Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Karlheinz Busen, Frank Sitta, Dr. Gero Clemens Hocker und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/12763 – Aktive Waldbewirtschaftung als Beitrag zum Klimaschutz V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Mit dem Übereinkommen von Paris hat sich Deutschland verpflichtet, die Erderwärmung auf unter 2 Grad Celsius zu beschränken. Um die vereinbarten Klimaziele zu erreichen, sind alle Bereiche gefordert, ihre sektorspezifischen Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren. Der Bereich LULUCF (Landnutzung , Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft) wird mit der LULUCF- Verordnung ab 2021 ebenfalls in den europäischen Klimaschutzrahmen einbezogen (ec.europa.eu/clima/policies/forests/lulucf_de). Dort nimmt die nachhaltige Waldbewirtschaftung und Holzverwendung eine zentrale Rolle für den Klimaschutz ein. Der deutsche Wald entzieht der Atmosphäre jährlich knapp 60 Millionen Tonnen CO2, die langfristig in Holzprodukten gespeichert noch einmal 2 bis 3 Millionen Tonnen CO2 binden. CO2Einspareffekte durch den Ersatz energieintensiv hergestellter Materialien und fossiler Brennstoffe werden zudem auf über 60 Millionen Tonnen bilanziert . Insgesamt wird der Klimaschutzbeitrag von Wald und Holz auf bis zu 127 Millionen Tonnen CO2 Einsparungen beziffert (www.bmel.de/Shared Docs/Downloads/Broschueren/Waldbericht2017Langfassung.pdf?__blob=pub licationFile). Jedoch geben sowohl die Ausweitung von Gebieten, in denen eine Waldbewirtschaftung und Holznutzung untersagt ist, eine bedingte Mehrfachnutzung von Hölzern, als auch der einschränkte Holzeinsatz im Baubereich, Anlass zur Sorge, ob dieser Klimaschutzbeitrag auch in den kommenden Jahren weiterhin erbracht werden kann.  1. Welche konkreten Maßnahmen plant die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den Ländern, um die Klimaschutzwirkungen der Waldwirtschaft und des Clusters „Forst und Holz“ zu fördern? Unter dem Motto „Klima schützen – Werte schaffen – Ressourcen effizient nutzen “ hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) im Jahr 2017 die Charta für Holz 2.0 auf der Grundlage eines gemeinsamen Beschlusses der Agrarministerkonferenz als Dialogprozess mit den Akteuren des Cluster Forst und Holz aus Ländern, Wirtschaft, Wissenschaft initiiert. Das Deutscher Bundestag Drucksache 19/13188 19. Wahlperiode 13.09.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 11. September 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. BMEL koordiniert den laufenden Prozess mit aktiver Unterstützung der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) sowie des Johann Heinrich von Thünen-Instituts. Mit der Charta für Holz sollen die Klimaschutzwirkung der Holzverwendung aus nachhaltiger Forstwirtschaft gestärkt, ein Beitrag zur Schonung endlicher Ressourcen und Sicherung der Wertschöpfung des Cluster Forst und Holz geleistet werden. Hierzu wurden prioritäre Handlungsfelder identifiziert. In Arbeitsgruppen beraten Experten aus Ländern, Wirtschaft, Wissenschaft über den Handlungsbedarf und geeignete Maßnahmenoptionen. Für die beteiligten Akteure stellen die Beratungen eine wichtige Grundlage für eine mögliche Umsetzung entsprechender Maßnahmen in eigener Verantwortung dar. Für das BMEL selbst liefern die Erkenntnisse wichtige Hinweise für eine zielgerichtete Ausrichtung von Förderung, Forschung und Entwicklung sowie Maßnahmen des Wissens- und Informationstransfers. Über die konkrete Umsetzung und Planung von Maßnahmen (Förderaufrufe, Förderprojekt, Fachveranstaltungen und Fachinformationen) informiert die FNR über regelmäßige Medieninformationen und auf der Website www.charta-fuer-holz.de. Zudem ist ein Statusbericht abrufbar, dessen 2. Ausgabe für Dezember 2019 geplant ist. Im Rahmen einer Statustagung am 17. September.2019 werden BMEL und FNR zudem über den aktuellen Stand der Umsetzung berichten und Anregungen, Ideen und Impulse für die weitere Umsetzung in den jeweiligen Handlungsfeldern diskutieren, die dann in weiteren Beratungen der Arbeitsgruppen einfließen werden. Darüber hinaus unterstützt das BMEL über das Förderprogramm Nachwachsende Rohstoffe, sowie das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) und BMEL gemeinsam über die Förderrichtlinie Waldklimafonds (www.fnr.de/projektfoerderung) zahlreiche Projekte in Forschung und Entwicklung, die die Kenntnisse über die Klimaschutzleistungen der Wälder und innovativer Holzprodukte erweitern. Eine Übersicht zu den laufenden und abgeschlossenen Projekten ist in der Projektdatenbank unter www.kiwuh.de/projekte-und-foerderung/projektdatenbank zu finden. Der Wissenstransfer zu den Ergebnissen im Bereich Wald und Holz wird über die FNR-Abteilung Kompetenz- und Informationszentrum Wald (KIWUH, www.ki wuh.de) forciert. Durch die Baufachberatung der FNR werden Bauherren, Architekten und Handwerker über die Möglichkeiten innovativer und klimaschützender Holzverwendung informiert (www.baustoffe.fnr.de). Innovation und Klimaschutz im Baubereich werden zudem durch den alle zwei Jahre stattfindenden Bundeswettbewerb HolzbauPlus ausgezeichnet (www.holzbauplus-wettbewerb.info).  2. Wie bewertet die Bundesregierung die Schaffung nutzungsfreier Wälder und die Förderung von Wildnisentwicklungsprogrammen im Zusammenhang mit den Klimazielen von Paris? Nachhaltige Waldbewirtschaftung, deren integraler Bestandteil die Holznutzung ist, und Wälder mit natürlicher Waldentwicklung leisten einen Beitrag zum Klimaschutz. In Holzprodukten bleibt ein Teil des in Bäumen gespeicherten Kohlenstoffs je nach Nutzungsart unterschiedlich lange gebunden. Junge Bäume, die anstelle der gefällten nachwachsen, nehmen weiter CO2 auf. Wenn Waldbesitzer auf den Holzeinschlag verzichten, steigt dadurch der Kohlenstoffvorrat im Wald weiter an, jedoch entfallen die Speicherung von Kohlenstoff in Holzprodukten und der mit der stofflichen und energetischen Nutzung von Holz verbundene Substitutionseffekt, der noch einmal eine ähnliche Größenordnung hat, wie die CO2-Senke im Wald. Das Kohlenstoffspeicherungspotential in Wäldern ist nicht unbegrenzt. Entweder das Holz wird genutzt oder die Bäume sterben am Ende ihrer durchschnittlichen natürlichen Lebenszeit von Drucksache 19/13188 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode mehreren hundert Jahren. Bleiben abgestorbene Bäume als Totholz im Wald, bauen Insekten, Pilze und Mikroorganismen das Holz ab; nur ein Teil wird als Humus im Boden gebunden; der größte Teil kehrt als CO2 in die Atmosphäre zurück. Die Rückführung des Kohlenstoffs aus Totholz in die Atmosphäre erfolgt allerdings sehr langsam. Eine Studie der Uni Bayreuth (www.lwf.bay ern.de/mam/cms04/boden-klima/dateien/a87-totholz-als-kohlenstoffsenke.pdf) kommt zu dem Schluss, dass die Halbwertszeit von Buchentotholz bei 15 Jahren liegt und bei Fichtentotholz bei 35 Jahren. Auch Totholz stellt daher einen Zwischenspeicher von Kohlenstoff dar und erzielt dabei gleichzeitig positive Wirkungen für den Schutz der Biodiversität.  3. Wie entwickelte sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Einfuhr und Ausfuhr von Rundholz und Rohholz in den letzten 20 Jahren (Bitte um die Aufstellung der Einfuhr- und Ausfuhrmengen je Holzart und Jahr)? Die Gesamteinfuhren von Rund- und Rohholz haben sich in den vergangenen zwanzig Jahren von 2,9 Millionen m³ im Jahr 1999 auf 9,2 Millionen m³ im Jahr 2018 erhöht. Bis zum Jahr 2005 lagen die Gesamteinfuhren in einem Bereich von 2,4 bis 3,6 Millionen m³. Abgesehen von kleineren Schwankungen und einem deutlichen krisenbedingten Rückgang in den Jahren 2008 und 2009, stiegen die Einfuhren danach deutlich an. Ab dem Jahr 2013 lagen die Einfuhren jeweils über einem Gesamtvolumen von 9 Millionen m3. Nachstehende Abbildung 1 zeigt die Einfuhren nach Holzarten bzw. Holzartengruppen im Zeitraum 1999 bis 2018. Wichtigste Holzartengruppe bei den Einfuhren ist Fichte/Tanne. Die Einfuhren stiegen mit leichten Schwankungen von 2,0 Millionen m³ im Jahr 1999 auf 5,6 Millionen m³ im Jahr 2016. 2017 und 2018 waren die Einfuhren von Fichte/Tanne leicht rückläufig. Zweitwichtigste Holzart bei den Einfuhren ist Kiefer. Im Jahr 1999 lagen die Einfuhren noch bei 0,1 Millionen m³. Seit 2008 ist ein ansteigender Trend zu verzeichnen. Die aktuellen Einfuhren liegen bei 2,8 Millionen m³. Das Einfuhrvolumen der weiteren Holzarten bzw. Holzartengruppen lag über den gesamten Zeitraum deutlich unter einer Million m³. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/13188 0,0 1,0 2,0 3,0 4,0 5,0 6,0 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 Importe von Rundholz und Rohholz in Mio. m³ Fichte / Tanne Kiefer anderes Nadelholz Eiche Buche anderes Laubholz tropische Hölzer Brennholz Abbildung 1: Einfuhren von Rund- und Rohholz in Millionen m³ nach Holzarten (ohne mit Farbe, Beize, Kreosot oder anderen Konservierungsmitteln behandeltes Rohholz) Quelle: Gesamtdatenbank des Thünen-Instituts für Internationale Waldwirtschaft und Forstökonomie Die Gesamtausfuhren von Rund- und Rohholz lagen im Jahr 1999 mit 4,6 Millionen m³ noch deutlich über den Einfuhren. Bis zum Jahr 2004 schwankten die Gesamtausfuhren zwischen 4,6 und 5,6 Millionen m³. Ab dem Jahr 2005 erfolgte ein deutlicher Anstieg zunächst auf 6,9 Millionen m³ und 2006 und 2007 bis auf 7,6 Millionen m³. Danach setzte, auch bedingt durch die weltweite Wirtschaftskrise , ein deutlicher Rückgang ein. Von 2009 bis 2017 bewegten sich die Gesamtausfuhren in einer Größenordnung von 3,4 bis 4,4 Millionen m³, in den letzten Jahren mit ansteigender Tendenz. Auch bedingt durch das hohe Schadholzaufkommen in Deutschland erhöhten sich die Gesamtausfuhren im Jahr 2018 auf 5,4 Millionen m³. Seit 2009 liegen die Gesamteinfuhren über den Gesamtausfuhren . Die nachstehende Abbildung 2 stellt die Entwicklung der Ausfuhren nach Holzarten bzw. Holzartengruppen dar. Wichtigste Holzartengruppe im Export ist Fichte/Tanne. Die Zeitreihe zeigt im Jahr 2007 einen deutlichen Höchstwert mit über 5 Mio. m³. Neben der starken internationalen Nachfrage nach Nadelrohholz war das große Aufkommen von Sturmholz nach dem Sturm Kyrill zu Anfang des Jahres 2007 ein weiterer Grund für diesen hohen Wert. Krisenbedingt reduzierten sich die Ausfuhren von Fichte/Tanne deutlich. In den letzten Jahren war wieder ein leichter Anstieg der Exporte zu verzeichnen. 2018 wurden knapp 3 Mio. m³ ausgeführt. Zweitwichtigste Holzart bei den Ausfuhren ist Buche. Das Exportvolumen schwankte in den letzten Jahren recht stabil um 0,8 Mio. m³. Die Ausfuhren der weiteren Holzarten bzw. Holzartengruppen liegen in den letzten Jahren meist unter 0,5 Mio. m³. Lediglich die Ausfuhren von Kiefer sind wieder leicht angestiegen und liegen aktuell über 0,5 Mio. m³. Drucksache 19/13188 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 0,0 1,0 2,0 3,0 4,0 5,0 6,0 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 Exporte von Rundholz und Rohholz in Mio. m³ Fichte / Tanne Kiefer anderes Nadelholz Eiche Buche anderes Laubholz tropische Hölzer Brennholz Abbildung 2: Ausfuhren von Rund- und Rohholz in Millionen m³ nach Holzarten (ohne mit Farbe, Beize, Kreosot oder anderen Konservierungsmitteln behandeltes Rohholz) Quelle: Gesamtdatenbank des Thünen-Instituts für Internationale Waldwirtschaft und Forstökonomie  4. Rechnet die Bundesregierung mit zukünftigen rohstofflichen Engpässen durch aktuelle Kalamitäten? Die Waldentwicklungs- und Holzaufkommensprognose (WEHAM 2012, Simulationsperiode 2013 – 2027) erwartet für die kommenden Jahre ein nachhaltig nutzbares Rohholzpotenzial von durchschnittlich 80,5 Millionen m³ pro Jahr. Dieser Wert liegt ca. 6 Prozent über der in 2003 bis 2012 tatsächlich genutzten Rohholzmenge in Höhe von durchschnittlich 75,7 Millionen m3. Nach den Ergebnissen der Kohlenstoffinventur 2017 für den Zeitraum 2012 bis 2017 lag die durchschnittliche jährliche Holznutzung mit 62 Millionen m3 rund 23 Prozent unterhalb des nachhaltig nutzbaren Rohholzpotenzials. Die aktuelle Kalamität und ggf. zukünftig auftretende Kalamitäten haben das Potenzial, das Rohholzangebot langfristig zu verändern. Die Größenordnung lässt sich erst nach den nächsten Bundeswaldinventuren abschätzen. Die Frage eines Engpasses wird darüber hinaus von der Nachfrage nach Rohholz, den Möglichkeiten eines effizienten Rohstoffeinsatzes und der Außenhandelsströme von Rohstoffen und Produkten bestimmt. Insofern kann die Frage nach rohstofflichen Engpässen nicht beantwortet werden.  5. Gibt es innerhalb der Bundesregierung Bestrebungen, die Klimaschutzwirkung von Holzprodukten in anderen Wirtschaftssektoren zu bilanzieren ? Wenn ja, welche Bewertungssysteme und Maßnahmen sind dafür geplant ? Die nationale Treibhausgasberichterstattung sowohl unter der Klimarahmenkonvention (UNFCCC) bzw. dem Kyoto-Protokoll und ab dem Jahr 2010 unter dem Pariser-Abkommen, als auch die Berichterstattung gemäß den Vorgaben der europäischen Verordnung 2018/841 des europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 über die „Einbeziehung der Emissionen und des Ab- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/13188 baus von Treibhausgasen aus Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft in den Rahmen für die Klima- und Energiepolitik bis 2030“ folgen verpflichtend den hierfür festgelegten internationalen Regeln und methodischen Vorgaben von UNFCCC und Weltklimarat (IPCC). Danach werden die biogenen CO2-Emissionen nach Quellen und ihre Einbindung nach Senken in der Quellgruppe 5 „Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft“ (LULUCF) berichterstattet (vgl. Umweltbundesamt 2019). Dies beinhaltet unter UNFCCC seit dem Jahr 2013 auch den Beitrag der Holzprodukte zur biogenen CO2-Bilanz in dieser Quellgruppe, der sich ausschließlich auf die materialinhärente Eigenschaft des nachwachsenden Rohstoffs bezieht, zu 50 Prozent aus biogenem Kohlenstoff zu bestehen. Durch die stoffliche Holznutzung wird die Bindung dieses im Rohstoff Holz enthaltenen Kohlenstoffs, welcher zuvor von lebenden Bäumen im Wald aus der Atmosphäre sequestriert und in ihrer Biomasse eingebunden wurde, über den Zeitraum der Verwendung der Holzprodukte verlängert. Die mit der industriellen Verarbeitung des Rohstoffs Holz verbundenen Treibhausgasemissionen , die zum größten Teil durch die hierfür notwendige Nutzung von Energie (d. h. Strom) verursacht sind, werden wie alle anderen industriellen Verarbeitungsprozesse in der Quellgruppe 2 „Industrieprozesse“ berichterstattet . Es werden keine Änderungen an diesen Vorgaben durch die Bundesregierung angestrebt. 6. Inwiefern leistet nach Ansicht der Bundesregierung die Kaskadennutzung innerhalb des Holzsektors einen Beitrag zum Klimaschutz? Durch den in langlebigen Holzprodukten gebundenen Kohlenstoff wird die Kohlenstoffspeicherwirkung des Waldspeichers verlängert. Die Kaskadennutzung führt zu einer Mehrfachverwendung, wodurch die Verweilzeit von Holz im Holzproduktespeicher verlängert wird. Für die stoffliche Verwendung von Holzprodukten muss in den meisten Fällen weniger Energie aufgewendet werden , als für die stoffliche Verwendung von Produkten aus anderen Materialien mit gleichem Nutzen (bezogen auf die jeweilige funktionale Einheit). Durch diesen sogenannten Substitutionseffekt kann insbesondere für langlebige Holzprodukte ein positiver Klimaschutzeffekt entstehen. Erst mit der Verrottung im Wald beziehungsweise der energetischen Nutzung entweder direkt als Brennholz oder am Ende des stofflichen Lebenszyklus wird der im Holz gebundene Kohlenstoff teilweise wieder in Form von CO2 emittiert. Durch Kaskadennutzung von Holz* wird eine wiederholte Materialsubstitution bewirkt mit der Folge einer Entlastung der Umwelt sowie der Schonung knapper Rohstoffe und des Klimas. Bevor stofflich verwertbares Holz (wie z. B. Vollholz, Holzwerkstoffe oder Holzpackmittel) energetisch genutzt wird, sollte es daher eine Kaskadennutzung durchlaufen. Das Thünen-Institut schätzt die Emissionsminderungen in einer Größenordnung von 30 Millionen Tonnen CO2 aufgrund des Ersetzens energieintensiver Rohstoffe durch Holz**. Bei der energetischen Holzverwendung ist anzustreben, dass diese, wo möglich und sinnvoll , auf nicht weiter stofflich verwendbares Rest- und Altholz konzentriert ist oder am Ende einer Nutzungskaskade steht sowie nicht zu Lasten der Senkenfunktion der Wälder geht. * Recycling, bei dem dieselbe Einheit Holz mehrfach aufeinander folgend zur Herstellung von Materialien verwendet und erst abschließend energetisch genutzt wird ** Rüter, S. (2016): Holzprodukte (4.G). In: Gniffke P. (Ed) Nationaler Inventarbericht zum Deutschen Treibhausgasinventar 1990 - 2014, Umweltbundesamt, Climate Change 23/2016, S. 650 – 654. Drucksache 19/13188 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 7. Inwieweit wird nach Ansicht der Bundesregierung eine vollständige Kaskadennutzung innerhalb des deutschen Holzsektors umgesetzt? Die Bundesregierung sieht in der Ausweitung der Kaskadennutzung von Holz große Potenziale, deren Erschließung aber von zahlreichen Faktoren abhängig ist (unter anderem Preise für fossile Rohstoffe und Energien, rechtliche Rahmenbedingungen , technologische Entwicklungen). Bei der Nutzung von Holz und Holzprodukten wird der Recyclinggedanke, wie bei anderen Rohstoffen auch, durch das Kreislaufwirtschaftsgesetz betont, der Umgang mit Altholz folgt der Abfallhierarchie. Die Altholzverordnung klassifiziert nach vier Kategorien (AI bis AIV), wobei für die ersten beiden Kategorien eine stoffliche Verwertung in Form von Holzwerkstoffen, Gewinnung von Synthesegas und Aktivkohle /Industrieholzkohle zulässig ist. Eine vollständige Kaskadennutzung innerhalb des deutschen Holzsektors konnte noch nicht realisiert werden. Während in der deutschen Zellstoff- und Papierindustrie mit einer international im Spitzenfeld liegenden Altpapiereinsatzquote * von 76 Prozent (2018) ein sehr hohes Recyclingniveau erreicht ist, besteht im Bereich der stofflichen Altholzverwendung noch Steigerungspotenzial. Vom jährlichen Altholzaufkommen in der Größenordnung von knapp 8 Millionen Tonnen gelten mindestens 3 Millionen Tonnen als stofflich verwertbar. Hier kommt die Kaskadennutzung vor allem bei der Herstellung von Spanplatten zum Einsatz. Mehr als ein Drittel des in der deutschen Spanplattenindustrie eingesetzten Holzes (circa 2 Millionen m³) besteht aus Holz, das wiederholt stofflich eingesetzt wird. Untersuchungen konnten zeigen, dass auch die direkte stoffliche Weiterverwertung von großformatigen Holzbauteilen realisierbar ist. Die Verwertung von Altholz über noch in Entwicklung befindliche Bioraffinerie-Verfahren stellt eine weitere Zukunftsoption für die verstärkte Kaskadennutzung dar. Hierdurch könnten große Mengen an „bio-basierten“ Plattform-Chemikalien bereitgestellt werden als Substitute für entsprechende Produkte aus fossilen Kohlenstoffquellen Gas, Öl und Kohle. 8. Plant die Bundesregierung, die Kaskadennutzung innerhalb des Holzsektors zu fördern, um damit die Klimaschutzwirkung der Waldbewirtschaftung und der mehrfachen Holznutzung weiter zu steigern? Wenn ja, welche konkreten Maßnahmen verfolgt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang? Altholz ist eine wertvolle Ressource. Die Kaskadennutzung soll daher auch in diesem Bereich weiter ausgebaut und zusätzliche stoffliche Verwendungen vor einer abschließenden energetischen Verwertung über gezielte Forschung und Entwicklung erschlossen werden. Durch das Förderprogramm Nachwachsende Rohstoffe werden im Bereich der Projektförderung zur Ressourceneffizienz auch die Möglichkeiten einer stärkeren Kaskadennutzung entlang der Wertschöpfungskette Holz erforscht. Dazu diente z. B. der Förderaufruf „Ausbau der Material- und Energieeffizienz in der Holzverwendung“ (19.07.2018 bis 31.01.2019) mit 32 eingereichten Projektskizzen (Diese Vorhaben sind noch nicht bewilligt). Laufende und abgeschlossene Vorhaben, die sich auch mit der Kaskadennutzung beschäftigen, sind unter www.kiwuh.de/projekte-und-foerderung/projekt datenbank zu finden. Beispiele: * Altpapierverbrauch in Prozent an der Papier- und Pappeproduktion Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/13188 FKZ Thema Zuwendungsempfänger Laufzeit- Beginn Laufzeit- Ende 2219NR104 Auswirkungen der Kaskadennutzung von Holz auf die Umweltbilanz der nationalen Forst- und Holzbranche in Abhängigkeit von marktwirtschaftlichen und zeitlichen Effekten Technische Universität München 01.10.19 30.09.21 2219NR013 ForestValue: Ökologische und ökonomische Bewertung von Design for Recycling im Holzbau Technische Universität München 01.03.19 28.02.22 Die Arbeitsgruppe „Material- und Energieeffizienz“ entwickelt im Rahmen der Umsetzung der Charta für Holz 2.0 ein Informationspapier „Etablierung einer ressourceneffizienten Kreislaufwirtschaft durch Kaskadennutzung“, das unter anderem über den Status-Quo der Kaskadennutzung von Holz und zukünftig nötige weitere Schritte hin zu einer effizienten „Holzkaskade“ zur Optimierung der Kreislaufwirtschaft Holz aufklären soll (www.charta-fuer-holz.de/chartahandlungsfelder /material-und-energieeffizienz).  9. Wie beurteilt die Bundesregierung die Klimaschutzpotenziale von Holz im Produktbereich Vollholz, Holzspanprodukte, Verpackung oder zur energetischen Verwertung? Auf die Antwort zu Frage 6 wird verwiesen. 10. Welche Maßnahmen sieht die Bundesregierung zur Förderung holzfaserbasierter und holzspanbasierter Produkte vor? Vor dem Hintergrund innovativer Holzverwendung im Sinne des Ausbaus der Bioökonomie bietet die Nutzung von Holzfasern und Holzspänen ein großes Potenzial. Hierzu werden beispielsweise im Förderprogramm Nachwachsende Rohstoffe Vorhaben gefördert. Ziel der Projekte ist es, markttaugliche Anwendungsmöglichkeiten zu erforschen. Beispiele: FKZ Thema Zuwendungsempfänger Laufzeit- Beginn Laufzeit- Ende 22005317 Verwendung gebrauchter Holzfaser- und Holzspanplatten als alternative Rohstoffe zur Herstellung quellungsarmer Holzfaserplatten durch eine neue innovative Technologie Georg-August- Universität Göttingen 30.12.17 31.12.20 22010716 22014717 22020417 Verbundvorhaben (FSP-Brandschutz): Entwicklung einer glimmgeschützten Holzfaserdämmung Fraunhofer-Institut für Holzforschung; GUTEX GmbH + Co. KG; ET Brandschutz GmbH 01.01.19 31.12.21 11. Inwieweit begrüßt die Bundesregierung die Verwendung bisher ungenutzten Kalamitäten aus den Jahren 2017, 2018 und 2019 zur energetischen Verwertung (www.freiepresse.de/vogtland/oberes-vogtland/sachsenfors terwartet-neue-rekordmenge-an-schadholz-artikel10543752)? Die Nutzung von Kalamitätsholz zur energetischen Verwertung in Feuerungsanlagen ist unter Einhaltung der Vorschriften des Bundes- Immissionsschutzrechtes zulässig. Insbesondere aus Gründen des Biodiversitäts- und Bodenschutzes ist es sinnvoll, nicht stofflich verwertbares Drucksache 19/13188 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Kalamitätsholz im Wald zu belassen (siehe auch Antwort zu Frage 2). Hinzu kommt, dass zusätzliche Anreize für die Verwendung von fester Biomasse die Einhaltung künftiger Luftqualitätsgrenzwerte erheblich erschweren könnten. Der zusätzlichen Verbrennung von Holz zur Energiegewinnung im großen Maßstab sind technische Grenzen gesetzt. Es bestehen derzeit keine ausreichenden Kapazitäten, mit denen große Mengen an Schadholz energetisch genutzt werden können. Bestehende Kohlekraftwerke und große Energieanlagen auf Hackschnitzelbasis wie z. B. Holzheizkraftwerke können daher nur geringe zusätzliche Mengen an Schadholz zur Verbrennung aufnehmen. Die Umrüstung bestehender Kraftwerke auf eine Schadholzverbrennung würde komplexe und kostenaufwändige Technologieanpassungen erfordern. 12. Welche Regelungen plant die Bundesregierung zu ergreifen, um einen verstärkten Holzeinsatz, beispielsweise durch das Bauen mit Holz, zu forcieren ? Neben einer zielgerichteten Ausrichtung der Förderung im Rahmen bestehender Förderprogramme, die u. a. auf die Verbesserung der Anwendungsmöglichkeiten und Abbau von Hemmnissen zur Holzverwendung im Bauwesen abzielen , leisten die Einrichtungen im nachgeordneten Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) und BMEL (u. a. Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) und das Thünen-Institut für Holzforschung (TI- HF)) wichtige Grundlagenarbeit zur Weiterentwicklung bestehender Regelungen . Diese werden laufend hinsichtlich notwendiger Weiterentwicklung z. B. unter der Berücksichtigung von Aspekten der Treibhausgasminderung, der Schonung endlicher Ressourcen oder der Anpassung an den Stand der Technik unter Rückgriff auf die Erkenntnisse aus der Forschung überprüft. Aufgrund des föderalen Systems ist beim Bauordnungsrecht zu berücksichtigen, dass entsprechende Weiterentwicklungen und Anpassungen von rechtlich verbindlichen Regelungen in die alleinige Zuständigkeit der Länder fällt. Im Rahmen des Dialogprozesses zur Charta für Holz 2.0 des BMEL befasst sich eine der 6 Arbeitsgruppen konkret mit dem wichtigen Handlungsfeld „Bauen mit Holz in Stadt und Land“. Wichtige Ziele sind: – Steigerung der Holzbauquoten in den verschiedenen Gebäudekategorien, – Steigerung des Holzeinsatzes in der Gebäudesanierung, – Abbau der Diskriminierung von Holz in maßgeblichen Vorschriften und Richtlinien, – Stärkere Berücksichtigung der Klimaschutzeffekte in Strategien, Programmen , Leitfäden und Richtlinien für das Bauwesen. Zur Erschließung der Holzbaupotenziale sind insbesondere im Mehrfamilienhausbau und Nichtwohnbau unterschiedliche Maßnahmen erforderlich. So ist das Know-how z. B. für Mischbauweisen weiterzuentwickeln. Gleichzeitig sind Strukturnachteile der von kleinen und mittleren Unternehmen geprägten Holzbaubranche zu überwinden, etwa beim großvolumigen Bauen oder auch bei der Vergabe von Bauaufträgen durch die öffentliche Hand. Neben diesem spezifischen Entwicklungsbedarf ist das Bauen mit Holz mit länderübergreifenden Hemmnissen verbunden, deren Abbau einen weiteren Schwerpunkt der Charta für Holz darstellt, sodass der Holzbau gegenüber anderen Bauweisen nicht benachteiligt ist und ein fairer Wettbewerb mit anderen Industrien und Materialien ermöglicht wird. Eine Übersicht der Maßnahmen des BMEL zur Förderung und Optimierung des Bauens mit Holz ist als Anlage beigefügt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/13188 13. Sieht die Bundesregierung in der derzeitigen Ausgestaltung der Musterverwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVVTB) eine Einschränkung für einen verstärkten Einsatz von Holz im Bauwesen? Die Musterverwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) vom 31. August 2017 mit Druckfehlerkorrektur vom 11. Dezember 2017 enthält Bestimmungen, die bei der Erfüllung der Grundanforderungen an Bauwerke zu beachten sind. Sie ist (Stand: 15. August 2019) mit Ausnahme von Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein in den Bundesländern eingeführt. Ihr Erlass liegt nach dem Grundgesetz in der ausschließlichen Zuständigkeit der Länder. Drucksache 19/13188 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 11 – Drucksache 19/13188 Drucksache 19/13188 – 12 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 13 – Drucksache 19/13188 Drucksache 19/13188 – 14 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 15 – Drucksache 19/13188 Drucksache 19/13188 – 16 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 17 – Drucksache 19/13188 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333