Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Carina Konrad, Frank Sitta, Dr. Gero Clemens Hocker, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/12450 – Einsatz von Drohnen im Weinbau: Potenziale und rechtliche Rahmenbedingungen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Unbemannte Luftfahrzeuge, sogenannte Drohnen, kommen in der Landwirtschaft bereits im klassischen Ackerbau vermehrt zum Einsatz. So setzt einer Umfrage des Digitalverbandes Bitkom in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Bauernverband zufolge fast jeder zehnte Landwirt (9 Prozent) Drohnentechnik ein, wobei die Anwendungsgebiete vielfältig sind. Mittels Drohnen als Trägersysteme für hochauflösende Kamera- und Sensortechnik können beispielsweise Pflanzenbestände aus der Luft auf ihren Nährstoffbedarf und eventuell auftretende Krankheiten untersucht werden. Es ergeben sich durch mögliche Einsparungen von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln ökonomische, aber vor allem auch ökologische Vorteile. Auch im Weinbau dienen Drohnen mit speziellen Kamerasystemen der Bewertung der Pflanzenvitalität und der Identifizierung von Krankheiten, Nährstoffmangel und Faktoren wie Trockenstress und Schädlingsbefall. Eine besondere Herausforderung im Weinbau stellt das Wirtschaften in Steillagen dar, in denen ein Maschineneinsatz oftmals nicht möglich ist. Der Steillagenweinbau ist nicht nur aufgrund des einmaligen Ökosystems von großer Bedeutung. Diese Kulturlandschaft in den zahlreichen Weinanbaugebieten in Deutschland ist zudem auch kulturell wertvoll. Die Bewirtschaftung dieser oftmals nicht vollständig erschlossenen Weinbausteillagen erfolgt unter hoher Arbeitsbelastung bei Pflege und Bewirtschaftung mit bis zu 1 500 Arbeitsstunden/ha, wodurch der Erhalt von Steillagenflächen stark gefährdet ist. Besonders aufwändig ist dabei die händische Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln. Bislang ist der Einsatz von Hubschraubern zur Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln in Steillagen oftmals die einzige Alternative , da durch eine starke Hangneigung konventionelle Weinbaugeräte nicht zum Einsatz kommen können. Die Pflanzenschutzmittelapplikation mit Hilfe von Hubschraubern ist bislang nur durch Ausnahmen möglich, denn grundsätzlich ist eine Ausbringung mittels Luftfahrzeugen nicht gestattet. Die Hubschraubereinsätze bringen jedoch verschiedene Probleme mit sich. Tiefere Überflüge in schwierigem Terrain bergen Gefahren, durch Lärmbelästigung von Anwohnern kommt es vielerorts zu Konflikten und trotz der Einhaltung von genauen Auflagen kann es durch die wenig zielgenaue Ausbringung zu einer Abdrift von Pflanzenschutzmitteln kommen. Die Drohnentechnik macht die parzellengenaue Applikation von Pflanzenschutzmitteln im Weinberg Deutscher Bundestag Drucksache 19/12901 19. Wahlperiode 02.09.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 30. August 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. möglich. Zudem können die aufgewendeten Arbeitsstunden und die körperlichen Belastungen im Steillagenweinbau verringert werden. Somit kann durch den Einsatz von Drohnen die Bewirtschaftung attraktiver gestaltet und sicherer gemacht werden, wodurch zum Erhalt der Steillagen beigetragen wird. 1. Wie viel Hektar werden in Deutschland nach Kenntnis der Bundesregierung im Steillagenweinbau bewirtschaftet (bitte je Bundesland angeben)? Als Steillagen werden Rebflächen mit einer Hangneigung von mindestens 30 Prozent betrachtet (vgl. § 34b der Weinverordnung). Zu den bewirtschafteten Steillagenflächen liegen keine exakten Erhebungen für die einzelnen Jahre vor. Insgesamt sind ca. 15 Prozent der Weinbaufläche als Steillagen eingestuft, die sich nach den dem Julius Kühn-Institut (JKI) vorliegenden Informationen wie folgt auf die Bundesländer verteilen: Baden-Württemberg: ca. 7.000 Hektar (ha); Bayern: ca. 900 ha; Hessen: ca. 800 ha; Rheinland-Pfalz: ca. 5.200 ha; Sachsen: ca. 77 ha; Sachsen-Anhalt: ca. 115 ha. 2. Wie entwickelte sich der Steillagenweinbau innerhalb der letzten 20 Jahre nach Kenntnis der Bundesregierung (bitte die in Steillagen bewirtschafteten Flächen je Jahr und Bundesland angeben)? Eine detaillierte Aufstellung der Flächenentwicklung bewirtschafteter Steillagen liegt der Bundesregierung nicht vor. Nach Mitteilung des JKI wird allgemein im Weinanbaugebiet Mosel von einem Rückgang des Steillagenweinbaus um ca. 3.000 ha innerhalb der letzten 20 Jahre ausgegangen. 3. Welche ökonomische und kulturelle Bedeutung hat der Steillagenweinbau nach Einschätzung der Bundesregierung? Weinbausteillagen sind durch besondere topographische und mikroklimatische Bedingungen geprägt, die einerseits die ökonomische Bewirtschaftung erschweren , andererseits aber ausschlaggebend für ihre weinbauliche Güte sind. Als prägende Elemente der Flusslandschaften sind sie von besonderer landschaftskultureller Bedeutung und ausschlaggebend für die herausragende touristische Attraktivität dieser Landschaften. Ihre sozioökonomische Bedeutung geht daher weit über die Weinerzeugung hinaus. Die trockenwarmen, stark strukturierten Steillagen sind zudem Lebensraum besonders geschützter Tierund Pflanzenarten, die auf die Offenhaltung durch weinbauliche Nutzung angewiesen sind. 4. Für welchen Flächenumfang wurden in den Jahren 2018 und 2019 nach Kenntnis der Bundesregierung Genehmigungen für eine Pflanzenschutzmittelapplikation per Hubschrauber erteilt? Gemäß den auf Grundlage von § 18 Abs. 8 des Gesetzes zum Schutz der Kulturpflanzen (Pflanzenschutzgesetz – PflSchG) von den Ländern an das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit für das Jahr 2018 übermittelten Daten wurden in den Bundesländern mit Steillagenweinbau insgesamt Drucksache 19/12901 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1744,8 ha Fläche mit Pflanzenschutzmitteln per Hubschrauber behandelt, davon Baden-Württemberg: 227,1 ha; Bayern: 12,9 ha; [Hessen: Meldung noch nicht eingegangen]; Rheinland-Pfalz: 1.504,8 ha; [Sachsen-Anhalt: Fehlanzeige]. Für das Jahr 2019 liegen noch keine Meldungen vor. 5. Mit welchen Bundesmitteln werden Projekte und Untersuchungen zum Einsatz von Drohnen zur Applikation von Pflanzenschutzmitteln derzeit gefördert? Aus Bundesmitteln werden momentan zwei Projekte gefördert, die auf Untersuchungen zum Einsatz von Drohnen zur Applikation von Pflanzenschutzmitteln fokussieren: Die „Entwicklung einer flugrobotergestützten Expertenplattform für einen präzisen Pflanzenschutz im Erwerbsobstbau“ wird mit 552.374 Euro im Rahmen des Programms zur Innovationsförderung der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) gefördert. Die „Überprüfung der biologischen Wirksamkeit sowie der Anlagerung und Abdrift von Pflanzenschutzmitteln bei der Applikation mit Hilfe von unbemannten Kleinhubschraubern in Weinbausteillagen“ wird mit 221.988 Euro im Rahmen eines Entscheidungshilfe-Vorhabens des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft gefördert. 6. Welche Erkenntnisse aus Forschungsprojekten und Praxistests in Bezug auf eine mögliche Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln durch Drohneneinsatz im Weinbau liegen der Bundesregierung vor? Zurzeit werden Versuche zur Wirksamkeit von Pflanzenschutzmittelanwendungen bei der Ausbringung mit Drohnen durchgeführt, die zum einen die optimale Flugrichtung und Flughöhe sowie zum anderen den notwendigen Wasseraufwand und damit auch Pflanzenschutzmittelaufwand für einen wirksamen Pflanzenschutz ermitteln sollen. Da die Versuche noch nicht abgeschlossen sind, liegen noch keine abschließenden Ergebnisse vor. 7. Welche Erkenntnisse aus Abdriftversuchen bei einer Applikation von Pflanzenschutzmitteln durch Drohnen im Weinbau liegen der Bundesregierung vor, und wie werden diese im Vergleich zu einer Applikation mittels Hubschrauber bewertet? Da zunächst die grundsätzlichen Fragen zu einem wirksamen Pflanzenschutz mit Drohnen zu klären sind (siehe Antwort zu Frage 6), sind gesicherte Aussagen zu der Höhe der Abdrift bei einer Applikation von Pflanzenschutzmitteln durch Drohnen im Vergleich zur Applikation mit dem Hubschrauber zurzeit nicht möglich. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/12901 8. Welche rechtlichen Rahmenbedingungen regeln derzeit die Pflanzenschutzmittelapplikation mittels Fluggeräten nach Kenntnis der Bundesregierung (bitte detailliert nach Pflanzenschutzgesetz, Luftfahrtgesetz und Drohnenverordnung angeben)? Pflanzenschutzrechtlich ergeben sich die Rahmenbedingungen für die Pflanzenschutzmittelapplikation mittels Fluggeräten aus § 18 des Gesetzes zum Schutz der Kulturpflanzen (Pflanzenschutzgesetz – PflSchG) und der Verordnung über die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln mit Luftfahrzeugen (PflSchMAnwLuftFzgV). Gemäß § 18 Absatz 1 PflSchG ist die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln mit Luftfahrzeugen ohne Genehmigung nach Absatz 2 verboten. Die zuständige Landesbehörde darf eine derartige Ausnahmegenehmigung nur unter sehr engen Voraussetzungen und nur zur Bekämpfung von Schadorganismen im Weinbau in Steillagen oder im Kronenbereich von Wäldern erteilen. Außerdem ist gemäß § 18 Absatz 3 PflSchG eine besondere Zulassung bzw. Genehmigung des eingesetzten Pflanzenschutzmittels durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zur Anwendung mit Luftfahrzeugen notwendig . Aus luftrechtlicher Sicht ergibt sich eine Erlaubnispflicht für die Pflanzenschutzmittelapplikation mittels unbemannter Fluggeräte in der Regel aus § 21a Absatz 1 Nummer 1 der Luftverkehrs-Ordnung (LuftVO), da davon ausgegangen werden kann, dass das unbemannte Fluggerät mit vollen Pflanzenschutzmittel -Tanks mehr als 5 Kilogramm wiegt. Falls Gefahr- oder Biostoffe höherer Risikogruppen nach den einschlägigen Verordnungen eingesetzt werden , kann ein Aufstiegsverbot aufgrund von § 21b Absatz 1 Satz 1 Nummer 10 LuftVO bestehen. Weitere Verbote, die z. B. zum Schutz von Einrichtungen und Infrastruktur am Boden oder der Natur erlassen worden sind, sind zu beachten . Von Letztgenannten können aber Ausnahmen zugelassen werden (§ 21b Absatz 2 bzw. Absatz 3 LuftVO). Gleiches gilt für das Verbot des Betriebs von unbemannten Fluggeräten mit einer Startmasse von mehr als 25 Kilogramm (§ 21b Absatz 2 Satz 1 LuftVO). Da schwere unbemannte Luftfahrtsysteme oft zu land- oder forstwirtschaftlichen Zwecken eingesetzt werden, wird dieser besondere Nutzungszweck ausdrücklich in § 21b Absatz 2 LuftVO als möglicher Grund für eine solche Ausnahme genannt. Gemäß § 13 LuftVO ist das Ablassen von Stoffen aus Luftfahrzeugen (bemannt und unbemannt) grundsätzlich verboten. Die zuständige Landesluftfahrtbehörde kann aber auch hier Ausnahmen erteilen, sofern keine Gefahr für Personen oder Sachen besteht. Für den Einsatz mit bemannten Luftfahrzeugen sind zudem die Vorgaben der Verordnung (EU) Nr. 965/2012 der Kommission vom 5. Oktober 2012 zur Festlegung technischer Vorschriften und von Verwaltungsverfahren in Bezug auf den Flugbetrieb zu beachten. Bei einem gewerblichen Einsatz muss das Unternehmen gegenüber der zuständigen Luftfahrtbehörde verbindlich erklären, dass es die entsprechenden flugbetrieblichen Vorgaben einhält. Dies ergibt sich aus SPO.GEN.005 der oben genannten Verordnung. Der Einsatz in der Landwirtschaft wird als sogenannter spezialisierter Flugbetrieb genannt. 9. Welche gesetzgeberischen Kompetenzen, um den Einsatz von Drohnen für die Pflanzenschutzmittelapplikation zu ermöglichen, obliegen nach Kenntnis der Bundesregierung dem Bund? Der Luftverkehr liegt in der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes (Artikel 73 Absatz 1 Nummer 6 des Grundgesetzes). Zu beachten ist aber, dass auf Grundlage der Verordnung (EU) 2018/1139 des Europäischen Drucksache 19/12901 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Parlaments und des Rats vom 4. Juli 2018 zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften für die Zivilluftfahrt eine Vielzahl luftrechtlicher Themen im Zuständigkeitsbereich der Europäischen Union liegt. 10. Welche Bundesländer signalisieren nach Kenntnis der Bundesregierung bereits die Bereitschaft, den Einsatz von Drohnen im Weinbau innerhalb ihrer Kompetenz zu ermöglichen und voranzutreiben? Die Bundesregierung hat Kenntnis von Forschungsprojekten in den Ländern Rheinland-Pfalz, Hessen und Baden-Württemberg. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/12901 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333