Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Fabio De Masi, Jörg Cezanne und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/12478 – Missbrauch der Rechtsform Genossenschaft V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Genossenschaften in Deutschland sind nach Ansicht der Fragesteller ein gesellschaftspolitisch wichtiges Vehikel mit einem ausgezeichneten Ruf. Bei ihnen wird z. B. die Emission von Nachrangdarlehen, partiarischen Darlehen und sonstigen Anlagen im Sinne des Genossenschaftsgesetzes ausgenommen von den Bestimmungen des Vermögensanlagengesetzes und damit vor allem von der Pflicht zur Erstellung eines Vermögensanlagen-Verkaufsprospekts, wenn diese Vermögensanlagen ausschließlich den Mitgliedern der emittierenden Genossenschaft angeboten werden. Ferner dürfen im Vertrieb von Genossenschaftsanteilen und Mitgliederdarlehen keine erfolgsabhängigen Vergütungen , z. B. Provisionen, gezahlt werden (vgl. § 2 Absatz 1 Nummer 1 und 1a des Vermögensanlagengesetzes – VermAnlG). Doch immer mehr dubiose Anbieter nutzen den guten Ruf von Genossenschaften und damit diese Rechtsform aus, um über den Vertrieb von Vermögensanlagen Verbraucherinnen und Verbraucher finanziell zu schädigen (vgl. Capital, Genossenschaften: Wie dubiose Anbieter den guten Ruf ausnutzen, 1. November 2018). Die vermeintlich sichere Geldanlage mit Top-Rendite ist meist eine unternehmerische Gesellschaftsbeteiligung, bei der ein Totalverlust drohen kann. Unseriöse Graumarkt-Genossenschaften machen es sich zunutze, dass Genossenschaften – anders als Genossenschaftsbanken wie die Volks- und Raiffeisenbanken – nicht der staatlichen Kontrolle durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) unterliegen und teilweise nicht einmal einen Verkaufsprospekt für ihre Finanzprodukte veröffentlichen müssen. Genossenschaften sind somit „die vielleicht letzte Bastion des unregulierten grauen Kapitalmarkts“ (WirtschaftsWoche, Wie die Idee der Genossenschaft missbraucht wird, 9. Juli 2019). Für die europäische Genossenschaft Green Value SCE hat die BaFin z. B. am 31. Mai 2019 eine Warnung veröffentlicht, wonach Anhaltspunkte für einen fehlenden Verkaufsprospekt vorliegen. Dieser sei notwendig, weil für den Vertrieb eine erfolgsabhängige Verfügung gezahlt werde (vgl. www.bafin.de/ SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Verbrauchermitteilung/weitere/2019/ meldung_190531_ Green_Value_SCE.html). Darüber berichtet auch die Stif- Deutscher Bundestag Drucksache 19/13174 19. Wahlperiode 12.09.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 11. September 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. tung Warentest in der aktuellen Ausgabe ihrer Zeitschrift „Finanztest“ (Juli 2019, S. 31). Weil hinter zahlreichen Genossenschaften Vertriebsstrukturen stecken, ist es naheliegend, dass dort erfolgsabhängige Vergütungen fließen. Die Stiftung Warentest hatte in diesem Kontext bereits im März 2019 über eine Reihe von dubiosen Genossenschaften berichtet (vgl. www.test.de/Genossenschaften-Wie-Sie-solidevon - dubiosen-unterscheiden-5447572-0/). Das Land Brandenburg hat schon Ende 2018 einen Gesetzentwurf zum Schutz von Genossenschaften in den Bundesrat eingebracht, um die „Marke“ Genossenschaft missbrauchssicherer zu machen (jetzt: Bundestagsdrucksache 19/11467).  1. Wie viele Genossenschaften gibt es in Deutschland, und wie viele von diesen bieten nach Kenntnis der Bundesregierung Vermögensanlagen a) ihren Mitgliedern oder b) jedem interessierten Anleger an (bitte einzeln aufschlüsseln)? Zur Frage der Anzahl von Genossenschaften in Deutschland wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 1 der Kleinen Anfrage der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundestagsdrucksache 19/3595 verwiesen. Weitergehende eigene Erkenntnisse hat die Bundesregierung nicht. Der Bundesregierung liegen keine Informationen darüber vor, wie viele Vermögensanlagen von Genossenschaften tatsächlich öffentlich angeboten oder vertrieben werden und wie viele der in Deutschland existierenden Genossenschaften Vermögensanlagen anbieten. Es liegen keine Daten darüber vor, wie viele Genossenschaften Vermögensanlagen emittieren, die im Wege der gesetzlich vorgesehenen Prospektausnahmetatbestände des § 2 VermAnlG angeboten werden . Für Emittenten von Vermögensanlagen, die die gesetzlichen Prospektausnahmetatbestände nutzen, besteht keine Meldepflicht gegenüber der BaFin. So unterliegt auch der Vertrieb von Geschäftsanteilen an Genossenschaften keiner Melde- oder Registrierungspflicht (vgl. bereits die Antwort der Bundesregierung zu Frage 1 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/4954. Die BaFin hat im Rahmen der Prospektprüfung nur Informationen über die Anzahl derjenigen Genossenschaften, die als Emittenten bzw. Anbieter von Vermögensanlagen Verkaufsprospekte bzw. Vermögensanlagen-Informationsblätter bei ihr hinterlegt haben und insofern in Erscheinung getreten sind. Im Zeitraum der bestehenden Prospektpflicht für Vermögensanlagen waren es drei Genossenschaften , die im Zeitraum zwischen 2005 und 2012 Verkaufsprospekte bei der BaFin hinterlegt hatten. Zudem wurden zwölf Vermögensanlagen- Informationsblätter (nachfolgend VIB) von Genossenschaften im Rahmen des Prospektausnahmetatbestands nach § 2a VermAnlG (Schwarmfinanzierung) von der BaFin gestattet. Zwei davon sollten gemäß der Angaben im VIB nur ihren Mitgliedern angeboten werden.  2. Welche Form der Vermögensanlage wurde bzw. wird nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils von Genossenschaften in Deutschland vertrieben (bitte jeweils für die vergangenen fünf Jahre aufschlüsseln, gegliedert u. a. nach Nachrangdarlehen, partiarischen Darlehen, Genussrechten)? Wie bereits in der Antwort zu Frage 1 erläutert, hat die Bundesregierung keine Kenntnis darüber, wie viele Vermögensanlagen (nach einer Prospektbilligung oder VIB-Gestattung nach den §§ 2a, 2b VermAnlG) tatsächlich vertrieben werden. Diejenigen Genossenschaften, die im Zeitraum der letzten fünf Jahre ein VIB bei der BaFin hinterlegt haben, haben die Rechtsform des Nachrang- Drucksache 19/13174 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode darlehens gewählt. Aufgeschlüsselt für die vergangenen Jahre ergibt sich folgendes Bild (Anzahl/Form der Vermögensanlage): 2014: - 2015: - 2016: 5/Nachrangdarlehen 2017: 3/Nachrangdarlehen 2018: 2/Nachrangdarlehen 2019: 2/Nachrangdarlehen.  3. Wie viele Vermögensanlagen-Verkaufsprospekte wurden nach Kenntnis der Bundesregierung von Genossenschaften in Deutschland, die Vermögensanlagen emittieren, jeweils in den vergangenen fünf Jahren veröffentlicht ? In den vergangenen fünf Jahren wurden keine Vermögensanlagen- Verkaufsprospekte von Genossenschaften bei der BaFin gebilligt.  4. In wie vielen Fällen lag bzw. liegt nach Kenntnis der Bundesregierung bisher kein solcher Verkaufsprospekt vor (bitte einzeln aufführen)? Wie in der Antwort zu Frage 1 ausgeführt, liegen der Bundesregierung keine Informationen dazu vor, in wie vielen Fällen Emissionen im Rahmen einer Prospektausnahme durchgeführt werden. Der BaFin ist für die Jahre 2014 bis 2019 ein Fall bekannt, in denen eine Genossenschaft Vermögensanlagen in unzulässiger Weise ohne Prospekt angeboten hat.  5. Wie kontrolliert die BaFin nach Kenntnis der Bundesregierung die Einhaltung der Vorschrift des § 2 Absatz 1 Nummer 1 VermAnlG, wonach für den Vertrieb der Anteile keine erfolgsabhängige Vergütung durch Genossenschaften gezahlt werden darf? Wie oft hat die BaFin bei Genossenschaften schon geprüft, ob ein erfolgsabhängig vergüteter Vertrieb vorliegt? Die Einhaltung der Prospektpflicht kann die BaFin seit dem 1. Januar 2016 im Rahmen eines Auskunfts- und Vorlageersuchens nach § 19 Absatz 1 VermAnlG überprüfen. In diesem Zusammenhang ist auch eine Überprüfung möglich, ob die Voraussetzungen für eine Prospektausnahme nach § 2 Absatz 1 Nummer 1 VermAnlG vorliegen. Von 2016 bis August 2019 wurde im Rahmen der Marktaufsicht in 20 Fällen die Einhaltung der Ausnahmevorschrift überprüft. Dies erfolgte sowohl anlassbezogen als auch durch Stichproben. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/13174  6. In wie vielen Fällen der Zahlung einer erfolgsabhängigen Vergütung schritt die BaFin nach Kenntnis der Bundesregierung in den vergangenen fünf Jahren ein (bitte einzeln nach Jahren aufführen)? Die BaFin ist in 20 Fällen dem Verdacht der Zahlung einer erfolgsabhängigen Vergütung nachgegangen: 2016: 3 2017: 8 2018: 8 2019: 1.  7. Wie kontrolliert die BaFin nach Kenntnis der Bundesregierung die Einhaltung der Vorschrift des § 2 Absatz 1 Nummer 1a VermAnlG, wonach Genossenschaften Vermögensanlagen ausschließlich ihren Mitgliedern anbieten dürfen? Wie oft hat die BaFin bei Genossenschaften schon geprüft, ob diese Vermögensanlagen nur Genossenschaftsmitgliedern angeboten werden? Die Einhaltung der Prospektpflicht kann die BaFin seit dem 1. Januar 2016 im Rahmen eines Auskunfts- und Vorlageersuchens nach § 19 Absatz 1 VermAnlG überprüfen. In diesem Zusammenhang ist auch eine Überprüfung möglich, ob die Voraussetzungen für eine Prospektausnahme nach § 2 Absatz 1 Nummer 1a VermAnlG vorliegen. Bislang gab es noch keinen Anlass, marktaufsichtliche Maßnahmen zur Überprüfung dieser Vorschrift zu ergreifen.  8. Sollte nach Auffassung der Bundesregierung das Emittenten-Privileg gemäß § 2 Absatz 1 Nummer 1a VermAnlG, das Einfallstor für Genossenschaften mit fragwürdigen Geschäftsmodellen ist, gestrichen werden, und wenn nein, welche gesetzlichen Änderungen werden alternativ für zielführend gehalten, um Missbräuche für die Zukunft zu unterbinden? Die Bundesregierung geht zum gegenwärtigen Zeitpunkt davon aus, dass die bislang bekannt gewordenen Fälle einer eventuell missbräuchlichen Verwendung der Rechtsform der Genossenschaft eine generelle Streichung des Ausnahmetatbestandes nicht notwendig machen. Eine Streichung könnte etwaige betrügerische Handlungen nicht generell ausschließen, würde aber seriöse Genossenschaften belasten. Derzeit prüft die Bundesregierung eine Reihe möglicher Maßnahmen, die auch der Missbrauchsprävention dienen (siehe auch Antwort zu Frage 34).  9. In wie vielen Fällen des Angebots von Vermögensanlagen an Nicht- Genos-senschaftsmitglieder schritt die BaFin nach Kenntnis der Bundesregierung in den vergangenen fünf Jahren ein (bitte einzeln nach Jahren aufführen)? Die BaFin hat keine Erkenntnisse über Angebote von Vermögensanlagen an Nicht-Genossenschaftsmitgliedern. 10. In wie vielen Fällen in den vergangenen fünf Jahren wurde nach Kenntnis der Bundesregierung von Genossenschaften versucht, die Veröffentlichung von Prospekt und Warnhinweis zu umgehen, indem eine Vermö- Drucksache 19/13174 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode gensanlage gestückelt wurde und jeweils nicht mehr als 20 Anteile emittiert wurden? Die Frage wird in Bezug auf die Prospektausnahme nach § 2 Absatz 1 Nummer 3 A VermAnlG verstanden. Die BaFin hat insoweit keine Hinweise auf Umgehungsversuche durch Genossenschaften. 11. Inwieweit stellt nach Auffassung der Bundesregierung die Ausnahmeregelung für Genossenschaften gemäß § 2 Absatz 1 Nummer 1 und 1a Verm AnlG eine „Lücke im Verbraucherschutz“ dar, weil Anbieter trotz Totalverlustrisikos keine Warnhinweise veröffentlichen müssen und es diesbezüglich schon zu einer ganzen Reihe von Beschwerden beim Marktwächter Finanzen kam (vgl. Marktwächter, Umgehen findige Anbieter den Anlegerschutz?, 22. Februar 2017)? Aus Sicht der Bundesregierung entstehen durch § 2 Absatz 1 Nummer 1 und 1a Vermögensanlagengesetzes (VermAnlG) keine Lücken im Verbraucherschutz. Das Emittenten-Privileg nach § 2 Absatz 1 Nummer 1 VermAnlG greift für Genossenschaftsanteile , wenn für deren Vertrieb keine erfolgsabhängige Vergütung gezahlt wird. Genossenschaften sind Selbsthilfeeinrichtungen ihrer Mitglieder und unterliegen nach § 1 Absatz 1 des Genossenschaftsgesetzes einem Förderzweck. Die bloße Kapitalanlage ist kein zulässiger Förderzweck. Die Prüfung der Einhaltung des Förderzwecks ist Teil der Pflichtprüfung durch staatlich beaufsichtigte Prüfungsverbände. Der Totalverlust der Einlage ist zwar auch bei Genossenschaften möglich. Allerdings unterliegen Genossenschaften der Überprüfung der Gründung und der Geschäftstätigkeiten, hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse und der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung durch die genannten Prüfungsverbände . Daher weisen Genossenschaften eine deutlich geringe Insolvenzquote auf als andere Gesellschaftsformen. Der „Verbraucherschutz“ wird mithin über die genossenschaftsrechtliche Pflichtprüfung gewährleistet. Nach § 2 Absatz 1 Nummer 1a VermAnlG werden gesetzlich näher bestimmte, von Genossenschaften emittierte Vermögensanlagen nur von der Prospektpflicht befreit, wenn diese ausschließlich den Mitgliedern der Genossenschaft angeboten werden und für den Vertrieb keine erfolgsabhängige Vergütung gezahlt wird. Die Regelung des § 2 Absatz 2 Satz 2 VermAnlG stellt sicher, dass den Mitgliedern vor Abschluss des Vertrages wesentliche Informationen zur Verfügung gestellt werden müssen, was regelmäßig auch solche zum Risiko der Vermögensanlage umfasst. Der Schutz der Mitglieder bleibt im Ergebnis trotz der Ausnahmeregelungen der § 2 Absatz 1 Nummer 1 und 1a VermAnlG nicht hinter dem Schutz sonstiger „Anleger“ zurück, die durch einen Verkaufsprospekt über die Anlage informiert werden. 12. Wie viele diesbezügliche Verbraucherbeschwerden gab es nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils in den vergangenen fünf Jahren (bitte nach Jahren gliedern)? Beschwerden hinsichtlich fehlender Warnhinweise zum Totalverlustrisiko liegen nach Kenntnis der BaFin nicht vor. Weitere eigene Erkenntnisse hat die Bundesregierung nicht. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/13174 13. Wie ging nach Kenntnis der Bundesregierung die BaFin bislang mit diesen Verbraucherbeschwerden um? Welche (aufsichtsrechtlichen) Folgen hatten jeweils die Beschwerden? Wie in der Antwort zu Frage 12 beantwortet, hat die BaFin keine Kenntnis über Beschwerden hinsichtlich fehlender Warnhinweise zum Totalverlustrisiko. Sofern die BaFin aufgrund von Verbraucheranfragen oder -beschwerden Anhaltspunkte für Verstöße gegen das VermAnlG erhält, geht sie diesen im Rahmen ihrer Befugnisse nach, d. h. regelmäßig mittels Auskunfts- und Vorlageersuchen. 14. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass Ziffer II. 3 des Auslegungsschreibens der BaFin zum Anwendungsbereich des Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB) und zum Begriff des „Investmentvermögens“ in der Fassung vom 9. März 2015 verhindert, dass die BaFin proaktiv gegen Investmentvermögen in der Rechtsform der Genossenschaft vorgeht? Wenn ja, für wann ist eine Änderung des Auslegungsschreibens geplant, und wenn nein, aufgrund welcher Sachverhalte soll keine Veränderung erfolgen ? Die angesprochene Passage im Auslegungsschreiben erläutert die grundsätzliche Bewertung der Geschäftstätigkeit von Genossenschaften in Bezug auf das KAGB. Dadurch wird ein Einschreiten der BaFin gegenüber einer missbräuchlichen Verwendung der Rechtsform der Genossenschaft jedoch nicht eingeschränkt . Eine Änderung des Auslegungsschreibens ist daher derzeit nicht geplant . 15. In wie vielen Fällen befasste sich die BaFin mit Genossenschaften, die Vermögensanlagen anbieten, ohne dass dies auf eine Anzeige bzw. Warnung des Marktwächters Finanzen zurückging? In 19 von 20 Fällen kamen die Informationen, die Anlass zur Befassung der BaFin gaben, nicht vom Marktwächter Finanzen. 16. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass der Marktwächter Finanzen über das Jahr 2019 hinaus die Entwicklungen auf dem Grauen Kapitalmarkt beobachten wird, und wenn nein, welches sind die Gründe, die für die Beendigung der Aktivitäten sprechen? Die Bundesregierung kann dies bestätigen. 17. Wie vielen Genossenschaften wurde in den vergangenen fünf Jahren nach Kenntnis der Bundesregierung die Emission von Vermögensanlagen untersagt (bitte einzeln nach Jahren gliedern und die betroffenen Genossenschaften benennen)? In dem erfragten Zeitraum hat die BaFin kein öffentliches Angebot von Vermögensanlagen durch Genossenschaften untersagt, da die betroffenen Genossenschaften das prospektpflichtige Angebot im Rahmen des Auskunfts- und Vorlageersuchens durch die BaFin eingestellt haben. In einem Fall kam es kurz vor der Untersagung zur Insolvenz der Gesellschaft. 18. Welche Erkenntnisse der BaFin und der Bundesregierung gibt es grundsätzlich , dass die Rechtsform Genossenschaft verstärkt von dubiosen An- Drucksache 19/13174 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode bietern von Vermögensanlagen oder anderen Finanzprodukten missbraucht wird? 19. Inwieweit ist insbesondere seit Inkrafttreten des Kleinanlegerschutzgesetzes 2015 nach Kenntnis der Bundesregierung ein verstärkter Missbrauch des Genossenschaftsmantels festzustellen? Die Fragen 18 und 19 werden wegen Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Eigene Erkenntnisse darüber, dass die Rechtsform Genossenschaft verstärkt von dubiosen Anbietern von Vermögensanlagen/anderen Finanzprodukten missbraucht wird bzw. ein verstärkter Missbrauch des Genossenschaftsmantels festzustellen ist, liegen der BaFin und der Bundesregierung nicht vor. In Einzelfällen ist die BaFin gegen einen Missbrauch der Rechtsform eingeschritten. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 37 verwiesen. 20. Welche sonstigen Kapitalanlageprodukte (neben den Vermögensanlagen), Vertriebsformen und -wege oder sonstigen Geschäftsgebaren von Genossenschaften wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in den vergangenen fünf Jahren von der BaFin angemahnt bzw. zogen Konsequenzen der BaFin nach sich, und wie viele Verbraucherbeschwerden wurden in diesem Zeitraum diesbezüglich vom Marktwächter Finanzen gemeldet (bitte jeweils mit aufführen, um welchen Verstoß oder Missstand es sich handelte )? Im Rahmen ihrer Zuständigkeit hat die BaFin auch die Geschäftstätigkeit von Genossenschaften auf ihre Vereinbarkeit mit den verschiedenen Aufsichtsgesetzen geprüft. Im Zuge dessen ist sie auch gegen unerlaubte Investmentgeschäfte von Genossenschaften vorgegangen. Da der Marktwächter Finanzen seine Arbeit erst im Jahr 2015 aufgenommen hat, können diesbezüglich Angaben nur für einen ca. 4 jährigen Zeitraum gemacht werden. Seit Beginn seiner Tätigkeit hat der Marktwächter Finanzen die BaFin zum einen auf eine Wohnungsgenossenschaft aufmerksam gemacht, die zum damaligen Zeitpunkt (Januar 2017) Genossenschaftsbeteiligungen im Rahmen von VL-Sparverträgen angeboten habe, wobei der Verdacht bestanden habe , dass dies unter Umgehung der Prospektpflicht nach dem Vermögensanlagengesetz geschehe. Der Marktwächter Finanzen gab seinerzeit an, dass ihm in Bezug auf die Genossenschaft seit 2015 mehr als 120 Beschwerden zugegangen seien. Nach Durchführung eines Vorlage- und Auskunftsersuchens im Juni 2017 erhärtete sich der Verdacht jedoch nicht. Zudem unterrichtete der Marktwächter Finanzen die BaFin im Oktober 2018 darüber, dass ihm unterschiedlichste Beschwerden vorlägen, die sich auf 28 verschiedene Genossenschaften verteilten. Die BaFin hat keine Zuständigkeit für die in den Beschwerden angesprochenen Sachverhalte. Der Marktwächter Finanzen hat die Sachverhalte den Landesministerien zugeleitet, bei denen die Aufsicht über die Prüfungsverbände liegt. 21. Welche Erkenntnisse liegen nach Wissen der Bundesregierung der BaFin bezüglich der Green Value SCE vor, die die Anhaltspunkte hinsichtlich eines fehlenden Prospekts rechtfertigen? 22. Seit wann genau wird der Sachverhalt geprüft? Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/13174 23. Warum hat die BaFin nach Kenntnis der Bundesregierung nicht ihre Auskunftsrechte gemäß § 19 VermAnlG genutzt, um die Frage nach den erfolgsabhängigen Vergütungen zu klären? 24. Warum wurde nach Kenntnis der Bundesregierung von der BaFin keine Untersagung des Angebots gemäß § 18 VermAnlG ausgesprochen, um Anlegerinnen und Anleger wirksamer zu schützen? Die Fragen 21 bis 24 werden wegen Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet : Zu einzelnen Genossenschaften können keine Auskünfte gegeben werden, insbesondere nicht zu laufenden Verfahren. 25. Wie positioniert sich die Bundesregierung zum Anliegen des Gesetzesantrags des Landes Brandenburg zum Schutz von Genossenschaften (Bundesratsdrucksache 577/18, Gesetzentwurf BRat 244/19)? Wie in der Stellungnahme der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 19/11467 bereits ausgeführt, hält die Bundesregierung das Ziel des Gesetzentwurfs des Bundesrates für sinnvoll, nämlich die „Marke Genossenschaft“ sowie Verbraucherinnen und Verbraucher vor unseriösen Kapitalanlage- Genossenschaften zu schützen. Sie erhebt gegenüber den einzelnen Änderungsvorschlägen – insbesondere die Klarstellung, dass die Kapitalanlage als eigenständiger Förderzweck unzulässig ist, sowie die Verbesserung der Information der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) über mögliche Verstöße von Genossenschaften gegen das Kapitalanlagegesetzbuch oder gegen das Vermögensanlagengesetz – keine Bedenken. Die Bundesregierung ist allerdings der Ansicht, dass die Vorschläge des Bundesrates allein nicht ausreichen, um unseriöse Kapitalanlage-Genossenschaften wirksam zu verhindern. Die Bundesregierung weist darauf hin, dass sie bereits eigene weitergehende Vorschläge prüft. 26. Wie positioniert sich die Bundesregierung speziell zu der Forderung, die genossenschaftlichen Prüfungsverbände dazu zu verpflichten, die BaFin und die Aufsichtsbehörde unverzüglich über Verstöße von geprüften Genossenschaften gegen das Kapitalanlagegesetzbuch oder gegen das Vermögensanlagengesetz zu informieren, damit diese auf Grund der Hinweise tätig werden können? Gegen die vorgeschlagene Verschärfung in § 62 Absatz 3 Satz 2 GenG bestehen aus Sicht der Bundesregierung keine generellen Bedenken (s. Stellungnahme der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 19/11467). Damit soll statt der derzeitigen Ermessensentscheidung des Prüfungsverbands künftig dessen Pflicht vorgesehen werden, Feststellungen im Prüfungsbericht unverzüglich an die BaFin weiterzuleiten. Dies soll nicht nur – wie derzeit – bei Anhaltspunkten für unerlaubte Investmentgeschäfte im Sinne des § 15 KAGB geschehen, sondern auch bei möglichen Verstößen gegen das Emittenten-Privileg nach § 2 Absatz 1 Nummer 1 und 1a VermAnlG. Nach Einschätzung der Bundesregierung dürfte eine Weiterleitungspflicht allerdings nur begrenzt gegen unseriöse Kapitalanlage-Genossenschaften helfen. Denn nach den Vorschlägen obläge es den genossenschaftlichen Prüfungsverbänden , die BaFin über Verstöße zu informieren. Wenn jedoch der genossenschaftliche Prüfungsverband in seinem Prüfungsbericht aus welchen Gründen auch immer keinerlei Ausführungen zu möglichen Verstößen gegen das Kapitalanlagegesetzbuch oder gegen das Emittenten-Privileg nach § 2 Absatz 1 Drucksache 19/13174 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Nummer 1 und 1a VermAnlG macht, geht die vorgeschlagene Regelung ins Leere. Im Übrigen kann es nicht Aufgabe des Prüfungsverbands sein, zu prüfen und zu bewerten, ob unerlaubte Investmentgeschäfte im Sinne des § 15 KAGB vorliegen oder ob gegen das Emittenten-Privileg nach § 2 Absatz 1 Nummer 1 und 1a VermAnlG verstoßen werden könnte. Diese Prüfung und Bewertung obliegt allein der BaFin bzw. letztlich den zuständigen Gerichten. Aufgabe des Prüfungsverbands ist es in diesem Zusammenhang vielmehr, zu prüfen und zu bewerten , ob und auf welche Weise die Genossenschaft einen zulässigen Förderzweck verfolgt hat. Der Prüfungsverband sollte der BaFin daher nur tatsächliche Feststellungen mitteilen (z. B. das Vorliegen eines unzulässigen Förderzwecks oder die Zahlung erfolgsabhängiger Vergütungen für den Vertrieb der Genossenschaftsanteile). 27. Wie positioniert sich die Bundesregierung speziell zu der Forderung, auch den Behörden zur Beaufsichtigung der genossenschaftlichen Prüfungsverbände die Möglichkeit einzuräumen, der BaFin Verstöße gegen das Kapitalanlagegesetzbuch oder das Vermögensanlagengesetz anzuzeigen , die ihnen im Rahmen ihrer Aufsichtstätigkeit bekannt geworden sind? Eine ausdrückliche Regelung in § 4 GenG, dass die Aufsichtsbehörde über einen genossenschaftlichen Prüfungsverband die BaFin über mögliche Verstöße von Genossenschaften gegen das Kapitalanlagegesetzbuch oder das Vermögensanlagengesetz informieren darf, erscheint aus Sicht der Bundesregierung grundsätzlich sinnvoll. Solche Informationen dürften jedoch nicht häufig vorliegen , da die Aufsichtsbehörde nur den genossenschaftlichen Prüfungsverband beaufsichtigt, nicht aber die vom Prüfungsverband geprüften Genossenschaften (s. Stellungnahme der Bundesregierung in Bundestagsdrucksache 19/11467). 28. Wie bewertet die Bundesregierung bislang die Arbeit a) der genossenschaftlichen Prüfungsverbände und b) der Behörden zur Beaufsichtigung dieser Prüfungsverbände? Hierzu wird auch auf die Regierungsbegründung auf Bundestagsdrucksache 18/11506, S. 17, sowie die Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 13, 14 und 26 auf Bundestagsdrucksache 19/3595, dort verwiesen. Das genossenschaftliche Prüfungssystem hat sich in jahrzehntelanger Praxis bewährt. Die genossenschaftliche Pflichtprüfung stellt aufgrund der damit verbundenen Beratung und Hilfestellung einen großen Vorteil für die Genossenschaften dar und wird auch als ein Grund für die geringe Insolvenzquote bei Genossenschaften angesehen. Sie dient dem Schutz der Genossenschaftsmitglieder und der Genossenschaftsgläubiger und trägt entscheidend zur Stabilität der genossenschaftlichen Rechtsform bei. Aus Sicht der Bundesregierung hat sich die Prüfung als verlässlich und effektiv erwiesen, was ganz wesentlich auf die rechtsform- und branchenmäßige Spezialisierung der Prüfungsverbände sowie ihre langjährige Erfahrung in diesem Bereich zurückzuführen ist. Die Gründungsprüfung hilft, unseriöse Geschäftsmodelle zu verhindern, auffällige Genossenschaften werden im Rahmen der genossenschaftlichen Geschäftsführungsprüfung in aller Regel zuverlässig aufgefangen . Soweit erforderlich werden die zuständigen Aufsichtsbehörden in die Verfolgung von unseriösen Genossenschaften eingeschaltet. Hierzu hat die Gesetzesnovelle 2017 die gesetzlichen Instrumentarien erweitert. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/13174 Der Kontakt während der Prüfung, der Einblick durch die Prüfung und das Aufzeigen von Verbesserungsmaßnahmen sind wesentliche Teile der Betreuungsfunktion durch den Prüfungsverband. Auch nach den Ergebnissen der am 29. Juni 2015 veröffentlichten Studie „Potenziale und Hemmnisse von unternehmerischen Aktivitäten in der Rechtsform der Genossenschaft“, die seitens der Bundesregierung in Auftrag gegeben worden war, äußerten sich die befragten Genossenschaften grundsätzlich sehr zufrieden mit dem genossenschaftlichen Prüfungssystem. Im Bund-Länder-Ausschuss „Genossenschaftsreferenten“ der Aufsichtsbehörden über die genossenschaftlichen Prüfungsverbände erfolgt seit Jahren eine regelmäßige Koordinierung, Zusammenarbeit und Abstimmung über die Arbeit der Prüfungsverbände. Hierbei werden auch aktuelle Entwicklungen im Genossenschaftsbereich erörtert, z. B. die auffällige Häufung von Verbraucherbeschwerden bei sog. wachstumsorientierten Wohnungsgenossenschaften. Daneben werden derzeit die Hintergründe eines Betrugsfalls und die Rolle des zuständigen Prüfungsverbands ausgewertet. Der erforderliche Reformbedarf des Aufsichtssystems wird intensiv mit allen Beteiligten diskutiert. 29. Wie viele Genossenschaften werden nach Kenntnis der Bundesregierung im Schnitt von einem Prüfungsverband kontrolliert, und wie viele Personen arbeiten im Schnitt für einen solchen Prüfungsverband? Die im Dachverband Deutscher Genossenschafts- und Raiffeisenverband e.V. organisierten 10 genossenschaftlichen Prüfungs- und Fachverbände betreuen rund 5.400 Mitgliedsgenossenschaften. Je nach Art und Größe eines Verbands liegt die Anzahl der Mitgliedsgenossenschaften zwischen 11 und 2.700 Mitgliedern . In ihren Prüfungsabteilungen beschäftigen diese Verbände rd. 1.300 qualifizierte Prüfungskräfte, davon ca. 250 Wirtschaftsprüfer. Daraus ergibt sich überschlägig eine Zahl von 4 Genossenschaften je Mitarbeiter im Prüfungsbereich . Bei den Prüfungsverbänden des GdW Bundesverband deutscher Wohnungsund Immobilienunternehmen e.V. sind jeweils zwischen 100 bis 400 Genossenschaften Mitglied. Für die 10 Prüfungsverbände des GdW arbeiten in den Prüfungsabteilungen rd. 65 Wirtschaftsprüfer und 450 Prüfer und Fachleute aus den Bereichen steuerliche, rechtliche und technische Beratung. 30. Wer ist dafür zuständig, dass die bei den Staatsaufsichten über die genossenschaftlichen Prüfungsverbände, bei der BaFin, den Registergerichten und/oder beim Marktwächter Finanzen eingehenden Hinweise auf Genossenschaften mit fragwürdigen Geschäftsmodellen zu einem bundesweiten „Lagebild“ verdichtet werden? Hierfür existiert keine gesetzlich explizit zugewiesene Zuständigkeit. Das „Bundeslagebild Wirtschaftskriminalität“ des BKA erwähnt auffällige Genossenschaften „mangels Masse“ nicht. Im Bund-Länder-Ausschuss tauschen die Aufsichtsbehörden über die Prüfungsverbände ihre Erkenntnisse aus (vgl. Antwort zu Frage 28). Drucksache 19/13174 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 31. Inwieweit ist die Bundesregierung der Auffassung, dass § 63g des Genossenschaftsgesetzes (GenG), welcher die Durchführung der Qualitätskontrolle bei den genossenschaftlichen Prüfungsverbänden regelt, verhindert, dass sich Prüfungsverbände ihnen genehme Qualitätsprüferinnen und Qualitätsprüfer aussuchen können? Sollte das Vorschlagsrecht für die Qualitätsprüferinnen und Qualitätsprüfer stattdessen bei den jeweiligen Staatsaufsichten liegen, welche Qualitätsprüferinnen und Qualitätsprüfer aus einem bei der Wirtschaftsprüferkammer einzurichtenden Pool auswählen (bitte begründen)? Die Auswahl der Qualitätsprüfer bei genossenschaftlichen Prüfungsverbänden läuft ab wie bei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Insoweit ist § 63g GenG der entsprechenden Regelung der Wirtschaftsprüferordnung (WPO) nachgebildet . Der Verband macht der Wirtschaftsprüferkammer Vorschläge, die von dieser abgelehnt werden können, wenn fachliche Bedenken bestehen. Entsprechend § 57a Abs. 6 WPO haben die zu Prüfenden bei der Kommission für Qualitätskontrolle (KfQK) bis zu drei Vorschläge für mögliche Prüfer für Qualitätskontrolle einzureichen. Die KfQK kann einzelne oder alle Vorschläge ablehnen. Die Prüfer für Qualitätskontrolle unterliegen der Kontrolle durch die KfQK, die ihrerseits von der Abschlussprüferaufsichtsstelle (APAS) überwacht wird. Anlass zur Besorgnis von Interessenkonflikten bei der Auswahl besteht aus Sicht der Bundesregierung nicht. Dem Grunde nach werden die Qualitätsprüfer aus einem bei der Wirtschaftsprüferkammer bestehenden Pool ausgewählt, da nur registrierte Qualitätsprüfer zugelassen sind. 32. Wie positioniert sich die Bundesregierung zu einer Trennung von Beratung und Prüfung, sodass Verbände nur noch die Genossenschaften beraten können, die sie nicht gleichzeitig prüfen? Es ist ein vom Gesetzgeber anerkanntes, legitimes Interesse eines Verbandes, dass er nicht nur die Mitgliedschaft (ggf. verbunden mit aufwendiger Betreuung und Beratung) anbietet, sondern auch die genossenschaftliche Prüfung verbunden mit entsprechenden Einnahmen durchführt (Bundestagsdrucksache 18/12998, S. 21). Dieses Modell der Doppelnatur der genossenschaftlichen Prüfungsverbände hat sich seit Jahrzehnten bewährt. Für eine Änderung oder Abschaffung besteht kein Bedarf. Für eine Trennung von Prüfung und Beratung bei den Prüfungsverbänden besteht aus Sicht der Bundesregierung kein Anlass. Mit dem gesetzlichen Prüfungsmandat und dem fehlenden wirtschaftlichen Eigeninteresse (es fehlt die Gewinnerzielungsabsicht) verfügen die genossenschaftlichen Prüfungsverbände über eine stärkere institutionell verankerte Unabhängigkeit gegenüber der geprüften Genossenschaft. Die schon bestehenden Grundsätze zur Wahrung der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, insbesondere bei der Prüfung von Unternehmen des öffentlichen Interesses, gelten auch für Prüfer der genossenschaftlichen Prüfungsverbände. Ein vollständiges Beratungsverbot wäre mit der unterstützenden und betreuenden Funktion des genossenschaftlichen Prüfungssystems nicht vereinbar. Die genossenschaftliche Betreuungsprüfung hat sich als effektiv und zuverlässig erwiesen, vgl. Antwort zu Frage 28. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 11 – Drucksache 19/13174 33. Inwieweit ist die Bundesregierung der Auffassung, dass bei den Qualitätskontrollen gemäß GenG die so genannte Gründungsprüfung ausreichend in den Blick genommen wird? Wenn nein, was muss aus Sicht der Bundesregierung getan werden? Wenn nein, was muss aus Sicht der Bundesregierung getan werden?“ Die Gründungsprüfungen sind nicht Gegenstand der externen Qualitätskontrolle . Die Qualitätskontrolle für Prüfungsverbände nach § 63e GenG erstreckt sich auf Abschlussprüfungen nach § 53 Absatz 1 und 2 GenG bei den in § 53 Absatz 2 Satz 1 GenG bezeichneten Genossenschaften. Dagegen stellen die gutachtlichen Äußerungen des Prüfungsverbandes nach § 11a Absatz 2 GenG im Rahmen der registergerichtlichen Eintragungsprüfung keine gesetzlichen Abschlussprüfungen dar. Den Staatsaufsichten steht es aber frei, im Rahmen ihrer Aufsichtsbefugnisse nach § 64 Absatz 2 Nummer 4 GenG auch die Gründungsprüfungen näher zu untersuchen, um gezielt gegen „schwarze Schafe“ unter den Prüfungsverbänden vorzugehen. 34. Was ergaben die Prüfungen der Bundesregierung bezüglich erforderlichen Maßnahmen, um die Aufsicht im Bereich Genossenschaften zu verbessern , u. a. striktere Anforderungen an Prüfungsverbände oder Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten von Prüfungsverbänden, um z. B. Unterlagen nachzufordern? Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat am 9. Juli 2019 eine mündliche Anhörung zum Diskussionspapier über mögliche gesetzgeberische Maßnahmen im Hinblick auf unzulässige Kapitalanlage- Genossenschaften vom Mai 2019 durchgeführt, an der Vertreter der Staatsaufsichten der Länder über die genossenschaftlichen Prüfungsverbände, der Landesjustizverwaltungen , der genossenschaftlichen Spitzenverbände, weiterer genossenschaftlicher Verbände, einzelner Prüfungsverbände, der Verbraucherzentralen , der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht sowie der Bundesministerien teilgenommen haben. Die Auswertung der mündlichen Anhörung , wie auch der eingegangenen Stellungnahmen, ist noch nicht abgeschlossen . Es handelt sich mithin um einen nicht abgeschlossenen Vorgang, der innerhalb der Bundesregierung noch beraten wird. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt können daher keine Aussagen zu konkreten Maßnahmen getroffen werden. 35. Welche Regulierungsmaßnahmen befürwortet die Bundesregierung grundsätzlich im Bereich Genossenschaften? Welche werden noch in dieser Legislaturperiode initiiert, gerade um dem Missbrauch der Marke Genossenschaft vorzubeugen? Im Hinblick auf die laufende Prüfung (s. Antwort zu Frage 34) können derzeit dazu keine Angaben gemacht werden. 36. Inwieweit würden solche Regulierungsmaßnahmen nach Auffassung der Bundesregierung der Wahrung kollektiver Verbraucherinteressen und damit dem Aufsichtsziel der BaFin bezüglich des kollektiven Verbraucherschutzes dienen? Maßnahmen, die die Gründung und die Tätigkeit von Kapitalanlage-- Genossenschaften verhindern oder erschweren, dienen nach Auffassung der Drucksache 19/13174 – 12 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Bundesregierung auch dem Verbraucherschutz und erleichtern die Tätigkeit der BaFin. Im Hinblick auf die laufende Prüfung (s. Antwort zu Frage 34) können keine weitergehenden Angaben gemacht werden. 37. Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus den folgenden Fällen von Verwendung des Genossenschaftsmantels bei a) Eventus (www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.urteil-zu-eventus-genos senschaftmillionenbetrug-durch-fehlende-kontrolle-ermoeg licht.9b66d63d-1d52-447abe0c-554bdc266a8c.html www.stuttgarterzeitung .de/inhalt.urteil-zu-eventusgenossenschaft-millionenbetrugdurch -fehlende-kontrolle-ermoeglicht.9b66d63d-1d52-447abe 0c-554bdc266a8c.html), b) Grundwerte (www.br.de/nachrichten/wirtschaft/missbrauch-bei-woh nungs%20genossenschaften,RLKsxNo), c) AVG (www.pnn.de/potsdam/staatsanwaltschaft-prueft-untreuevorwu erfestiftung-warentest-warnt-vor-dubioser-potsdamer-genossen schaft/24118056.html; www.test.de/Altersvorsorgegenossenschaft- AVG-Ermittlungen-wegen-Untreue-5493266-0/; www.test.de/Genos senschaften-Wie-Sie-solide-vondubiosen-unterscheiden-5447572-0/ www.test.de/Genossenschaften-Wie-Siesolide-von-dubiosen-unter scheiden-5447572-0/), d) Protectum (www.test.de/Genossenschaften-Wie-Sie-solide-von-dubio senunterscheiden-5447572-0/ www.test.de/Genossenschaften-Wie- Sie-solidevon-dubiosen-unterscheiden-5447572-0/), e) GENO (www.daserste.de/information/wirtschaft-boerse/plusminus/ sendung/wohnungsgenossenschaften-102.html) und f) GenoGen (www.test.de/Genossenschaften-Wie-Sie-solide-von-dubio sen-unterscheiden-5447572-0/ www.test.de/Genossenschaften-Wie- Sie-solide-von-dubiosen-unterscheiden-5447572-0/) unter verbraucherschutzpolitischen und aufsichtsrechtlichen Gesichtspunkten? Wie ist jeweils (von a bis f) der aktuelle Sachstand, insbesondere bezüglich des Betrugsverdachts, des Verdachts, ein sog. Schneeballsystem zu betreiben, des Vorwurfs, Anlegerinnen und Anlegern Gelder vorzuenthalten etc.? Die Bundesregierung nimmt keine Einzelfallbewertung hinsichtlich der Verwendung des Genossenschaftsmantels vor. Aufgrund ihres gesetzlichen Auftrages prüft und bewertet die BaFin gemäß den gesetzlichen Vorgaben die verschiedenen Geschäftsvorhaben rechtsformneutral. Insofern werden auch Geschäftsvorhaben von Genossenschaften aus dem Blickwinkel des Aufsichtsrechtes beurteilt. Soweit sich bei der Prüfung Anhaltspunkte für Straftaten ergeben , informiert die BaFin die zuständigen Strafverfolgungsbehörden. Die Bundesregierung äußert sich nicht zu mutmaßlichen einzelnen Missbrauchs- oder Betrugsfällen sowie laufenden Verfahren. Soweit ersichtlich beruhen alle Einzelfälle jeweils auf individuellen Umständen, die einzeln zu beurteilen sind. Erkenntnisse über den möglichen Reformbedarf im Genossenschaftswesen werden derzeit intensiv diskutiert. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 13 – Drucksache 19/13174 38. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass es sich bei den bekannt gewordenen Fällen zur Nutzung der Rechtsform der Genossenschaft als Vehikel für den Grauen Kapitalmarkt lediglich um Einzelfälle handelt? Der Bundesregierung sind bislang nur Einzelfälle bekannt. Es handelt sich aber um Fälle, die geeignet sind, das Vertrauen in die Rechtsform Genossenschaft zu schwächen und so dem guten Ruf dieser Gesellschaftsform zu schaden. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 37 Bezug genommen. 39. Wie ist nach Auffassung der Bundesregierung die Rechtsform der Genossenschaft bzw. die Marke Genossenschaft vor Geschäftsmodellen, die dem Grauen Kapitalmarkt zugeordnet werden können, am besten zu schützen? Welche weiteren Regulierungsmaßnahmen befürwortet hier die Bundesregierung ? Die Rechtsform ist am besten geschützt, wenn sichergestellt ist, dass die Prüfungsverbände entsprechend ihrem gesetzlichen Auftrag lückenlos prüfen und bewerten, ob und auf welche Weise die jeweiligen Genossenschaften einen zulässigen Förderzweck verfolgen. Die Prüfungsverbände unterliegen der Staatsaufsicht der Länder, die nach dem Genossenschaftsgesetz über weitgehende Befugnisse verfügen, um darauf hinzuwirken , dass die jeweiligen ihrer Aufsicht unterstehenden Prüfungsverbände dieser Prüfungspflicht hinreichend nachkommen. Das Instrumentarium reicht u. a. von Auflagen, über die Durchführung von Sonderprüfungen bis hin zu Entziehung des Prüfungsrechts. Werden diese Befugnisse – mit Erfahrungen aus den entdeckten Missbrauchsfällen – stärker genutzt, so ist die „Marke Genossenschaft“ nachhaltig vor dem Graumarkt geschützt. Ob darüber hinaus ergänzende oder andere Maßnahmen notwendig sind, wird derzeit geprüft (s. Antwort zu Frage 34). 40. Inwieweit spielen nach Auffassung der Bundesregierung Genossenschaften eine bedeutende Rolle auf dem Grauen Kapitalmarkt? Lässt sich sagen, dass Genossenschaften aus bestimmten Sektoren bislang vermehrt mit Geschäftsmodellen, die dem Grauen Kapitalmarkt zuzuordnen sind, auffällig wurden (z. B. Immobiliensektor)? Wenn ja, welche Sektoren sind dies? Die amtliche Polizeistatistik weist für 2018 5.327 Fälle von Kapitalanlage- und Anlagebetrug im gesamten Kapitalmarkt aus. Daran haben Genossenschaften einen minimalen Anteil. Laut Aussage der Verbraucherschutzverbände entfallen Beschwerden zumeist auf betrügerische Modelle von wenigen (vermeintlichen ) Wohnungsgenossenschaften. 41. Inwieweit sollte nach Auffassung der Bundesregierung die Inanspruchnahme einer staatlichen Förderung (Wohnungsbauprämie und Arbeitnehmersparzulage ), womit auch Wohnungsgenossenschaften mit fragwürdigen Geschäftsmodellen werben, weil das den Eindruck eines seriösen Investments bei Verbraucherinnen und Verbrauchern verstärkt, zukünftig davon abhängig gemacht werden, dass die geförderten Personen innerhalb eines bestimmten Zeitraumes eine genossenschaftseigene Wohnung nutzen und/oder dass die Genossenschaft mittelfristig einen erheblichen Anteil ihrer Bilanzsumme – mindestens 75 Prozent – für die wohnungswirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder einsetzen muss? Drucksache 19/13174 – 14 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Wäre die Streichung der Förderung aus Sicht der Bundesregierung eine weitere Handlungsoption, und wenn nein, warum nicht? Genossenschaften, deren Tätigkeit sich auf die Anlage der von den Mitgliedern auf die Geschäftsanteile geleisteten Beträge beschränkt, bzw. deren Initiatoren werben mit dieser staatlichen Förderung um anlagewillige Personen. Sie versprechen diesen, nicht zuletzt aufgrund der staatlichen Förderung, hohe Renditen ihrer Anlage. Auf diese Weise werden Interessenten, die in der Regel an einer reinen Kapitalanlage interessiert sind, zum Erwerb von Genossenschaftsanteilen animiert. Es wird geprüft, ob bei den Fördertatbeständen die Anforderungen an die wohnungswirtschaftliche Verwendung erweitert werden sollten; dieser Punkt ist auch bereits im o. g. Diskussionspapier über mögliche gesetzgeberische Maßnahmen im Hinblick auf unzulässige Kapitalanlage-Genossenschaften vom Mai 2019 enthalten. Eine Präzisierung des Begriffes der begünstigten Genossenschaften wäre geeignet, entsprechenden Missbräuchen entgegen zu wirken, und könnte dem Förderzweck einer Bau- und Wohnungsgenossenschaft besser gerecht werden. Namentlich würde es Genossenschaften, die nur einen sehr kleinen Teil ihres Kapitals in Wohnungen bzw. Immobilien investieren, nicht mehr möglich sein, mit den staatlichen Förderinstrumenten zu werben. Eine gänzliche Streichung der Förderung würde aber über das Ziel hinausschießen. Die Verschärfung sollte auf Bau- und Wohnungsgenossenschaften beschränkt bleiben , die allein im Zentrum bekannter Betrugsmodelle stehen. Die Förderung des Erwerbs von Anteilen an Kreditgenossenschaften sollte davon ausgenommen werden. Vermögenswirksame Leistungen, für die im Rahmen der geltenden Einkommensgrenzen die Arbeitnehmer-Sparzulage gewährt werden kann, können gem. § 2 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe g) des Fünften Vermögensbildungsgesetzes auch zur Begründung oder zum Erwerb eines Geschäftsguthabens bei einer Genossenschaft verwendet werden. Bau- und Wohnungsgenossenschaften, die für die Anlage in Betracht kommen, müssen nach dieser Vorschrift bereits drei Jahre ohne wesentliche Änderung ihres Unternehmensgegenstandes im Genossenschaftsregister eingetragen und nicht aufgelöst sein. Damit wird ein grundlegender Schutz vor unseriösen Anlagen sichergestellt ohne den Arbeitnehmer mit übermäßigen Prüf- und Nachweisanforderungen zu belasten. 42. Wie viele Auflösungen von Genossenschaften nach § 81 Absatz 1 GenG in den vergangenen 30 Jahren sind der Bundesregierung bekannt (bitte für jedes Jahr einzeln aufführen)? Was müsste nach Auffassung der Bundesregierung getan werden, um diese Norm effektiv gegen Genossenschaften mit fragwürdigen Geschäftsmodellen einsetzen zu können? Auflösungen nach § 81 Absatz 1 GenG hat es soweit ersichtlich noch nicht gegeben . Die Auflösungssanktion dient als ultima ratio Maßnahme für nicht einsichtige Genossenschaften, bei denen alle übrigen Kontrollmaßnahmen nicht wirksam waren (vgl. Kober, ZfgG Bd. 62 (2012), S. 193 ff). Insofern kann der geringe Rückgriff auf § 81 Absatz 1 GenG auch als positives Zeichen für die Wirksamkeit des Prüfungs- und Aufsichtssystems gegen Förderzweckverstöße gewertet werden. Die zuständigen obersten Landesbehörden könnten aber erwägen , in Einzelfällen von der Androhung einen Antrag auf Auflösung zu stellen , stärker Gebrauch zu machen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 15 – Drucksache 19/13174 43. Welche Maßnahmen befürwortet oder plant die Bundesregierung zum Schutze von Verbraucherinnen und Verbrauchern, um die Innovationslust bzw. den Vorsprung der Finanzbranche und deren Gestaltungsmöglichkeiten zur Umgehung gesetzlicher Bestimmungen – wie u. a. bei Vermögensanlagen von Genossenschaften – einzuschränken? Es wird auf die Antworten zu den Fragen 8 und 34 verwiesen. Im Übrigen wird auf das Maßnahmenpaket zur Stärkung des Anlegerschutzes des Bundesministeriums der Finanzen und des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 15. August 2019 verwiesen (www.bundesfinanzministeri um.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Internationales_Finanzmarkt/ 2019-08-15-massnahmenpaket-anlegerschutz.html). Drucksache 19/13174 – 16 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333