Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Martin Sichert und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/12273 – Empfehlungen des Umweltbundesamtes zum Thema Klimaschutz V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Am 29. Juni 2019 berichtete die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ (FAS) über die „Vorschläge“ des Umweltbundesamtes (UBA), die der „FAS“ bereits vorliegen (https://bit.ly/2XjvebN). Der Bundesregierung soll dieses Papier erst „kommende Woche präsentiert werden“. In dem Artikel verweist die „FAS“ auf diese Vorschläge. Dort heißt es: „Statt eine langwierige neue, eigenständige Steuer einzuführen, rät die Behörde, zunächst einen CO2-Aufschlag für die bisherigen Energiesteuern für Heizöl, Erdgas, Benzin und Diesel vorzusehen. Das hätte den Charme, dass der Mechanismus schnell wirken kann.“ Diesbezüglich wird die Präsidentin des Umweltbundesamtes Maria Krautzberger mit folgenden Worten zitiert: „Wichtig ist, dass wir schnell damit beginnen, CO2 einen Preis zu geben. Eine ganz neue CO2-Steuer, die direkt an den Emissionen ansetzt, ist rechtlich schwierig umzusetzen.“ Die Begründung liefert Krautzberger mit der Formulierung, dass „die Finanzverfassung große Hürden, und eine erforderliche Änderung [...] deutliche Zeitverluste bedeuten [würde].“ Die Zeitung erläutert dies mit der Formulierung: „zu lange dauern ihr [Krautzberger] andere Wege, um CO2 mit einem Preisschild zu versehen.“ Einige Zeilen später wird Krautzberger mit folgenden Worten zitiert: „Ich warne davor, die CO2-Bepreisung im Hauruck- Verfahren einzuführen. Wir brauchen einen moderaten Eingangssatz, der wirkt und danach schrittweise steigt.“ Krautzberger gehe von einem „Eingangssatz im mittleren, zweistelligen Eurobereich“ aus, aber die genaue Höhe wolle sie der Politik überlassen. Zu Krautzberger wird noch geschrieben, sie sei seit fünf Jahren an der Spitze des UBA und habe schon ein Tempolimit in Städten von 30 Kilometer in der Stunde vor sowie die Abschaffung der Steuervorteile für Diesel vorgeschlagen. Die „FAS“ schreibt weiter, dass es durchaus Verlierer und Gewinner geben wird. „Im Zweifelsfall trifft das die Mittelschicht und Reiche, die über größere Autos und Häuser häufig auch mehr verbrauchen.“ Die „FAS“ nennt auch die Berechnungen von Ottmar Edenhofer, dem Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Der rechnet vor, dass ein Preis von 50 Euro je Tonne CO2 etwa 12 Cent zusätzlich für einen Liter Benzin bedeutet. Mit einem Preis von 200 Euro betrüge der Aufschlag fast einen halben Euro. So ähnlich verhält es sich ebenfalls für Diesel, Heizöl oder Erdgas. Die Demonstranten von „Fridays for future“ fordern einen auf 180 Euro je Tonne ansteigenden CO2- Deutscher Bundestag Drucksache 19/12960 19. Wahlperiode 03.09.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit vom 30. August 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Preis. Sie verweisen dafür auf die Kosten, die durch den Ausstoß von Treibhausgasen laut UBA entstehen und bis 2030 sogar auf 205 Euro je Tonne CO2 ansteigen. Die „FAS“ schreibt dazu noch: „Auch wenn die CO2-Abgabe niedrig beginnen sollte, könnte sie sich in den nächsten Jahren wohl verdoppeln und vervierfachen. Aber auch ein weiterer Anstieg ist denkbar: Der Weltklimarat IPCC sieht sogar Szenarien vor, die im teuersten Fall CO2-Preise von mehreren tausend Euro je Tonne Treibhausgas bedeuten.“ Die „FAS“ verweist schlussendlich auf den bereits bestehenden Emissionshandel , den man (gegebenenfalls europaweit) ausbauen könnte. „Das Umweltbundesamt hält das für zu langwierig und sieht dafür keine politische Mehrheit in der Europäischen Union.“  1. Wie erklärt sich die Bundesregierung, dass wichtige Positionspapiere einer Bundesbehörde – in diesem Fall des UBA – zuerst an die Medien gelangen und erst später („kommende Woche“) der Bundesregierung zugeleitet werden? Gehört es zur Geschäftspraxis der Bundesbehörden, dass wichtige Papiere zunächst an die Medien weitergegeben werden, bevor sie den eigentlichen Adressaten (in diesem Fall die Bundesregierung) erreichen? Welche Konsequenzen wird die zuständige Ressortleiterin Bundesministerin Svenja Schulze bzw. das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit als Aufsichtsbehörde über das UBA diesbezüglich ziehen? Bei der Veröffentlichung handelt es sich um eine eigenständige Stellungnahme im Rahmen der wissenschaftlichen Tätigkeit des UBA. Adressat solcher Stellungnahmen des UBA ist die Öffentlichkeit und nicht das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU). Die Durchführung solcher Analysen und die Veröffentlichung der Ergebnisse entsprechen den gesetzlichen Aufgaben des UBA nach dem § 2 Absatz 1 des Gesetzes über die Errichtung eines Umweltbundesamtes (UBAG), insbesondere der Aufklärung der Öffentlichkeit in Umweltfragen.  2. Stimmt die Bundesregierung der Bemerkung des UBA, eine neue, eigenständige Steuer wäre „langwierig“ und müsse deswegen über den „Umweg “ eines „CO2-Aufschlag[es] für die bisherigen Energiesteuern für Heizöl, Erdgas, Benzin und Diesel“ erfolgen (siehe dazu die Vorbemerkung ), zu? Wenn nein, warum nicht, und welche andere Pläne zur CO2-Besteuerung hat die Bundesregierung bisher getroffen?  3. Wie kommentiert die Bundesregierung das Vorgehen einer Bundesbehörde , „einen Umweg“ vorzuschlagen, um eine „rechtlich schwierige Umsetzung “ zu umgehen? Gehört dieser Ansatz – rechtlich schwer durchsetzbare Sachverhalte über „Umwege“ dennoch durchzusetzen und damit den formal vorgesehenen „richtigen Weg“ zu umgehen – zur Geschäftspraxis der Bundesregierung (vgl. dazu die Aussage des Bundesministers des Innern, für Bau und Heimat Horst Seehofer vom 6. Juni 2019 beim „Zweiten Berliner Kongress für wehrhafte Demokratie“ – Zitat: „Ich hab jetzt die Erfahrung gemacht in den letzten 15 Monaten: Man muss Gesetze kompliziert machen“, und lachte, bevor er weiterredete: „Dann fällt es nicht so auf“)? Die Fragen 2 und 3 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Drucksache 19/12960 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Der Koalitionsvertrag sieht vor, den Klimaschutzplan 2050 mit den für alle Sektoren vereinbarten Maßnahmenpaketen und Zielen vollständig umzusetzen. Die Bundesregierung überprüft in diesem Zusammenhang auch die Anreiz- und die Lenkungswirkung derzeit bestehender, hoheitlich veranlasster Energiepreisbestandteile in Form von Abgaben, Umlagen und Steuern. Diskussionen über eine Bepreisung von CO2 finden derzeit im Rahmen der Sitzungen des Klimakabinetts statt. Die Bundesregierung wird im Rahmen der Klimakabinettssitzung am 20. September 2019 über die Eckpunkte für ein Maßnahmenpaket entscheiden , mit dem die Bundesregierung sicherstellt, dass Deutschland seine Klimaziele 2030 erreicht. Es soll bei dem Treffen auch über eine mögliche CO2-Bepreisung in den nicht vom EU-Emissionshandelssystem erfassten Sektoren (Wärme und Verkehr) entschieden werden.  4. Wenn die Bundesregierung den Ansatz aus Frage 3 nicht vertritt, welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung bzw. das zuständige Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit als Aufsichtsbehörde über das UBA in Bezug auf die Arbeits- und Vorgehensweise der Präsidentin des UBA Maria Krautzberger, die diesen Vorschlag medienwirksam unterbreitet? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen.  5. Teilt die Bundesregierung die Ansicht der Präsidentin des UBA Krautzberger wonach „schnell damit beg[o]nnen [werden sollte], CO2 einen Preis zu geben“? Wenn ja, mit welcher Begründung, und zu welchem frühesten bzw. spätesten Zeitpunkt will die Bundesregierung damit beginnen? Wenn nein, welche Argumente stehen dem gegenüber? Wenn die Bundesregierung noch keine Position bezogen hat, wann rechnet sie damit bzw. hat die Bundesregierung diesbezüglich Untersuchungen in Auftrag gegeben (falls ja, bitte auflisten)? Mit der Einrichtung des Kabinettsausschusses Klimaschutz, dem „Klimakabinett “ gibt es ein Gremium um den Klimaschutzplan 2050 mit den für alle Sektoren vereinbarten Maßnahmenpaketen und Zielen vollständig umzusetzen. Auch die Diskussionen über eine CO2-Bepreisung werden in diesem Zusammenhang geführt. Vor dem Hintergrund, dass Deutschland Kompensationszahlungen bei Nichteinhaltung der in der EU-Klimaschutzverordnung vorgegebenen Emissionsbudgets drohen, sollen die Maßnahmen zur Umsetzung des Klimaschutzplans 2050 bis Ende 2019 beschlossen sein. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 2, 3, 7 und 8 verwiesen.  6. Wenn die Bundesregierung die Ansicht und Vorgehensweisen der Präsidentin des UBA (beispielsweise bzgl. der vorgeschlagenen konkreten Pläne zur CO2-Bepreisung) nicht teilt, wie ist dies mit der Besetzung dieses Amtes vereinbar? Gehört es zur Geschäftspraxis der Bundesregierung, dass Leiter von Bundesbehörden eine andere Politik verfolgen bzw. befürworten und in der Öffentlichkeit propagieren, die nicht der Strategie der Bundesregierung entspricht? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass nach § 2 Absatz 1 UBAG die wissenschaftliche Unterstützung des Bun- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/12960 desministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit bei der Erforschung und Entwicklung von Grundlagen für geeignete Maßnahmen zu den Aufgaben des UBA zählt. Die Art und Weise der Nutzung der wissenschaftlichen Erkenntnisse des UBA obliegt dem BMU.  7. Wie positioniert sich die Bundesregierung zur Aussage der Präsidentin des UBA Maria Krautzberger, dass der „Eingangssatz im mittleren, zweistelligen Eurobereich“ für die CO2-Bepreisung beginnen soll? Hat die Bundesregierung diesbezüglich Untersuchungen in Auftrag gegeben bzw. Berechnungen angefordert, um die finanziellen Konsequenzen einer CO2-Bepreisung für alle Teile der Bevölkerung und Wirtschaft zu prognostizieren (wenn ja, bitte die jeweiligen Untersuchungsergebnisse auflisten und als Anhang beilegen)? Wenn nein, auf Basis welcher Grundlagen will die Bundesregierung eine potentielle CO2-Bepreisung unter Einbezug all ihrer Auswirkungen für Wirtschaft und Bevölkerung berechnen? Die Bundesregierung hat beim Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ein Gutachten beauftragt, welches online abrufbar ist (www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/fileadmin/dateiablage/gutachten / sg2019/ sg_ 2019.pdf ). Im Übrigen haben einzelne Bundesministerien wie das BMU und das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie weitere Untersuchungen beauftragt. Die entsprechenden Erkenntnisse finden Berücksichtigung in den Diskussionen im Rahmen der Sitzungen des Klimakabinetts. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 2 und 3 verwiesen.  8. Wie will die Bundesregierung verhindern, dass es durch eine CO2- Bepreisung letztendlich nicht dazu kommt, dass es – wie die „FAS“ schreibt – „Verlierer und Gewinner geben wird“ und die Verlierer „im Zweifelsfall [...] die Mittelschicht“ sein wird?  9. Welche Maßnahmen der Kompensation der Mehrbelastung durch eine CO2-Bepreisung plant die Bundesregierung (z. B. nach dem Schweizer Modell eine Entlastung bei der Krankenversicherung)? Die Fragen 8 und 9 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Ziel des Klimakabinetts ist es, die rechtlich verbindliche Umsetzung des Klimaschutzplans und die Erreichung der Klimaschutzziele für das Jahr 2030 vorzubereiten . Auch die Diskussionen über eine mögliche CO2-Bepreisung werden in diesem Zusammenhang geführt. Bei der Festlegung der Maßnahmen wird es auch um die finanzielle Ausgewogenheit der Maßnahmen gehen. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 2 und 3 verwiesen. 10. Sind der Bundesregierung die Berechnungen der tatsächlich zu erwartenden Kostenbelastungen durch eine CO2-Bepreisung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung bekannt (z. B. 50 Euro je Tonne CO2 ergibt etwa 12 Cent zusätzlich für einen Liter Benzin, 200 Euro knapp einen halben Euro usw., vgl. Vorbemerkung), und wie kommentiert sie diese? Die Berechnungen des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung sind der Bunderegierung bekannt und sie decken sich hinlänglich mit hiesigen Forschungsergebnissen . Drucksache 19/12960 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 7 verwiesen. 11. Wie kommentiert die Bundesregierung die Prognosen der „FAS“ wonach „auch wenn die CO2-Abgabe niedrig beginnen sollte, [...] sie sich in den nächsten Jahren wohl verdoppeln und vervierfachen“ könnte und „auch ein weiterer Anstieg“ denkbar wäre – folgt man etwa den Szenarien des Weltklimarates (IPCC), die im teuersten Fall „CO2-Preise von mehreren tausend Euro je Tonne Treibhausgas bedeuten“? Wie positioniert sich die Bundesregierung bezüglich der Modellrechnungen bzw. Szenarien des IPCC? Teilt sie diese? Hat die Bundesregierung eigene Rechnungen in Auftrag gegeben, um die Kosten einer CO2-Bepreisung zu berechnen, die man einführen müsste um die internationalen Ziele (indirekt vorgegeben durch den IPCC) zu erreichen ? Hat die Bundesregierung eine Obergrenze der Kostenbelastung – auch für zukünftige Steigerungen – gesetzt? Wenn ja, weshalb? Wenn nein, warum sieht die Bundesregierung keine Notwendigkeit einer Kostenbegrenzung? Die Bundesregierung hat keine eigenen Studien in Auftrag gegeben, um die Kosten einer CO2-Bepreisung zu berechnen, die eingeführt werden müsste, um die internationalen Ziele zu erreichen. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 2, 3, 7 und 8 verwiesen. 12. Welche Position vertritt die Bundesregierung bezüglich des Ausbaus des Emissionshandels innerhalb der Europäischen Union, wie es die „FAS“ beschreibt, wo der Preis je Tonne CO2 im Emissionshandel derzeit bei etwa 27 Euro liegt und dieser sich seit März 2017 (marktbedingt) mehr als verfünffacht hat (vgl. Vorbemerkung)? Unterstützt die Bundesregierung weiterhin den Emissionshandel und dessen weiteren Ausbau (Erweiterung auf andere Segmente, Verringerung der Emissionszertifikate usw.)? Wie positioniert sich die Bundesregierung diesbezüglich zu der Einschätzung des UBA, welches den Emissionshandel als „zu langwierig“ ansieht bzw. „keine politische Mehrheit in der Europäischen Union“ für seine Reformierung sieht? Teilt die Bundesregierung diese Einschätzung? Wenn nein, welche eigene Einschätzung hat die Bundesregierung diesbezüglich ? Die Bundesregierung hat die Reform des EU-Emissionshandels für die kommende Handelsperiode 2021 bis 2030 aktiv unterstützt und begrüßt die mit der Reform erreichte Stärkung des Emissionshandels ebenso wie den weiterhin gewährleisteten Schutz der im internationalen Wettbewerb stehenden Industriesektoren vor dem Risiko eines Carbon Leakage. Im Jahr 2022 wird die Europäische Kommission eine Überprüfung der Emissionshandelsrichtlinie durchführen. Im Rahmen dieser Überprüfung wird die EU-Kommission ggf. auch Vorschläge für die weitere Fortentwicklung des EU-Emissionshandels vorlegen, zu denen sich die Bundesregierung dann positionieren wird. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/12960 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333