Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Stephan Thomae, Renata Alt, Jens Beeck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/12435 – (Wieder-)Einbürgerung von im Nationalsozialismus verfolgten Personen und deren Nachfahren V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Durch den geplanten Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU droht vielen britischen EU-Bürgern der Verlust ihrer EU-Bürgerschaft. Es werden deshalb vermehrt Anträge auf (Wieder-)Einbürgerung gestellt. Es stellt sich deshalb die Frage, ob die Regelung des Artikel 116 Absatz 2 des Grundgesetzes (GG), nach der frühere deutsche Staatsangehörige, denen zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 die Staatsangehörigkeit aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen entzogen worden ist, und ihre Abkömmlinge auf Antrag wieder einzubürgern sind, ausreichend ist, die Verluste an Staatsangehörigkeiten, die sich aus dem nationalsozialistischen Unrechtsregime ergeben haben, auszugleichen. Insbesondere ist fraglich, ob bestimmte Änderungen bzw. Anpassungen des Staatsangehörigkeitsrechts an das Grundgesetz nicht vom Gesetzgeber auch bei (Wieder-)Einbürgerung von Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit aufgrund des nationalsozialistischen Unrechtsregimes verloren haben, und deren Nachfahren, angemessen berücksichtigt werden müssten (vgl. Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung „Ein schmerzhafter Weg“ vom 20. Juli 2019). V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Das „Brexit“-Referendum im Jahr 2016 hat in Großbritannien zu einem sprunghaften Anstieg von (Wieder-)Einbürgerungsanträgen nach Artikel 116 Absatz 2 des Grundgesetzes (GG) vor allem durch Abkömmlinge von NS- Verfolgten geführt (vgl. die Zahlenangaben in der Antwort zu Frage 2). Im Zusammenhang damit wurden seither auch vermehrt Einbürgerungsbegehren geltend gemacht, die nicht von Artikel 116 Absatz 2 GG oder einfachgesetzlichen Wiedergutmachungsregelungen gedeckt sind. Die Gesamtheit der staatsangehörigkeitsrechtlichen Wiedergutmachungsregelungen ist außerordentlich komplex und heterogen ausgestaltet. Während einerseits mit Artikel 116 Absatz 2 GG ein sehr weitgehender Wiedergut- Deutscher Bundestag Drucksache 19/12966 19. Wahlperiode 03.09.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 30. August 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. machungsanspruch eingeräumt ist, waren für andere Fallgruppen nur befristete Regelungen in Geltung. Hinzu kamen mit Artikel 3 Absatz 2 GG nicht im Einklang stehende Bestimmungen über den Abstammungserwerb, für die nur befristete Regelungen auf nachträglichen Erhalt der deutschen Staatsangehörigkeit bestanden. So fallen eheliche Kinder zwangsausgebürgerter deutscher Mütter und ausländischer Väter, die vor dem 1. April 1953 geboren sind, sowie nichteheliche Kinder zwangsausgebürgerter deutscher Väter und ausländischer Mütter, die vor dem 1. Juli 1993 geboren sind, nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 85, 108; 95, 36) nicht unter Artikel 116 Absatz 2 GG, weil sie die deutsche Staatsangehörigkeit auch dann nicht durch Geburt hätten erwerben können, wenn die deutsche Staatsangehörigkeit ihrem deutschen Elternteil nicht durch eine NS-Zwangsausbürgerung entzogen worden wäre. Ferner werden diejenigen NS-Verfolgten, die in das Ausland emigriert sind, dort eine andere Staatsangehörigkeit angenommen und deshalb die deutsche Staatsangehörigkeit verloren haben, und ihre Abkömmlinge von Artikel 116 Absatz 2 GG nicht erfasst. In diesen Fällen ist die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch eine NS-Zwangsausbürgerung entzogen worden , sondern nach allgemeinen Regeln verloren gegangen, so dass Artikel 116 Absatz 2 GG nicht zur Anwendung kommen kann. Während für diese NS- Verfolgten selbst ein einfachgesetzlicher Einbürgerungsanspruch bestanden hat, der heute weiterhin über § 13 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) realisiert werden kann, hatten ihre Abkömmlinge diesbezüglich nur einen bis zum 31. Dezember 1970 befristeten Anspruch nach § 12 des früheren Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit (1. StARegG a. F.). Der Bundesregierung war und ist es ein wichtiges Anliegen, nachwirkende Folgen des NS-Unrechts im Bereich des Staatsangehörigkeitsrechts zu beheben. So hat das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, ungeachtet der durch die verfassungs- und staatsangehörigkeitsrechtliche Wiedergutmachungsgesetzgebung und die höchstrichterliche Rechtsprechung geschaffenen unterschiedlichen Ausgangslagen, schon mit Erlass an das Bundesverwaltungsamt vom 28. März 2012 für im Ausland lebende Kinder deutscher Staatsangehöriger , die nach § 4 Absatz 1 Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz (RuStAG) a. F. nicht durch Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben konnten, sowie für Kinder zwangsausgebürgerter deutscher Staatsangehöriger, die deswegen keinen Anspruch nach Artikel 116 Absatz 2 GG haben, eine erleichterte Einbürgerungsmöglichkeit über § 14 StAG eröffnet. Diese Einbürgerungsmöglichkeiten waren im Hinblick auf den Umstand, dass die Regelung des § 4 Absatz 1 RuStAG a. F. zwar mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes mit Artikel 3 Absatz 2 GG unvereinbar geworden war, zuvor aber keine vergleichbare Verfassungsbestimmung existierte, auf die unter Geltung des Grundgesetzes seit dem 24. Mai 1949 geborenen Kinder beschränkt worden. Aus Anlass der im Zusammengang mit dem „Brexit“-Referendum geltend gemachten Einbürgerungsbegehren, die nicht durch Artikel 116 Absatz 2 GG erfasst sind, ist innerhalb der Bundesregierung geprüft worden, ob über die Erlasslösung von 2012 hinaus heute noch nachwirkende staatsangehörigkeitsrechtliche Folgen bestehen, die einer generellen Regelung bedürfen. Im Ergebnis dieser Prüfung weitet das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat die auf der Grundlage des § 14 StAG bestehenden erleichterten Einbürgerungsmöglichkeiten im Rahmen einer umfangreichen Erlasslösung, die am 30. August 2019 in Kraft gesetzt worden ist, erheblich aus. Einbezogen werden auch die Abkömmlinge, deren maßgeblicher Elternteil im Zusammenhang mit NS-Verfolgungsmaßnahmen in das Ausland emigriert ist, dort eine andere Drucksache 19/12966 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Staatsangehörigkeit angenommen und deshalb die deutsche Staatsangehörigkeit verloren hat. Ebenso werden die vor Inkrafttreten des Grundgesetzes geborenen Kinder einbezogen, die nach § 4 Absatz 1 RuStAG a. F. seinerzeit nicht durch Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben konnten. Über die bisherige Regelung hinaus bleibt der personelle Anwendungsbereich nicht auf die unmittelbaren Abkömmlinge beschränkt, sondern wird auf alle nachfolgend geborenen Abkömmlinge bis zu dem am 1. Januar 2000 eingefügten Generationenschnitt nach § 4 Abs. 4 StAG ausgedehnt. Dies entspricht dem Geltungsbereich des Artikel 116 Absatz 2 GG. Zudem werden weitere Einbürgerungserleichterungen vorgesehen; für die Abkömmlinge von (ehemals) deutschen Staatsangehörigen mit NS-Verfolgungshintergrund werden die Einbürgerungsvoraussetzungen auf ein Minimum reduziert. Mit dieser weiteren Erlassregelung nach § 14 StAG werden somit unterschiedliche Ausgangslagen, die sich für die Betroffenen durch die verfassungs- und staatsangehörigkeitsrechtliche Wiedergutmachungsgesetzgebung und die höchstrichterliche Rechtsprechung in der Vergangenheit ergeben haben, umfassend berücksichtigt und angeglichen. Damit wird Abkömmlingen deutscher NS-Verfolgter im Gleichklang zu Artikel 116 Absatz 2 GG eine anspruchsgleiche Einbürgerungsmöglichkeit bis zum Generationenschnitt nach § 4 Absatz 4 StAG eröffnet. Da die Einbürgerungen der Wiedergutmachung von NS-Unrecht bzw. nachwirkender Folgen geschlechtsspezifischer Ungleichbehandlungen dienen, erfolgen sie aus Gründen des öffentlichen Interesses gebührenfrei und unter genereller Hinnahme von Mehrstaatigkeit. Einer spezifischen gesetzlichen Regelung bedarf es danach nicht mehr. Mit § 14 StAG und der konkretisierenden Erlassregelung besteht ein hinreichendes rechtliches Instrumentarium, das jetzt ohne weiteres sofort umgesetzt werden kann. In vergleichbaren Fallkonstellationen, die in den Erlassen nicht angesprochen sind, sind Einzelfallentscheidungen möglich. Dabei werden die Kriterien der Erlassregelung zugrunde gelegt. 1. Wie viele Anträge auf (Wieder-)Einbürgerung nach Artikel 116 Absatz 2 GG sind nach Kenntnis der Bundesregierung seit 1945 gestellt worden und wie viele Anträge zwischen 2008 und 2019 (bitte nach Jahren und Einbürgerung bzw. Wiedereinbürgerung aufschlüsseln)? Die nachfolgenden Statistiken unterscheiden zwischen Anträgen (diese werden vom Bundesverwaltungsamt erfasst) und Einbürgerungen (diese werden vom Statistischen Bundesamt erfasst) nach Artikel 116 Absatz 2 GG. Eine Unterscheidung zwischen Einbürgerungen und Wiedereinbürgerungen ist statistisch nicht vorgesehen. Nach Artikel 116 Absatz 2 GG werden zwangsausgebürgerte ehemalige deutsche Staatsangehörige und ihre Abkömmlinge (wieder-)eingebürgert. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/12966 a) In wie vielen Fällen wurde dem Antrag stattgegeben (bitte nach Jahren und Einbürgerung bzw. Wiedereinbürgerung aufschlüsseln)? Beim Bundesverwaltungsamt sind seit 2008 bis Juni 2019 insg. 40.835 Anträge auf (Wieder-)Einbürgerung nach Artikel 116 Absatz 2 GG gestellt worden. Die Zahlen schlüsseln sich wie folgt auf: Jahr Anträge nach Artikel 116 Absatz 2 GG 2008 4.040 2009 3.440 2010 2.780 2011 2.730 2012 2.800 2013 2.890 2014 2.900 2015 2.770 2016 3.700 2017 5.368 2018 4.619 Bis Juni 2019 2.798 Insgesamt 40.835 Die zeitlich vor 2008 liegenden Anträge sind vom Bundesverwaltungsamt nicht erfasst worden, da hierfür vor dem 28. August 2007 keine Rechtsgrundlage bestanden hat. Statistische Erhebungen über Einbürgerungen finden nach § 36 StAG erst seit dem Jahr 2000 statt. Nach der Einbürgerungsstatistik des Statistischen Bundesamtes sind in dem Zeitraum von 2000 bis 2018 insgesamt 51.210 (Wieder-)Einbürgerungen nach Artikel 116 Absatz 2 GG erfolgt. Im Hinblick auf die einzelnen Jahre ergibt sich folgendes Bild: Jahr (Wieder-)Einbürgerungen nach Artikel 116 Absatz 2 GG 2000 1.144 2001 1.716 2002 2.075 2003 3.677 2004 3.809 2005 3.515 2006 5.139 2007 3.067 2008 2.864 2009 2.477 2010 2.705 2011 3.002 2012 2.219 2013 2.936 2014 2.365 2015 2.404 2016 2.187 2017 2.479 2018 1.430 Insgesamt 51.210 Drucksache 19/12966 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode b) Was waren die Hauptgründe für die Ablehnung? Ablehnungsgründe werden statistisch nicht erhoben. 2. Wie viele Anträge auf (Wieder-)Einbürgerung nach Artikel 116 Absatz 2 GG wurden seit dem Juni 2016 von Staatsangehörigen des Vereinigten Königreichs gestellt (bitte nach Jahren und Einbürgerung bzw. Wiedereinbürgerung aufschlüsseln)? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Im Übrigen liegen folgende Zahlen vor: Jahr Anträge nach Art. 116 Absatz 2 GG 2016 684 2017 1.667 2018 1.506 Bis Juni 2019 1.176 Insgesamt 5.033 Es wird darauf hingewiesen, dass die Anträge nicht zwingend von britischen Staatsangehörigen gestellt worden sein müssen. Maßgeblich für die Statistik ist allein, dass der Antragssteller sich gewöhnlich in Großbritannien aufhält. Jahr (Wieder-)Einbürgerungen nach Artikel 116 Absatz 2 GG 2016 149 2017 614 2018 365 Insgesamt 1.128 Die Einbürgerungsstatistik ist eine Jahresstatistik mit Angaben zu allen im Berichtsjahr abgeschlossenen Einbürgerungen. In der Einbürgerungsstatistik liegen über das Berichtsjahr hinaus keine Angaben zum Zeitpunkt der Einbürgerung vor. Deshalb sind nur Angaben zu Antragstellern aus Großbritannien möglich, die im Berichtsjahr 2016 nach Artikel 116 Absatz 2 GG eingebürgert wurden. Eine Beschränkung auf den Zeitraum „seit Juni 2016“ ist daher nicht möglich. 3. Hält die Bundesregierung die Regelung in Artikel 116 Absatz 2 GG – insbesondere vor dem Hintergrund des geplanten EU-Austritts des Vereinigten Königreichs – für ausreichend, um den Verlust an Staatsangehörigkeiten , die durch das nationalsozialistische Unrechtsregime bedingt sind, auszugleichen? Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/12966 4. Wie bewertet die Bundesregierung die unterschiedliche Behandlung von Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 bereits vor einer bevorstehenden Ausbürgerung aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen verloren haben – etwa durch Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit – und einen Anspruch nach Artikel 116 Absatz 2 GG haben, und Personen, die nach Ausbürgerung eine neue Staatsbürgerschaft angenommen haben und keinen Anspruch auf Wiedereinbürgerung nach Artikel 116 Absatz 2 GG haben? Für Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit vor einer absehbaren Ausbürgerung durch Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit verloren haben , bestand ein Anspruch auf Einbürgerung nach § 12 Absatz 1 (1.) StARegG a. F., der heute nach § 13 StAG realisiert werden kann. Ihre Abkömmlinge hatten ebenfalls nach § 12 Absatz 2 StARegG a. F. einen Anspruch auf Einbürgerung, der aber zum 31. Dezember 1970 befristetet war. Für diesen Personenkreis findet die oben dargelegte erweiterte Erlassregelung Anwendung, die eine anspruchsgleiche Einbürgerungsmöglichkeit eröffnet. Auf Personen, die nach ihrer Ausbürgerung eine ausländische Staatsangehörigkeit angenommen haben, und diejenigen ihrer Abkömmlinge, die ohne die Ausbürgerung die deutsche Staatsangehörigkeit z. B. durch Geburt erworben hätten , findet Artikel 116 Absatz 2 GG unmittelbar Anwendung. Für diejenigen ihrer Kinder, die auch ohne die Ausbürgerung ihres deutschen Elternteils die deutsche Staatsangehörigkeit nicht, z. B. durch Geburt, hätten erwerben können , und deren Abkömmlinge wird mit der erweiterten Erlassregelung ebenfalls eine anspruchsgleiche Einbürgerungsmöglichkeit eröffnet. 5. Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand, dass vor dem 1. Januar 1975 ehelich geborene Kinder keinen Anspruch auf Einbürgerung nach Artikel 116 Absatz 2 GG haben, soweit der Vater eine nichtdeutsche Staatsangehörigkeit besaß, der Mutter jedoch zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 die deutsche Staatsangehörigkeit aus politischen , rassischen oder religiösen Gründen entzogen worden ist, weil das Bundesverfassungsgericht die Regelung, dass ein ehelich geborenes Kind nur die Staatsangehörigkeit des Vaters, nicht jedoch der Mutter erhielt, erst 1975 für verfassungswidrig erklärt hat? Die Einschränkung des Einbürgerungsanspruchs aus Artikel 116 Absatz 2 GG beruht auf der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Danach ergibt sich aus Sinn und Zweck des Artikel 116 Absatz 2 GG (staatsangehörigkeitsrechtliche Wiedergutmachung) einschränkend, dass (nur) der staatsangehörigkeitsrechtliche Zustand wiederherzustellen ist, wie er ohne Ausbürgerung bestanden hätte. Es ist daher eine hypothetische Prüfung erforderlich, ob der Abkömmling ohne die Ausbürgerung die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hätte (BVerwGE 85, 108; 95, 36). Danach fehlt die Kausalität bei vor dem 1. Juli 1993 geborenen nichtehelichen Kindern eines ausgebürgerten deutschen Vaters und vor dem 1. April 1953 geborenen ehelichen Kindern einer ausgebürgerten deutschen Mutter, da nach § 4 RuStAG a. F. nur das eheliche Kind eines deutschen Vaters bzw. das nichteheliche Kind einer deutschen Mutter die deutsche Staatsangehörigkeit im Wege der Abstammung erwerben konnte, die betreffenden Kinder mithin die deutsche Staatsangehörigkeit auch ohne Ausbürgerung nicht erworben hätten. Drucksache 19/12966 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode a) Hält die Bundesregierung die damals eingeräumte dreijährige Frist für die Antragstellung für verfassungsgemäß? Die Bundesregierung hält die damals eingeräumte dreijährige Frist für verfassungskonform . Es bestand seinerzeit die allgemeine Auffassung, dass der Zeitraum für die Betroffenen ausreichend sei, um die ihnen zustehende Rechtsposition zu erlangen. Das Bundesverfassungsgericht und das Bundesverwaltungsgericht haben judiziert , dass der Gesetzgeber die aus der verfassungswidrigen Regelung des früheren § 4 Absatz 1 RuStAG a. F. resultierende Folgen ausreichend beseitigt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. November 1989 – 1 C 5/89; BVerfG, Beschluss vom 24. Januar 2001 – 2 BvR 1362/99). b) Sieht die Bundesregierung die Möglichkeit einer rückwirkenden Anwendung von Artikel 116 Absatz 2 GG? Wenn nein, sieht die Bundesregierung Regelungsbedarf, auch dieser Personengruppe einen Anspruch auf Wiedereinbürgerung zu verschaffen ? Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. Mit der neuen Erlassregelung nach § 14 StAG wird den Betroffenen eine anspruchsgleiche Einbürgerungsmöglichkeit eröffnet. 6. Wie bewertet die Bundesregierung, dass adoptierte Kinder nur einen Anspruch auf Einbürgerung nach Artikel 116 Absatz 2 GG haben, wenn die Adoption nach 1977 erfolgte, da erst ab diesem Zeitpunkt adoptierte Kinder mit leiblichen Kindern rechtlich gleich behandelt wurden? a) Sieht die Bundesregierung hier die Möglichkeit einer Anwendung von Artikel 116 Absatz 2 für vor 1977 geborene Kinder? b) Wenn nein, sieht die Bundesregierung Regelungsbedarf, auch dieser Personengruppe einen Anspruch auf Wiedereinbürgerung zu verschaffen ? Die Fragen 6 bis 6b werden im Zusammenhang beantwortet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt der Einbürgerungsanspruch des Abkömmlings nach Artikel 116 Absatz 2 GG ein rechtliches Verhältnis zum Ausgebürgerten voraus, an welches das Staatsangehörigkeitsrecht den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit knüpft (Urteil vom 11.01.1994, 1 C 35/93, juris Rn. 17). Dies folgt daraus, dass von einer „Wiedereinbürgerung “ nur gesprochen werden kann, wenn an die infolge der Ausbürgerung vorenthaltene deutsche Staatsangehörigkeit angeknüpft, also der staatsangehörigkeitsrechtliche Zustand wiederhergestellt wird, wie er ohne Ausbürgerung bestanden hätte. Erforderlich ist danach eine hypothetische Prüfung , ob der Abkömmling ohne die Ausbürgerung die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hätte. Mit dem Adoptionsgesetz vom 2. Juli 1976 (BGBl. I S. 1749) wurde die sogenannte Volladoption eingeführt: Das minderjährige Kind scheidet aus der Herkunftsfamilie aus, wird vollständig in die Adoptivfamilie integriert und erhält die volle rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes des Annehmenden. Aus diesem Grund sollte das minderjährige Kind auch staatsangehörigkeitsrechtlich mit den ehelichen oder legitimierten Kindern gleichbehandelt werden (vgl. BT- Bundestagsdrucksache 7/3061, S. 64 f.). In diesem Zusammenhang wurde in Artikel 12 § 4 des Adoptionsgesetzes eine Übergangsvorschrift für einige vor 1977 angenommene minderjährige Kinder geschaffen, wonach für diese unter Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/12966 bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit bestand, die deutsche Staatsangehörigkeit durch Erklärung zu erwerben. Nach § 6 RuStAG erwarb bzw. erwirbt heute nach § 6 StAG das minderjährige Kind, das im Zeitpunkt des Annahmeantrags das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, kraft Gesetzes mit der Annahme als Kind die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn der Annehmende Deutscher ist. Das zuvor geltende Adoptionsrecht kannte nur die Annahme an Kindes Statt mit geringen rechtlichen Wirkungen (Bundestagsdrucksache 7/3061, S. 19). Das Kind wurde nur teilweise in die Familie des Annehmenden eingegliedert. Das Verwandtschaftsverhältnis des Kindes zu seinen bisherigen Verwandten und die sich aus ihm ergebenen Rechte und Pflichten blieben unberührt. Die Eltern verloren nur die seinerzeit so bezeichnete „elterliche Gewalt“ und das „Verkehrsrecht“. Das angenommene ausländische Kind konnte damals daher die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Annahme an Kindes statt, sondern nur im Wege der Einbürgerung erlangen. In der Zeit vor Inkrafttreten des Adoptionsgesetzes am 1. Januar 1977 hätte ein minderjähriges Kind durch die Annahme an Kindes Statt die deutsche Staatsangehörigkeit somit auch dann nicht erwerben können, wenn dem Annehmenden diese nicht zuvor durch eine NS-Zwangsausbürgerung entzogen worden wäre. Daher besteht auch kein Anspruch auf (Wieder-)Einbürgerung nach Artikel 116 Absatz 2 GG. Die Bundesregierung sieht angesichts des im Vergleich zu dem früher völlig anders ausgestalteten und daher nicht vergleichbaren Adoptionsrechts keinen Anlass, rückwirkend in abgeschlossene Adoptionsfälle einzugreifen, zumal dies unabhängig von Fällen, in denen bei den Annehmenden ein NS-Verfolgungshintergrund bestand, sämtliche Adoptionsfälle in der Zeit vor der Rechtsänderung betreffen würde. Im Gegensatz zu den Fallkonstellationen, in denen Abkömmlinge aufgrund der früheren nicht verfassungskonformen Abstammungsregelungen vom Geburtserwerb der deutschen Staatsangehörigkeit ausgeschlossen waren, fußt der Nichterwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nicht auf verfassungswidrigen Regelungen. Es besteht jedoch die Möglichkeit zu einer Einbürgerung im Einzelfall, wenn Bindungen an Deutschland glaubhaft gemacht werden können. Für die Einbürgerung können die Kriterien der Erlassregelung herangezogen werden. 7. Plant die Bundesregierung, den Kreis der Personen, die einen Anspruch auf Einbürgerung aufgrund von Verlusten von Staatsangehörigkeiten, die im Zusammenhang mit dem nationalsozialistischen Unrecht stehen, zu erweitern ? a) Wenn ja, welcher Personenkreis soll künftig einen Anspruch auf Einbürgerung haben? b) Wenn ja, bis wann plant die Bundesregierung, einen Entwurf einer solchen Regelung vorzulegen? Wenn nein, warum nicht? Die Fragen 7 bis 7b werden im Zusammenhang beantwortet. Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung und die Antwort zu Frage 5 verwiesen. Drucksache 19/12966 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333