Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Bernd Reuther, Frank Sitta, Torsten Herbst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/12452 – Weiterentwicklung des EU-Zertifikatehandels im Luftverkehr V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Seit Januar 2012 ist der innereuropäische Luftverkehr in den EU-Emissionshandel (EU-ETS) einbezogen. Damit ist der Luftverkehr mit hauptsächlich energieintensiven Unternehmen in einem sog. Cap-and-Trade-System, dem ca. 50 Prozent der deutschen CO2-Emissionen unterliegen. Für den Luftverkehr in Europa sollte der Emissionshandel bisher die CO2- Emissionen auf den Wert des Jahres 2005 begrenzen. Die Teilnehmer bekommen die entsprechende Menge an Emissionsberechtigungen (European Union Allowance, EUA) kostenlos zugeteilt. Dabei entspricht eine EUA der Emission einer Tonne CO2. Für alle Emissionen, die über die Ausgangswerte hinausgehen , also das Wachstum des Luftverkehrs abbilden, müssen die Fluggesellschaften Emissionszertifikate von anderen Emittenten, beispielsweise Kraftwerksbetreibern, kaufen. Seitdem wächst die Branche in der EU CO2- neutral (https://ec.europa.eu/clima/policies/ets_de). Gleichzeitig stehen die Prognosen im Luftverkehr auf Wachstum. Im Jahr 2040 erwartet die Europäische Organisation zur Sicherung der Luftfahrt (EU- ROCONTROL) einen Anstieg des Luftverkehrs um 53 Prozent (www.euro control.int/publication/challenges-growth-2018). Der Anstieg der Passagierzahlen im Jahr 2018 um 4,1 Prozent bestätigt diesen Trend (www.bdl.aero/de/ publikation/bericht-zur-lage-der-branche/). Auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP antwortete die Bundesregierung, dass sie die Einführung einer Kerosinsteuer prüft (Bundestagsdrucksache 19/11071). Grund dafür sei die nicht ausreichende Ausgestaltung der momentanen klimapolitischen Maßnahmen und Instrumente (CORSIA und EU-ETS). Anstatt ein weiteres Instrument zur Emissionsreduktion einzuführen, hat die designierte EU-Kommissionschefin, Dr. Ursula von der Leyen, vorgeschlagen, den Luftfahrtunternehmen nach und nach weniger kostenlose Zertifikate zuzuteilen (https://ec.europa.eu/commission/sites/beta-political/files/politicalguidelines -next-commission_de.pdf). Damit nutzt Dr. Ursula von der Leyen eine der zwei Anreizmöglichkeiten zur Emissionsvermeidung mittels EU- ETS. Dies kann einerseits durch Reduktion der kostenlosen Zertifikate oder durch die Reduktion der Zertifikatmenge geschehen. Deutscher Bundestag Drucksache 19/13087 19. Wahlperiode 10.09.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit vom 5. September 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Bei der Sitzung des Klimakabinetts am 17. Juli 2019 hat Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel den Wirtschaftsweisen Dr. Christoph M. Schmidt und Dr. Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung , eingeladen, um ihr Sondergutachten „Aufbruch zu einer neuen Klimapolitik “ vorzustellen. Zentrale Idee ist auch hier ein übergeordneter Emissionshandel für alle Sektoren, also Industrie, Strom, Verkehr und Wärme, und zwar am besten im europäischen Verbund.  1. Wie viele Emissionsberechtigungen wurden dem deutschen Luftverkehr in den letzten fünf Jahren insgesamt zugewiesen (bitte jedes Jahr einzeln angeben)?  2. Wie viele Emissionsberechtigungen wurden dem deutschen Luftverkehr in den letzten fünf Jahren kostenlos zugewiesen (bitte jedes Jahr einzeln und in Prozent angeben)? Die Fragen 1 und 2 werden gemeinsam beantwortet. Die von Deutschland im Rahmen des Europäischen Emissionshandels (EU- ETS) verwalteten Luftfahrzeugbetreiber haben in den vergangenen fünf Jahren folgende Mengen an kostenloser Zuteilung erhalten (gerundet in Mio. EUAA): 5,1 (2014); 5,1 (2015); 5,1 (2016); 5,1 (2017) sowie 3,6 (2018). Die Bundesregierung weist darauf hin, dass die verwaltungsmäßige Zuordnung im EU- ETS nicht nach Herkunft der Luftfahrzeugbetreiber oder einer Konzernzuordnung , sondern nach der Zuordnung auf der Verwaltungsstaatenliste erfolgt. Der deutliche Rückgang der für 2018 ausgewiesenen Zuteilungsmenge gegenüber dem Vorjahr resultiert im Wesentlichen aus der Insolvenz von Air Berlin, deren Zuteilungsanspruch mit der Betriebseinstellung entfallen ist. Wir verweisen ferner auf den veröffentlichten Bericht der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt) zu den Treibhausgasemissionen 2018: www.dehst .de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/VET-Be r ich t -2018 .pdf ; j sess ion id=BCE50287ABAAABAA1955DDCFA F40D03F.1_cid292?__blob=publicationFile&v=4 Darüber hinaus hat Deutschland in den vergangenen fünf Jahren folgende Mengen an EUAA versteigert (gerundet in Mio. EUAA): 2,2 (2015); 0,9 (2016); 0,7 (2017) sowie 0,8 (2018). Im Jahr 2014 wurden keine Auktionen durchgeführt. Es wird darauf hingewiesen, dass die auktionierten Berechtigungen nicht exklusiv durch die von Deutschland verwalteten Luftfahrzeugbetreiber ersteigert werden können. Die Auktionen stehen allen an der European Energy Exchange (EEX) zum Primärmarkt zugelassenen Handelsteilnehmern offen. Die Bundesregierung hat keine Kenntnis darüber, welche Handelsteilnehmer in den Auktionen Zuschläge erhalten haben. Weiterhin ist nicht bekannt, welche Mengen EUAA an anderen Handelsplätzen durch deutsche Luftfahrzeugbetreiber im Rahmen von Auktionen durch andere Mitgliedstaaten erworben wurden. Die Bundesregierung verweist ferner auf den veröffentlichten Jahresbericht der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt) zu den deutschen Versteigerungen im Jahr 2018: www.dehst.de/SharedDocs/downloads/DE/versteigerung/2018/2018_Jahresbe richt.pdf?__blob=publicationFile&v=4 Drucksache 19/13087 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode  3. Wie viele Emissionsberechtigungen mussten deutsche Luftverkehrsunternehmen in den letzten fünf Jahren käuflich erwerben (bitte jedes Jahr einzeln angeben)? Ein kalkulatorischer Zukaufbedarf ergibt sich aus der Saldierung der verifizierten Emissionen und der kostenlosen Zuteilung. Für die von Deutschland verwalteten Luftfahrzeugbetreiber ergab sich in den vergangenen fünf Jahren folgender kalkulatorischer Zukaufbedarf: (gerundet in Mio. Zertifikaten): 3,7 (2014); 3,8 (2015); 4,2 (2016); 4,0 (2017) sowie 5,8 (2018).  4. Wie viel Geld für Emissionsberechtigungen im Luftverkehr hat die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) in den letzten fünf Jahren pro Jahr eingenommen (bitte jedes Jahr einzeln angeben)? Die Erlöse aus der Versteigerung von Luftverkehrsberechtigungen (EUAA) für den Bund stellen sich in den letzten fünf Jahren wie folgt dar (gerundet in Mio. Euro): 16,9 (2015); 4,6 (2016); 5,1 (2017) sowie 16,3 (2018). Im Jahr 2014 wurden keine Auktionen durchgeführt.  5. Wie hat sich der Zertifikatepreis im Luftverkehr in den letzten fünf Jahren entwickelt (bitte für jedes Jahr in Prozent angeben)? Luftfahrzeugbetreiber können ihren Zukaufbedarf über Luftverkehrsberechtigungen (EUAA) und europäische Emissionsberechtigungen (EUA) decken. Die Preise für EUAA werden auf dem Sekundärmarkt mit einem geringen Abschlag zu den Preisen für EUA gehandelt. Aktuell liegt dieser Abschlag an der EEX bei rund 0,5 Prozent (Stand: 19. August 2019). Im Gegensatz zu den deutschen EUA-Auktionen, die wöchentlich stattfinden (rund 45 Termine pro Jahr), werden deutsche EUAA-Auktionen in der Regel nur einmal pro Jahr durchgeführt . Aufgrund dieser sehr unterschiedlichen Datenbasis lassen sich Jahresdurchschnittspreise für EUA und EUAA nicht direkt miteinander vergleichen. Zudem kann der Jahresdurchschnittspreis für EUAA bei nur einer jährlichen Auktion nicht als aussagekräftiger Indikator für die Preisentwicklung in einem Jahr herangezogen werden. Daher werden im Folgenden die Jahresdurchschnittspreise aus den deutschen EUA-Auktionen ausgewiesen (in Euro/Veränderung ggü. Vorjahr): 5,90/+36 Prozent (2014); 7,60/+29 Prozent (2015); 5,26/-31 Prozent (2016); 5,80/+10 Prozent (2017) sowie 14,90/+157 Prozent (2018).  6. Kann nach Ansicht der Bundesregierung die kostenlose Zuteilung von Emissionsberechtigungen nur für den deutschen Luftverkehr weiter abgesenkt werden? Der EU ETS ist ein vollharmonisiertes europäisches System, das nach europäischen Regeln verwaltet wird. Eine Absenkung der kostenlosen Zuteilung nur für den deutschen Luftverkehr ist nicht möglich. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/13087  7. Prüft die Bundesregierung die Möglichkeit, die kostenlose Zuteilung von Emissionsberechtigungen nur für den deutschen Luftverkehr weiter abzusenken ? Es wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen.  8. Unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag der designierten EU- Kommissionschefin, nach und nach weniger kostenlose Emissionsberechtigungen an Luftverkehrsunternehmen zu verteilen?  9. Wird sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass weniger kostenlose Emissionsberechtigungen an Luftverkehrsunternehmen ausgegeben werden? Die Fragen 8 und 9 werden gemeinsam beantwortet. Eine Senkung der kostenlosen Zuteilungen von EUAAs für den Luftverkehr auf europäischer Ebene ist ab dem Jahr 2021 vorgesehen. Beschlossen wurde eine Absenkung mit dem linearen Reduktionsfaktor (LRF) von jährlich 2,2 Prozent , der gleichzeitig auch im stationären EU-ETS verwendet wird. Die Pläne der designierten Kommissionspräsidentin hat die Bundesregierung mit Interesse zur Kenntnis genommen. 10. Warum prüft die Bundesregierung die Einführung einer Kerosinsteuer, anstatt die bisher existierenden Maßnahmen und Instrumente auszubauen ? 11. Ist es aus Sicht der Bundesregierung weiterhin sinnvoll, eine Kerosinsteuer zu prüfen, obwohl nun nach einhelliger Expertenmeinung (Sondergutachten „Aufbruch zu einer neuen Klimapolitik“) langfristig ein Emissionshandel für eine effiziente Emissionsreduzierung die beste Lösung ist? Die Fragen 10 und 11 werden gemeinsam beantwortet. Derzeit ist weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene eine Entscheidung über weitere Maßnahmen im Bereich des Luftverkehrs gefallen. Eine Prüfung findet derzeit im Rahmen der Sitzungen des deutschen Klimakabinetts statt. Drucksache 19/13087 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 12. Stimmt die Bundesregierung der Aussage des Sondergutachtens „Aufbruch zu einer neuen Klimapolitik“ zu, dass kleinteilige Zielvorgaben, insbesondere solche für einzelne Sektoren innerhalb von Volkswirtschaften , einer effizienten Lösung für weniger CO2-Emissionen im Weg stehen ? Das Sondergutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung weist darauf hin, dass ein einheitlicher Preis für den Ausstoß von Kohlenstoffdioxid (CO2) sicherstellen würde, dass Emissionen immer dann unterlassen werden, wenn ihre Vermeidung günstiger ist als der Preis. Das Ziel einer Bepreisung von CO2 bestehe darin, eine effiziente Lenkungswirkung zu erzielen, um die Treibhausgase über Verhaltensanpassungen zu reduzieren. Die Bundesregierung berücksichtigt, dass Verhaltensanpassungen nur über längere Zeiträume möglich sind. Um die Emission von Treibhausgasen zu reduzieren, sollte eine CO2-Bepreisung passgenaue – kleinteilige und sozial ausgewogene – Klimaschutzmaßnahmen ergänzen. Die Bundesregierung hat bereits im Jahr 2016 mit dem Klimaschutzplan 2050 Ziele für einzelne Sektoren festgelegt. Mit dem Maßnahmenprogramm 2030 wird die Bundesregierung zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen für die Sektoren Energie , Industrie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft sowie Abfall beschließen, um komplementär zur CO2-Bepreisung die Erreichung der Sektorziele des Klimaschutzplans für das Jahr 2030 sicherzustellen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/13087 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333