Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frank Schäffler, Christian Dürr, Dr. Florian Toncar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/13073 – Rücktrittsrecht bei Lebensversicherungen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Nach einem Bericht des „Handelsblatts“ versuchen Versicherungsnehmer derzeit immer häufiger von ihren Lebensversicherungsverträgen zurückzutreten. In diesem Zusammenhang will der Europäische Gerichtshof (EuGH) nun die Rechte der Versicherten stärken. So erklärte die Generalanwältin Juliane Kokott, dass die Rücktrittsfristen für Lebensversicherungsinhaber nur dann gültig seien, wenn bei dem Vertragsabschluss ausdrücklich auf die Rücktrittsrechte hingewiesen wurden. Verbraucher, die von ihren Versicherungen fehlerhaft beraten wurden, könnten damit ohne Rücksicht auf die Laufzeit ihre Lebensversicherung kündigen (www.handelsblatt.com/finanzen/banken-versiche rungen/versicherungen-ruecktritt-von-der-lebensversicherung-eugh-wirdw o h l - d i e - r e c h t e - d e r - v e r b r a u c h e r - s t a e r k e n / 2 4 5 8 6 5 9 4 . h t m l ? t i cket=ST-17375202-L9hFraA40eL7zEnemRia-ap3). Die Bundesregierung hat im Zuge der Evaluierung des Lebensversicherungsreformgesetzes eine umfasse Analyse des Marktumfeldes von Lebensversicherungen vorgenommen (www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Down loads/Finanzmarktpolitik/2018-06-28_Evaluierungsbericht-zum-Lebensversi cherungsreformgesetz.pdf?__blob=publicationFile&v=1). Deutscher Bundestag Drucksache 19/13661 19. Wahlperiode 27.09.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 25. September 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 1. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie viele Lebensversicherungen in der Bundesrepublik Deutschland in den letzten zehn Jahren jährlich abgeschlossen wurden (bitte nach Jahren aufschlüsseln)? Die Anzahl der eingelösten Neuverträge hat sich wie folgt entwickelt: Jahr Anzahl (Mio.) 2009 6,2 2010 6,1 2011 6,3 2012 6,0 2013 5,3 2014 5,6 2015 5,2 2016 5,1 2017 5,0 2018 5,2 (Quelle: Statistik der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – Erstversicherungsunternehmen und Pensionsfonds, Tabelle 150) 2. Wie viele Lebensversicherungsverträge bestehen derzeit nach Kenntnis der Bundesregierung in der Bundesrepublik Deutschland? 3. Wie hoch ist nach Kenntnissen der Bundesregierung der Wert aller Lebensversicherungen in der Bundesrepublik Deutschland? Die Fragen 2 und 3 werden zusammen beantwortet. Ende 2018 bestanden laut Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht 82,8 Millionen. Lebensversicherungsverträge . Die Versichertenguthaben beliefen sich auf 968 Mrd. Euro (einschließlich Überschussbeteiligung). 4. Wie hat sich die Rendite von Lebensversicherungen nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten zehn Jahren entwickelt? a) Wie haben sich die Garantiezinsen bei Neuverträgen von Lebensversicherungen in den letzten zehn Jahren entwickelt? b) Wie wirkt sich nach Einschätzung der Bundesregierung die aktuelle Niedrigzinsphase auf die Rendite und Garantiezinsen deutscher Lebensversicherungen aus? Der Bundesregierung liegen keine Angaben zu den durchschnittlichen Renditen der bestehenden Versicherungsverträge vor. Nach einer Analyse der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht betrug bei den langfristigen Sparprodukten, die im Jahr 2017 angeboten wurde, der Garantiezins im Durchschnitt 0,64 Prozent in der Ansparphase (branchengewichteter Mittelwert). Für die anderen angefragten Jahre liegt der durchschnittliche Garantiezins nicht vor. Die Lebensversicherer legen den Garantiezins in eigener Verantwortung fest. Aus bilanziellen Gründen gehen sie üblicher Weise nicht über den Höchstrechnungszins hinaus. Drucksache 19/13661 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Die Auswirkungen der Niedrigzinsphase auf die Ertragskraft der Unternehmen lassen sich an der Entwicklung der laufenden Verzinsung aufzeigen, die die Lebensversicherer mit ihren Kapitalanlagen erzielen: Jahr lfd. Verzinsung 2009 4,3 % 2010 4,1 % 2011 4,1 % 2012 4,0 % 2013 3,9 % 2014 3,8 % 2015 3,6 % 2016 3,3 % 2017 3,4 % 2018 2,9 % (Quelle: Statistik der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – Erstversicherungsunternehmen und Pensionsfonds, Tabelle 160) 5. Wie viele Lebensversicherungsnehmer haben nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten zehn Jahren versucht, ihren Vertrag zu widerrufen (bitte nach einzelnen Jahren aufschlüsseln)? a) In wie vielen Fällen wurde das Gesuch abgelehnt? b) In wie vielen Fällen wurde der Vertrag rückabgewickelt? Wie hoch waren die Rückzahlungen der einbezahlten Prämien zuzüglich Zinsen? c) Inwiefern korrespondieren die Widerrufungen der Lebensversicherungen nach Einschätzung der Bundesregierung mit der aktuellen Niedrigzinsphase ? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 6. Wie viele offene Gerichtsverfahren gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung , bei denen sich Versicherungskunden darauf berufen, bei Vertragsabschluss gar nicht oder nur mangelhaft über Rücktrittsrechte belehrt worden zu sein? Der Bundesregierung ist die Anzahl offener Gerichtsverfahren, bei denen sich Versicherungskunden darauf berufen, bei Vertragsabschluss gar nicht oder nur mangelhaft über Rücktrittsrechte belehrt worden zu sein, nicht bekannt. 7. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung der Markt für Lebensversicherungen in den letzten zehn Jahren in Europa entwickelt? a) Wie viele Lebensversicherungsverträge bestehen in Österreich? Wie viele Lebensversicherungsinhaber haben nach Kenntnissen der Bundesregierung ihren Vertrag in Österreich in den letzten fünf Jahren erfolgreich widerrufen (bitte nach einzelnen Jahren aufschlüsseln)? b) Wie viele Lebensversicherungsverträge bestehen in Frankreich? Wie viele Lebensversicherungsinhaber haben nach Kenntnissen der Bundesregierung ihren Vertrag in Frankreich in den letzten fünf Jahren erfolgreich widerrufen (bitte nach einzelnen Jahren aufschlüsseln)? Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/13661 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. c) Wie viele Lebensversicherungsverträge bestehen in Großbritannien? Wie viele Lebensversicherungsinhaber haben nach Kenntnissen der Bundesregierung ihren Vertrag in Großbritannien in den letzten fünf Jahren erfolgreich widerrufen (bitte nach einzelnen Jahren aufschlüsseln )? Die Marktlage in anderen Mitgliedstaaten liegt nicht im Verantwortungsbereich der Bundesregierung. 8. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung des EuGHs (bzw. der Generalanwältin Juliane Kokott), dass bei Versicherten, die gar nicht oder fehlerhaft über Rücktrittsrechte belehrt wurden, die Rücktrittsfrist nicht zu laufen beginnt? a) Haben diese Versicherten ein ewiges Rücktrittsrecht? b) Haben diese Versicherten ein Recht auf eine Rückabwicklung des Vertrages (selbst wenn sie diesen gekündigt haben und die Versicherung den Rückkaufswert bereits ausgezahlt hat)? c) Wie hoch ist nach Schätzungen der Bundesregierung die Quote von abgeschlossenen Lebensversicherungsverträgen, in denen der Versicherungsnehmer fehlerhaft belehrt wurde? Der Europäische Gerichtshof befasst sich mit den Folgen einer unterbliebenen oder fehlerhaften Belehrung über Rücktrittsrechte im Rahmen der verbundenen Rechtssachen C-355/18 bis C-357/18 und C-479/18. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen; die Bundesregierung nimmt zu laufenden Verfahren nicht Stellung. Eine frühere Abfrage der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hat ergeben, dass 36,7 Prozent der Vertragsabschlüsse, die im Zeitraum von Mitte 1994 bis Ende 2007 nach § 5a des Versicherungsvertragsgesetzes in der damals geltenden Fassung abgeschlossen worden sind, potenziell von einem Widerspruch betroffen sein können. Als Widerspruchsgrund kamen dabei auch andere Gründe als eine fehlerhafte Belehrung in Betracht, z. B. der fehlerhafte oder nicht erfolgte Zugang der Versicherungsbedingungen oder eine unterbliebene Belehrung zum Widerspruchsrecht. Drucksache 19/13661 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt.