderer Verbündeter grundsätzlich keine Angaben. Drucksache 19/12893 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 16. Inwieweit ist es nach Kenntnis der Bundesregierung hinreichend, dass das Startsystem der in Rumänien stationierten landbasierten Aegis- Ashore-Raketenabwehr im Gegensatz zur Schiffsvariante nie für landbasierte INF-relevante Mittelstreckensysteme getestet oder angewendet wurde (Plenarprotokoll 19/73, Frage 27), um auszuschließen, dass es – selbst nach Aussagen der USA – lediglich einer Änderung in der Software bedarf, um an Land mit diesen Startgeräten auch weitreichende Marschflugkörper abfeuern zu können (www. ndr.de/ info/ sendungen/ streitkraefte_und_strategien/streitkraeftesendemanuskript696.pdf, S. 5 sowie www.ndr.de/info/sendungen/streitkraefte_und_strategien/streitkraefteundstrategien 734.pdf, S. 10)? Auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 47 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/8904 wird verwiesen. 17. Inwieweit trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass sich sowohl die US-Vorwürfe an Russland als auch die Gegenvorwürfe aus Russland an die USA ohne Kenntnis und Zugang zu der Geheimhaltung unterliegenden Informationen schwer verifizieren oder falsifizieren lassen , und dies nur den Vertragspartnern USA und Russland selbst möglich ist, sodass letzte Gewissheiten fehlen, ob der Vertrag verletzt wird (www. cwipperfuerth.de/ wp- content/ uploads/ sites/ 5/ 2019/ 01/ arbeitspapier_ sicherheitspolitik _2018_29.pdf, S. 1 f.)? Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung sowie auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. 18. Inwieweit kann die Bundesregierung nach ihrer Kenntnis (auch nachrichtendienstlichen ) ausschliessen, dass es sich bei den in dem von der US- Regierung präsentierten Satellitenfilm, der die Flugbahn eines landbasierten Marschflugkörpers SSC-8 mit einer Reichweite von weit mehr als 500 Kilometern dokumentieren soll (www.spiegel.de/politik/ausland/usalegen -nato-partnern-beweise-fuer-inf-vertragsbruch-durch-russland-vora - 1241330.html ), um seegestützte Marschflugkörper handelte, die mit Hilfe fester Startgeräte getestet wurden und damit kein russischer Vertragsbruch vorläge? Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung (II) verwiesen. Im Übrigen ist der Bundesregierung kein Videofilm im Sinne der Fragestellung bekannt. 19. Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung (auch nachrichtendienstlicher ) zu, dass China bei einem Verbot seiner landgestützten INF- Systeme fast seine gesamte „Fähigkeit zur regionalen Machtprojektion mit weitreichenden Abstandswaffen“ verlieren würde, während die USA nichts aufgeben müssten, da sie über keine landgestützten INF-Träger in der Region verfügen und sich weiterhin auf ihre globale Raketen-, Luftund Seeüberlegenheit verlassen könnten (www.swp-berlin.org/publikation /der-inf-vertrag-vor-dem-aus/)? Zu spekulativen Fragen nimmt die Bundesregierung grundsätzlich keine Stellung . Die Frage nach Auswirkungen kann nur in Kenntnis der in einem neu zu verhandelnden Vertrag vorgesehenen Leistungsdaten (Reichweiten, Art der Waffensysteme, etc.) beantwortet werden. Auf die Antwort zu Frage 23 wird verwiesen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/12893 20. Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass 2007 bereits ein gemeinsamer russisch-amerikanischer Versuch in der UN gescheitert ist, weitere Staaten wie China, Frankreich und Großbritannien zum INF- Beitritt zu bewegen (www.swp-berlin.org/publikation/der-inf-vertrag-vordem -aus/)? 21. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Begründung für eine Ablehnung eines INF-Beitritts durch China, Frankreich und Großbritannien ? Wegen des sachlichen Zusammenhangs werden die Fragen 20 und 21 gemeinsam beantwortet. Am 25. Oktober 2007 haben Russland und die Vereinigten Staaten im Rahmen der Sitzung des Ersten Ausschusses der VN-Generalversammlung andere Staaten zum Beitritt zum INF-Vertrag aufgerufen. Dieser Aufruf wurde vom damaligen Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Frank-Walter Steinmeier, in einer Erklärung vom 30. Oktober 2007 begrüßt (www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom / 071030- inf/ 222196 ), ist jedoch ohne erkennbare Resonanz geblieben. Ergänzend wird auf die Antworten zu den Fragen 19 und 22 verwiesen. 22. Hat sich die Bundesregierung zur Rettung des INF-Abrüstungsvertrags neben China auch an Frankreich und Großbritannien gewandt und eine Einbeziehung dieser Staaten gefordert (www. swp- berlin.org/ fileadmin/ contents/ products/ fachpublikationen/ Richter_ INF_ Vertrag_ APuZ_ 26.04.2019.pdf, S. 6)? Wenn ja, wie haben Frankreich und Großbritannien reagiert? Wenn nein, warum nicht? Die Bundesregierung steht zur Stärkung von Abrüstung und Rüstungskontrolle in intensivem Austausch mit ihren engen Partnern Frankreich und Großbritannien . Beide Staaten haben gegenüber der Bundesregierung ihr Interesse an Abrüstung und Rüstungskontrolle bekräftigt. Darüber hinaus macht die Bundesregierung zu Waffensystemen Verbündeter grundsätzlich keine Angaben. 23. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnisse (auch nachrichtendienstliche ), dass China ungefähr 280 bis 300 Nuklearsprengköpfe, etwa 60 landgestützte ballistische Raketen mit interkontinentaler Reichweite und circa 1 600 landbewegliche Kurz- und Mittelstreckenraketen und Marschflugkörper besitzt, die weit überwiegend mit konventionellen Sprengköpfen eingesetzt werden und von denen etwa 90 Prozent im INF- Reichweitenspektrum liegen (www. swp- berlin.org/ publikation/ der- infvertrag -vor-dem-aus/)? Es wird auf das Jahrbuch 2019 des Stockholmer Internationalen Friedensforschungsinstituts („Stockholm International Peace Research Institute“/SIPRI) verwiesen: www. sipri.org/ media/ press- release/ 2019/ modernization- worldnuclear -forces-continues-despite-overall-decrease-number-warheads-new-sipri. Die weitere Beantwortung der Frage beruht auf Informationen, die mit Hilfe nachrichtendienstlicher Mittel gewonnen wurden. Arbeitsmethoden und Vorgehensweisen des Bundesnachrichtendienstes (BND) sind im Hinblick auf die künftige Erfüllung des gesetzlichen Auftrags aus § 1 Abs. 2 BNDG besonders schutzwürdig. Eine zur Veröffentlichung bestimmte Antwort der Bundesregierung auf diese Frage würde einem nicht eingrenzbaren Personenkreis nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland Rückschlüsse auf die Vorgehensweise sowie Fähigkeiten und Methoden des BND erlauben. Eine solche Veröffent- Drucksache 19/12893 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode lichung von Einzelheiten ist daher geeignet, zu einer wesentlichen Verschlechterung der dem BND zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Informationsgewinnung zu führen. Dies kann der wirksamen Erfüllung des gesetzlichen Auftrags des BNDs und damit den Interessen der Bundesrepublik Deutschland schweren Schaden zufügen. Die angefragten Informationen werden daher als „GEHEIM“ eingestuft und dem Deutschen Bundestag gesondert übermittelt. 24. Wie viele landgestützte ballistische Raketen mit interkontinentaler Reichweite und landbewegliche Kurz- und Mittelstreckenraketen und Marschflugkörper besitzt nach Kenntnis der Bundesregierung Frankreich neben den ca. 300 nuklearen Sprengköpfen (https://de.statista.com/statistik/ daten/studie/36401/umfrage/anzahl-der-atomsprengkoepfe-weltweit/), und wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Anteil von denen , die im INF-Reichweitenspektrum liegen? 25. Wie viele landgestützte ballistische Raketen mit interkontinentaler Reichweite und landbewegliche Kurz- und Mittelstreckenraketen und Marschflugkörper besitzt nach Kenntnis der Bundesregierung Großbritannien neben den ca. 200 nuklearen Sprengköpfen (https://de.statista.com/statistik/ daten/studie/36401/umfrage/anzahl-der-atomsprengkoepfe-weltweit/), und wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Anteil von denen , die im INF-Reichweitenspektrum liegen? Die Fragen 24 und 25 werden zusammengefasst beantwortet. Auf die Antwort zu den Fragen 13 bis 15 wird verwiesen. 26. Inwieweit setzt sich die Bundesregierung in der NATO dafür ein, gegenüber den USA und Russland deutlich zu signalisieren, dass sie keine INF- Systeme in Europa stationieren wird, solange Russland ebenfalls darauf verzichtet und es seitens der europäischen NATO-Mitglieder keine Zustimmung zur Aufstellung landgestützter INF-Systeme auf ihrem Territorium geben wird, um einen möglichen unkontrollierten Rüstungswettlauf in Europa zu verhindern und der Verbreitung von Mittelstreckenwaffen in weitere Staaten entgegenzuwirken (www. swp- berlin.org/ fileadmin/ contents / products/ fachpublikationen/ Richter_ INF_ Vertrag_ APuZ_ 26.04.2019.pdf)? Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung (I) wird verwiesen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/12893 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333