Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katja Hessel, Christian Dürr, Dr. Florian Toncar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/12442 – Umsatzsteuerkarussell V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Wie mehrfach diversen Medien zu entnehmen war (siehe Handelsblatt vom 7. Mai 2019) erzielen internationale Steuerbetrüger jährlich Milliardengewinne durch sogenannte Umsatzsteuerkarusselle. Bislang sind Maßnahmen, um diesen Betrug wirksam zu bekämpfen, nicht erkennbar.  1. Welche konkreten Schritte beabsichtigt die Bundesregierung zu unternehmen , um den Steuerbetrug durch Umsatzsteuerkarusselle einzudämmen? Bund und Länder arbeiten bereits seit Jahren intensiv und erfolgreich beim Kampf gegen diese Form der Steuerhinterziehung zusammen und haben eine Vielzahl von Maßnahmen gemeinsam erarbeitet und umgesetzt. Neben organisatorischen Maßnahmen wurden dem Gesetzgeber auch Vorschläge für gesetzliche Regelungen vorgelegt. Hinzuweisen ist hierbei insbesondere auf die Einführung der unangekündigten Umsatzsteuer-Nachschau (§ 27b UStG) sowie die Einführung des Reverse-Charge-Verfahrens für bestimmte Bereiche (§ 13b UStG). Auch bei den Arbeiten auf EU-Ebene zur Bekämpfung von EU-weiten Umsatzsteuer-Betrugskarussellen arbeitet Deutschland aktiv mit. Bedienstete des Bundeszentralamtes für Steuern leiten bereits im vierten Jahr den Eurofisc- Arbeitsbereich „Missing Trader Intra-Community Fraud“ und koordinieren die Zusammenarbeit zwischen den Ländern und den anderen EU-Mitgliedstaaten. Bund und Länder werden ihre gemeinsamen Arbeiten in dem Bereich konsequent fortsetzen. Deutscher Bundestag Drucksache 19/12968 19. Wahlperiode 03.09.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 30. August 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext.  2. Gibt es einen Zeitrahmen, den die Bundesregierung zusammen mit der Europäischen Union verfolgt, um bis zu einem bestimmten Zeitpunkt den paneuropäischen Umsatzsteuerbetrug effektiv einzudämmen? Einen Zeitplan hierzu gibt es nicht. Die Arbeiten in dem Bereich werden von allen Beteiligten fortgesetzt.  3. Wie positioniert sich die Bundesregierung zum Vorschlag der EU, die Mehrwertsteuer dort zu erheben, wo die Waren oder Dienstleistungen tatsächlich bezahlt werden? Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Frage auf den Vorschlag der Kommission abzielt, im Rahmen der Einführung eines endgültigen Systems für die Mehrwertbesteuerung des innergemeinschaftlichen Warenhandels das Bestimmungslandprinzip in der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie festzuschreiben. Die Bundesregierung unterstützt den Rechtsetzungsvorschlag der Kommission in dieser Hinsicht. Damit wird die bereits grundsätzlich bestehende Besteuerungspraxis nachvollzogen.  4. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse, wie viele ehrliche Händler aufgrund des entstehenden Steuernachteils durch Umsatzsteuerkarusselle vom Markt gedrängt wurden? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor.  5. Wie hat sich die Anzahl der Vorsteuererstattungen bundesweit in den letzten Jahren verändert? Aus den Daten der amtlichen Umsatzsteuerstatistiken auf Basis der Umsatzsteuer-Voranmeldungen der Jahre 2014 bis 2017 ergibt sich, dass die Anzahl der erfassten Unternehmer (Steuerpflichtige mit Lieferungen und Leistungen über 17 500 Euro, die Umsatzsteuer-Voranmeldungen abgeben), deren Vorsteuer eines Jahres die Umsatzsteuer des Jahres überstieg, in jedem Jahr rückläufig war (im Schnitt –1,2 Prozent). Für den Bereich der Vorsteuervergütung an im Ausland ansässige Unternehmer, für den das Bundeszentralamt für Steuern zuständig ist, sind in den letzten Jahren keine signifikanten Änderungen bezüglich der Anzahl der gestellten Anträge eingetreten.  6. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung mit der aktuellen und zukünftigen Digitaltechnik für die Fahndung nach Umsatzsteuerkarussellen ? Digitaltechnik kommt in dem Bereich umfangreich zur Anwendung wie z. B. zur Einholung von fallbezogenen Informationen im Online-Verfahren, die Führung fallbezogener digitaler Akten, die Durchführung von Telefonüberwachungen bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen. Wie zukünftige Digitaltechnik in dem Bereich genutzt werden kann, kann naturgemäß erst dann geprüft werden, wenn diese neue Technik auch bekannt ist. Drucksache 19/12968 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode  7. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung bereits unternommen, Steuerbetrug mithilfe von Digitaltechniken einzudämmen? Nach Artikel 108 Absatz 2 des Grundgesetzes sind die Länder für den Steuervollzug zuständig. Bund und Länder arbeiten auch in dem Bereich seit geraumer Zeit erfolgreich zusammen. So wurden dem Bundeszentralamt für Steuern diesbezüglich in den letzten Jahren eine Reihe von Aufgaben übertragen (§ 5 des Finanzverwaltungsgesetzes) wie z. B. die zentrale Sammlung und Bereitstellung von bestimmten Daten zu Betrugsfällen im Bereich der Umsatzsteuer, auf die die mit der Prüfung und Festsetzung der Umsatzsteuer betrauten Bediensteten in den Finanzämtern online zugreifen können. Auch zur Aufdeckung unbekannter Steuerfälle und unbekannter Steuerquellen im sog. E-Commerce leistet das Bundeszentralamt für Steuern den Landesfinanzbehörden informationstechnische Unterstützung (§ 5 Absatz 1 Nummer 17 des Finanzverwaltungsgesetzes ).  8. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, wie viele ehrlich handelnde deutsche Unternehmen finanzielle Einbußen erleiden, weil sie zwar die Umsatzsteuer abgeführt haben, aber infolge der Verwicklung in ein derartiges Umsatzsteuerkarussell die Vorsteuer nicht erhalten? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor.  9. Strebt die Bundesregierung an, die Zusammenarbeit der Finanzbehörden der einzelnen EU-Staaten zu intensivieren, sodass länderübergreifende Umsatzsteuerbetrügereien frühzeitig aufgedeckt werden können? Wenn ja, welche konkreten Schritte sind dazu geplant? Wie sieht diesbezüglich der Zeitrahmen aus? Der Rechtsrahmen für die Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten ist in der Verordnung (EU) Nr. 904/2010 vom 7. Oktober 2010 (zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2018/1541 vom 2. Oktober 2018) über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und die Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer festgeschrieben. Die zuständigen Behörden nutzen die in der Verordnung vorgesehenen Instrumentarien für die Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden der anderen EU-Mitgliedstaaten umfassend und intensiv. Auf die Antwort zu Frage 9 wird hingewiesen. 10. Welche Erkenntnisse zieht die Bundesregierung aus aktuell bestehenden Datenbanken wie EUROFISC (Europäisches Netzwerk zur Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs), ZAUBER (Zentrale Datenbank zur Speicherung und Auswertung von Umsatzsteuerbetrugsfällen und Entwicklung von Risikoprofilen), LUNA (Länderübergreifende Namensauskunft), US- LO (Umsatzsteuer-Länder-Online) und KUSS (Koordinierungsstelle von Umsatzsteuer-Sonderprüfungen und Steuerfahndungsprüfungen) hinsichtlich der Bekämpfung von Umsatzsteuerkarussells? Bei den genannten Verfahren handelt es sich um Maßnahmen zur Bekämpfung des Umsatzsteuerbetruges auch in Form von sog. Umsatzsteuerkarussellen, mit denen sichergestellt wird, dass den zu beteiligenden Finanzbehörden bzw. den Bediensteten in diesen Behörden die hierfür erforderlichen Informationen zur Verfügung stehen. Die beim Bundeszentralamt für Steuern angesiedelte Zentrale Stelle zur Koordinierung der Prüfungsmaßnahmen der Länder im Bereich der Umsatzsteuer (KUSS) unterstützt die Länder insoweit, als sie in (EU-)staaten- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/12968 und länderübergreifenden Fällen die erforderlichen Maßnahmen zwischen den beteiligten Finanzbehörden koordiniert. Über das EUROFISC-Netzwerk tauschen die zuständigen Verbindungsbeamten der EU-Mitgliedstaaten gezielt Informationen über Sachverhalte aus, bei denen der Verdacht von schwerwiegendem grenzüberschreitenden Umsatzsteuerbetrug besteht. Diese fließen ggf. in nationale Maßnahmen ein, z. B. im Rahmen der Umsatzsteuerkontrolle. 11. Plant die Bundesregierung, sich auf europäischer Ebene für eine diesbezügliche Änderung des Umsatzsteuerrechtes einzusetzen? Auf die Antwort zu Frage 9 wird hingewiesen. 12. Hat die Bundesregierung darüber Erkenntnisse, wie hoch der Schaden an den deutschen Steuerzahlern ist, den der Betrug mit der Umsatzsteuer verursacht? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 13. Inwiefern geht die Bundesregierung gegen sogenannte Briefkastenfirmen im Inland vor, mit denen Umsatzsteuerbetrug überhaupt erst möglich wird? Sollen Kontrollmechanismen in Bürocentern oder Working Spaces seitens der Bundesregierung erarbeitet werden? Nach Artikel 108 Absatz 2 des Grundgesetzes sind die Länder für die Erhebung und Kontrolle der Umsatzsteuer zuständig. Für die Erarbeitung von Kontrollmechanismen in Bürocentern oder Working Spaces ist die Bundesregierung daher nicht zuständig. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 14. Gibt es Bestrebungen seitens der Bundesregierung, die Steuerschuldumkehr (reverse charge) auf europäischer oder nationaler Ebene anzupassen, um das System der Umsatzsteuerkarusselle zu erschweren? Aus Sicht der Bundesregierung ist das generelle Reverse-Charge-Verfahren grundsätzlich ein wirksames Mittel zur Bekämpfung des Umsatzsteuerbetruges. Die Einführung eines solchen Systems setzt jedoch eine Änderung der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie voraus. Das Recht, die Initiative für eine Änderung des geltenden Rechtsrahmens zu ergreifen, liegt allein bei der Europäischen Kommission. Sollte die Europäische Kommission in der Zukunft insoweit von ihrem Initiativrecht Gebrauch machen, wird die Bundesregierung die entsprechenden Vorschläge prüfen. Auch in den derzeit laufenden Verhandlungen darüber, die geltende Übergangsregelung durch ein endgültiges System abzulösen , tritt die Bundesregierung für eine ergebnisoffene Prüfung aller Systemalternativen ein. Nach Artikel 199 und 199a Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie können die Mitgliedstaaten für die dort genannten Umsätze/Branchen national das Reverse- Charge-Verfahren gesetzlich vorsehen. Von dieser Möglichkeit hat Deutschland in den letzten Jahren umfangreich Gebrauch gemacht. Drucksache 19/12968 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333