Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Detlev Spangenberg, Dr. Axel Gehrke, Dr. Robby Schlund, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/12579 – Maßnahmen der Bundesregierung zur Verbesserung des Schutzes von Verbrauchern wegen Unverträglichkeiten von Nahrungsmitteln, insbesondere Laktose- und Fruktoseintoleranz V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Nach Artikel 9 Absatz 1c in Verbindung mit Anhang II der Verordnung (EU) 1169/2011 (Lebensmittel-Informationsverordnung) müssen Lebensmittel mit den Bestandteilen glutenhaltiges Getreide, Krebstiere, Eier, Fische, Erdnüsse, Sojabohnen, Milch, Schalenfrüchte, Sellerie, Senf, Sesamsamen, Schwefeldioxid , Lupinen, Weichtiere und daraus gewonnenen Erzeugnissen gekennzeichnet werden. Die Menge an in einem Lebensmittel enthaltener Fruktose wird hingegen ebenso wenig wie die Menge enthaltener Laktose gekennzeichnet. Das ist nach Ansicht der Fragesteller bedenklich, da Personen mit Fruktoseintoleranz ebenso wie Personen mit Laktoseintoleranz aufgeklärt werden müssen, ob und vor allem auch wie viel Fruktose oder Laktose in einem Lebensmittel enthalten ist. Bei einer Fruktose- oder Laktoseintoleranz kommt es individuell höchst unterschiedlich zu verschiedenartigen Symptomen wie Bauchschmerzen , Blähungen, Durchfall oder Müdigkeit. Maßgeblich ist die individuell verträgliche Menge, die sich Patienten durch Erfahrungswerte oder als Folge einer Ernährungsberatung errechnen können. Diese Menge nicht zu überschreiten oder gar eine hinreichende Auswahl an Lebensmitteln zu haben, ist für Patienten nach Ansicht der Fragesteller aber schwer, weil in fast allen Lebensmitteln Laktose oder Fruktose in nicht näher gekennzeichneten Mengen vorhanden ist. Vor allem Fruktose wird von der Lebensmittelindustrie als preisgünstiger Zucker trotz seiner gesundheitlich bedenklichen Wirkung in großem Umfang eingesetzt (www.ndr.de/ratgeber/gesundheit /Zu-viel-Fruchtzucker-ist-ungesund,fruchtzucker106.html). Weiterhin ist es nach Ansicht der Fragesteller bedenklich, dass auf vielen Lebensmitteln der Zusatz „kann Spuren von ... enthalten“ ist. Dadurch wird nach Ansicht der Fragesteller vielen Verbrauchern (mangels Mengenangabe) die Möglichkeit zum Konsum eines Produktes genommen, weil ein Verbraucher mit Nahrungsmittelintoleranz ein solches Produkt auch dann vermeidet, wenn er geringe Mengen davon vertragen würde. Deutscher Bundestag Drucksache 19/12997 19. Wahlperiode 04.09.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 3. September 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. 1. Wirkte oder wirkt die Bundesregierung auf die Europäische Union ein, so dass Personen mit Nahrungsmittelunverträglichkeit durch klare Kennzeichnung der Mengenangabe von Laktose und Fruktose der Konsum von Nahrungsmitteln erleichtert wird, und wenn ja, inwiefern? Das allgemeine Recht zur Kennzeichnung von Lebensmitteln ist in der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel (Lebensmittel-Informationsverordnung, LMIV) EU-weit einheitlich geregelt. Die Bundesregierung hatte sich aktiv an den Arbeiten zur Erstellung der Verordnung auf EU-Ebene beteiligt, insbesondere auch zur Thematik der Kennzeichnung von Allergenen und Unverträglichkeiten bei Lebensmitteln. Die LMIV schreibt mit Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe c) in Verbindung mit Artikel 21 europaweit einheitlich vor, dass bei vorverpackten Lebensmitteln alle in Anhang II der LMIV aufgeführten Zutaten und Verarbeitungshilfsstoffe, die bei der Herstellung oder Zubereitung eines Lebensmittels verwendet werden und die Allergien und Unverträglichkeiten auslösen, zu kennzeichnen sind. Anhang II der LMIV stützt sich auf die wissenschaftlichen Gutachten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Fruktose ist im Gegensatz zu Laktose bislang nicht im Anhang II der LMIV als Stoff oder Erzeugnis, das Allergien oder Unverträglichkeiten auslöst, aufgeführt. Um eine bessere Information der Verbraucher sicherzustellen und den neuesten wissenschaftlichen und technischen Erkenntnissen Rechnung zu tragen, überprüft die Europäische Kommission das Verzeichnis in Anhang II systematisch und aktualisiert es erforderlichenfalls . Es besteht eine klare Abgrenzung zwischen der hereditären (erblichen) Fruktoseintoleranz (HFI) und der Fruktosemalabsorption (oder auch intestinale Fruktoseintoleranz ). Bei der HFI handelt es sich um eine schwerwiegende Stoffwechselerkrankung mit lebensbedrohlichen Folgen bei diätetischen Fehlern. Im Falle der im Anfragetext genannten Fruktosemalabsorption herrscht über den Krankheitswert nach wie vor Uneinigkeit. Nahrungsmittelunverträglichkeiten sind objektiv deutlich seltener nachweisbar als subjektiv empfunden. Die jeweilige Aufnahmetoleranz an Fruktose oder auch Laktose ist individuell sehr unterschiedlich, so dass Mengenangaben nur begrenzt als sinnvoll angesehen werden können. Bei beiden Zuckern handelt es sich zusätzlich um reguläre Inhaltsstoffe von natürlichen Lebensmitteln, die entsprechenden Schwankungen im Mengenanteil unterliegen. Unter Berücksichtigung der natürlichen Schwankungen der beiden Zucker in Lebensmitteln ist die Aussagekraft einer Deklaration fraglich. Im Falle der Fruktosemalabsorption ist zusätzlich das Verhältnis von Fruktose zu Glukose relevant. Ein gleicher oder erhöhter Anteil an Glukose gegenüber Fruktose verbessert die Verträglichkeit deutlich. Dies wäre anhand einer Einfachauflistung von Fruktose nicht ersichtlich und dementsprechend nicht hilfreich. Die gänzliche oder übermäßige Elimination der erwähnten Zucker wird sowohl bei sensiblen, als auch bei gesunden Personen aufgrund möglicher Anpassungsreaktionen, die zur Verschlechterung der Verträglichkeit führen können, nicht empfohlen. Die Bundesregierung beteiligt sich – gegebenenfalls unter Beteiligung von Wissenschaftlern – aktiv an Vorhaben zur Weiterentwicklung auf diesem Themenfeld . 2. Gibt oder gab es Anstrengungen der Bundesregierung, die Vorgaben der Europäischen Union durch nationales Recht zu ergänzen? Mit der LMIV, die seit Dezember 2014 ihre Wirkung entfaltet, wurde die Information der Verbraucher über Lebensmittel in einem hohen Maß auf EU-Ebene Drucksache 19/12997 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode harmonisiert. In einigen Bereichen ermächtigt die LMIV die Mitgliedstaaten zum Erlass nationaler Regelungen, so z. B. bei der Umsetzung der Allergenkennzeichnung bei nicht vorverpackten Lebensmitteln (sogenannte lose Ware). Die Bundesregierung hat von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht: In Deutschland wird die LMIV seit 13. Juli 2017 mit der nationalen Lebensmittelinformations-Durchführungsverordnung (LMIDV) durchgeführt. Die Allergeninformation loser Ware kann danach schriftlich oder mündlich und erstmals auch elektronisch erfolgen. 3. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den Einsatz von Fruktose in Nahrungsmitteln in Deutschland und innerhalb der Europäischen Union (z. B. in Bezug auf die eingesetzte Menge, Preisgestaltung, Lobbygruppen sowie Erkenntnisse hinsichtlich gesundheitsschädlicher Auswirkungen)? Bei vorverpackten Lebensmitteln muss nach den lebensmittelkennzeichnungsrechtlichen Vorschriften der LMIV grundsätzlich ein Zutatenverzeichnis angegeben werden. In dem Zutatenverzeichnis sind alle bei der Herstellung des Lebensmittels verwendeten Zutaten in absteigender Reihenfolge ihres Gewichtsanteils mit ihrer speziellen Bezeichnung aufzuführen. Als Zutat werden neben Fruktose auch fruktosehaltige Erzeugnisse wie z. B. Honig oder Glukose-Fruktose-Sirup verwendet. Lebensmittelunternehmer sind grundsätzlich frei in der Wahl der Rezeptur von Lebensmitteln und der Zutaten. Fruktose ist ein Einfachzucker, die in vielen Lebensmitteln, auch natürlicherweise , vorkommt. Statistische Angaben zum Fruktoseverbrauch liegen der Bundesregierung nicht vor. Im Rahmen der amtlichen Statistik ausgewiesene Verbrauchsdaten beziehen sich u. a. auf Zucker (Saccharose) und Isoglukose, enthalten aber keine Angaben zur Fruktosezufuhr aus anderen Quellen. So lag in den Jahren 2016/2017 der Verbrauch von Saccharose bei 33,8 Kilogramm pro Kopf, von Isoglukose bei 1,1 Kilogramm pro Kopf (s. Statistisches Jahrbuch über Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 2018, Seite 150). Saccharose enthält als Disaccharid hälftig Glukose und Fruktose. Auch Isoglukose enthält sowohl Fruktose als auch Glukose – im Vergleich zur Saccharose ist der Unterschied im anteiligen Gehalt dieser beiden Zuckerarten meist gering . Für Fruktose als alleinige Zuckerquelle werden unter definierten Ausgangsbedingungen negative gesundheitsbezogene Wirkungen diskutiert, wie z. B. Leberverfettung, Erhöhung der Blutfettwerte, Insulinresistenz/Diabetes und Hyperurikämie. Allerdings stammen die meisten Hinweise hierzu aus Tierversuchen , bei denen extrem hohe Mengen an Fruktose, d. h. mehr als 25 Prozent der erforderlichen Energiezufuhr, verabreicht wurden. Dies stellt die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf eine reguläre Ernährungssituation bei Menschen aus verschiedenen Gründen in Frage. Zum einen wird Fruktose üblicherweise nicht in so hohen Mengen aufgenommen. In Deutschland liegt selbst bei jungen Männern zwischen 15 und 24 Jahren – der Altersgruppe mit dem höchsten Verzehr von freien Zuckern – die Gesamtaufnahmemenge bei durchschnittlich etwa 100 g Zucker pro Tag, entsprechend etwa 17 Prozent der Gesamtenergieaufnahme , wobei Fruktose vermutlich nicht mehr als die Hälfte ausmacht. Zum anderen wird Fruktose normalerweise nicht isoliert aufgenommen, sondern immer in Kombination mit Glukose, wie z. B. im Haushaltszucker (Saccharose; Disaccharid aus Glukose und Fruktose zu gleichen Teilen). Dadurch verändern sich sowohl die Aufnahme von Fruktose aus dem Darm wie auch ihre Verstoffwechselung . Insofern ist eine Betrachtung der Wirkungen der isolierten Fruktose-Aufnahme nicht zielführend. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/12997 In ähnlicher Weise werden Zusammenhänge diskutiert zwischen einer hohen Aufnahme von zugesetztem Zucker insgesamt und der Gesundheit, insbesondere im Hinblick auf ein erhöhtes Risiko für die Entstehung von Übergewicht, Insulinresistenz bzw. Typ 2 Diabetes, Bluthochdruck und Herz-Kreislauf- Erkrankungen. 4. Welche Möglichkeiten zur Beratung (abgesehen von einer Ernährungsberatung ) haben Patienten, die sich einer solchen Erkrankung ausgesetzt sehen, nach Kenntnis der Bundesregierung (bitte Vereine oder andere Institutionen , die sich mit der Thematik beschäftigen, benennen; bitte dabei unterteilen , ob diese ehrenamtlich oder aufgrund eines gesetzlichen Auftrags handeln)? Betroffene haben eine Reihe von Möglichkeiten der Beratung, angefangen von der Ernährungsberatung über haus- und fachärztliche Beratung bis hin zur Beratung durch Betroffenenverbände wie den Deutschen Allergie- und Asthmabund e.V. oder lokale Interessengruppen. Der Bundesregierung liegt keine Aufstellung dieser Beratungsangebote, die sich teilweise durch Betroffene auf privater Grundlage bilden, vor. 5. Werden Vereine oder andere Institutionen, die bei Nahrungsmittelintoleranzen beratend tätig werden, durch die Bundesregierung gesetzlich zur Einhaltung bestimmter Vorgaben verpflichtet und bei ihrer Beratung unterstützt , und wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage, inwiefern, und mit welchem Mittelansatz aus dem Bundeshaushalt? Für Vereine und Institutionen, die zu Lebensmittelunverträglichkeiten beraten, gelten die einschlägigen rechtlichen Vorschriften wie etwa das Arbeitsrecht, die hier aufgrund des Abstraktionsniveaus der Frage nicht aufgezählt werden können . Auch in Bezug auf Vorgaben zur inhaltlichen Beratung können aufgrund der Heterogenität der Beratungsangebote keine pauschalen Aussagen getroffen werden. 6. Welche nationalen Forschungseinrichtungen, die sich mit der Grundlagenforschung hinsichtlich Entstehung und Therapie der Laktose- oder Fruktoseintoleranz (oder auch anderer Nahrungsmittelintoleranzen) beschäftigen, sind der Bundesregierung bekannt, und inwiefern werden diese Forschungseinrichtungen aus Steuergeldern finanziert? Mit der Forschung zu Lebensmittelunverträglichkeiten beschäftigen sich Universitäten , Universitätskliniken sowie Unternehmen. Ein abschließender Überblick über Forschungseinrichtungen, die sich mit Lebensmittelunverträglichkeiten beschäftigen, liegt der Bundesregierung nicht vor. In der Ressortforschung der Bundesministerien beschäftigt sich insbesondere das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) als Forschungsinstitut des nachgeordneten Bereichs des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) aktiv mit der Erforschung und Bewertung von Lebensmittelallergien und -unverträglichkeiten . Die Bunderegierung finanziert zudem projektbezogen eine Reihe von Forschungsprojekten . Beispielsweise erfolgte 2018 eine Bekanntmachung durch das BMEL zur „Richtlinie über die Förderung von Innovationen zur Vermeidung von Allergien und Unverträglichkeiten durch Lebensmittel, Bedarfsgegenstände und kosmetische Mittel“. Das BMEL fördert im Rahmen seines Programms zur Innovationsförderung entsprechende Vorhaben mit unterschiedlicher Ausrichtung. Drucksache 19/12997 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. 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