Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Kirsten Kappert-Gonther, Erhard Grundl, Margit Stumpp, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/12576 – „Benin-Bronzen“ in den Beständen bundesbezuschusster kulturgutbewahrender Einrichtungen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im Jahr 1897 wurden im Rahmen einer britischen Strafexpedition Tausende Kunstobjekte aus dem Edo-Königreich – einem Teil des heutigen Nigerias – geraubt. Unter den geraubten Objekten befanden sich auch die weltberühmten Bronzegüsse, die heutzutage als „Benin-Bronzen“ bezeichnet werden. Von Großbritannien aus wurde das Raubgut Anfang des 20. Jahrhunderts nach ganz Europa verbracht. Auch in Deutschland lagern aktuellen Presseberichten zufolge noch heute Tausende dieser Bronzen (vgl. „Archiv eines Volkes“, DER SPIEGEL vom 20. Juli 2019, S. 118). Laut dem Historiker Dr. Jürgen Zimmerer handelt es sich bei den „Benin-Bronzen“ um die am eindeutigsten als Raubkunst zu bewertenden kolonialen Objekte, die es weltweit gibt (vgl. www.deutschlandfunkkultur.de/umgang-mit-raubkunst-aus-afrika-der-besitzist -problematisch.1013.de.html?dram:article_id=431237). Im Jahr 2010 wurde die „Benin-Dialoggruppe“ zwischen europäischen Museen und nigerianischen Regierungsvertreterinnen und Regierungsvertretern eingesetzt. Die Gruppe verständigte sich im Oktober 2018 darauf, dass Museen aus Deutschland, Großbritannien, Österreich, den Niederlanden und Schweden einige der „Benin-Bronzen“ in einem Rotationsverfahren nach Nigeria ausleihen. Die Frage nach rechtlicher und/oder materieller Restitution der „Benin-Bronzen“ bleibt Gegenstand bilateraler Verhandlungen zwischen Vertreterinnen und Vertretern der Regierungen. Das niederländische Weltkulturenmuseum kündigte im März 2019 an, auch ohne offizielle Restitutionsforderung der nigerianischen Regierung umgehend die unrechtmäßig in Besitz genommenen Objekte zu identifizieren und diese zur Rückgabe anzubieten. Deutscher Bundestag Drucksache 19/13260 19. Wahlperiode 16.09.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien vom 12. September 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Antworten der Bundesregierung beziehen sich auf vom Bund institutionell finanzierte kulturgutbewahrende Einrichtungen.  1. Wie viele „Benin-Bronzen“ lagern nach Kenntnis der Bundesregierung in den Beständen bundesbezuschusster Einrichtungen (bitte nach einzelnen Institutionen auflisten)? In der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) gibt es zirka 440 solcher Objekte .  2. Wie viele „Benin-Bronzen“ werden nach Kenntnis der Bundesregierung in bundesbezuschussten Einrichtungen ausgestellt? Wie wird nach Kenntnis der Bundesregierung dabei die Provenienz der Objekte dargestellt? Derzeit gibt es umzugsbedingt keine Ausstellung des Ethnologischen Museums der SPK zu Benin. Im Bodemuseum der SPK werden im Rahmen der Ausstellung „Unvergleichlich“ derzeit neun „Benin-Bronzen“ aus dem Ethnologischen Museum gezeigt. Daneben werden im Museum Berggruen zwei Bronze- Objekte aus dem Königreich Benin gezeigt. In allen Fällen wird die Provenienz der Objekte dargestellt.  3. Wie viele „Benin-Bronzen“ aus den Beständen bundesbezuschusster Einrichtungen sollen nach Kenntnis der Bundesregierung im Humboldt- Forum ausgestellt werden? Wie wird dabei nach Kenntnis der Bundesregierung auf die Provenienz der Objekte verwiesen? Nach derzeitiger Planung sollen rund 179 „Benin-Bronzen“ im Humboldt Forum ausgestellt werden. Auch hier ist die Darstellung der Provenienz und deren Kontextualisierung in der Ausstellung vorgesehen.  4. Wie viele weitere Objekte aus dem Edo-Königreich, die im Zuge der britischen Strafexpedition von 1897 geraubt wurden, befinden sich nach Kenntnis der Bundesregierung in den Beständen bundesbezuschusster Einrichtungen? In der Sammlung des Ethnologischen Museums der SPK befinden sich 342 Objekte , die aus dem Edo-Königreich stammen könnten und im Zusammenhang mit der britischen Kolonialpraxis stehen könnten.  5. Wie viele dieser weiteren aus der Strafexpedition stammenden Objekte werden nach Kenntnis der Bundesregierung in bundesbezuschussten Einrichtungen ausgestellt? Wie wird nach Kenntnis der Bundesregierung dabei die Provenienz der Objekte dargestellt? Derzeit werden keine der in der Antwort zu Frage 4 genannten Objekte ausgestellt . Drucksache 19/13260 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode  6. Auf welchen Wegen gelangten die „Benin-Bronzen“ sowie die weiteren im Zuge der Strafexpedition geraubten Objekte nach Kenntnis der Bundesregierung in die Bestände der bundesbezuschussten Einrichtungen ? Nach Kenntnis der Bundesregierung wurden die Objekte auf dem Kunstmarkt gekauft. Zum Teil handelt es sich um den internationalen Kunstmarkt, auf den die Objekte von Großbritannien aus gelangt sind, zum Teil stammen sie aus dem Handel in Nigeria.  7. Wie viele „Benin-Bronzen“ sowie die weiteren im Zuge der Strafexpedition geraubten Objekte in den Beständen bundesbezuschusster Einrichtungen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung digitalisiert, und inwieweit ist diese Datenbank öffentlich zugänglich? Die Objekte aus dem Königreich Benin der Sammlung des Ethnologischen Museums sind digitalisiert und über die Online-Datenbank der Staatlichen Museen zu Berlin „SMB-digital“ abrufbar.  8. Wurden und werden nach Kenntnis der Bundesregierung bei der Erforschung der Provenienz der „Benin-Bronzen“ in den Beständen bundesbezuschusster Einrichtungen Expertinnen und Experten aus Nigeria beteiligt ? a) Falls ja, welche genauen Informationen liegen der Bundesregierung hierzu vor? b) Falls nein, warum nicht? Die Erforschung der Provenienz der „Benin-Bronzen“ im Bestand der SPK hat im Wesentlichen im Rahmen der Vorbereitungen für die Ausstellung „Benin 600 Jahre höfische Kunst aus Nigeria“ stattgefunden, die in Kooperation mit der National Commission for Monuments and Museums, Nigeria, erarbeitet und 2007/2008 an mehreren Ausstellungsorten gezeigt wurde.  9. Teilt die Bundesregierung die Forderung des Historikers Dr. Jürgen Zimmerer , eine unabhängige internationale Stiftung wie die Unesco mit der Erforschung der Provenienz der „Benin-Bronzen“ in den Beständen bundesbezuschusster Einrichtungen zu beauftragen (vgl. www.ndr.de/kultur/ kunst/provenienzforschung/Benin-Bronzen-Was-passiert-mit-der-Raub kunst,benin%20126.html)? a) Falls ja, was unternimmt die Bundesregierung in diese Richtung? b) Falls nein, warum nicht? Nach Auffassung der Bundesregierung hat es sich bewährt, dass die Erforschung von Provenienzen zu Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten bestands- und objektbezogen durch die Sammlungsgut bewahrenden Einrichtungen , ggf. unter Hinzuziehung externer Expertise, durchgeführt wird. In der Praxis variieren die Formate. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/13260 10. Wurden Teile der in den Beständen bundesbezuschusster Einrichtungen lagernden Objekte, die aus der britischen Strafexpedition 1897 stammen, nach Kenntnis der Bundesregierung seit ihrer Inbesitznahme verkauft oder gehandelt? Falls ja, welche genauen Kenntnisse hat die Bundesregierung über diese Vorgänge? Die Berliner Museen haben nach Kenntnis der Bundesregierung insbesondere in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sowohl Objekte aus dem Königreich Benin auf dem Kunstmarkt erworben als auch weitergegeben. 11. Unter welchen Bedingungen werden die „Benin-Bronzen“ sowie die weiteren Objekte aus der Strafexpedition nach Kenntnis der Bundesregierung in den bundesbezuschussten Einrichtungen gelagert? Die Objekte werden nach den internationalen Museumsstandards bewahrt. Im Weiteren wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 19/13223 zum Thema „Zustand der Depots bundesbezuschusster kulturgutbewahrender Einrichtungen“ verwiesen. 12. Handelt es sich bei den „Benin-Bronzen“ nach Auffassung der Bundesregierung um Objekte, deren Aneignung in rechtlich und/oder ethisch heute nicht mehr vertretbarer Weise erfolgte? a) Falls ja, inwiefern setzt sich die Bundesregierung gemäß der Ankündigung des Eckpunktepapiers zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten dafür ein, die Voraussetzungen für die Rückgabe der „Benin-Bronzen“ aus den Beständen bundesbezuschusster Einrichtungen zu schaffen? b) Falls nein, warum nicht, und auf welche belastbaren Erkenntnisse stützt sich die Bundesregierung bei dieser Bewertung? 13. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Direktors des Weltkulturenmuseums , Stijn Schoonderwoerd, dass es sich bei den „Benin- Bronzen“ um „koloniale Raubkunst“ handelt (www.deutschlandfunk.de/ rueckgabe-von-kolonialer-raubkunst-der-schalter-ist.2016.de.html? dram:article_id=446735)? a) Falls ja, wird sich die Bundesregierung der Entscheidung des niederländischen Weltkulturenmuseums anschließen und die entsprechenden Objekte zur Rückgabe anbieten? b) Falls nein, warum nicht? 14. Teilt die Bundesregierung die Forderung des Historikers Dr. Jürgen Zimmerer , eine „sofortige Eigentumsübertragung“ der „Benin-Bronzen“ aus den bundesbezuschussten Einrichtungen nach Nigeria zu unternehmen (www.ndr.de/kultur/kunst/provenienzforschung/Benin-Bronzen-Waspassiert -mit-der-Raubkunst,benin%20126.html)? a) Falls ja, welche Pläne verfolgt die Bundesregierung dabei? b) Falls nein, welche Gründe sprechen nach Auffassung der Bundesregierung dagegen, und auf welche belastbaren Erkenntnisse stützt sich diese Bewertung? Die Fragen 12 bis 14 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Drucksache 19/13260 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode In den „Ersten Eckpunkten zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten“, auf die sich die Staatsministerin des Bundes für Kultur und Medien , die Staatsministerin im Auswärtigen Amt für internationale Kulturpolitik, die Kulturministerinnen und Kulturminister der Länder und die kommunalen Spitzenverbände verständigt haben, wurde der Wille festgehalten, die Voraussetzungen für Rückführungen von Kulturgütern aus kolonialen Kontexten, deren Aneignung in rechtlich und/oder ethisch heute nicht mehr vertretbarer Weise erfolgte, zu schaffen. Die Provenienzforschung bildet die Grundlage zur Beurteilung der Herkunft von Sammlungsgut und dessen Erwerbungsumständen . Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass zu Fragen des Umgangs mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten auch ein Austausch mit den Herkunftsstaaten und Herkunftsgesellschaften angemessen ist. Im Ergebnis können dabei begründet und einzelfallbezogen Leihgaben, Kooperationen oder auch Rückgaben in Betracht gezogen werden. 15. Liegen der Bundesregierung oder den bundesbezuschussten Einrichtungen Forderungen aus Nigeria vor, die eine Rückgabe der in bundesbezuschussten Einrichtungen lagernden „Benin-Bronzen“ betreffen? a) Falls ja, um wie viele Rückgabeforderungen handelt es sich dabei, von welcher Stelle wurden die Forderungen vorgebracht, und inwieweit wird den jeweiligen Ersuchen entsprochen? Der Bundesregierung liegt aktuell eine Anfrage aus Nigeria zu Rückgaben von Sammlungsgut vor. Die Prüfung der Anfrage dauert an. 16. Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass zwar nicht die nigerianische Regierung, wohl aber das Königshaus Benin „seit Jahrzehnten bei offiziellen internationalen Anlässen immer wieder um die Rückgabe von Objekten aus der Strafexpedition“ („Archiv eines Volkes“, DER SPIEGEL, 20. Juli 2019, S. 118) bittet? a) Falls ja, warum sind die bundesbezuschussten Einrichtungen diesen Bitten nach Kenntnis der Bundesregierung bisher nicht nachgekommen ? 17. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung Bestrebungen, die „Benin- Bronzen“ aus den Beständen bundesbezuschusster Einrichtungen an die Herkunftsgesellschaften zurückzugeben? a) Falls ja, wie soll dabei nach Kenntnis der Bundesregierung vorgegangen werden? Werden die Herkunftsgesellschaften aktiv über den Verbleib der „Benin-Bronzen“ informiert? An welche Bedingungen soll eine Rückgabe geknüpft werden? b) Falls nein, warum nicht? 18. Befürwortet die Bundesregierung eine temporäre Leihgabe („sharing of col lections“) der „Benin-Bronzen“ aus bundesbezuschussten Einrichtungen oder eine dauerhafte materielle oder rechtliche Rückgabe der Objekte an die Herkunftsgesellschaften? Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/13260 19. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Wissenschaftlers Dr. Felwine Sarr, dass temporäre Leihgabe bzw. eine Zirkulation der Objekte „nicht gut gehen, wenn einer alles hat und der andere nichts und der eine auch noch den ganzen Prozess kontrolliert“ („Geschehen ist fast nichts“, DIE ZEIT, 25. Juli 2019, S. 34)? a) Falls ja, welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus ? b) Falls nein, auf welche belastbaren Erkenntnisse stützt sich die Bundesregierung bei dieser Bewertung? Es wird auf die Antwort zu den Fragen 12 bis 14 verwiesen. 20. Teilt die Bundesregierung die Bewertung des Journalisten Axel Schröder, dass es sich bei den „Benin-Bronzen“ nicht um „einfache Objekte“, sondern um einen „Teil der nigerianischen Geschichte und der nigerianischen Identität“ handelt (www.deutschlandfunkkultur.de/forscher-ueberbenin -bronzen-die-rueckgabe-ist-unumgaenglich.1013.de.html?dram:arti cle_id=447095)? a) Falls ja, welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dieser Betrachtung für die in den Beständen bundesbezuschusster Einrichtungen lagernden „Benin-Bronzen“? b) Falls nein, warum nicht, und auf welche belastbaren Erkenntnisse stützt sich die Betrachtung? Die Bundesregierung begrüßt die unabhängige und umfassende Debatte zum Thema der Benin-Bronzen und sieht davon ab, die Positionen zu bewerten. 21. Befindet sich die Bundesregierung gegenwärtig im Austausch mit der nigerianischen Regierung, um eine dauerhafte materielle oder rechtliche Rückgabe der „Benin-Bronzen“ aus bundesbezuschussten Einrichtungen zu ermöglichen? a) Falls ja, was ist der aktuelle Stand dieses Austausches? b) Falls nein, warum nicht, und plant die Bundesregierung diesbezügliche Aktivitäten in der Zukunft? Es wird auf die Antwort zu den Fragen 12 bis 14 verwiesen. Drucksache 19/13260 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333