Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. André Hahn, Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/12811 – Kriterien bei der Erfassung rechtsextremer Musikveranstaltungen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat in seinem Jahresbericht 2018 eine deutlich niedrigere Anzahl rechtsextremer Musikveranstaltungen genannt als die Bundesregierung bislang den Fragestellerinnen und Fragestellern mitgeteilt hat. Während das BfV von 270 Musikveranstaltungen spricht (S. 63 des Berichts), ergibt sich aus den Antworten der Bundesregierung auf Quartalsanfragen der Fraktion DIE LINKE. eine Gesamtzahl von 320. Diese Zahlen übermittelte die Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 19/8345 mit Datum vom 13. März 2019. Die Abgeordnete Ulla Jelpke erkundigte sich in der Schriftlichen Frage 26 nach der Differenz zwischen beiden Angaben. In ihrer Antwort erläutert die Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 19/11757, es könnten sich „Veränderungen durch Korrekturen und Nachmeldungen“ ergeben. Die Fragestellerinnen und Fragesteller halten diese Erläuterung nicht für plausibel. Es ist ihnen wohl bewusst, dass die einzelnen Angaben auf Quartalsanfragen nicht abschließend sind, da seitens derVerfassungsschutzämter oder ggf. auch der Polizeibehörden regelmäßig noch Nachmeldungen eintreffen. Dies kann aber lediglich erklären, dass die Zahlen höher sind als zunächst angegeben. Beim BfV fallen sie nun aber niedriger aus. Eine mögliche Erklärung hierfür wäre, dass zwischen März 2019 (Datum der Bundestagsdrucksache 19/8345, aus der die Zahlen von 320 Musikveranstaltungen hervorgeht) und Juni 2019 (Datum des BfV-Berichtes mit der Zahl von 270) 50 zunächst als rechtsextrem gewertete Musikveranstaltungen aus der Statistik herausgenommen worden sind. Eine andere Erklärung wäre, dass der Verfassungsschutz das Problem des organisierten Rechtsextremismus auch heute noch kleiner darstellt als es tatsächlich ist. Auch in Hinblick auf das Jahr 2017 hat das BfV deutlich niedrigere Zahlen gemeldet (259 gegenüber 296 in den Antworten auf Kleine Anfragen, vgl. Bundestagsdrucksache 19/914 sowie Bundestagsdrucksache 19/2489). Die Fragestellerinnen und Fragesteller verweisen darauf, dass die Bundestagsdrucksache 19/2489 das Datum vom 5. Juni 2018 trägt, so dass der Hinweis der Bundesregierung in der erwähnten Antwort auf die Schriftliche Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke, das BfV führe „zu Beginn eines jeden Jahres“ ge- Deutscher Bundestag Drucksache 19/13233 19. Wahlperiode 16.09.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 12. September 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. meinsam mit den Landesämtern die Abstimmung der Zahlen durch, als Erklärung für die geringere Zahl nicht trägt. 1. Wie erklärt die Bundesregierung die Differenz zwischen den in den genannten Bundestagsdrucksachen angegebenen Zahlen zu rechtsextremen Musikveranstaltungen in den Jahren 2017 und 2018 und den vom Verfassungsschutz veröffentlichten Zahlen zu den gleichen Zeiträumen? Wie bereits in der Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 26 der Abgeordneten Ulla Jelpke auf Bundestagsdrucksache 19/11757 dargestellt, führt das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) zu Beginn eines jeden Jahres mit den Landesbehörden für Verfassungsschutz (LfV) die Abstimmung der Zahlen für das gesamte abgelaufene Jahr durch. Erst nach dieser Bestandsaufnahme stehen die endgültigen Zahlen der rechtsextremistischen Musikveranstaltungen fest. Nur diese zugelieferten Zahlen, die für die jeweiligen Bundesländer in der Verantwortlichkeit der Landesbehörden liegen, werden im Verfassungsschutzbericht veröffentlicht. Hierbei kommt es regelmäßig zu Abweichungen von den Zahlen der o. g. Beantwortungen der quartalsweisen parlamentarischen Anfragen, da vom BfV alle bis zum Beantwortungszeitpunkt bekanntgewordenen Musikveranstaltungen (lediglich als Zahl ohne Länderzuordnung ) aufgeführt werden, ohne dass hierzu eine Abstimmung mit den Ländern – vergleichbar mit der erbetenen Zulieferung bei den Zahlen für den Verfassungsschutzbericht – erfolgt. Ein Vergleich der abgestimmten Zahlen aus den jährlichen Verfassungsschutzberichten mit den addierten Zahlen aus den Beantwortungen der quartalsweisen parlamentarischen Anfragen ist daher nicht möglich. 2. Inwiefern bzw. in welchem Verhältnis stützt sich die Bundesregierung bei der Beantwortung der Kleinen Anfragen auf Angaben der zuständigen Polizeibehörden bzw. Informationen der Landeskriminalämter und des Bundeskriminalamtes (BKA), und inwiefern stützt sie sich auf Informationen der Landesämter bzw. des Bundesamtes für Verfassungsschutz? Als Grundlage für die Beantwortung der Kleinen Anfragen stützt sich das BfV ausschließlich auf die Verfassungsschutz-Verbunddatei „Nachrichtendienstliches Informationssystem – Wissensnetz“ (NADIS-WN). Informationen zu rechtsextremistischen Musikveranstaltungen werden hierin ausschließlich vom Bundesamt sowie den Landesämtern für Verfassungsschutz eingestellt. Insbesondere die Informationen der Landesämter für Verfassungsschutz enthalten zum Teil auch Polizeierkenntnisse zu entsprechenden Veranstaltungen. Im Übrigen stützt sich die Bundesregierung bei der Beantwortung der Kleinen Anfragen auf Angaben des Bundeskriminalamts (BKA), soweit Informationen zu Straftaten, die im Zusammenhang mit rechtsextremen Musikveranstaltungen begangen werden, Gegenstand der Fragestellung sind. 3. Nach welchen Kriterien erheben die Verfassungsschutzämter nach Kenntnis der Bundesregierung die Zahlen zu rechtsextremen Musikveranstaltungen , und inwiefern gibt es bei den zugrunde liegenden Kriterien Abweichungen zu den Erhebungskriterien durch Polizeibehörden? Die Verfassungsschutzbehörden bewerten eine Musikveranstaltung als rechtsextremistisch , sofern folgende Kriterien erfüllt sind: • Live-Auftritt mindestens einer als rechtsextremistisch bewerteten Band bzw. eines Liedermachers Drucksache 19/13233 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode • Szeneöffentlichkeit (Das Merkmal der Szeneöffentlichkeit dient insbesondere der Abgrenzung von anderen Ereignissen, wie dem Spielen vor einzelnen Personen in Proberäumen . Für Szeneöffentlichkeit sprechen z. B. überregionale Mobilisierung, Erhebung von Eintrittsgeldern, eine nicht abschätzbare Teilnehmerzahl oder Werbung für die Veranstaltung.) • Vortrag rechtsextremistischer Liedtexte bzw. Feststellung rechtsextremistischer Aktivitäten der Interpreten anlässlich der Veranstaltungen (insbesondere Propagandadelikte) • Organisation der Veranstaltung durch rechtsextremistische Gruppierungen oder Einzelpersonen Hierbei ist nicht erforderlich, dass Informationen zu allen Kriterien vorliegen. Mindestvoraussetzung sind der szeneöffentliche Live-Auftritt sowie Indizien für rechtsextremistische Inhalte, die sich insbesondere aus dem Auftritt einschlägiger Bands oder aus dem Vortrag entsprechender Lieder ergeben können. Zu berücksichtigen sind bei der Würdigung die Gesamtumstände der Veranstaltung , wie etwa der Ablauf, die Liedtexte, der Teilnehmerkreis, das Verhalten der Organisatoren, Bands und Teilnehmer und der Vertrieb rechtsextremistischer Tonträger und Devotionalien. Bei den Polizeibehörden werden rechtsextreme Musikveranstaltungen als solche nicht statistisch erfasst, sodass diesbezüglich keine Kriterien im Sinne der Fragestellung – oder eine Abweichung der von den Verfassungsschutzämtern erhobenen Kriterien – dargestellt werden können. 4. Welche Ergänzungen und Korrekturen in Bezug auf Einordnung und Anzahl der Musikveranstaltungen hat es in Hinblick auf das Jahr 2017 gegeben , wer hat diese vorgenommen, und inwiefern können diese Veränderungen die unterschiedlichen Zahlenangaben erklären (bitte vollständig anführen )? Zur Erklärung der unterschiedlichen Zahlenangaben wird auf die Antworten zu den Fragen 1 und 3 verwiesen. Ergänzungen und Korrekturen erfolgen im Rahmen der jährlichen Abstimmung im Verfassungsschutzverbund durch die jeweils zuständigen Landesbehörden für Verfassungsschutz und werden vom BfV grundsätzlich übernommen. Die Zahlen für die jeweiligen Bundesländer liegen in der Verantwortlichkeit der Landesbehörden, die sich aus Geheimschutzgründen teilweise gehindert sehen, Informationen zu sämtlichen von der Bundesregierung bereits in den quartalsweisen Anfragen (ohne Abstimmung mit den Ländern) erwähnten Veranstaltungen zu übermitteln. Die Landesbehörden sind bei ihren Festlegungen und evtl. Ergänzungen/Korrekturen gegenüber dem BfV nicht erklärungspflichtig. 5. Welche Ergänzungen und Korrekturen in Bezug auf Einordnung und Anzahl der Musikveranstaltungen hat es in Hinblick auf das Jahr 2018 gegeben , wer hat diese vorgenommen, und inwiefern können diese Veränderungen die unterschiedlichen Zahlenangaben erklären (bitte vollständig anführen )? Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen. Sie gilt entsprechend auch für das Jahr 2018. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/13233 6. Sind Musikveranstaltungen aus dem Jahr 2017, die bei Beantwortung der Kleinen Anfragen bis März dieses Jahres als rechtsextrem eingestuft worden waren, heute nicht mehr als rechtsextrem eingestuft, und wenn ja, um welche handelt es sich, wer hat zu jeweils welchem Zeitpunkt ihre „Entpolitisierung“ entschieden, und aus welchen Gründen, und inwiefern ist dies mit ggf. involvierten Polizeibehörden abgesprochen (bitte vollständig angeben)? In die Beantwortung der quartalsweisen Kleinen Anfragen fließen ausschließlich die zum Zeitpunkt der Beantwortung nach den o. g. Kriterien als rechtsextremistisch eingestuften Musikveranstaltungen. Diese Einstufung wird auch im Rahmen der jährlichen Abstimmung nicht verändert. Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen. 7. Sind Musikveranstaltungen aus dem Jahr 2018, die bei Beantwortung der Kleinen Anfragen bis März dieses Jahres als rechtsextrem eingestuft worden waren, heute nicht mehr als rechtsextrem eingestuft, und wenn ja, um welche handelt es sich, wer hat zu jeweils welchem Zeitpunkt ihre „Entpolitisierung“ entschieden, und aus welchen Gründen, und inwiefern ist dies mit ggf. involvierten Polizeibehörden abgesprochen (bitte vollständig angeben)? Auf die Antwort zu Frage 6 wird verwiesen. Sie gilt entsprechend auch für das Jahr 2018. 8. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der beschriebenen Problematik? Die Abweichungen in den statistischen Angaben zu rechtsextremistischen Musikveranstaltungen und die ursächlichen Gründe sind der Bundesregierung bekannt . Das BfV beabsichtigt im Rahmen seiner Zentralstellenfunktion aktuell, eine Vereinheitlichung der Zählweise im VS-Verbund zu erreichen. Drucksache 19/13233 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. 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