Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Bettina Stark-Watzinger, Christian Dürr, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/12136 – Libra Blockchain V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Libra Association, bestehend aus verschiedenen Unternehmen und Organisationen , hat ein Whitepaper zur Einführung einer Währung auf Basis der Blockchain-Technologie veröffentlicht (https://libra.org/en-US/wp-content/ uploads/sites/23/2019/06/LibraWhitePaper_en_US.pdf). Diese soll als „Stable Coin“ ausgestaltet und mit einem Korb aus konventionellen Währungen und Anleihen hinterlegt sein. Maßgeblicher Treiber hinter der Entwicklung bisher ist Facebook. Die geplante Einführung ist im ersten Halbjahr 2020. 1. Wie bewertet die Bundesregierung allgemein das Konzept einer durch Vermögensgegenstände oder einem Korb aus Währungen gedeckten Blockchain -Währung? Die derzeit am Markt befindlichen Krypto-Token wie Bitcoin erfüllen allenfalls sehr eingeschränkt die ökonomischen Funktionen des Geldes im klassischen Sinn. Geld im ökonomischen Sinne definiert sich anhand seiner wesentlichen Funktionen: Tausch- und Zahlungsmittel, Wertaufbewahrungsmittel und Recheneinheit . Das mit den gegenwärtigen währungsähnlichen Krypto-Token abgewickelte Zahlungsvolumen ist verglichen mit staatlichen Währungen sehr gering . Außerdem eignen sich Krypto-Token aufgrund ihrer starken Wertschwankungen bislang nicht als Wertaufbewahrungsmittel. Mit sogenannten Stablecoins wird versucht, dies zu ändern, indem sie an eine bestehende Währung/einen Währungskorb gebunden und/oder im ausgegebenen Umfang mit bestehenden, möglichst wertstabilen Vermögenswerten unterlegt werden. Die Wertstabilität von „Stablecoins“ selbst ist davon abhängig, wie wertstabil die zugrunde liegenden Vermögensgegenstände oder Währungen sind. „Stablecoins“ sind folglich nicht eigenständig wertstabil, sondern lediglich in Referenz zu den hinterlegten Vermögensgegenständen oder Währungen. Deutscher Bundestag Drucksache 19/13053 19. Wahlperiode 09.09.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 6. September 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Aus Sicht der Bundesregierung wird sicherzustellen sein, dass sich „Stablecoins “ nicht als Alternative zu staatlichen Währungen etablieren und damit die bestehende Währungsordnung in Frage stellen. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 7 bis 7c verwiesen. 2. Ist aus Sicht der Bundesregierung das im Libra-Whitepaper vorgestellte Konzept rechtmäßig mit Blick auf deutsches und europäisches Recht? Falls nein, welche rechtlichen Probleme sieht die Bundesregierung auf deutscher oder europäischer Ebene? Die Prüfung dieser Frage ist noch nicht abgeschlossen. Dabei ist zu berücksichtigen , dass das von der Libra Association veröffentlichte White Paper keine geeignete Grundlage ist, um eine belastbare Beantwortung dieser Frage vorzunehmen . Vielmehr bedarf es dafür einer weiteren Konkretisierung des Geschäftsmodells durch die Libra Association und ihre Gesellschafter. Die Bundesregierung und ihre zuständigen nachgeordneten Behörden ermitteln und prüfen daher derzeit den Sachverhalt. Wie bereits in der Antwort zu Frage 1 ausgeführt, wird aus Sicht der Bundesregierung sicherzustellen sein, dass sich „Stablecoins“ nicht als Alternative zu staatlichen Währungen etablieren und damit die bestehende Währungsordnung in Frage stellen. 3. Hat die Bundesregierung oder eine der ihr nachgelagerten Bundesbehörden bereits Gespräche bezüglich der Libra-Blockchain mit einem oder mehreren der im Konsortium beteiligten Unternehmen geführt? a) Wenn ja, welche Erkenntnis hat die Bundesregierung oder eine der ihr nachgelagerten Bundesbehörden aus diesen Gesprächen gezogen? b) Wenn ja, welche Position hat die Bundesregierung oder eine der ihr nachgelagerten Bundesbehörden gegenüber den Gesprächspartnern bezogen ? Die Mitglieder der Bundesregierung, Parlamentarische Staatssekretärinnen und Staatssekretäre bzw. Staatsministerinnen und Staatsminister sowie Staatssekretärinnen und Staatssekretäre (Leitungsebene) pflegen im Rahmen der Aufgabenwahrnehmung Kontakte mit einer Vielzahl von Akteuren, insbesondere auch mit Vertreterinnen und Vertretern von Unternehmen. Eine Verpflichtung zur Erfassung sämtlicher geführter Gespräche besteht nicht und eine solche umfassende Dokumentation wurde auch nicht durchgeführt (siehe dazu auch die Vorbemerkung der Bundesregierung zu der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/1174). Die Ausführungen bzw. aufgeführten Angaben erfolgen auf der Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse sowie vorhandener Unterlagen und Aufzeichnungen. Diesbezügliche Daten sind somit möglicherweise nicht vollständig. Unterhalb der Leitungsebene existiert eine vollständige und umfassende Aufstellung dienstlicher Kontakte nicht und kann aufgrund fehlender Recherchierbarkeit auch nicht erstellt werden. Es fanden in dieser Legislaturperiode zum Thema Libra gemäß den vorliegenden Informationen keine Treffen von Vertretern und Vertreterinnen der Bundesregierung oder einer ihrer nachgelagerter Behörden auf Leitungsebene mit einem oder mehreren der im Libra-Konsortium beteiligten Unternehmen statt. Drucksache 19/13053 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 4. Ist der Bundesregierung bekannt, ob nach der aktuellen Gesetzeslage die Libra-Währung – wie seitens Facebook in Aussicht gestellt – im ersten Halbjahr 2020 in Deutschland eingeführt werden könnte, und wenn ja, welche Position vertritt sie hierbei? a) Wenn nein, welche gesetzgeberischen oder sonstigen behördlichen Anpassungen wären nötig? b) Wenn nein, plant die Bundesregierung die in Frage 4a erfragten Anpassungen vorzunehmen, um eine Einführung der Libra-Währung zu ermöglichen? 5. Ist es nach Kenntnis der Bundesregierung juristisch möglich, dass ein einzelnes Euroland Libra genehmigen kann, und Libra somit Zugang zum Euroraum erhält? a) Falls ja, was plant die Bundesregierung, dagegen zu unternehmen? b) Falls nein, auf welcher juristischen Basis vertritt die Bundesregierung die Ansicht, dass dies nicht möglich sei? 6. Ist die Libra-Währung gemäß des in dem Libra-Whitepaper beschriebenen Konzeptes durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht genehmigungspflichtig ? Die Fragen 4 bis 6 werden zusammen beantwortet. Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. 7. Wie bewertet die Bundesregierung etwaige systemische Risiken, die von einer durch Vermögensgegenstände oder einem Korb aus Währungen gedeckten Blockchain-Währung ausgehen? Das von der Libra Association veröffentlichte White Paper ist keine geeignete Grundlage, um eine belastbare Beantwortung der Fragen 7a bis 7c vorzunehmen . Vielmehr bedarf es dafür einer weiteren Konkretisierung des Geschäftsmodells durch die Libra Association und ihre Gesellschafter. Die Fragen werden daher auf „Stablecoins“ bezogen beantwortet. a) Wie bewertet die Bundesregierung Risiken durch die Libra-Währung mit Blick auf den Anleihenmarkt? Generell führt bei einem vollgedeckten „Stablecoin“ eine zunehmende Nachfrage nach diesem „Stablecoin“ zu einer zusätzlichen Nachfrage nach den in der Reserve gehaltenen Anlagen. Welche Anlagen dies sein können, hängt vom Geschäftsmodell des jeweiligen „Stablecoins“ und von den Vorgaben der jeweils anwendbaren Regulierung ab. Inwieweit einzelne Anlagen, etwa Bundeswertpapiere , bei einem (auch) durch Euro gedeckten „Stablecoin“ betroffen sind, hinge weiterhin von der Marktdurchdringung dieses „Stablecoins“ ab, die sich in der benötigten Größe des Reservefonds widerspiegeln würde. Weitere Determinanten wären unter anderem die Aufteilung der Reserve-Assets in Staatsanleihen und Bankeinlagen, das vorgesehene Gewicht einzelner Währungen bei einem Währungskorb sowie der Anteil von Bundeswertpapieren an den auf Euro lautenden Anleihen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/13053 b) Wie bewertet die Bundesregierung Risiken durch die Libra-Währung mit Blick auf den Wirkungskanal von Geldpolitik? Bei konventioneller Geldpolitik wirken Veränderungen der geldpolitischen Leitzinsen auf die Zinssätze für kurzfristige Kredite am Interbankenmarkt und übertragen sich über Arbitrageprozesse entlang der Zinsstrukturkurve und davon ausgehend über Portfolioanpassungen auf Einlage- und Kreditzinsen, Renditen anderer Anlageklassen und Wechselkurse. Voraussetzung für die Fähigkeit der Zentralbank, die kurzfristigen Zinssätze am Interbankenmarkt zu beeinflussen , ist ihre Rolle als alleiniger Bereitsteller von Zentralbankgeld. Die Nachfrage des Bankensystems nach Zentralbankliquidität ergibt sich aus ihrer Verwendung im Zahlungsverkehr, den von der Zentralbank vorgegebenen Mindestreserveanforderungen und Veränderungen des Bargeldumlaufs. Falls diese Nachfrage durch eine entsprechende Verlagerung auf private „Stablecoins“ stark zurückginge, könnte die Fähigkeit der Zentralbank, das kurze Ende der Zinsstrukturkurve zu steuern, beeinträchtiget werden. Die möglichen Auswirkungen von „Stablecoins“ auf die Nachfrage nach Zentralbankgeld hängen unter anderem von ihren Auswirkungen auf den Bestand an Bankeinlagen und damit letztlich davon ab, ob und wie stark „Stablecoins“ genutzt werden. Sofern „Stablecoins“ unter anderem auch durch Staatsanleihen in Euro gedeckt werden sollen, würden weitere (große) Käufer notenbankfähiger Papiere am Markt auftreten. Der Spielraum für (geldpolitische) Ankaufprogramme könnte auf diese Weise kleiner werden. Die geldpolitische Transmission könnte zudem von einer Verschiebung des Kreditgeschäfts aus dem Bankensystem in das Umfeld von „Stablecoins“, Veränderungen auf den Wertpapier- und Devisenmärkten oder bei internationalen Kapitalströmen beeinflusst werden. Auch Veränderungen der Verhaltensweisen von privaten Haushalten und Unternehmen, z. B. durch einen verstärkten internationalen Preiswettbewerb, könnten Konsequenzen für die Effektivität der Geldpolitik haben. Die allgemeinen Gleichgewichtseffekte dieser Veränderungen sind komplex und aus heutiger Sicht schwer abzuschätzen. c) Wie bewertet die Bundesregierung Risiken durch die Libra-Währung mit Blick auf den Verbraucherschutz? Risiken können für Kundinnen und Kunden im Zusammenhang mit „Stablecoins “ insbesondere daraus entstehen, dass die „Stablecoins“ nicht jederzeit zum Nennwert des vom Emittenten entgegengenommenen Geldbetrags in gesetzliche Zahlungsmittel zurückgetauscht werden. Ursächlich dafür kann etwa sein, dass bereits kein Rücktauschanspruch gegenüber dem Emittenten besteht . Selbst wenn ein Rücktauschanspruch besteht, könnte dieser mit Wechselkursrisiken verbunden sein, die von den Kundinnen und Kunden zu tragen sind. Auch besteht das Risiko, dass der Emittent wirtschaftlich nicht in der Lage ist, bestehende Rücktauschansprüche der Kundinnen und Kunden zu erfüllen. Es bestehen Verlustrisiken bis hin zum Totalverlust. Je nach Ausgestaltungen können „Stablecoins“ allerdings unter verschiedene (europäische) Regelwerke fallen, die mit ihren Anforderungen die vorstehend dargestellten Risiken adressieren, wie bspw. die Vorschriften über Bank-, Zahlungs-, E-Geld-, oder Finanzdienstleistungen, und die zudem mögliche Solvenz- und Liquiditätsrisiken adressieren. Drucksache 19/13053 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 8. Welche Position wird die Bundesregierung unter den G7 bei den Gesprächen im Juli 2019 (www.zeit.de/2019/27/digitalwaehrung-facebook-visamastercard -geld-notenbanken/komplettansicht) vertreten? Beim Treffen im französischen Chantilly am 17. und 18. Juli waren sich die G7-Finanzminister und -Notenbankgouverneure einig, dass sogenannte „Stablecoins“, wie zum Beispiel Libra, mit erheblichen Risiken verbunden sein können. Einigkeit bestand auch darin, dass bestehende Regeln durch „Stablecoins “ nicht unterlaufen werden dürfen; die höchsten Standards der Finanzregulierung müssten erfüllt werden. Die Finanzstabilität, der Anleger- und Verbraucherschutz sowie die Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung und dürften nicht beeinträchtigt werden. Wenn „Stablecoins“ weltweit eine starke Verwendung finden, würden darüber hinaus auch währungspolitische Fragen aufgeworfen. Bundesfinanzminister Olaf Scholz erklärte in Chantilly, dass Währungen in die Hände demokratisch legitimierter Regierungen und Zentralbanken gehörten. 9. Teilt die Bundesregierung die Auffassung von Bundesbankpräsident Dr. Jens Weidmann, dass das „Aufkommen solcher digitalen Währungen (…) von der Notwendigkeit kostengünstiger und zweckmäßiger grenzüberschreitender Instant-Zahlungsmittel“ zeuge (www.bundesbank.de/de/ presse/reden/makroprudenzielle-politik-durch-die-lupe-von-sherlockholmes -800168#tar-7)? a) Falls ja, inwiefern setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass der (grenzüberschreitende) Zahlungsverkehr schneller und kostengünstiger wird? b) Falls ja, welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um das Ziel eines schnelleren und kostengünstigeren (grenzüberschreitenden) Zahlungsverkehrs zu erreichen? Die Bundesregierung hat aktiv an den Richtlinien (EU) 2015/2366 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt (PSD II-Richtlinie) und die Verordnung (EU) Nr. 260/2012 zur Festlegung der technischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungen für Überweisungen und Lastschriften in Euro (SEPA- Verordnung) mitgewirkt, die gute Rahmenbedingungen für einen schnellen und kostengünstigen (grenzüberschreitenden) Zahlungsverkehr schaffen. Die Marktteilnehmer können auf Grundlage dieser Rahmenbedingungen marktgängige Zahlungsprodukte anbieten. Auf europäischer und internationaler Ebene bringt sich die Bundesregierung in die Arbeiten der EU und der G 20 zur Verbesserung des internationalen Zahlungsverkehrs ein. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/13053 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. 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