Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Andrew Ullmann, Michael Theurer, Renata Alt und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/12768 – Der Rettungsdienst in der integrierten Notfallversorgung V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Als Notfallversorgung werden diejenigen medizinischen Behandlungsmaß nahmen in einer Situation verstanden, in der eine dringende Behandlungsbe dürftigkeit besteht und eine ambulante oder stationäre Regelversorgung nicht rechtzeitig zur Verfügung steht. An der Notfallversorgung in Deutschland sind gleich drei Versorgungsbereiche beteiligt, für die unterschiedliche gesetzliche Rahmenbedingungen im Hinblick auf deren Planung, Finanzierung und Leis tungserbringung gelten: der vertragsärztliche Bereitschaftsdienst, der Ret tungsdienst und die Notaufnahmen der Krankenhäuser. Die Notaufnahmen der Krankenhäuser und Rettungsdienste sehen sich seit Jahren einer wachsenden Zahl von Patienten gegenüber, die zu einem be trächtlichen Umfang im Rahmen der ambulanten ärztlichen Versorgung be handelt werden könnten. Dies führt zu langen Wartezeiten in den Notaufnah men und vielfach zu einer Unzufriedenheit der Patienten sowie professionel len Helfer (Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Ge sundheitswesen, Jahresgutachten 2014, Rn. 200; ders., Jahresgutachten 2018, Rn. 1320). Der Rettungsdienst ist gegenwärtig kein eigenes Leistungssegment im Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), sondern wird als Transportleis tung vergütet, an deren Kostenübernahme die Abrechnung einer weiteren Leistung geknüpft ist. Bestehende Vergütungs(fehl)anreize begünstigen Ret tungswagentransporte zu Kliniken und vermeidbare stationäre Aufnahmen (Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswe sen, Jahresgutachten 2014, Rn. 511; ders., Jahresgutachten 2018, Rn. 1320). Angesichts dieser Situation wird eine Neuordnung hin zu einer bedarfsgerech ten, koordinierten und integrativen Notfallversorgung als notwendig angese hen. Im Jahr 2014 hat der Bundesrat einen Gesetzentwurf zur Änderung des SGB V vorgelegt, um den Rettungsdienst als eigenständigen Leistungsbereich zu regeln. Damit sollten „Abrechnungsmissbrauch verhindert, mehr Transparenz und Trennschärfe geschaffen und fachliche und wirtschaftliche Synergien er möglicht“ werden (Bundestagsdrucksache 18/1289). Die vorgeschlagenen Re gelungen seien dabei weder mit einer Ausweitung der Leistungsansprüche noch mit Mehrkosten verbunden. Vielmehr würden „erhebliche zusätzliche Kosten durch vermeidbare Einweisungen ins Krankenhaus eingespart“ (Bun Deutscher Bundestag Drucksache 19/13195 19. Wahlperiode 13.09.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 11. September 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. destagsdrucksache 18/1289, S. 7). Die damalige Bundesregierung lehnte die Forderung gleichwohl ab und begründete dies in der Stellungnahme zum Ge setzentwurf im Wesentlichen damit, dass der Rettungsdienst und seine Finan zierung von den Ländern geregelt werde (Bundestagsdrucksache 18/1289, S. 10). V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Deutschland verfügt über umfassend ausgebaute Systeme der Notfallversor gung in ambulanten und stationären Einrichtungen sowie über ein ebenfalls gut etabliertes Rettungswesen. In allen Bereichen gelten jedoch unterschiedliche Ordnungsprinzipien, die die Planung, Finanzierung und Leistungserbringung betreffen. So ist insbesondere das Rettungswesen in den landesspezifischen Rettungsdienstgesetzen verankert. Damit obliegt die Organisation und Ausge staltung des Rettungsdienstes den Ländern und hat dadurch eine zwischen den Bundesländern teilweise sehr heterogene Struktur zur Folge. Aufgrund des ho hen Stellenwertes einer zuverlässig funktionierenden Notfallversorgung ist das Erfordernis der Einheit, Durchgängigkeit und Unmittelbarkeit von zunehmen der Bedeutung im Interesse der Notfallpatientinnen und Notfallpatienten. Um die bestmögliche Versorgung von Menschen in medizinischen Notfällen weiterhin gewährleisten zu können, ist eine Reform der Notfallversorgung er forderlich. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat im Juli 2019 die Ziele dieses Reformvorhabens vorgestellt. Ein erster Arbeitsentwurf wurde bereits als Beratungsgrundlage an die Länder verschickt und wird zwischen dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und den Bundesländern diskutiert und weiterentwickelt. Grundlegendes Reformziel ist die Vernetzung und effektive Zusammenarbeit aller an der Notfallversorgung Beteiligten (Rettungsdienst, ambulante vertrags ärztliche Notfallversorgung, Notaufnahmen der Krankenhäuser). 1. Wie bewertet die Bundesregierung die rettungsdienstliche Notfallversor gung für eine effektive Notfallversorgung? Der Rettungsdienst stellt ein unverzichtbares Kernelement einer effektiven Not fallversorgung dar. Durch den Rettungsdienst wird eine qualitativ hochwertige Erstversorgung vor Ort und während des sich anschließenden Transportes in die gebotene Weiterversorgung sichergestellt. Damit kommt ihm eine erhebli che Bedeutung für die Qualität der gesamten Notfallversorgung zu. Der Be handlungserfolg der gesamten medizinischen Notfallversorgung ist im erhebli chen Maß von der schnellen und zielgerichteten Versorgung durch den Ret tungsdienst abhängig. 2. Sieht die Bundesregierung es als zweckmäßig an, die medizinische Not fallversorgung der Rettungsdienste der Länder als eigenständige Leistung der medizinischen Notfallrettung anzuerkennen und unabhängig von der Inanspruchnahme anderer Leistungen der gesetzlichen Krankenversiche rung zu gewähren? Aufgrund der wachsenden Bedeutung des Rettungsdienstes für die präklinische Versorgung und der häufig spezialisierten Versorgung vor Ort sieht die Bundes regierung es als sachgerecht an, die medizinische Notfallversorgung der Ret tungsdienste als eigenständigen Leistungsbereich im Fünften Buch Sozialge setzbuch (SGB V) auszugestalten. Dies ist ein wesentliches Ziel der beabsich tigten Reform der Notfallversorgung. Nach Auffassung der Bundesregierung Drucksache 19/13195 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode kann ein Anspruch auf Leistungen der medizinischen Notfallrettung, der von einer Krankenhauseinweisung, dem Transport dorthin oder von anderen Leis tungen der gesetzlichen Krankenversicherung unabhängig ist, zu einer effizien teren Nutzung der Notfalleinrichtungen führen, da Fehlanreize abgebaut und die Notaufnahmen der Krankenhäuser entlastet würden. Auf der anderen Seite ist damit eine stärkere Beteiligung der gesetzlichen Krankenkassen an der Aus gestaltung der Notfallversorgung verbunden. 3. Hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die dem Gesetzentwurf auf Bundestagsdrucksache 18/1289 zugrunde liegende Positionierung der Län der seit 2014 geändert, soweit es um den Rettungsdienst als eigenständigen Leistungsbereich im SGB V geht? Nach Kenntnis der Bundesregierung hat sich die Position der Länder, den Ret tungsdienst als eigenständigen Leistungsbereich ins SGB V aufzunehmen, nicht geändert. 4. Können nach Kenntnis der Bundesregierung durch die Aufnahme des Ret tungsdienstes als eigenständige Leistung im SGB V Vergütungsfehlanreize beseitigt und vermeidbare Krankenhauseinweisungen verhindert werden? Wenn ja, in welchem Umfang lassen sich dadurch nach Kenntnis der Bundesregierung Einsparungen in der gesetzlichen Krankenversicherung erzielen? Es wird auf die Ausführungen in der Antwort zu Frage 2 verwiesen. In welchem Umfang sich durch die Aufnahme des Rettungsdienstes als eigen ständigen Leistungsbereich im SGB V Einsparungen in der gesetzlichen Kran kenversicherung erzielen lassen, kann nicht beurteilt werden. 5. Vertritt die Bundesregierung die Auffassung, , dass es aus verfassungs rechtlichen Gründen zwingend geboten ist, die wirtschaftliche Sicherung des Rettungsdienstes als Kompetenztitel in der konkurrierenden Gesetzge bungskompetenz des Artikels 74 des Grundgesetzes (GG) zu verankern, um den Rettungsdienst als eigenständigen Leistungsbereich im SGB V zu regeln? 6. Sollte im Übrigen nach Auffassung der Bundesregierung an der nach ge ltender Rechtslage gemäß der Artikel 30 und 70 des GG bestehenden Re gelungsverantwortung der Länder für die Organisation und Durchführung des Rettungsdienstes festgehalten werden? Wenn ja, warum? Die Fragen 5 und 6 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beant wortet. Die rechtlichen und fachlichen Prüfungen sind noch nicht abgeschlossen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/13195 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333