Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Simone Barrientos, Dr. Gregor Gysi, Dr. Petra Sitte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/12270 – Errichtung „Archivzentrum zur SED-Diktatur“ in Berlin V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Zu den im Zuständigkeitsbereich der Bundesregierung betriebenen Archiven von sogenannter nationalhistorischer Bedeutung gehören das Bundesarchiv, das Politische Archiv des Auswärtigen Amts und die Stasi-Unterlagenbehörde . Mit Blick auf die Zukunft der Stasi-Unterlagenbehörde hatte der Deutsche Bundestag 2014 eine Expertenkommission berufen, die in ihrem Abschlussbericht vom 5. April 2016 (Bundestagsdrucksache 18/8050) die Integration der Stasi-Unterlagen in das Bundesarchiv empfahl – unter sichtbarer Eigenständigkeit und Verbleib des Stasi-Unterlagen-Archivs am heutigen Standort im Berliner Bezirk Lichtenberg. Der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen (BStU) wurde deshalb vom Deutschen Bundestag mit Beschluss vom 9. Juni 2016 (Bundestagsdrucksache 18/8705) beauftragt, den Transformationsprozess der Stasi-Unterlagenbehörde einzuleiten und zusammen mit dem Bundesarchiv ein gemeinsames belastbares Konzept zur dauerhaften Sicherung der Stasiakten für künftige Entscheidungen durch den Deutschen Bundestag zu erarbeiten . Das von Roland Jahn als Bundesbeauftragten und mit Dr. Michael Hollmann (Präsident des Bundesarchivs) verfasste „Konzept für die dauerhafte Sicherung der Stasi-Unterlagen durch Überführung des Stasi-Unterlagen-Archivs in das Bundesarchiv liegt seit dem 13. März 2019 als Bundestagsdrucksache 19/8201 vor. Nach Ansicht der Fragesteller beinhaltet das Konzept noch viele offene Fragen , die besonders der Ausgewogenheit einer seit 1990 gewachsenen Architektur eines gesamtdeutschen Archivwesens entgegenstehen. So soll zum Beispiel auf dem Gelände der ehemaligen Stasi-Zentrale in Berlin ein „Archivzentrum zur SED-Diktatur“ entstehen, „in dem neben den Stasi- Unterlagen auch die Bestände der zentralen DDR-Behörden, das Archiv der SED sowie der Massenorganisationen der DDR und die Bibliothek der „Stiftung Archiv der Parteien- und Massenorganisationen der DDR“ – nachfolgend SAPMO genannt – untergebracht werden (Konzept Jahn/Hollmann, Kapitel 4.1. – vgl. Bundestagsdrucksache 19/8201, Seite 9). Deutscher Bundestag Drucksache 19/13004 19. Wahlperiode 03.09.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien vom 1. September 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Die Stiftung SAPMO ist vor über 25 Jahren durch einen Erlass des Bundesministers des Innern zur Errichtung einer „Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR“ im Bundesarchiv vom 6. April 1992 (GMBl. S. 310-312) gegründet worden mit dem Ziel, staatliche Unterlagen von Stellen der DDR nach § 2 Absatz 9 des Bundesarchivgesetzes zu übernehmen, auf Dauer zu sichern, nutzbar zu machen und zu ergänzen. Dies gilt auch für andere Unterlagen, Materialien und Bibliotheksbestände zur deutschen Geschichte, insbesondere zur Geschichte der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung, die damit in einem historischen oder sachlichen Zusammenhang stehen (Erlass BMI 1992, § 2). Der Großteil dieser umfangreichen Bestände ist durch Einbringungsverträge mit Nachfolgeorganisationen der Parteien und Massenorganisationen aus der DDR erworben worden. Besonders individuell gestaltete rechtliche Regelungen betreffen ergänzend auch die zahlreichen Deposita (Hinterlegungen) von den insgesamt über 400 persönlichen Nachlässen der Stiftung. Diese Rechtsverhältnisse sind teils staatsrechtlicher, teils öffentlich-rechtlicher, teils privatrechtlicher Natur. Die Bestände der Stiftung SAPMO sind seit dem Jahr 1994 mit großem Aufwand schrittweise am Standort Berlin-Lichterfelde des Bundesarchivs erfolgreich zusammengeführt worden. Die Bundesregierung investiert seit 2007 mit einem Volumen von 106 Mio. Euro dort Neubauten für Magazinbestände und Gebäude für Verwaltungs- und Dienstleistungstätigkeiten. Durch diese Investitionen konnte auch die Erschließung, Nutzung und Erhaltung der SAPMO- Bestände nachhaltig und deutlich sichtbar verbessert werden (www. bbr.bund.de/ BBR/ DE/ Bauprojekte/ Berlin/ Kultur/ Bundesarchiv/ bundesarchiv .html?nn=547724). Derzeit umfassen die Bestände der Stiftung Archiv der Parteien- und Massenorganisationen der DDR ca. 11 laufende Kilometer noch nicht vollständig erschlossene Akten, zusätzlich ca. 1 000 laufende Meter persönliche Nachlässe und einen auch international weit beachteten Bibliotheksbestand von ca. 1,7 Millionen Bänden u. a. mit Primärliteratur zur Organisations- und Ideologiegeschichte der DDR und Geschichte der nationalen und internationalen Arbeiterbewegung . Diese Bibliothek beansprucht zusätzlich ca. 34 laufende Kilometer Archivfläche (Bericht zur 27. Sitzung des Kuratoriums der Stiftung SAPMO am 24. April 2017, Seite 17).  1. Welche fachlichen Stellen zur Erforschung von Zeitgeschichte und DDR- Geschichte waren bei der Erarbeitung des „Konzepts für die dauerhafte Sicherung der Stasi-Unterlagen“ vom 13. März 2019 involviert (bitte einzeln aufführen)? Im Prozess der Erstellung wurde das Konzept mehrfach im Beirat beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demo-kratischen (BStU) beraten. Dem Beirat gehören aus dem Bereich der Wissenschaft u.a. der frühere Leiter des Instituts für Zeitgeschichte (IfZ), Prof. Dr. Horst Möller, der frühere Leiter des Forschungsverbundes SED- Staat der Freien Universität Berlin, Prof. Dr. Manfred Wilke und der Direktor des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der Universität Ulm, Prof. Dr. Florian Steger an. Der Transformationsprozess und das Konzept waren insbesondere bezogen auf die weitere Entwicklung der quellenkundlichen Forschung ebenso Thema im Wissenschaftlichen Beratungsgremium beim BStU. Dem Wissenschaftlichen Beratungsgremium gehören aus dem Bereich der Wissenschaft der frühere Direktor des Zeitgeschichtlichen Forums, Prof. Dr. Rainer Eckert, sowie Nikolas Dörr (Universität Bremen), Prof. Dr. Jörg Ganzenmüller (Universität Jena), Prof. Dr. Antonia Grunenberg (Universität Oldenburg) und Prof. Dr. Klaus Schroeder (Freie Universität Ber- Drucksache 19/13004 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode lin) an. Zudem sind der Präsident des Bundesarchivs, Dr. Michael Hollmann, und die Direktorin des Sächsischen Staatsarchivs, Dr. Andrea Wettmann, Mitglieder des Gremiums. Des Weiteren hat sich der BStU regelmäßig mit Vertreterinnen und Vertretern unterschiedlicher universitärer und außeruniversitärer Forschungseinrichtungen ausgetauscht. Hierzu gehörten insbesondere die Humboldt-Universität Berlin, die Freie Universität Berlin, die Universität Rostock, die Universität Leipzig und die Universität Jena. Zudem fand ein Austausch mit der Vorsitzenden des Wissenschaftsrates, Prof. Dr. Martina Brockmeier, statt.  2. Sind durch die Bundesregierung Machbarkeitsstudien zur Umsetzung der einzelnen Etappen des Konzepts von BStU und Bundesarchiv veranlasst worden, und wenn ja, welche konkreten Ergebnisse liegen zum jetzigen Zeitpunkt vor? Zur regionalen Neustrukturierung der Außenstellen (ein Archivstandort pro betroffenem Land) sind bereits für Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen- Anhalt und Thüringen Machbarkeitsstudien bei der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben in Auftrag gegeben worden. Hierbei geht es um die Prüfung der konkreten Eignung von Liegenschaften und Flächen. Für das Land Brandenburg wurde noch keine Machbarkeitsstudie beauftragt. Hier steht die abschließende Positionierung der Landesregierung zum zukünftigen Standort des Archivzentrums noch aus. Konkrete Ergebnisse aus den Machbarkeitsstudien liegen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vor. Weitere Machbarkeitsstudien sind im Moment nicht veranlasst und werden erst nach abschließender Beratung des Deutschen Bundestages über den Entschließungsantrag der Fraktionen CDU/CSU und SPD zum Transformationsprozess von Bundesarchiv und BStU auf Bundestagsdrucksache 19/12115 erfolgen.  3. Mit welchen zusätzlichen Kosten kalkuliert die Bundesregierung insgesamt bei der Überführung des Stasi-Unterlagen-Archivs in das Bundesarchiv ?  4. Welche Summe davon würde auf die geplante Verlagerung der Gesamtbestände der Stiftung Archiv der Parteien- und Massenorganisationen vom Standort Berlin-Lichterfelde (Bundesarchiv) nach Berlin-Lichtenberg (derzeit noch BStU) entfallen? Die Fragen 3 und 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Der derzeitige Stand der Überlegungen zur Integration der Stasi-Unterlagen in das Bundesarchiv lässt eine belastbare Kostenkalkulation noch nicht zu.  5. Welche Haltung hat die die Bundesregierung zu dem Umstand, dass die Herauslösung der SAPMO aus gesetzlichen Ordnungs- und Verwahrungsprinzipien , (also nach der Zeit des Entstehens von Akten und Archivalien und den Abteilungen Deutsches Reich, Bundesrepublik und DDR) nach Ansicht der Fragesteller der Aufgabenstellung nach § 3 Absatz 2 des Bundesarchivgesetzes widersprechen würde? Eine Verlagerung der Unterlagen der Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (SAPMO) gemeinsam mit den Unterlagen der staatlichen Stellen der DDR nach Berlin-Lichtenberg widerspräche weder dem Bundesarchivgesetz (BArchG) noch sonstigen Regelungen oder ar- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/13004 chivfachlichen Grundsätzen. In dem zitierten § 3 Absatz 2 BArchG stehen die Unterlagen der SAPMO bewusst im Kontext der staatlichen DDR-Überlieferung . Archivfachlich fragwürdig wäre vielmehr die räumliche Trennung dieser beiden Überlieferungsstränge.  6. Ist das Kuratorium der Stiftung SAPMO vor Veröffentlichung des Konzepts für die dauerhafte Sicherung der Stasi-Unterlagen über die Absicht, ein „Archivzentrum zur SED-Diktatur“ in Berlin zu etablieren, unterrichtet oder um eine Stellungnahme angefragt worden? Wenn ja, welche Stellungnahme erfolgte durch dieses Gremium, und wo sie veröffentlicht? Der Präsident des Bundesarchivs hat die Mitglieder des Kuratoriums der SAP- MO bei dessen letzter Sitzung am 30. April 2019 über das Konzept informiert.  7. Welche Erkenntnisse aus der Forschung zur DDR-Geschichte bzw. Erkenntnisse welcher Institutionen (Hochschulen, Universitäten, Forschungsverbünde und Stiftungen) wurden beim beabsichtigten Vorhaben der Zusammenlegung der Bestände des Stasi-Unterlagen-Archivs in Berlin-Lichtenberg und der Bestände der Stiftung SAPMO aus dem Bundesarchiv berücksichtigt (bei Veröffentlichungen bitte einzeln mit Quellenangabe aufführen)? Das Vorhaben der Zusammenlegung der Bestände des Stasi-Unterlagen- Archivs, der Überlieferung der sonstigen staatlichen Stellen der DDR und der SAPMO-Bestände gründet nicht zuletzt auf der Beobachtung der vergangenen Jahre, dass für eine professionelle Erforschung der Geschichte der DDR Quellen aus allen drei Bestandsgruppen zu betrachten sind.  8. Mit wie vielen rechtlich bevollmächtigten Vertragspartnern sowie rechtlichen Einzelpersonen unterhält die Bundesrepublik bzw. die Stiftung SAP- MO seit 1992 vertragliche Beziehungen (Vereinbarungen) gemäß Erlass über die Errichtung der SAPMO vom 6. April 1992, § 3, Ziffer 1 bis 5 zu eingebrachten Archivalien, geschlossenen Sammlungen, Nachlässen, Erinnerungen aus der DDR (bitte einzeln nach Jahren mit dem jeweiligen Bestand und Datum des Inkrafttretens aufführen)? Das Bundesarchiv verfügt nicht über eine chronologische Übersicht aller vertraglichen Vereinbarungen über die Einbringung von Unterlagen in das Stiftungsvermögen . Jeder Bestand und damit jeder Vertragspartner wird in einem eigenen Vorgang behandelt. Nach derzeitigem Kenntnistand ist von über 400 Vorgängen auszugehen.  9. Welche zuständige Stelle innerhalb des Bundesarchivs verwaltet die betreffenden Verträge in Frage 8? Mit der inhaltlichen Gestaltung und Ausführung der Vereinbarungen sind in erster Linie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der SAPMO beschäftigt, mit der reinen Verwaltung der Unterlagen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Registratur. Drucksache 19/13004 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 10. Wie viele Personen befassen sich mit diesen Verträgen, und welche berufliche Qualifikation bringen sie für dieses Aufgabengebiet mit? Der SAPMO gehörten zum 31. Dezember 2018 insgesamt 45 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiter an, von denen der größte Teil über eine der jeweiligen Laufbahn angemessene archiv- oder bibliotheksfachliche Ausbildung verfügt. 11. Beabsichtigt die Bundesregierung, mit den jeweils rechtlich Berechtigten schriftliche Vereinbarungen zu treffen hinsichtlich der Verlagerung der mit ihnen verbundenen Bestände aus der Stiftung SAPMO in ein „Archivzentrum zur SED-Diktatur“? Wenn ja, bis zu welchem Zeitpunkt werden diese Verhandlungen abgeschlossen sein? Dazu besteht kein Anlass. Der Erlass des seinerzeit zuständigen Bundesministeriums des Innern vom 6. April 1992 (GMBl. S. 310) über die Errichtung der Stiftung sieht in § 1 Abs. 2 Berlin als Sitz der Stiftung vor, nicht aber einen bestimmten Bezirk oder Stadtteil von Berlin. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/13004 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333